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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 11 Antworten
und wurde 1.322 mal aufgerufen
 Sprache und Literatur
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.07.2006 03:58
Orthographie, postmodern Antworten

Am 1. August wird's ernst: Dann wird die "Reform" verbindlich. Pünktlich dazu erscheint der neue Duden. Und in Zettels Raum gibt es dazu eine Entrüstung.

Turbofee Offline



Beiträge: 329

22.07.2006 22:00
#2 RE: Orthographie, postmodern Antworten
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.07.2006 14:53
#3 RE: Orthographie, postmodern Antworten

In Antwort auf:
Tja, ich möchte gerne wissen, wie man dem Verfasser der folgenden Zeilen klar machen wird, daß er jetzt nach der neuen Ortographie schreiben muß. Ich habe das Gefühl, er hat seine ganz eigenen Rechtschreibregeln - nämlich gar keine. Aber immerhin kann er ausdrücken, was er sagen will. Es handelt sich um einen Original-Text eines Schülers an einer Kölner Schule im Jahr 2002 (...)

Tja, lieber Turbofee, da ist dieser Schüler sozusagen wieder auf dem orthographischen Niveau der Rätin Aja zurückgefallen, der Mutter Goethes, geborene Catharina Elisabeth Textor.

Als typische Höhere Tochter aus dem 18. Jahrhundert hatte sie eine Erziehung "genossen", in der die Rechtschreibung offenbar keine große Rolle spielte.

Nur, wie kann ein deutscher Schüler im 21. Jahrhundert in eine der höheren Klassen versetzt werden, wenn er gar nicht deutsch schreiben kann?


Ob er nun - wie der Vorname vermuten läßt - von Einwanderern abstammt, oder ob seine Eltern Deutsche sind: Es ist ein Versagen der Schule, wenn sie es nicht fertigbringt, den Schülern die deutsche Orthographie beizubringen.

Da ist halt viel schiefgelaufen. Die allgemeine Geringschätzung der formalen Bildung, von der ich in dem Blog geschrieben habe. Speziell eine unverantwortliche Nachlässigkeit, was die Assimilation der Einwanderer angeht.


Aber es hat ja ein großes Umdenken begonnen, scheint mir.

Als ich vor Jahren im Infotalk-Forum eine Vorschulerziehung für alle gefordert habe, bei der Deutsch die einzige erlaubte Umgangssprache ist, habe ich mir dafür böse Beschimpfungen zugezogen. Heute pfeifen die Spatzen von den Dächern daß so etwas unerläßlich ist.

Herzlich, Zettel

Turbofee Offline



Beiträge: 329

23.07.2006 16:55
#4 RE: Orthographie, postmodern Antworten
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.07.2006 23:19
#5 RE: Orthographie, postmodern Antworten

Liebe Turbofee,

In Antwort auf:
Im vierten Lebensjahr ist die Spracherlernung schon weitgehend abgeschlossen, jedenfalls ist es in diesem Alter erheblich schwieriger, eine Sprache zu erlernen, besonders wenn sie im Elternhaus nicht gesprochen wird.

Es stimmt, daß das Erlernen der Muttersprache dann weitgehend abgeschlossen ist. Aber zum Glück haben Kinder in diesem Alter noch kaum Schwierigkeiten, eine zweite Sprache zu erlernen. Diese präoperativen Kinder sind ja überhaupt ungeheuer lernfähig und auch wißbegierig.

Die Bilingualismus-Forscher scheinen sich einigermaßen einig zu sein, daß es einen "frühen" und einen "späten" Bilingualismus gibt, und die Grenze wird meist bei der Pubertät gezogen. Bis dahin lernen Kinder noch - so die vorherrschende Auffassung - in der Regel die Zweitsprache genauso gut wie ihre Erstsprache. (Einen Überblick findet man zB hier).


Besser wäre es aber sicherlich, wenn sie schon in der Phase des Spracherwerbs, also in den ersten vier Lebensjahren, bilingual aufwachsen würden. Deshalb ist eigentlich nicht die Vorschule, sondern der Kindergarten der Ort, an dem die sprachliche Assimilation einsetzen müßte. Nur wenn das nicht gelungen ist, muß man es in der Vorschule nachholen, als sozusagen letzte Chance für diese Kinder, eine normale Schulkarriere zu haben. Insofern sehe ich das wohl ähnlich wie du.

