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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 6 Antworten
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Robin Offline



Beiträge: 317

09.10.2015 07:32
Die Reichsbeschwichtigungsbehörde im Deutschlandfunk Antworten

Martin Mosebach über Botho Straußs neuen Essay

Ich hatte mit einem der üblichen Interviews gerechnet, in dem Interviewer und Interviewter sich in Einigkeit darüber üben, dass das zu besprechende Sujet besser gar nicht besprochen werden sollte. Was dann kam, hat mich aber aus den Socken gehauen. Wie sagt man? Hörbefehl!

Zum Hören: http://srv.deutschlandradio.de/themes/dr...=4&audio=402907 (Eintrag 9. Oktober 2015, 07:17 Uhr)
Der Audiostream beginnt leider erst mitten im Beitrag

Zum Lesen: http://www.deutschlandfunk.de/kulturdeba...ticle_id=333396
Der komplette Text

Auf Zitate verzichte ich mal, um dem geneigten Foristen nicht den Spaß am Hören zu verderben

Edit: jetzt ist der komplette Text online, Mediatheklink verändert (sollte jetzt direkt auf den Beitrag verweisen)

------
"Kurz, womit konnte die Disharmonie einer so schwachen, unruhigen, sich selbst widersprechenden Regierung als mit Barbarei und dem Tode aller vernünftigen, nützlichen Literatur endigen? Hier war kein Griechenland, kein Rom mehr; Europa war ein dunkles Getümmel ziehender Barbaren." (J.G.v.H.)

Kallias Offline




Beiträge: 2.310

09.10.2015 11:52
#2 RE: Die Reichsbeschwichtigungsbehörde im Deutschlandfunk Antworten

Zitat von DLF
Mosebach: Die Flüchtlinge können nichts dafür, aber das ist das, was für Deutschland gefährlich ist, dass das eigenschaftslos gewordene Volk natürlich auch nicht assimilieren kann. Wenn integriert und assimiliert werden soll, dann muss man ja auch irgendwo feststellen, wo hinein, und da macht er ein großes Fragezeichen. Er sagt, die Nation hat das, was ihr eigen war, selber schon abgeschüttelt und kann infolgedessen auch gar nicht mehr integrieren.

Genau umgekehrt verhält es sich. Wenn man sich in eine enge Gemeinschaft mit starker Identität integrieren will, dann hat man eine Menge Schwierigkeiten zu überwinden, muss unendlich viel lernen, muss sich alle möglichen Sitten und Rituale zu eigen machen und den größten Teil der eigenen Erziehung über Bord werfen.

Wer sich in Deutschland integrieren will, muss nur zwei Dinge tun: Arbeiten gehen und Ruhe geben.



NB. Beim Deutschlandfunk steht doch tatsächlich "anschwellender Boxgesang". Den hat Strauß zwar nicht geschrieben, aber das kann man ja nachholen.

Anschwellender Boxgesang

So besinge ich dich,
lange Gerade,
Bezwingerin der Deckung,
und dich,
Haken,
aufwärts geführt gegen
das schutzlose Kinn.

Und besinge ich dich,
Cut,
den vergeblich Getapeten,
offene Quelle des
hinwegströmenden Lebens,
besinge dich,
blutübergossenes Antlitz,
sicheres Zeichen
kommenden Untergangs.

Und dich besinge ich,
Schwellung der Braue,
sichtverhindernde,
Schwellung des Kinns
und der Lippe,
unter den Augen,
Prellung der Rippen,
erschüttertes Hirn,
Folge der Schläge
und mangelnder Deckung,
Ursache
des Knockouts,
des verfrühten,
des entgangenen Preisgeldes,
des verlorenen Titels.

Dennis the Menace Offline




Beiträge: 459

09.10.2015 22:55
#3 RE: Die Reichsbeschwichtigungsbehörde im Deutschlandfunk Antworten

Zitat von DLF
Mosebach: Die Flüchtlinge können nichts dafür, aber das ist das, was für Deutschland gefährlich ist, dass das eigenschaftslos gewordene Volk natürlich auch nicht assimilieren kann. Wenn integriert und assimiliert werden soll, dann muss man ja auch irgendwo feststellen, wo hinein, und da macht er ein großes Fragezeichen. Er sagt, die Nation hat das, was ihr eigen war, selber schon abgeschüttelt und kann infolgedessen auch gar nicht mehr integrieren.




