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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 13 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Kallias Offline




Beiträge: 2.309

16.07.2017 10:26
Empathie – hilft sie oder schadet sie? Antworten

Gut gemeint ist vielleicht manchmal doch gut... Gedanken von Ludwig Weimer zur neueren Diskussion über Vor- und Nachteile der Empathie.

http://zettelsraum.blogspot.com/2017/07/...chadet-sie.html

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

16.07.2017 22:09
#2 RE: Empathie – hilft sie oder schadet sie? Antworten

Aus meiner Sicht ist es recht einfach.

Empathie ist eine Kategorie des Zwischenmenschlichen. Dort ist sie gut aufgehoben. Es ist ganz wesentlich, dass der Empathiesender, die vollen Auswirkungen seiner Empathie direkt dort erfährt wo sie wirkt, auch die dunklen.

Empathie ist aber keine Kategorie der Politik, alleine schon deswegen weil sie selektive Wahrnehmung erzeugt und keinerlei direktes Feedback zu ihren dunklen Seiten gibt. Sie überhöht die eigene Wahrnehmung in diesem Zusammenhang und grenzt die Menschen abseits unserer eigenen Wahrnehmung (Empathie) aus.

Das macht die Empathie zu einer Katastrophe in der Politik (als eine Art institutionalisierte Nächstenliebe), so sehr sie zu auch unserem christlichen Menschenbild gehört.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Martin Offline



Beiträge: 4.129

17.07.2017 09:32
#3 RE: Empathie – hilft sie oder schadet sie? Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #2
Aus meiner Sicht ist es recht einfach.

Empathie ist eine Kategorie des Zwischenmenschlichen. Dort ist sie gut aufgehoben. Es ist ganz wesentlich, dass der Empathiesender, die vollen Auswirkungen seiner Empathie direkt dort erfährt wo sie wirkt, auch die dunklen.

Empathie ist aber keine Kategorie der Politik, alleine schon deswegen weil sie selektive Wahrnehmung erzeugt und keinerlei direktes Feedback zu ihren dunklen Seiten gibt. Sie überhöht die eigene Wahrnehmung in diesem Zusammenhang und grenzt die Menschen abseits unserer eigenen Wahrnehmung (Empathie) aus.

Das macht die Empathie zu einer Katastrophe in der Politik (als eine Art institutionalisierte Nächstenliebe), so sehr sie zu auch unserem christlichen Menschenbild gehört.



Das ist der Punkt: Wirkliche Empathie kann nur dort stattfinden, wo ein unmittelbarer Kontakt zwischen den betroffenen Menschen besteht. Erste 'Anlaufstelle' ist in der Regel die Familie.

Dass solche im dem zwischenmenschlichen Bereich entwickelten Eigenschaften inzwischen mittels Medien (Bilder,Texte, Reden) angezapft und zu manipulativen Zwecken missbraucht werden steht auf einem anderen Blatt. Vermutlich sind Menschen ohne großen Anhang anfälliger gegen solchen Missbrauch als solche, deren Empathie im Familienkreis 'verbraucht' wird. Im Familienkreis spielt auch das Moralisieren eine geringere Rolle, da man sich zu genug kennt als dass eine Fassade nutzen könnte. Ähnlich ist das mit Opfer-Helfer Rollen.

Gruß, Martin

Dennis the Menace Offline




Beiträge: 459

17.07.2017 12:30
#4 RE: Empathie – hilft sie oder schadet sie? Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #2


Empathie ist eine Kategorie des Zwischenmenschlichen. ......

Empathie ist aber keine Kategorie der Politik.....


Daraus folgt logisch (Kettenschluss), lieber n_s_n, dass Politik mit dem Zwischenmenschlichen nix zu schaffen hat.

Hmmmmm……. Womit dann stattdessen?

Man kann ja auch auf den Empathiemangel abstellen (über ex negatio kommt man häufig besser zum Ziel ). Wenn dergleichen also piepegal ist, also wenn die Regel "setze dich anstelle des andern" unter Unvertrauten nicht gelten soll, wieso ist dann das Politikum Auschwitz, beispielsweise, überhaupt ein Problem? Wenn man mit den dortigen Häftlingen und Mordopfern persönlich nix zu tun hat (=zwischenmenschlich) kenn einem das Geschehen doch ganz egal sein - oder ?

