Eine der Seltsamkeiten des heutigen Deutsch ist, daß man einander, wenn man den Namen nicht kennt, nicht vernünftig anreden kann. Zum "Sir", "Mademoiselle", "Mijnfrouw" usw. gibt es im Deutschen keine Gegenstücke.
Wie kommt's? So ganz klar ist mir das auch nicht, aber in Zettels Raum gibt's trotzdem ein paar Gedanken dazu.
In Zettels Raum haben Inger und Regina zwei sehr nette und treffende Antworten geschrieben, die ich kurz kommentieren möchte:
Inger schrieb:
In Antwort auf:all die Anreden, die es schon lange nicht mehr gibt, gehörten ja zur viel befehdeten und auch verhaßten sogenannten Bürgerlichkeit.Die Nichtanreden wurden so modern wie der Rollipulli im Theater und die karierte 7/8 Hose der Weiblichkeiten auf dem Kuhdamm. Es ging um Burschikosität, "Natürlichkeit", ohne untertäniges umständliches Getue. Dabei blieb auch bei vielen die Höflichkeit an sich auf der Strecke.
Ja, das stimmt. Jedenfalls halte ich es für sehr wahrscheinlich; denn erlebt habe ich den Übergang zu diesem Stil eigentlich nicht mehr.
Im Grunde war die Bürgerlichkeit ja schon im Ersten Weltkrieg untergegangen. Danach wirkte auf einmal das, was zuvor gesittet gewesen war - nicht nur die Anrede, sondern auch der Handkuß, die Tischsitten usw. - altmodisch und geziert.
Die Nazi-Zeit hat das dann, glaube ich, verstärkt (auch wenn die Nazi-Proleten, wie später die Kommunisten, gewisse Dinge kultiviert haben, die sie für "vornehm" hielten).
Und die Achtundsechziger Zeit hat diesen bürgerlichen Sitten sozusagen den Rest gegeben. Da wurde es auf einmal zB auch unter Studenten üblich, andere ungefragt zu duzen, Ausdrücke aus dem Unterschicht-Jargon wie "Klamotten" und "Knast" zu verwenden und sogar nicht mehr im dunklen Anzug oder Kleid zur Prüfung zu erscheinen, sondern im Räuberzivil.
In Antwort auf:Dieses gründliche Ausrotten der freundlichen und respektvollen Anreden ist gewiß ein Zeichen eigener Unsicherheit. Man möchte ja nicht als altmodisch gelten-;))
Ja, das sehe ich inzwischen auch so. Damals allerdings, nach ca 1966, habe ich vieles auch als befreiend empfunden. Den Rollkragenpullover mochte ich zwar nie, und auch sonst habe ich mich nicht mit "Caesar-Frisur" und dunkler Brille als Bert Brecht verkleidet; aber ich lief doch jahrelang in der Lederjacke rum und hatte einen manchmal sehr wilden Bart.
Regina schrieb:
In Antwort auf:Jemand hat mich über Jahre hinweg stets, wenn er meinen Raum betrat, mit "Madame" angesprochen. Da rieselte es mir kalt den Rücken hinunter, so schön war das!
Ich glaube, die meisten von uns Männern werden nie verstehen, womit man eine Frau wirklich entzücken kann.
In Antwort auf:Und hier, wo ich wohne, sagen die Leute zu einer Frau jedweden Alters "Junge Frau".
Ja, das finde ich allerdings sehr irritierend. Wie "junger Mann". Ich weiß, es ist nicht so gemeint - aber in meinen Ohren klingt das immer herablassend-respektlos.
In Antwort auf:Ansonsten hat man wirklich manchmal ein Problem. Man muß linsen, bis derjenige, den man ansprechen will, herschaut und dann muß man rufen: "Hallo" und womöglich noch dazu winken. Besonders schön oder fein ist das nicht, aber was soll man sonst machen?
Tja, das ist halt das Problem. Vielleicht sollten wir Deutschen, so wie wir es ja auch sonst machen, einfach auf andere Sprachen zurückgreifen.
Sagen wir: Frauen mit "Madame" anreden, junge Mädchen mit "Signorina" und Männer mit "Sir".
Wollen wir nicht eine Partei gründen, die sich das zum Ziel setzt?
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