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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 8 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Kallias Offline




Beiträge: 2.310

24.08.2017 12:36
Botschafter im All Antworten

Der weite Kosmos, die kleine Menschheit und Gott als Schöpfer? Ludwig Weimers sehr willkommene Ablenkung von Wahlkampf & Co. steht hier.

Krischan Offline




Beiträge: 642

24.08.2017 13:45
#2 RE: Botschafter im All Antworten

Nun, wir wissen doch, V'ger kommt zurück und Commander Kirk rettet die Welt.

Freundlichst,
Krischan

Deutsche Wurst - alles andere ist Käse.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

24.08.2017 14:30
#3 RE: Botschafter im All Antworten

Der kleine Zyniker merkt an, daß weder Ernst Jünger noch Botho Strauß noch der unsägliche Günther Anders (dessen Reflexionen zur Atombombe ihn schlicht jenseits des Zirkels aller Ernstzunehmenden hätten positionieren müssen) nichts - nichts - vom Weltbild der Physiker und von der Qualität dessen, was die Wissenschaft über die Beschaffenheit der Welt in Erfahrung gebracht hat, auszuführen haben. Sie haben das nicht einmal zur Kenntnis genommen. Es dürfte ähnlich erkenntnisfördernd sein, sich mit einem Buschmann über die Triftigkeit der Drake-Formel auszutauschen.

Der Kategorienfehler beginnt schon beim Textverständnis. Botho hat die postulierte Dynamik des seit 1965 definitiv widerlegten Weltmodells Hoyles nicht mitbekommen. (Das Steady-State-Modell impliziert nämlich keine Abschaffung des Dynamik im temporalen Verlauf.) Anders unterstellt Weinberg was, was schlicht im dessen Text nicht vorkommt. Hätte er mal die Nas ins Buch gesteckt, statt nur, wie üblich, den Quark zu repetieren, den andere Berufsnörgler vorgekaut haben, hätte er festgestellt, daß es SW ziemlich deutlich um die Austarierung der physischen Bedingungen im All, und insbesondere der physischen Grundkonstanten - und somit den gesamten physikalischen Grundbedingungen unserer Existenz in der kritischen Ausfällungsphase - also die Symmetriebrüche der Calabi-Yau-Räume geht. (Das Buch hat 5 Kapitel - und 170 Textseiten - im Original; steht in # 3 + 4. Die Stichsätze, an denen sich Erwin Chargaff, nee, Jürgen Dahl hier aufhängt, sind die ersten zwei Ansätze von #5 sowie die letzten beiden Seiten, wo Weinberg das mal polemisch zuspitzt, was als Coda übrigbleibt.) Ist notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung. Alle Aussage übers Vorher ist schlicht sinnlos, prinzipiell nicht beantwortbar. Daß die Evolutionstheorie dem "reinen Zufall" sensu Monod die Wirkung wegzieht, wird man Leuten, denen der Kopf so aufgesetzt ist und denen das Bedürfnis nach "Sinn" so unabdingbar gleichhinter der nächsten Hirnwindung einokuliert ist, nie begreifbar machen. Das All ist nicht dazu da, Sinn zu machen. Auch die Wissenschaft ist nicht dazu da, Sinn zu stiften. Sondern rauszufinden, was Sache ist.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

24.08.2017 14:56
#4 RE: Botschafter im All Antworten

Kleiner Handmaßstab. Voyager 1 ist momentan rund 20 Milliarden km entfernt (20,89 genau); 150 astronomische Einheiten (zur Erinnerung: das ist die Distanz Sonne - Erde; das Licht braucht dafür 8 Minuten). Um 1 Lichtjahr zurückzulegen, benötigt es rund 17.770 Jahre. Bis zum nächsten Fixstern sinds 4,8 Lichtjahre, zum Sirius (in dessen Richtung die Reise geht), 8,7. Allernächste "galaktische Nachbarschaft" ist der Umkreis von 80 bis 200 Lichtjahren; bis zu den Sternen des Orions (die alle recht nahe beieinanderstehen), das den Rand unseres Spiralarms markiert, 1200. Das Milchstraßenzentrum ist 27.000 entfernt; unsere Galaxis eine Balkenspirale (Typ SbII nach Hubble-Klassifikation) mit einem Durchmesser von 100.000 Lichtjahren. Die nächste größere Galaxie, der Andromedanebel, ist zweieinhalb Millionen Lichtjahre entfernt; die lokale Gruppe hat einen Durchmesser von rund 30 Millionen Lichtjahren.