Aber womöglich könnte es so sein, dass das Zwischenmenschliche durch "kenne ich nicht persönlich" und/oder "weit weg" (zeitlich und örtlich) keineswegs beseitigt wird. Ein "zwischen" muss allemal überbrückt werden, egal wie kurz der Weg ist. Gut, man kann sagen, eine kurze Brücke geht einfacher als 'ne lange und eine einzelne Brücke wiederum einfacher als multiple Brückensysteme (letzteres könnte eine Definition für "Politik" sein, u.a.), somit geht u.a. Empathie (Hass aber vielleicht auch ) bei inselhaften Familien oder meinetwegen familienartigen Kreisen (wie groß die sein dürfen, wäre dann die nächste Frage) einfacher als beim großen Gewusel mit Millionen von Unvertrauten. Leider hat uns die Technik das Letztere aufs Auge gedrückt und drückt uns das immer intensiver aufs Auge, gleichwohl scheint es keine gute Antwort zu sein, DESWEGEN Empathien der Einfachheit halber wegzuschmeissen, scheint auch nicht zu funktionieren.


Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #2

Das macht die Empathie zu einer Katastrophe in der Politik


Kommt halt drauf an, was man unter Katastrophe und unter Politik jeweils versteht; allemal ein weites Feld.

Aber okay, natürlich könnte auch die Politik (egal welche!) die eigentliche Katastrophe sein.


lich
Dennis

Martin Offline



Beiträge: 4.129

18.07.2017 08:51
#5 RE: Empathie – hilft sie oder schadet sie? Antworten

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #4

Man kann ja auch auf den Empathiemangel abstellen (über ex negatio kommt man häufig besser zum Ziel ). Wenn dergleichen also piepegal ist, also wenn die Regel "setze dich anstelle des andern" unter Unvertrauten nicht gelten soll, wieso ist dann das Politikum Auschwitz, beispielsweise, überhaupt ein Problem? Wenn man mit den dortigen Häftlingen und Mordopfern persönlich nix zu tun hat (=zwischenmenschlich) kenn einem das Geschehen doch ganz egal sein - oder ?


Eine merkwürdige Argumentation. Man muss sich nicht in Opfer hineinversetzen können, um unmenschliche Verbrechen zu verdammen. Manch Dinge sind einfach eine Jahrtausende alte Selbstverständlichkeit ohne große Gefühle. Du sollst nicht töten.

Zitat
Aber womöglich könnte es so sein, dass das Zwischenmenschliche durch "kenne ich nicht persönlich" und/oder "weit weg" (zeitlich und örtlich) keineswegs beseitigt wird. Ein "zwischen" muss allemal überbrückt werden, egal wie kurz der Weg ist.



Das anonym Zwischenmenschliche ist aus gutem Grund in allen Gesellschaften ritualisiert. Das ist in der diesbezüglich zerfaserten deutschen Gesellschaft inzwischen nicht mehr ganz so offensichtlich, in etwas homogeneren Gesellschaften sieht man das besser. Empathie im Geschäftsleben kann sich ja auf die Erkenntnis beschränken, dass der Andere eh nur auf seinen Vorteil aus ist. Und der Marketingexperte bemüht Feldstudien über Verbrauchertypen, um sein Produkt optimal absetzen zu können. Nix mit Gefühl. Und wenn dann doch mal mit Gefühl für Unbekannte, dann geht das nur mit dem Bild, das man sich oberflächlich machen kann, das entweder Unbekannte in einem erzeugen, oder einem die eigene Phantasie vorgaukelt.

Wer dagegen Tag für Tag zusammenlebt hat ein ziemlich präzises Bild über die inneren Beweggründe der anderen und damit auch die Voraussetzung für eine Empathie (sozusagen das em- vor der -pathie).


