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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 2 Antworten
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Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.566

09.08.2016 00:47
"Arrival" Antworten

Es kommt nicht oft vor, daß man auf einen in Aussicht stehenden Science-Fiction-Film wirklich gespannt sein kann, und schon gar nicht wenn er die andere Hälfte dessen, was das Genre in seinen guten Momenten so an- & aufregend macht, bedient: also statt der Unendlichkeit von Raum & Zeit, die als Erzählbühne zur Verfügung steht, die zugespitzten Fragen der Möglichkeiten, der Gedankenexperimente, der Erkenntnis(theorie) und ihren Grenzen. "The Martian" war im vorigen Jahr ein hinreißender & absolut "harter" SF-Film, der den Gegebenheiten des Universums, wie wir es kennen, Achtung zollt. Aber eine erkenntnistheoretische Herausforderung war er nicht.

Bei Paramounts "Arrival" könnte das der Fall sein.

http://www.tor.com/2016/08/08/first-look...ng/#more-223621

Es handelt sich um eine Adaptation der längeren Erzählung "Story of Your Life" von Ted Chiang von 1998 (die auch der Sammlung seiner Erzählungen von 2002 den Titel verliehen hat) - 57 Seiten in der Erstpublikation; 62 in der Sammlung. Chiang hat in den rund 25 Jahren, die er als Autor tätig ist, nur etwa 12 oder 15 Texte veröffentlicht (je nachdem, ob man die gut 1-2-seitigen Kürzesttexte mitzählt), aber sie gehören zu den anspruchsvollsten und konzeptuell aufgeladensten, die das Genre zu bieten hat. (Das spiegelt sich auch in der Zahl der Preise, mit denen sie bedacht worden sind.) Es gibt nicht viele Autoren, deren Oeuvre sich auf diese Facetten konzentriert - zu nennen wären da noch Greg Egan oder etwa ein Drittel des Werkes von Stanislaw Lem (etwa "Golem XIV", "Die Stimme des Herrn" oder besonders "Schichttorte").

"Story of Your Life" verzichtet völlig auf jede futuristische Staffage: die Aliens, die "Hexapoden" (die klassisches Beispiel für das, was das TV Tropes-Wiki Starfish Aliens nennt: wirklich fremdartige, unirdische Wesen) tauchen eines Tages auf unbekannte Weise auf der Erde auf - & der Text konzentiert sich ganz auf die Versuche von Linguisten & Semantikern, mit ihnen in Kommunikation zu treten & ihre Sprache überhaupt zu entschlüsseln.

Zitat von Wikipedia
The heptapods have two distinct forms of language. Heptapod A is their spoken language, which is described as having free word order and many levels of center-embedded clauses. Understanding Heptapod B, the written language of the aliens, is central to the plot. Unlike its spoken counterpart, Heptapod B has such complex structure that a single semagram cannot be excluded without changing the entire meaning of a sentence. When writing in Heptapod B, the writer knows how the sentence will end. The phenomenon of Heptapod B is explained by the alien's understanding of mathematics and Fermat's principle of least time.



+++ SPOILER ALERT +++

In der Textvorlage - die übrigens, & hier ergibt diese Form tiefen Sinn, nichtsequentiell erzählt - ist, beginnt das Denken in den Symbolen & Formen der Fremden das Denken & vor allem die Wahrnehmung der irdischen Interpretin zu beeinflussen, zu übernehmen. Nochmals Wiki:

Zitat
Dr. Banks's understanding of the heptapods' writing system affects the way she perceives time and suggests a deterministic universe where free will is exercised by not affecting the outcome of events. This is reflected by the tense used in the story's writing: a small portion of the story, at the beginning and the end, is written in the present tense, indicating that the story is being written at the time of the daughter's conception. The sections describing the interactions with the Heptapods is written in the past tense. The sections describing the daughter's life -- from birth to death and beyond -- are written in the future tense, because learning Heptapod B enables Dr. Banks to know her daughter's entire life even before she agrees to conceive her.