Die beiden goldenen Scheiben der Sonden sind vor allem eine Referenz an den technischen Fortschritt und die rasante Hinfälligkeit des jeweiligen Ist-Zustands (und deren QWERTZ-mäßige Beständigkeit: die Prinizipien der Datendigitalisierung statt Analogmedien, deren allererste öffentliche Manifestation in diesen Scheiben vorliegt, begleitet uns seitdem. Hübsch auch, daß diese Technosaurier mechanisch abgetastet werden müssen; der Plattenarm ist gleich mitgeliefert). Carl Sagan, auf dessen Alleingang diese ziemlich sinnfreie Allotria zurückgeht, hat da, ohne es zu wollen, eine ganz andere Ironie bedient: Vorbild war ihm ja die Apollo-11-Plakette ("We came in peace for all mankind") auf dem Mondlander im Mare Tranquilitatis. Und diese Duftmarke hat keine 60 Stunden Ewigkeitsbestand gehabt. Der Start behufs Rücksturz zur Erde hat die Alufolie, mit der das Röhrengestell des Unterteils der Mondfähre bespannt war, in Fetzen über den Mondstaub weggeblasen (seitdem wars das auch mit dem berühmten "ersten Schuhabdruck"). Auf den Filmaufzeichnungen der TV-Kamera nett zu verfolgen. Tand, Tand...



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

24.08.2017 15:18
#5 RE: Botschafter im All Antworten

Noch was. Die beiden "CD"s (tja, Early-Adapter-Syndrom) sind ja eine Fortführung/Coda/Reaktion auf die beiden Plaketten der Pioneer-Sonden von 1973/74.

https://symonsez.files.wordpress.com/201...eer10plaque.gif

Der Witz bei denen war ja, daß jemand, der nicht schon genau weiß, was das alles bedeeuten soll, außerstande wäre, dies aufzuschlüsseln. Selbst Leute aus einer menschlichen Zivilisation mit MINT-Orientierung und westlicher Wissenschaftstradition würden vielleicht die Hälfte aufdröseln können. Geschweige denn die galaktische Ameisenmutter, die Schemazeichnungen von Zweibeinern nicht von einem Kaffeeflecken unterscheiden würde. Wer glaubt, daß er das bei einem viel trivialeren Beispiel zuwege brächte, darf sich gerne mal am Codex Seraphinianus verheben. Serafini hat bewußt offengelassen, ob die Schrift eine ist oder nicht.

http://www.holybooks.com/wp-content/uplo...raphinianus.pdf

Oder am Voynich-Manuskript. Sagan hat sich damals für Bild-Ton-Varianten entschieden, um das, so mal rein theoretisch, auszuschließen.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Dennis the Menace Offline




Beiträge: 459

24.08.2017 18:21
#6 RE: Botschafter im All Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #3
Das All ist nicht dazu da, Sinn zu machen. Auch die Wissenschaft ist nicht dazu da, Sinn zu stiften. Sondern rauszufinden, was Sache ist.


Hmmm, aber warum interessiert uns der ganze Quatsch "was Sache ist" überhaupt? Watt is der SINN von dieser ganzen komischen Wissenschaft? Indem es die Veranstaltung gibt, muss sie ja wohl eine BEDEUTUNG haben - unserer Ansicht nach, und nur auf die kommt es hier halt an, die Auffassung des Alls mag eine andere sein, aber selbiges ist ja leider eher schweigsam , aber dafür ist unsereiner umso erzählerischer . Von der BEDEUTUNG dieser Erzählungen zum SINN isses nurmehr ein klitzekleiner Schritt, wenn überhaupt einer.

Abgesehen davon, dass es sich bei dem Zeugs da draußen, das in einem rekursiven Prozess sowohl gelesen als auch geschrieben wird, immer und lediglich um unsere Sachen handelt und nicht die Sach' an sich, von der wir keine Ahnung haben und auch nie haben werden.