Aus direkten Schilderungen beispielsweise von Menschen, die 1-2 Jahre in 'Entwicklungshilfe' in Kenia verbracht haben, weiß ich vom Erschrecken Deutscher darüber, dass man dort ohne anscheinend jedes Mitgefühl an anderen Menschen vorbeigeht, die sterbend am Straßenrand liegen. Ähnliches kenne ich auch aus anderen Gegenden der Welt. Fehlt dort Empathie gegenüber Unbekannten? Keine Ahnung. Was aber möglicherweise wichtig zu wissen ist, ist der Punkt, dass man dort in dem Moment für jemanden verantwortlich ist, sobald man ihm hilft. Und das geht zu sehr an die eigene Substanz. Damit wird die Empathie, beschränkt auf den engen Familienkreis zur Überlebensstrategie.

Gruß, Martin

PS: Es soll ja auch hier Leute gegeben haben, die sich vor lauter Mitgefühl für Flüchtlinge verbürgt haben. Nachdem diese zum Teil erwartungsgemäß auf ihren Kosten sitzen geblieben sind, klagen sie und wollen diese wieder auf andere Schultern verteilen. Das ist deutsche Überlebensstrategie.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

18.07.2017 14:48
#6 RE: Empathie – hilft sie oder schadet sie? Antworten

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #4
Daraus folgt logisch (Kettenschluss), lieber n_s_n, dass Politik mit dem Zwischenmenschlichen nix zu schaffen hat.
Nein, genau das folgt nicht, lieber Dennis.

Empathie motiviert eine Handlung aus Mitgefühl und im zwischenmenschlichen Bereich überblicke ich gewöhnlich (wenn auch nicht notwendiger Weise) die Folgen meiner Empathie sehr schnell.

Wenn ich zum Beispiel mit meinem Sohn Mitgefühl habe und ihn deswegen in den Arm nehme, weil er gerade von seiner großen Schwester gemaßregelt wurde, werde ich ziemlich direkt eine Rückmeldung meiner Tochter erhalten, die ihn möglicherweise völlig zurecht gemaßregelt hat. Einseitige Anteilnahme ist im direkten, zwischenmenschlichen Umfeld nicht möglich, ohne die Folgen auch selbst aushalten zu müssen.

In der Politik findet diese direkte Rückmeldung gewöhnlich nicht statt. Ein "Objekt der Empathie" wird auserkoren und Mitgefühl für dieses, motiviert das Handeln. "Objekte der Empathie" werden dabei gerne auch über Lobbyismus ausgewählt. Rückmeldung über die Wirkung dieses Handelns an Objekten, welche nicht Gegenstand der Empathie sind , erfährt man - wenn überhaupt - erst sehr spät und indirekt. Bei fehlender Relevanz dieser Objekte oder bestehenden Hierarchien im politischen Bereich, können die "sekundären Wirkungen" des durch die Empathie motivierten Handelns sogar bewußt verdrängt werden.

Ein Beispiel aus der Politik, ohne gleich mit Auschwitz zu kommen, mag Köln sein. Ein aus Empathie entstandenes, politisches Handeln, hatte in Köln Konsequenzen für Menschen an die vorher niemand gedacht hatte. Niemand denken wollte, weil es eine Auseinandersetzung mit der dunklen Seite der eigenen Empathie erfordert hätte.

Daher hat in der Politik Empathie nichts zu suchen. Sondern rationale Abwägung. Das heißt nicht, dass Politik nichts mit Zwischenmenschlichem zu tun hat. Auch rationale Entscheidungen können Moral und zwischenmenschliche Gefühle als Entscheidungskriterien enthalten. Ja sollten es sogar, wenn man sich einem christlichen Menschenbild verpflichtet fühlt. Diese Kriterien werden bei rationalen Entscheidungen aber nicht gewertet in dem man sich in die Situation eines Menschen (oder ein Gruppe von Menschen) hineinversetzt (denn das ist Empathie), sondern in dem man die Folgen seines Handelns in allen Konsequenzen bedenkt.