Falls es gelingt, das adäquat umzusetzen, dürfte der Effekt auf den Zuschauer ähnlich dem von Christopher Nolans "Memento" sein - aus der völligen Verrätselung des Anfangs (so was wie David Lynch, wenn er Wittgenstein verfilmen würde) wird eine ontologische mise en abîme. Wenn nicht, werden es 2 Stunden übel vertane Lebenszeit. Ohne dass man das vorher weiß.

Zitat von tor.com, Aug 08, 2016
While some outlets are reporting that Arrival will come to theaters November 11 (after doing the festival circuit), others say its release has been pushed back to July 21, 2017. The first trailer is rumored to drop on August 9.





Nb. Mir wollte es immer scheinen, daß sich der Ursprung der Erzählung einem für intellektuelle Ansprüche eher unverdächtigen Genrevorbild verdankt: Nämlich der Grundkonstellation von ST:DS9. Zu den definierenden Elementen dieses speziellen Erzählkosmos zählen neben dem Grundkonflikt Bajor/Cardassia (und den Borg*, ab der 3. Staffel) das Wurmloch in den "Gamma-Quadranten", für den die Station Deep Space Nine so etwas wie eine Kombination aus Duty-Free-Shop & Polizeistation darstellt - und dessen Bewohner, von den Bajoranern als quasi-göttliche "Propheten" verehrt (mit dieser Inkarnation des Trek-Universums haben die Macher Roddenberrys Vorgabe, Religion strikt - ausser als parodistischen Vorwand à la "Q" - außen vor zu lassen - entsorgt): und zwar zeitlos: der sequentielle Ablauf der Zeit ist ihnen eine nichterfassbare Kategorie, ihnen sind alle temporalen Aspekte gleichzeitig präsent (nach Augustinus eines des Attribute der Göttlichkeit...). Der sequentielle Aufbau des "großen Erzählbogens" über 7 Staffeln hinweg (& das beständige Spiel mit der "Prophezeihung", der Tschechowschen Flinte-an-der-Wand also, daß Capt. Sisko der "langerwartete Prophet" sei) spielen Schlitten mit dieser Prämisse. Aber ich hatte, ob nun zurecht oder nicht, den Eindruck, daß TC sich angesichts solcher Begegnungen gesagt hat: wie müsste das ordentlich gespielt werden? (No pun intended.)

PS: * Als ich das letzte Mal einige Vorbilder/Inspirationen zu DS9 aufzählte, habe ich die Borg außen vor gelassen. Sie sind seelenlose Roboter (wenn auch organischer Natur); sie haben grenzenlose Eroberung als Ziel; ihr Standardbefehl an alles noch nicht Assimilierte lautet: "Wir sind die Borg. Deaktivieren Sie Ihre Schutzschilde und ergeben Sie sich. Wir werden ihre biologischen und technologischen Charakteristika den unsrigen hinzufügen. Ihre Kultur wird sich anpassen und uns dienen. Widerstand ist zwecklos!" Und ihr Vehikel, ihr geistiges Zentrum, die Quelle ihrer Existenz ist ein großer schwarzer Würfel. Hat aber ganz sicher nix mit nix zu tun.



PS. Der Film hat Erstvorführung ("erstes Licht", sagen die Astronomen) am 2. September auf dem 73. Filmfestspielen in Venedig.



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.566

24.11.2016 14:04
#2 RE: "Arrival" Antworten

Zum deutschen Kinostart.

Dürfte das 1. Mal sein, daß man erst mal ein Grundstudium Sprachwissenschaft einwerfen muß.

https://www.welt.de/kultur/kino/article1...rnen-Sie-s.html

Zitat von Welt, 23.11.2016
Und darum geht es die nächste Stunde. Wie man Zeichen entschlüsselt, von deren Bedeutung man nicht die allergeringste Vorstellung hat. Angewandte Linguistik. Vermischt mit immer nervöser werdenden Politikern, Weltmachtrivalitäten und abtrünnigen Militärs, zugegeben, aber im Kern geht es um einen der Kernsätze der Linguistik: dass unsere Wahrnehmung der Realität davon abhängt, mit welchen sprachlichen Mitteln wir sie beschreiben.