Wenn man mal gelegentlich aus seiner Haut aussteigt unter Zurücklassung des ganzen Zeugs, das sich innerhalb derselben befindet bzw. unter diesen Umständen befand, kann man alles, was sich mit dem Begriff SINN verbindet, vergessen. Aber erst dann. Vorher kann es eine sinnfreie, also bedeutungslose Welt nicht geben.

lich
Dennis

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

24.08.2017 21:11
#7 RE: Botschafter im All Antworten

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #6
Hmmm, aber warum interessiert uns der ganze Quatsch "was Sache ist" überhaupt? Watt is der SINN von dieser ganzen komischen Wissenschaft? Indem es die Veranstaltung gibt, muss sie ja wohl eine BEDEUTUNG haben - unserer Ansicht nach, und nur auf die kommt es hier halt an, die Auffassung des Alls mag eine andere sein, aber selbiges ist ja leider eher schweigsam , aber dafür ist unsereiner umso erzählerischer . Von der BEDEUTUNG dieser Erzählungen zum SINN isses nurmehr ein klitzekleiner Schritt, wenn überhaupt einer.


Wenns weiter nichts ist: unser memetischer Apparat ist so eingerichtet, daß er ein Narrativ, ein Ziel, eben einen SINN unterlegt. Und wenn der nicht erkennbar ist, muß das her, was dem am nächsten kommt. Nur dann funktioniert er zufriedenstellend. Hat sich aus der Evolution so ergeben, daß Geschichten, Ereigniserklärungen, Wenn-Dann-und-Wieso-ist-das-so-Konzepte dann am sparsamsten, zuverlässigsten funktionierten, wenn sie über diese Schiene gebrochen wurden. Und das All, als größter Behälter, macht da keine Ausnahme, im Gegenteil: die unleugbare Präsenz - nun ists es halt da - plus die vollkommene Unerreichbarkeit und Unbeeinflußbarkeit machen das wohl zwingend notwendig. Die alte Schiene nahm da Götter, die neue faktoriert die Resultate der Wissenschaft hinein. Und das muß sinnbesetzt sein: kann man ausprobieren: Geschichten, Geschichte überhaupt, Witze: alles was als Narrativ funktioniert, mal ohne Pointe, sinnlos, als Dada gespielt, gibt sofort mentales Sodbrennen. Wir können aus der Nummer nicht raus (sehr bezeichnend der Fall des Buddhismus, nach dessen Eschatologie die Erkenntnis der Bedingtheit und Falschheit aller Narrative Bedingung zum Ausstieg ist, den Weg dahin aber sowas von rokoko Emanationsnippes vollstellt).

Zitat
Abgesehen davon, dass es sich bei dem Zeugs da draußen, das in einem rekursiven Prozess sowohl gelesen als auch geschrieben wird, immer und lediglich um unsere Sachen handelt und nicht die Sach' an sich, von der wir keine Ahnung haben und auch nie haben werden.



Kant zieht hier den Kürzeren gegen jedes Schmartphon. Denn die Wissenschaft liefert hier allerhöchst präzise Aussagen, die verläßlich reproduzierbar sind (und damit den Eigenschaften des Ansichdingens äquivalent). Und diese Konzepte gehen in die Spekulationen übers GroßeGanze selbstredend ein. Wir können uns zwar nicht "vorstellen", wie ein Atomkern zusammengesetzt ist oder die Spiralarmbildung in Galaxien, aber beschreiben läßt sich das 1a. Soweit brauchen wir gar nicht zu gehen: alle höheren mathematischen Konzepte entziehen sich dieser "unmittelbaren" mentalen Griffigkeit. Die Wissenschaft, ihre Art der Beschreibungen und ihre Methode (Hypothese, Abprüfung, Falsifizierbarkeit usf) ist eben in Kenntnis solcher Blindheit entwickelt worden, um just diesen blinden Fleck zu kompensieren. Und hinter das, was uns diese Modelle liefern, kommen wir nicht zurück, wenn wir nicht per sacrificium intellectus auf falsche Naivität machen.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