Eine Grenzöffnung ohne Bedingungen hat zum Beispiel mehr Wirkungen, als den mühselig und beladenen vor dem "Grenzzaun" zu helfen. Von Politik muß ich erwarten können, dass sie darüber reflektiert und nicht aus Empathie für eine Teilgruppe heraus handelt.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

20.07.2017 23:42
#7 RE: Empathie – hilft sie oder schadet sie? Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #6
Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #4

Zitat
Daraus folgt logisch (Kettenschluss), lieber n_s_n, dass Politik mit dem Zwischenmenschlichen nix zu schaffen hat.
Nein, genau das folgt nicht, lieber Dennis.

Sagen wir es mal so: Das "Zwischenmenschliche" hat als Motiv und Anlass von Politik nichts verloren. Dass Politik andererseits auch Auswirkungen aufs Zwischenmenschliche hat, bleibt davon unberührt. Aber es wäre fatal, würde man in die Aufgabe, Zusammenleben möglichst reibungsfrei unter Beachtung allgemeiner Grundrechte zu organisieren, Emotionen hineinmischen wollen. Dass die Politik es dennoch immer wieder versucht, gehört zu ihren schlimmen Fehlern.

--
Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

Rapsack Offline



Beiträge: 169

21.07.2017 10:11
#8 RE: Empathie – hilft sie oder schadet sie? Antworten

Mir fällt es schwer der Diskussion hier zu folgen. Es scheint hier einhellige Meinung zu sein, dass man zwischen Emphatie oder Rationalität wählen muß. Muß man das wirklich?
Ist Emphatie nicht nur ein Weg neben anderen Erkenntnisse zu erlangen?

Ich sehe Emphatie als absolut wichtig an für die Politik, eigentlich ist es offensichtlich. Je mehr Information man über die Wünsche und Empfindungen und Bedürfnisse hat desto treffendere Entscheidungen kann man finden und die Begrundungen für Ablehnung oder Annahme von bestimmten Positionen werden verständlicher. Wenn man die Empfindungen der Menschen der verschiedenen Gruppen wahrnimmt folgt doch daraus nicht unmittelbar eine Handlungsmaxime. Emphatie bedeutet doch nicht das Ausschalten der Ratio. Im Gegenteil, man wird verschiedene Emppfindungen feststellen, die man in eine rationalisierte Abwägung einbringen kann.

Ich mein das passiert im alltag doch täglich. Ein Kind mag nicht zur Schule gehn, weil es sich dort langweilt. Das verstehen wir. Aber wir werden es trotzdem wider der emphatischen Erkenntnis zur Schule schicken. Wir handeln also auf Grund anderem Wissens wider der Emphatie.

Ich verstehe nicht wo das Problem liegt.

In keinem Fall ist es sinnvoll Emphatie als alleinige und sofortige Handlungsgrundlage zu sehn, anderer seits Emphatie aus den Entscheidungsgründen zu verbannen ist genauso Quatsch.

Mein Fazit: Emphatie hilft immer. Schaden tut nicht die Erkenntnis aus der Emphatie, sondern die unreflektierte Umsetzung als Handlungsmaxime.



PS.:Kann sein, dass ich hier völlig neben der Spur liege, in dem Fall wäre es nett mir Begriffsstutzigen meinen Denkfehler auf zu zeigen.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

21.07.2017 11:04
#9 RE: Empathie – hilft sie oder schadet sie? Antworten

Zitat von Rapsack im Beitrag #8
Schaden tut nicht die Erkenntnis aus der Emphatie
Empathie ist die Fähigkeit des Menschen, sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen und zu empfinden wie er. Empathie funktioniert nicht abstrakt, sondern durch direkten Kontakt oder Bilder.

Wenn man sich nun in einen Menschen (oder eine Gruppe) hineinversetzt (und die Welt mit seinen Augen sieht) ergreift man Partei für ihn und damit oft gleichzeitig gegen andere. Das „gleichzeitig gegen andere“ ist im persönlichen Kontakt weniger ein Problem, da man direkt damit konfrontiert wird und die daraus entstehenden Dissonanzen so wahrnimmt und auch dafür (im besten Fall) Empathie entwickelt. In einem „abstrakten politischen Raum“ ist das nicht der Fall. Dort konzentriert sich Empathie auf ausgewählte Gruppen, während andere ausgeblendet werden.