Angesichts dieses dunklen Geraunes würde man schon mal gerne genauer erfahren, um was es sich denn da genau handelt, wenn da implizit völkische Eigenschaften angedeutet werden, die es jetzt nicht mehr gibt, also früher mal gegeben haben muss. Wann und was? Was hat "die Nation" denn abgeschüttelt, was ihr wann zu eigen gewesen sein soll?

Auf solche Kleinigkeiten bzw. Kleinlichkeiten kann sich ein Großdenker natürlich nicht einlassen. Das würde das Lamento zerstören. Das Vertrautsein mit einem bildungsbürgerlichen literarischen Kanon (in diesem Argument badet jedenfalls Strauß besonders gerne) kann ja wohl im Ernst nicht gemeint sein. Das war noch nie eine Eigenschaft des "Volkes" oder der "Nation".

Im Übrigen wissen wir spätestens seit Loriot, dass früher mehr Lametta war. . Aber okay, was für den einen Zeitgenossen die Exhibition mein Haus, mein Boot, mein Auto ist, ist bei den Straußens und Mosebachs halt mein Ephraim der Syrer, mein Armin, mein Conrad Ferdinand Meyer .

Zitat von Botho Strauß im Spiegel
In islamisch theokratischen Ländern wie Iran sind es wenige (Gelehrte),
die den meisten, den Massen, Weisung geben. Bei uns bestimmen
Massen und Medien das Niveau der politischen Repräsentanten,
die allesamt Ungelehrte in jeder Richtung sind




Er hat vorsichtshalber nicht hinzugefügt, was er denn nu für besser hält, indessen kann man das implizit herauslesen. Hauptsache "gelehrt", das heilt alles. Das Kriterium ist natürlich völlig ver-rückt (sprich: Es gehört nicht in die Demokratie), aber indem die Demokratie das eigentliche Hassobjekt ist, passt das natürlich sehr genau.

Zitat von Kallias
Wer sich in Deutschland integrieren will, muss nur zwei Dinge tun: Arbeiten gehen und Ruhe geben.



Ein angenehm nüchterner Beitrag zum Thema Leitkultur, lieber Kallias . Wenn dann auch noch hinzukommt: Die rechtlichen Bedingungen ohne Wenn und Aber respektieren, ist die Sache schon fast perfekt. Wer will, kann dann auch noch als Sahnehäubchen Mosebach lesen.

lich
Dennis

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.548

09.10.2015 23:24
#4 RE: Die Reichsbeschwichtigungsbehörde im Deutschlandfunk Antworten

Zitat von Kallias im Beitrag #2
Anschwellender Boxgesang


Das sind doch klassisch Gebüldete Büldungsborger, das Land der Griechen mit der Seele Suchhund, denen die ollen Lateiner Parvenus sind. Denen kommt man am besten so:

...πάντοθεν: ἀλλ᾽ ὅτε δή μιν ἀμηχανέοντ᾽ ἐνόησε,
μέσσης ῥινὸς ὕπερθε κατ᾽ ὀφρύος ἤλασε πυγμῇ,
πᾶν δ᾽ ἀπέσυρε μέτωπον ἐς ὀστέον. αὐτὰρ ὁ πληγεὶς
ὕπτιος ἐν φύλλοισι τεθηλόσιν ἐξετανύσθη.
ἔνθα μάχη δριμεῖα πάλιν γένετ᾽ ὀρθωθέντος:
ἀλλήλους δ᾽ ὄλεκον στερεοῖς θείνοντες ἱμᾶσιν.
ἀλλ᾽ ὁ μὲν ἐς στῆθός τε καὶ ἔξω χεῖρας ἐνώμα
110αὐχένος ἀρχηγὸς Βεβρύκων: ὁ δ᾽ ἀεικέσι πληγαῖς
πᾶν συνέφυρε πρόσωπον ἀνίκητος Πολυδεύκης.
σάρκες δ᾽ αἱ μὲν ἱδρῶτι συνίζανον, ἐκ μεγάλου δὲ
αἶψ᾽ ὀλίγος γένετ᾽ ἀνδρός: ὁ δ᾽ αἰεὶ πάσσονα γυῖα
ἁπτομένου φορέεσκε πόνου καὶ χροιῇ ἀμείνων.

Dann sind sie nämlich mit ihrem Latein ganz schnell am Ende. Graecum est, non legitur.