24.08.2017 21:25
#8 RE: Botschafter im All Antworten

Weitere Fusznote zu V'ger: beide Sonden stehen für eine Umsteuerung im Programm "Der Mensch und das Weltall, soweit erreichbar". Waren nicht die ersten Planetensonden der 70er Jahre, waren aber nach den Marssonden Viking 1+2 im Jahr zuvor die ersten, die einen "großen Bahnhof" bekamen (was für die vohergehenden Mariner-, Venera-, ppp. Missionen nicht galt). Das hat sich dann bei der folgenden Exploration des äußeren Sonnensystems gehalten über die nächsten Jahrzehnte. Daß das weg ist, zeigt der Rückblick auf die mediale Begleitung des letzten Jahrzehnts. Kaguya, New Horizons, der Merkurorbiter: das alles lief wieder "unterm Radar". Zum anderen legte das den Fokus auf die unbemannten Sondenmissionen, die nicht mehr Vorbote für menschliche Präsenz waren. Polemisch könnte man sagen: mit Viking war klar, daß nie ein Mensch seine Fußtapfen im Marssand hinterlassen wird.



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Ludwig Weimer Offline



Beiträge: 292

25.08.2017 11:29
#9 RE: Botschafter im All Antworten

„Wir können aus der Nummer [Sinnsuche] nicht raus (sehr bezeichnend der Fall des Buddhismus, nach dessen Eschatologie die Erkenntnis der Bedingtheit und Falschheit aller Narrative Bedingung zum Ausstieg ist)“ (Ulrich Elkmann).
Zunächst vielen Dank, Herr Elkmann, für Ihre detaillierten astronomischen und technischen Informationen!

Nun zum anthropologischen Problem Sinnsuche-Sucht, Sinngebungs-Zwang. Sie nennen ja einen (Schein?-)'Ausweg': Den buddhistischen Abschied von der Scheinwelt. Auch in der westlichen Welt gab es ähnliche Versuche: Gnosis, zum Dualismus übertriebener Neuplatonismus mit Weltverachtung und nachtodlicher Jenseitsfixierung. Die Frage ist: Waren das einfach nur andere Narrative, Irrwege, oder waren das Zeichen dafür, dass der Mensch an einem Kreuzweg steht und wählen kann? Zugespitzt: Kann, muss der Mensch wählen, ist er so frei? Oder ist er immer gezwungen durch ein Gehirn-Weltbild, das sich automatisch bildet?
Wenn keine gesellschaftliche Alternative vorhanden ist, sondern nur Herdenzwang und Sozialkontrolle, wird es zutreffen, dass er keinen Ausweg aus dem Wald der objektiv unbegründbaren Sinngebungen hat. Wenn er aber zwischen Angeboten wählen kann? Buddha verließ, wenn die Legende stimmt, seine Braut, Schopenhauer wählte bewusst das Unverheiratetbleiben, mancher tritt als Erwachsener aus der Kirche aus, mancher wechselt die Partei, mancher weiß jetzt noch nicht, wie er in wenigen Wochen wählen wird oder ob er überhaupt wählt.
Ist das, was man wählt, vorbestimmt durch die Kindheit, die Erziehung, den Freundeskreis? Viele Persönlichkeiten haben von Schritten oder Brüchen in ihrem Leben erzählt und nachgedacht über den Zusammenhang von politischer und biographischer Geschichte. Waren ihre Entscheidungen nur pseudo-frei und in Wirklichkeit determiniert? Oder werden die Psychologen und Mediziner auch dies nie wissen? Von einer bloß eingebildeten Wahlfreiheit reden ja inzwischen jene Autoren, welche den Menschen zoologisch erniedrigen.
Ich sehe das Reden von den Narrativen insofern positiv, als man einen Geschichtsraum als Ort von Erfahrung der Verwirklichung ins Auge fasst und nicht nur denkerisch spekuliert. Denn aus der erfahrenen Geschichte gewinnt man, im idealen Fall, Erkenntnisse wie in einem wissenschaftlichen Experiment. So lese ich z. B. die Bibel; dort gibt es Geschichten und Personen aus eineinhalb Jahrtausenden. Ihre Erfahrungen sind im Leben und nicht am Schreibtisch entstanden.
Ludwig Weimer

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