Die Erkenntnis aus Empathie ist verfälscht (und damit schadet sie), wenn man sie nur partikular für bestimmte Menschen empfindet und die Wirkung auf andere ausblendet. Und genau das tut die Politik. Was man ganz sicher tun sollte, ist bei politischen Lösungen auch die Befindlichkeiten zu berücksichtigen. Aber eben nicht, in dem man die Welt aus den Augen bestimmter Menschen betrachtet und andere damit marginalisiert, sondern in dem man die Interessen abwägt und (auch unter Berücksichtigung von Befindlichkeiten) entscheidet.

Letzten Endes ist Empathie in der Politik nichts anderes als Interessenvertretung. Und da man unmöglich mit allen Menschen gleichzeitg „mitfühlen kann“ führt Empathie zwangsläufig zur Marginalisierung der Interessen der Gruppen, welche nicht Gegenstand der Empathie sind.

Ein Beispiel (nicht aus der Politik direkt, aber als Empathie in einer "institutionalisierten Form") aus der Erinnerung. Ich las es einmal in einem Buch, weiß aber nicht mehr wo:

Es gab einmal auf großen öffentlichen Druck hin (inklusive Medienkampagne) eine vorzeitige Haftentlassung eines Sexualstraftäters, der sich (angeblich) gebessert hatte. Man hatte Mitgefühl mit ihm. Der Mann wurde schließlich freigelassen und brachte kurz darauf wieder eine junge Frau um. Die Empathie mit dieser jungen Frau kam zu spät.

Ein Psychiater, welcher vor der Entlassung darauf hingewiesen hätte, dass eine hohe Rückfallgefahr für den Strafgefangenen besteht, wäre womöglich als empathielos bezeichnet worden, obwohl er lediglich abstrakt bzw. in rationalem Gewand die Empathie mit der (in Zukunft) getöteten Frau zum Ausdruck gebracht hätte.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Rapsack Offline



Beiträge: 169

21.07.2017 12:17
#10 RE: Empathie – hilft sie oder schadet sie? Antworten

Ok, danke für die Antwort,

ich habe gelernt, das Emphatie die Fähigkeit ist, sich in einen Anderen hinein zu versetzen. Meinem Verständnis und Erfahrung nach kann man das auch mit verschiedenen Seiten machen. Von einem automatischen Partei ergreifen ist mir nichts bewußt. Ich hatte z.B. als junger Mensch in einem Jugendzentrum viel mit rechts radikalen Jugendlichen zu tun. Ich konnte ihre Ausländerfeindlichkeit durchaus nachvoll ziehen, da aus der Gruppe einer schon seine Jacke an eine "Ausländer" Gang abgeben mußte etc. Ich habe aber deshalb doch nicht gleich rechtsradikale Gedanken. Sondern im Gegenteil ich konnte vielbesser mit diesen umgehn und sicherlich den ein oder anderen davon überzeugen, dass man aus solchen Erlebnissen nicht Außländer feindlich werden sollte, sondern, so wie ich Emphatie für diese Gruppe zeigte und auf dieser Basis mit ihnen umging, sie doch auch mit der Ausländergang emphatisch verhalten sollten und die Frage stellen, warum diese das taten, aber auch ohne das gleich gut zuheißen, denn denen könnte es ähnlich wie der rechtsradikalen Gruppe gehn.

Ich sehe den Knackpunkt wo anders, das gilt auch für das Psychaterbeispiel. Ich sehe das Problem wo anders. Ich glaube es liegt daran, dass man sich unreflektiert mit einer Sache gemein macht. Aber das ist nicht ein Problem der Emphatie ansich, sondern ein Problem mit dem Umgang mit der Emphatie.

Aber wenn das was Sie sagen wissenschaftlicher Stand ist, werde ich das akzeptieren, auch wenn ich das nicht so recht glauben mag.

Trotzdem vielen Dank für die Erläuterung.


Herzlich Raspack

Dennis the Menace Offline




Beiträge: 459

21.07.2017 12:51
#11 RE: Empathie – hilft sie oder schadet sie? Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #9


Die Erkenntnis aus Empathie ist verfälscht (und damit schadet sie), wenn man sie nur partikular für bestimmte Menschen empfindet und die Wirkung auf andere ausblendet.