Kennen Sie die Sapir-Whorf-Hypothese?

Dieses Konzept aus den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts ist als Sapir-Whorf-Hypothese bekannt (obwohl Wilhelm von Humboldt lange davor den gleichen Gedanken formulierte) und eine Art Relativitätstheorie für Sprache. Danach reflektieren grammatikalische Unterschiede jene Unterschiede, mit denen ihre Sprecher die Welt wahrnehmen.



Und jetzt müssen wir erstmal erklären, warum der S/W-Sparchrelativismus Kappes ist. Besonders die XXL-Version von Benjamin Lee Whorf. (Verdankt dem eigentlich unser Lieblingsklingone - sans h - sein Kognomen?) Wird seit dem 50ern mit erstaunlich fixer Amplitude 2x pro Jahrzehnt aufgewärmt, je 1x mit Getöse/Populär & 1 als Wirbelschleppe eines jener Aufsätze aus dem anekdotischen Feuchtbiotop "Die Wissenschaft hat festgestellt..." mit 20 Probanden bei Suggestionsfragestellung. In den 2010ern bislang in unserm Belang in (a) mit Guy Deutschers Through the Language Glass von 2010 (UT: "Why the World Looks Different in Other Languages") & als (b) durch diese, für diesen Bereich typisch typische, Studie:

"Speaking a second language may change how you see the world"

Zitat von Science, March 17, 2015
Where did the thief go? You might get a more accurate answer if you ask the question in German. How did she get away? Now you might want to switch to English. Speakers of the two languages put different emphasis on actions and their consequences, influencing the way they think about the world, according to a new study. ... Russian speakers are faster to distinguish shades of blue than English speakers, for example. And Japanese speakers tend to group objects by material rather than shape, whereas Koreans focus on how tightly objects fit together.



Bin mir sicher, wenn ich mir den Film mit deutscher oder englischer Tonspur reinziehe, daß ich zwei unterschiedliche Fassungen sehe, mit konträren Wirkungen (angesichts unseres Synchronhandwerks wär das nicht mal ausgeschlossen.)

Nb. die Anzahl der nichtreproduzierbaren Studien im Bereich Psychologie/Kognition wird mittlerweile auf bis zu 80% geschätzt.

Zitat von Nature, 27 August 2015
Don’t trust everything you read in the psychology literature. In fact, two thirds of it should probably be distrusted. In the biggest project of its kind, Brian Nosek, a social psychologist and head of the Center for Open Science in Charlottesville, Virginia, and 269 co-authors repeated work reported in 98 original papers from three psychology journals
...
John Ioannidis, an epidemiologist at Stanford University in California, says that the true replication-failure rate could exceed 80%, even higher than Nosek's study suggests.



http://www.nature.com/news/over-half-of-...ty-test-1.18248



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.566

29.11.2016 12:03
#3 RE: "Arrival" Antworten

Leute, die mit so etwas eher keine Schwierigkeiten haben (kommt tatsächlich, ~Min. 34, in fast gleicher Form im Film vor)

http://blog.stephenwolfram.com/2016/11/q...ork/#more-12379

dürften sicher eher angesprochen fühlen. Eine ästhetische Vorliebe für Anselm Kiefer (oder zumindest Toleranz) & Nieselregen schadet auch nicht.

http://blog.stephenwolfram.com/2016/11/q...pacecraft-work/

Zitat
"Quick, How Might the Alien Spacecraft Work? November 10, 2016"
[This post is about the movie Arrival; there are no movie spoilers here.]



Aber hier . General Changs Rückzeitbotschaft (nicht daß er eine Wahl hätte; der Film kreiert kein Kausalitätsparadox, sondern setzt die Fixiertheit des Zeitlinie voraus; nix Probabilität & Wellenkollaps) lautet: 没有水牛只有寡妇在战争。



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

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