Herzlich, Zettel

Inger Offline



Beiträge: 296

25.07.2006 11:13
#6 RE: Orthographie, postmodern Antworten

Meine Enkelkinder waren ein halbes Jahr lang in einem rein portugiesischen Kindergarten. Es wurde also ausschließlich Portugiesisch gesprochen, was den besten Erfolg hatte. Nach Aussagen der Enkelkinder war der Erfolg auf die lieben Kindertanten und auf die lustigen Portugiesenkinder zurückzuführen.
Seitdem halte ich von Reinredereien und theoretischen Supervorschlägen überhaupt nichts mehr.
Grüßchen,
Inger

Turbofee Offline



Beiträge: 329

25.07.2006 15:03
#7 RE: Orthographie, postmodern Antworten
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Inger Offline



Beiträge: 296

25.07.2006 19:17
#8 RE: Orthographie, postmodern Antworten

Sie haben es zum Glück nicht verlernt. irgendwie haben sie ein gutes Sprachgefühl: Manchmal reize ich sie mit gemischtem Spanisch-Portugiesisch, dann anworten sie in reinstem Portugiesisch und berichtigen mich, als könnte ich noch perfekt werden.
Wenn sie im Musikunterricht etwas aufgeholt haben, werden sie auch bei einer Portugiesin, die an der volkshochschule unterrichtet, weiterlernen.
Allerdings müssen jetzt alle aufpassen, die Rangen nicht zu überfüttern, denn immerhin steht Englisch allein schon in der Schule (in Hessen ab Klasse 3) im Vordergrund und wird ja auch zensiert.
Grüßchen,
Inger

Inger Offline



Beiträge: 296

25.07.2006 19:26
#9 RE: Orthographie, postmodern Antworten

Und "nochwas": Die Kinder waren ja nach dem Kindergarten sozusagen im portugiesischen Sprachraum, d.h. in Afrika, wo die Kinder eigentlich Lomwe sprechen und Portugiesisch dazulernen, um sich mit allen anderen Mozambikanern unterhalten zu können. In Mozambik gibt es bei den Einheimischen sechs Sprachen, die wenig miteinander zu tun haben.
Grüßchen,
Inger

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.07.2006 02:45
#10 Sprachen Antworten
Zitat von Inger
In Mozambik gibt es bei den Einheimischen sechs Sprachen, die wenig miteinander zu tun haben.

Ja, ich glaube, das wird in Europa oft vergessen: Daß in Afrika die meisten "Nationen" aus vielen Völkern bestehen.

Es wird ja oft kritisiert, daß die Kolonialmächte die Grenzen "auf dem Reißbrett" gezogen haben, ohne Rücksicht auf Stammesstrukturen.

Das stimmt zweifellos. Andererseits hätte es auch nicht viel geholfen, wenn man bei der Grenzziehung auf diese Rücksicht genommen hätte. Denn - jedenfalls, soweit ich sehe - das Problem ist nicht, daß Stämme und Völker durch koloniale Grenzen getrennt sind, sondern daß ganz verschiedene Völker und Stämme im selben Staat leben.


Und das ist unvermeidlich. Denn als die Kolonisation begann, da gab es halt in Afrika zahllose Völker und Stämme. Alle klein, alle mit einer eigenen Kultur und oft einer eigenen Sprache. Das war ja zur Zeit der Kelten und Germanen bei uns nicht anders.

Das Schwierige ist, daß diese afrikanischen Kulturen in wenigen Jahrhunderten in eine Moderne katapultiert wurden, auf die sie in keiner Weise eingerichtet waren. So, als würde man es den Kimbern und Teutonen zumuten, sich innerhalb weniger Generationen im 21. Jahrhundert zurechtzufinden.


Irgendwie muß es halt nun afrikanische Staaten geben. Sie müssen, wenn sie nicht Ministaaten sein wollen, zwangsläufig jeweils mehrere Völker und viele Stämme umfassen. Also kann die Verkehrssprache nur die der ehemaligen Kolonialherren sein.

Alles sehr schwierig, glaube ich, liebe Inger. Alles aber nicht eine Frage von "Schuld", scheint mir, sondern einer historischen Entwicklung, zu der es vermutlich keine Alternative gegeben hat.

Herzlich, Zettel

Turbofee Offline



Beiträge: 329

27.07.2006 15:37
#11 RE: Sprachen Antworten
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.07.2006 16:02
#12 Kulturen und ihr Zusammenleben Antworten

Liebe Turbofee

Zitat von Turbofee

Aber offenbar beweist es doch, daß, wenn verschiedene Kulturen in einen Topf geworfen werden sollen, es Unruhen und Kriege gibt.