Logisch plädieren Sie an dieser Stelle dafür, die Wirkung auf andere ebenfalls einzublenden. Worauf beruht denn das hier angemeldete Interesse an den "anderen", wenn nicht auf Empathie? Abwägungen aufgrund von Zielkonflikten ist etwas gaaaanz anderes als die Abwesenheit des Abwägungsgutes. Zu dieser Abwägung käme es ja gar nicht, wenn das Letztere nicht präsent wäre.



Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #9

Letzten Endes ist Empathie in der Politik nichts anderes als Interessenvertretung. Und da man unmöglich mit allen Menschen gleichzeitg „mitfühlen kann“ führt Empathie zwangsläufig zur Marginalisierung der Interessen der Gruppen, welche nicht Gegenstand der Empathie sind.


Ja, mit diesem Gedanken kann ich mich durchaus anfreunden, lieber n_s_n. (das Letztere ist davon nicht abhängig )

Indessen ist Interessenvertretung m.E. kein Fremdkörper in der Politik, vielmehr gäbe es keine solche ohne Interessenvertretung. Wahlen mit dem regelmäßigen Ergebnis, dass der eine so und der andere anders wählt, führen zu Mehrheiten und Minderheiten, die die Ersteren dazu berechtigen im Rahmen allgemeiner Regelungen, die auch den Minderheiten gewisse Rechte einräumen (womit wir wieder bei der Empathie sind ), die Letzteren zu ÜBERSTIMMEN, also insoweit zu vernachlässigen. Wenn man's noch gröber ausdrücken will, meinetwegen auch zu "marginalisieren", was ja auch dem Wortsinn entspricht. Im Vergleich zum größeren Zentrum ist die Opposition der Rand oder auch, wie Herr Müntefering so schön sagte, Mist.

Klingt häßlich, aber wie soll das anders funktionieren? Eigentlich nur durch die Formulierung eines rousseauistischen gemeinen Wohls, in dem sich angeblich - indem von Interessen abstahiert wird - jeder gleichermaßen als aufgehoben wiederfindet.

Schön gedacht - aber halt nur gedacht, weil diese Funktionalität nur in der Studierstube gut aussieht.


Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #9

Es gab einmal auf großen öffentlichen Druck hin (inklusive Medienkampagne) eine vorzeitig Haftentlassung eines Sexualstraftäters, der sich (angeblich) gebessert hatte. Man hatte Mitgefühl mit ihm. Der Mann wurde schließlich freigelassen und brachte kurz darauf wieder eine junge Frau um. Die Empathie mit dieser jungen Frau kam zu spät.


Wie weiter oben. An die Frau an dieser Sache zu denken ist empathiebedingt, wie Sie selbst sagen. Es handelt sich um eine Verteilungsfrage oder Interessanabwägungsfrage, nicht um eine Empathiefrage, weil die a priori da ist. Klar, unangenehme diesbezügliche Abwägungszwänge sind die Regel, nicht die Ausnahme, was regelmäßig zu Bevorzugungen und Vernachlässigungen führt, was kein Desaster sondern unvermeidlich ist, indessen muss auch das Vernachlässigen deutliche Grenzen haben, empathisch gesehen .

lich
Dennis

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

21.07.2017 14:18
#12 RE: Empathie – hilft sie oder schadet sie? Antworten

Zitat von Rapsack im Beitrag #8
Aber wenn das was Sie sagen wissenschaftlicher Stand ist.
Oh je! Da haben wir ein Mißverständnis. Ich spreche von meiner persönlichen Sicht auf die Dinge, nicht vom Stand irgendeiner Wissenschaft. Woher auch immer Sie diese Annahme abgeleitet haben. Vielleicht liege ich völlig daneben. - Auch wenn ich es bisher nicht glaube.

Zitat von Rapsack im Beitrag #8
Ich glaube es liegt daran, dass man sich unreflektiert mit einer Sache gemein macht.
Absolut, da würde ich Ihnen zustimmen.

