Auf Tichys Einblick findet sich heute - soweit ich sehe, zum ersten Mal seit Ausbruch der Migrationkrise, ein Hinweis auf John Lockes Staatsphilosophie. Es handelt sich um einen zentralen Passus in der Entwicklung des westlichen Vorstellung vom Staat.
Zitat von Andreas Backhaus, 3. Juni 2016Wenn der Gesellschaftsvertrag einseitig, hier von Seiten des Staates durch Aufgabe des Rechtsstaats, gebrochen wurde, dann berechtigt dies die Gegenseite, hier die Bürger, zu einer fristlosen Kündigung.
Wodurch sieht Baberowski – und nicht nur er – diesen Gesellschaftsvertrag nun gegenwärtig bedroht? Hauptsächlich dadurch, dass der Staat den Bürgern gegenüber schlicht vertragsbrüchig geworden ist. ... Der Staat kann nicht mal mehr Menschen effektiv von seinem Territorium entfernen, die hier laut seinen Gesetzen nichts zu suchen haben; da stellt sich eine Frage wie die, ob Integration per Gesetz gelingen wird, einfach nicht. Niemand wird sich integrieren müssen, der es nicht will.
Wenn also ein Vertrag einseitig, hier von Seiten des Staates, gebrochen wurde, dann berechtigt dies die Gegenseite, hier die Bürger, zu einer fristlosen Kündigung. Das sah Hobbes zwar zugegebenermaßen noch anders, aber schon kurz nach ihm räumte der deutlich liberalere John Locke den Bürgern ein Widerstandsrecht gegenüber nach seiner Definition illegitimen Regierungen ein.
Es handelt sich um die Kapitel 18 ("Tyranny", wo die Definition, jenseits des gesetzlosen Einsatzes von Gewalt seintes einer Regierung, von der Wehrlosigkeit der Betroffenen gegenüber - außer durch bewaffneten Widerstand - bestimmt wird) & 19 ("The Dissolution of Government") im "Second Treatise on Government", der "Zweiten Abhandlung über die Regierung" von 1689, in denen Locke die Möglichkeit, eine Regierung, die ihre Pflichten gegenüber dem Volk nicht einlösen kann oder will, loszuwerden, als unabdingbare Voraussetzung (und zwar subito, sobald dieses Versagen eintritt) für ein legitimes Staatswesen definiert. Die Zuordnung des Gewaltmonopols an den Staat geht auf Hobbes' Leviathan, 1651, zurück, wo dem Staat wegen seiner Schutzfunktion noch der unabdingbare Gehorsam des Untertanen zugestanden wird. Die dritte Säule, die der verteilten Gewalten, geht zurück auf Montesquieus "Geist des Gesetzes" von 1748.
PS: Es liegt ja eine beißende Ironie darin: es ist seit gut 20 Jahren ein Gemeinplatz, daß die Lähmung des Staates, die Infantilisierung seines Handels wie auch des öffentlichen Redens darüber, die umstandslose Entsorgung aller Kategorien & Begriffe des "Politischen" auf die Schutthalde des Vergangenen, die Ersetzung des Handelns durchs Gelaber, Gefühligkeit, Hypermoral: daß all das das Endresultat des "Langen Marsches durch die Institutionen" vom Seiten der 68er sind. Und der Startpunkt der 68er war die APO, die "Außerparlamentarische Opposition", die 1966/67 nach der 1. Großen Koalition ein Schleifen der demokratischen Rechte befürchtete, eine unangreifbares, schrankenloses Machtmaximum auf Seiten eines übergriffigen Staats. Und genau diese Leute & ihre ideologischen Erben haben nach Vollendung ihrer Durchmarschiererei - und im Zuge einer neuen GroKo - haargenau die Zustände herbeigeführt, vor denen sie von 40-45 Jahren gar nicht genug warnen konnten. Und diesmal IST es so, daß Opposition gegen den blinden Kurs in die Alternativlosigkeit nur noch außerhalb des Parlamente stattfindet. Wie ging der alte Sponti-Spruch noch? "Wir sind die Leute, vor denen uns unsere Eltern immer gewarnt haben." Elter 1, 2, x... wären in diesem Fall die Väter des Grundgesetzes.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
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