Geben kann. Aber das Ergebnis kann ja auch eine friedliche Entwicklung sein.

In Indien zB gibt es ebenfalls hunderte von Stämmen und Sprachen. Dazu noch das Kastensystem; Brahmanen haben noch nicht einmal im Aussehen viel Ähnlichkeit mit Parias. Sie sind die Nachkommen verschiedener Volksgruppen, die sich über Jahrtausende kaum vermischt haben, weil es strenge Heiratsschranken gab.

Dazu kommt in Indien die religiöse Vielfalt, die schiere Zahl der Menschen. Und doch funktioniert dort ein demokratischer Rechtsstaat, und die Wirtschaft ist dabei, China Konkurrenz zu machen.

Es geht also. Nur ist es halt schwierig. Und Indien hat gegenüber Afrika den Vorteil, daß es dort jahrtausendealte Hochkulturen gibt, mit einer reichen Philosophie, mit Spitzenleistungen in Wissenschaften wie der Mathematik seit buchstäblich Jahrtausenden.

In Antwort auf:
Ein Grund mehr gegen Multikulti. Man kann doch miteinander in Kontakt treten und seine eigene Kultur erhalten. Ich will es einmal so beschreiben: In einem Haus gibt es zwei Räume, der eine ist die eigene Wohnung. Im zweiten Raum findet die Begegnung mit den Nachbarn statt.

Das ist sicher der Zustand, der meist zu den wenigsten Konflikten führt. (Nicht immer, siehe den Nahen Osten. Da wollen die Israelis ja nur ihr eigenes Zimmer, und die meisten Araber wollen es ihnen wegnehmen).

Aber für uns in Europa ist das so wenig eine Alternative wie für beispielsweise die USA. Die USA konnten und können ja nicht gut für die britischen, französischen, deutschen, koreanischen, chinesischen, mexikanischen, vietnamesischen usw. usw. Einwanderer jeweils eigene "Zimmer" einrichten, eigene Bundesstaaten. Und ebensowenig können wir in Europa für die nordafrikanischen, karibischen, asiatischen, türkischen, osteuropäischen usw. Einwanderer eigene Bundesstaaten, Départements o.ä. einrichten.

Also bleibt nichts anderes als der Weg der USA - der Weg einer Assimilation, die es freilich allen Einwanderergruppen ermöglicht, sich über Generationen hinweg allmählich zu assimilieren und dabei auch die eine oder andere Tradition zu bewahren.

So, wie die Nachkommen deutscher Einwanderer in Milwaukee noch gern Spätzle und Weißwurst essen und die Nachkommen koreanischer Einwanderer an der Westküste ihr Kimchi.

In Antwort auf:
Wenn man jemandem dann die eigene Wohnung wegnehmen will und nur noch den öffentlichen Begegnungsraum behalten will, so werden diejenigen unwillig, denen man den privaten Rückzugsraum weggenommen hat und in dem es Frieden gab.

Das stimmt. Deshalb darf eine solche Situation auch nicht entstehen. Es darf nicht so weit kommen, daß Eingesessene sich durch Einwanderer bedroht fühlen. Das ist eine Frage einer vernünftigen Einwanderungs- und Assimilationspolitik.

In Antwort auf:
Dann gibt es viel Gezänke unter all denen, die sich zwangsläufig nur noch im Begegnungsraum aufhalten können. Das nennen wir auch multikulti, und das haben wir wohl auch in Afrika in den Unruheherden.

Ja, das stimmt. Oft sind es ja Konflikte, die Jahrhunderte zurückreichen. Sehr oft zwischen semitischen Einwanderern aus dem Norden, oft Nomaden, und auf der anderen Seite hamitischen Ackerbauern im Süden. Das Ganze heute überlagert durch Versuche der Islamisierung, wie im Sudan und in Somalia, auch in Nigeria.

Alles nicht einfach, liebe Turbofee. Vor allem ist es wohl nicht einfach, diese komplexen Probleme mit analytischer Nüchternheit zu sehen. Wir alle haben ja auch arachaische, evolutionär uralte emotionale Reaktionen Fremden gegenüber.

Die enstanden, als man in Horden lebte, jede mit ihrem eigenen Revier. Das ist nun vorbei, aber unser Gehirn hat sich seither ja nicht viel geändert; das haben wir ja kürzlich diskutiert.

Herzlich, Zettel

Ohne Anrede »»
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