Zitat von Rapsack im Beitrag #8
Aber das ist nicht ein Problem der Emphatie ansich, sondern ein Problem mit dem Umgang mit der Emphatie.
Das würde ich bezweifeln, denn in meinen Augen ist es inhärenter Teil der Empathie sich unreflektiert mit einer subkjektiven Sache (Sicht) gemnein zu machen. Die Sicht / Gefühlslage zweier Menschen zu berücksichtigen ist eben keine Empathie, sondern Abwägung und die sollte unter einem konsistenten Maß erfolgen und objektiven Kriterien, wobei sich Gefühle und objektives Maß selten gut vertragen. Zumindest ich verstehe das so, bzw. würde so die Abgrenzung zwischen Empathie und rationaler Entscheidung wählen.

Damit möchte ich die Empathie an sich nicht abwerten, die ein wesentlicher und wichtiger Schlüssel nenschlichen Sozialverhaltens ist, sondern nur in diesem Kontex bewerten, dass eine subjektive Sicht das Handeln leitet.

Der Werwohlf hat es weiter oben womöglich sehr viel treffender als ich formuliert:
"Wo man das Zusammenleben möglichst reibungsfrei unter Beachtung allgemeiner Grundrechte (in einem Rechtsstaat) organisieren mag, sollte man keine Emotionen beimischen. Justitia trägt nicht aus eine Laune heraus eine Augenbinde.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nciht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Simon Offline



Beiträge: 334

21.07.2017 16:53
#13 RE: Empathie – hilft sie oder schadet sie? Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #9
[
Ein Beispiel (nicht aus der politik direkt, aber als Empathie in einer "institutionalisierten Form") aus der Erinnerung, welches ich einmal las in einem Buch, aber nicht mehr weis wo:

Es gab einmal auf großen öffentlichen Druck hin (inklusive Medienkampagne) eine vorzeitig Haftentlassung eines Sexualstraftäters, der sich (angeblich) gebessert hatte. Man hatte Mitgefühl mit ihm. Der Mann wurde schließlich freigelassen und brachte kurz darauf wieder eine junge Frau um. Die Empathie mit dieser jungen Frau kam zu spät.

Ein Psychiater welcher vor der Entlassung darauf hingewiesen hätte, dass eine hohe Rückfallgefahr für den Strafgefangenen besteht, wäre womöglich als empathielos bezeichnet worden, obwohl er lediglich abstrakt bzw. in rationalem Gewand die Empathie mit der (in Zukunft) getöteten Frau zum Ausdruck gebracht hätte.



In allen Zeitungen, wenn ich mich recht erinnere, stand dieses wirklich geschehene abschreckende Beispiel deplatzierter Empathie.

Aber: Ich möchte Empathie erst einmal wörtlich übersetzt haben - als Mit-Leiden-(Können) und dann als ein mehr oder weniger ausgeprägtes Verhalten des Menschen definieren. Ein Verhalten, das zielführend ist, d. h. das sich nicht nur in etwas, im besonderen in eine andere Person (eine Personengruppe, eine Gesellschaft) hineinverssetzen, hineinfühlen, kann, sondern im besten Fall - und das ist der Sinn dieses menschlichen Vermögens, sonst wäre es eine Fehlanlage oder Fehlbildung - etwas gut machen, bessern, richtigstellen hilft.

Wir haben uns angewöhnt - oder es ist uns so beigebracht worden, zu denken, Empathie meine gerade nicht Mitleiden, sondern (nur) Mit-Gefühl, bei dem man sich - im schlimmsten Falle - aus der Sache, dem Fall, dem Problem heraushalten kann oder, das ist die moderne Variante, mehr oder weniger entschuldigt, d. h. im besten Fall schon mit viel Mit-Gefühl mitleids-los jemand anderem, z. B. Fachleuten, Spezialisten, überlassen kann.
So beschrieb es Robert Musil in seinem großen Roman "Der Mann ohne Eigenschaften" schon 1931. Die berühmte Stelle daraus, wo eine feine Dame in irgendeiner Durchschnittsstadt an der Seite ihres aufgeklärt-logisch-technisch (oder wie immer man es korrekt beschreiben kann) gebildeten Verehrers einen Verkehrsunfall aus nächster Nähe erlebt und "etwas Unangenehmes in der Herz-Magengrube ...fühlte", das der auktoriale Erzähler dahingehend aufklärt: "das sie berechtigt war für Mitleid zu halten", ist in vielen deutschsprachigen Lesebüchern zu finden. Man erinnert sich wohl (wieder), wie der Fall zu Ende gedacht, erklärt, aufgeklärt, u. a. statistisch eingeordnet wird und so entsorgt wird: "Man ging fast mit dem berechtigten Eindruck davon, dass sich ein gesetzliches und ordnungsmäßiges Ereignis vollzogen habe."

