Ein anderer Erbe Kants, der hier nicht erwähnt wurde, ist Schopenhauer. Der hat aus der Erkenntniskritik völlig andere Schlussfolgerungen gezogen. Er orientierte sich dabei an den philosophisch-religiösen Ansichten der alten Hindus und den Buddhismus, soweit er das zu seiner Zeit eben konnte. Andere Erben der kantschen Erkenntnistheorie sind in gewisser Weise die Positivisten. Nur dass sie eben Impulse der Metaphysikkritik und der modernen Logik aufnehmen.
Was den modernen Religionspluralismus angeht, so ist mein Hauptproblem, dass die realen Unterschiede zwischen den einzelnen religiösen Lehren einfach negiert werden. Das halte sowohl für unehrlich als auch für ein potenzielles gesellschaftliches Problem, weil es eben religiöse Lehren gibt, die unterschiedliche Folgerungen erlauben.
Natürlich beurteilt man eine Religion nicht nach den gesellschaftlichen Folgen, die sie auf die Gesellschaft hat. Dennoch spielen diese meiner Meinung nach eine Rolle. Es wäre komplett irrational, dies zu ignorieren.
Ich bin heute über meine Arbeiten auf die Kritik von Ida Friederike Görres gestoßen und kopiere Ihnen ein Stückchen zum Thema innerkirchliche Ausrede. Joseph Ratzinger hat übrigens zu ihrer Beerdigung 1971 gesprochen, das war während der Reform-Synode in Würzburg.
„Dass Menschen zu allem Bösen fähig sind, dass es ‚die Bestie im Menschen gibt‘, darüber waren wir uns freilich längst einig. Nur lebte man in der beruhigenden Vorstellung, es gebe hier etwas wie eine Grenze. (…) Unsre große Überraschung war, dass es die betonierte Zwischenschicht nicht mehr gibt“. Jeder Mensch ist zu allem fähig, - „das scheint die Entdeckung des zwanzigsten Jahrhunderts zu sein.“ Nun versteht sie auch den „neuen Ausweg“, den kirchliche Zeitgenossen in ihrer Unsicherheit gefunden haben: „ein ‚neues‘ Bild vom wahren Christen, der nicht mehr der Heilige, sondern der ‚gläubige Sünder‘ sein soll.“ Das Unbehagen würde bemerkt. „Wir erkennen endlich, dass auch bei uns keine eindeutige Grenzlinie verläuft zwischen ‚Scheinchristen‘, Betschwestern, religiösen Hochstaplern, Pharisäern und dergleichen, von denen man sich vornehm distanzieren darf – (‚die sind gar nicht richtig katholisch, wissen Sie!‘) und den ‚wahren Christen‘, die zugleich ‚gut‘, tugendhaft, vorbildlich sind.“
Über diese Wahrheit der Aushöhlung der christlichen Existenz beim angeblichen Korrigieren der veralteten Frömmigkeit kam Ida Görres zum Thema Anlass des Religionspluralismus durch die Frage nach dem ewigen Heil aller Menschen. Sie karikiert die neue Formel „Der Christ darf Sünder sein“, das zeige nur, „dass er ein ganzer Kerl ist“ mit dem Satz: „Schließlich wollen andre Leute als die ‚Vollkommenen‘ auch noch in den Himmel kommen, und die kommen sogar hinein, wie ja die Pfarrer am besten wissen. Warum soll man da eigentlich sein Leben lang so seltsame Steckenpferde reiten, anders sein als die andern, wenn es zuletzt doch auf die gleiche Seligkeit hinausläuft?“
(Ida Friederike Görres, Die leibhaftige Kirche. Gespräch unter Laien, Einsiedeln, Freiburg: Johannes Verlag Neuausgabe 1994)
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