Jener, gedenkend nunmehr, was Gewaltiges so zu vollbringen,
Faßte gar schnell mit der Linken dem Held Polydeukes die Linke,
Schräg aus dem Anlauf beugend, und rasch mit der anderen zuckend
Schwang er nun rechts von der Weiche hervor breitknochig den Faustschlag
Und fast hätt' er zum Schaden getroffen den König Amykläs,
Doch der taucht' mit dem Haupt schnell drunter hinweg und mit schwerer
Hand vom linken der Schläf' traf ihn er bis nieder zur Schulter,
Daß schnell dunkeles Blut vorschoß aus gähnender Schläfe,
Und mit der anderen schlug er den Mund, es erklirrte die Zahnreih',
Und stets grimmigern Schlages verwüstet' er jenem das Antlitz,
Bis er die Wangen ihm niedergedroschen, und lang hin im Staube
Lag in den Sinnen verwirret der Mann, und nun, von dem Streite
Lassend, die Hände erhob, denn nah' ganz war er dem Tode.

(Theokrit, Idylle - - 22: Die Dioskuren)



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

10.10.2015 06:56
#5 RE: Die Reichsbeschwichtigungsbehörde im Deutschlandfunk Antworten

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #3

Zitat von Kallias
Wer sich in Deutschland integrieren will, muss nur zwei Dinge tun: Arbeiten gehen und Ruhe geben.


Ein angenehm nüchterner Beitrag zum Thema Leitkultur, lieber Kallias . Wenn dann auch noch hinzukommt: Die rechtlichen Bedingungen ohne Wenn und Aber respektieren, ist die Sache schon fast perfekt. Wer will, kann dann auch noch als Sahnehäubchen Mosebach lesen.


Oder Yogeshwar. Aber das obliegt dann der persönlichen Vorliebe.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

10.10.2015 12:16
#6 RE: Die Reichsbeschwichtigungsbehörde im Deutschlandfunk Antworten

Zitat von Kallias im Beitrag #2
Wer sich in Deutschland integrieren will, muss nur zwei Dinge tun: Arbeiten gehen und Ruhe geben.

Ausgezeichnet auf den Punkt gebracht. Nur ist das in den gerade vorliegenden Fällen viel leichter gesagt als getan. Anders als bei kontrollierter Zuwanderung in Arbeitsverhältnisse (der Standard in der zivilisierten Welt) scheitert die Integration der vielen neuen Mitbewohner des Landes in den allermeisten Fällen schon am ersten Punkt.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

10.10.2015 13:24
#7 RE: Die Reichsbeschwichtigungsbehörde im Deutschlandfunk Antworten

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #3

Zitat von Kallias
Wer sich in Deutschland integrieren will, muss nur zwei Dinge tun: Arbeiten gehen und Ruhe geben.


Ein angenehm nüchterner Beitrag zum Thema Leitkultur, lieber Kallias . Wenn dann auch noch hinzukommt: Die rechtlichen Bedingungen ohne Wenn und Aber respektieren, ist die Sache schon fast perfekt.

Na, wenn das so einfach wäre. Auch wenn jemand bloß "Ruhe geben" soll, ist eine soziale Interaktion nicht vermeidbar; gerade in einem hoch entwickelten Sozialwesen wie unserem, das in diversen Bereichen mehr Zusammenkommen erzwingt als in einem orientalischen Bergvolk jemals denkbar (Schulpflicht, Berufsausbildung, Behördengänge, kommunale und betriebliche Mitbestimmung, öffentliches Erscheinungsbild, Nachbarschaft, Verkehr).
Mit rechtlichen Bedingungen kommt man da gar nicht weiter, weil einfach sehr viele wichtige Normen unseres täglichen Lebens gar nicht gesetzlicher Natur sind, sondern Verkehrssitte oder Anstand. Viele dieser Dinge eignen sich auch gar nicht für eine rechtliche Normierung. Denken Sie nur an die Meinungsfreiheit! Es ist legal, ziemlich Behauptungen zu verbreiten, die ziemlich anstößig sind, weil sie hierzulande ungewohnte Gedanken sind.

Hinter dem "Ruhe geben" steckt also wiederum der Verweis auf eine einheimische maßgebliche Kultur, die sich keiner so recht zu benennen traut. Da sagen auch die Verfassung oder solche Begriffe wie Aufgeklärt und Laizistisch nichts. Wenn ich mit jemandem alleine bin, etwa einem Geschäftspartner, dann ist der Staat erstmal weit weg. Da ist dann die Frage, ob wir uns verstehen und vertrauen. "Kulturagnostisch" ist da nichts zu machen. Das wissen übrigens auch Firmen, die auf die Kultursensibilität ihrer Mitarbeiter achten, wenn sie diese im Kontakt mit Ausländern oder im Ausland arbeiten lassen.

 Sprung  



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