Zitat
Empathie ist die Fähigkeit des Menschen, sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen und zu empfinden wie er. Empathie funktioniert nicht abstrakt, sondern durch direkten Kontakt oder Bilder.

Wenn man sich nun in einen Menschen (oder eine Gruppe) hineinversetzt (und die Welt mit seinen Augen sieht) ergreift man Partei für ihn und damit oft gleichzeitig gegen andere. Das „gleichzeitig gegen andere“ ist im persönlichen Kontakt weniger ein Problem, da man direkt damit konfrontiert wird und die daraus entstehenden Dissonanzen so wahrnimmt und auch dafür (im besten Fall) Empathie entwickelt. In einem „abstrakten politischen Raum“ ist das nicht der Fall. Dort konzentriert sich Empathie auf ausgewählte Gruppen, während andere ausgeblendet werden.

Die Erkenntnis aus Empathie ist verfälscht (und damit schadet sie), wenn man sie nur partikular für bestimmte Menschen empfindet und die Wirkung auf andere ausblendet. Und genau das tut die Politik. Was man ganz sicher tun sollte, ist bei politischen Lösungen auch die Befindlichkeiten zu berücksichtigen. Aber eben nicht, in dem man die Welt aus den Augen bestimmter Menschen betrachtet und andere damit marginalisiert, sondern in dem man die Interessen abwägt und (auch unter Berücksichtigung von Befindlichkeiten) entscheidet.

Letzten Endes ist Empathie in der Politik nichts anderes als Interessenvertretung. Und da man unmöglich mit allen Menschen gleichzeitg „mitfühlen kann“ führt Empathie zwangsläufig zur Marginalisierung der Interessen der Gruppen, welche nicht Gegenstand der Empathie sind.



Ich würde die Problematik deplatzierter Empathie nicht erst im politischen Raum ansiedeln wollen. (Aber N.B. dazu weiß ich zu wenig zu sagen!) Die Problematik besteht generell, auch im engeren, sogar häuslichen Raum, nämlich immer dann, wenn gemäß ihrer Definition von E. gefühlt und gehandelt wird, so dass das Gegenteil des Angestrebten, nämlich Schaden, eintritt. Und diese Art E. gedeiht in einem Sumpf falscher Empfehlungen aufgrund einer wissenschaftlich aufgeblasenen Literatur und einer daraus abgeleiteten Meinungsfront. - Es scheint, dass wir uns wirkliche Nähe, die Einfühlsamkeit, Empathie, in anderes, was nicht Ich heißt (vor allem aber in Personen), was Empathie als Tun, Mit-Leiden (aber ohne in Masochismus zu verfallen) bedeuten würde, tunlichst vom Leib halten (wollen), wie (auch) das Beispiel von der eingeladenen, als "Hexe" verschrienen Person, zu belegen scheint. - Aber das ist vielleicht (wiederum) zu ungenau. Es gilt meine obere Definition.

Mit vielen Grüßen!

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.422

31.07.2017 15:38
#14 RE: Empathie – hilft sie oder schadet sie? Antworten

Welt online:

"Gute Politik für die Menschen wird niemals mit dem Herzen, sondern immer mit dem Hirn gemacht. Und schon gar nicht mittels Gewalt. Ausgleich und Kompromiss sind der einzig anstrebenswerte Weg jeder Reform. "
https://www.welt.de/debatte/kommentare/a...t.html#Comments
Von Sven Felix Kellerhoff

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Kommunismus mordet.
Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

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