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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 14 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Noricus Offline



Beiträge: 2.362

17.06.2019 22:20
Görlitz oder: Wie die CDU lernte, den Pyrrhussieg zu lieben Antworten

Gedanken zu Görlitz.

Um Kritik am Titel des Blogbeitrages zuvorzukommen: Merkel liebt den Pyrrhussieg spätestens seit 2017. Aber Merkel ist - auch wenn es so scheint - nicht die CDU.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.392

17.06.2019 23:10
#2 RE: Görlitz oder: Wie die CDU lernte, den Pyrrhussieg zu lieben Antworten

Natürlich ist Merkel die CDU. Ganz wie der Roi soleil mit Fug dekretieren konnte Der Staat, das bin ich, kann Frau M. für sich beanspruchen, diese Partei allein zu repräsentieren. Alles Verbliebene ist Hofstaat, Ausführungsorgan und Akklamationskammer. Die Scharaden um das Alibi-Fähnlein WerteUnion geben einen guten Fingerzeig. Niemand erwartet von dort mehr als wirkungslose Wortspenden. Es gibt keine unterschiedlichen Ausrichtungen. Im "alten BRD-System" war das untrügliches Kennzeichen der großen politischen Parteien, bis hin zur grünen Dichotomie Fundis/Realos. (Allerdings ist diese Mehrpolarität auch bei den anderen Mitspielern auf der Berliner Bühne abhanden gekommen, mit Ausnahme eben der Voldemorts, aber die sind eben auch keine Mitspieler).

Das wird mit dem Abgang Merkels von der Bühne, wann und in welche Richtung auch immer, deutlich werden. Die Partei wird den unweigerlich anstehenden Kassensturz aus 15+ Jahren Merkel nicht überstehen. Zumal sich abzeichnet, daß als letzte Neukonstellation der Berliner Republik eine geschlossene Querfront à la Görlitz von SED bis CSU anstehen wird, deren einzig verbliebener Programmpunkt die Verhinderung der Voldemorts sein wird. Frankreich hat es vorgemacht.

Bitte nicht täuschen lassen: Görlitz war eine OB-Wahl. Dort, auf rein lokaler Ebene, "funktioniert" Politik in diesem Land noch. Aber eben nicht als Parteipolitik; diese Leute haben direkte administrative Aufgaben, die sie zu erledigen haben; das ist weitgehend der parteilichen Programmatik entzogen; Herr Palmer führt das Ergebnis als Dauerbrenner vor. Auf den darüberliegenden Ebenen von Land oder gar Bund - Parteispitzen wie Parlament - ist die Politik dieses Landes handlungsunfähig. Bis auf jene Elemente, die genau nicht das Wesen politischer Führung ausmachen: also wahlloses Geldverteilen (ohne Konzept & Erfolgskontrolle), Wortspenden und infantile Symbolpolitik,



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Llarian Offline



Beiträge: 7.107

17.06.2019 23:39
#3 RE: Görlitz oder: Wie die CDU lernte, den Pyrrhussieg zu lieben Antworten

Das lustige an der Görlitz Wahl ist eigentlich etwas anderes: Sie nimmt nicht ein Molekül Dampf aus dem Kessel. Es ist schon eine seltsame Konstellation: Da treten nicht mehr sechs Parteien gegeneinander an, da treten fünf Parteien gegen eine Partei an. Eine Partei, die eigentlich doch nur die angeblich so Gestrigen, Zurückgebliebenen, Dummen und Primitiven (in Clinton Tonart: Basket of Deplorables) vertritt. Was sagt das über die deutsche Politik aus?

Der einzig große Gewinner dieser Wahl ist eigentlich die AfD: Sie muss nicht regieren und läuft damit auch nicht Gefahr nichts liefern zu können (was kann ein kleiner Bürgermeister schon gegen die Merkelsche Katastrophe ausrichten?). Sie steht auch gleichzeitig noch als Jakob gegen den allmächtigen Goliath, der hier einen Frankenstein aus fünf Parteien vorstellt. Der Pyrrhussieg beschränkt sich dabei keinesfalls nur auf die CDU, die anderen Parteien sind davon kaum weniger betroffen.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

18.06.2019 20:22
#4 RE: Görlitz oder: Wie die CDU lernte, den Pyrrhussieg zu lieben Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #2
Natürlich ist Merkel die CDU.


Wenn dem so wäre, hieße der Unionsfraktionsvorsitzende immer noch Kauder, und Merz hätte bei der Wahl des Parteivorsitzenden nicht knapp die Hälfte der Stimmen auf sich vereinigt.

Die CDU ist ein Kanzlerwahlverein, der so lange in Symbiose mit seinem Zugpferd lebt, als dieses auch die erwünschte Leistung bringt. Merkel soll ja neuerdings im Volke wieder sehr beliebt sein.

Spannend wird es insbesondere werden, wenn die Idee, den nächsten Unionskanzlerkandidaten durch eine Urwahl zu bestimmen, verwirklicht würde. Dem Vernehmen nach könnte sich Friedrich Merz dann ja gute Chancen auf den Platz an der politischen Sonne ausrechnen. Günther und Altmaier werden bei solchen Aussichten nicht ruhig bleiben.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

18.06.2019 20:36
#5 RE: Görlitz oder: Wie die CDU lernte, den Pyrrhussieg zu lieben Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #3
Das lustige an der Görlitz Wahl ist eigentlich etwas anderes: Sie nimmt nicht ein Molekül Dampf aus dem Kessel.


Das ist ja genau das erwartbare Ergebnis. Dampf aus dem Kessel hätte man dann genommen, wenn man business as usual gemacht hätte und sich von der Möglichkeit eines AfD-OB in einer nicht allzu bedeutenden Stadt nicht hätte irritieren lassen. Will insbesondere heißen, dass die im ersten Wahlgang ziemlich häufig angekreuzte Grünenkandidatin auch noch in der zweiten Runde in den Ring gestiegen wäre. Indem man sich hingegen zu einem Blockflötenkonzert gegen die AfD verabredet hat, hat man der AfD nicht nur einen Gefallen getan, weil sie - wie Du richtig schreibst - nicht durch Erfolglosigkeit ihres Exponenten bei der Amtsführung entzaubert werden kann, sondern das geschlossene Gegenbündnis auch ein Dolchstoßnarrativ gestattet.


Zitat von Llarian im Beitrag #3
Der Pyrrhussieg beschränkt sich dabei keinesfalls nur auf die CDU, die anderen Parteien sind davon kaum weniger betroffen.


Grünenwähler und SED-Sympathisanten mit Kipping-Orientierung finden es vermutlich schon erstrebenswert, eine AfD-Herrschaft (und mag sie sich auf einen nicht besonders herausgehobenen Ort beschränken) um (fast) jeden Preis zu verhindern. Die CDU wird nach den heurigen Ost-Landtagswahlen aber schon in Nöte geraten, wenn sie ihren Wählern erklären soll, warum sie sich lieber in aberwitzige politische Mésalliancen begibt, als mit der AfD, die in ihrem konservativen Flügel ja Fleisch vom Fleische der CDU ist, zu koalieren.

Und so mancher Konservative wird sich wohl auch fragen, warum er die CDU wählen soll, wenn er für sein Kreuzerl möglicherweise eine Einheitsfront mit den Grünen und der SED bekommt.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.005

18.06.2019 21:21
#6 RE: Görlitz oder: Wie die CDU lernte, den Pyrrhussieg zu lieben Antworten

Was mich wirklich besorgt ist, dass die CDU nach dem kurzen "Aufflackern" bei der Wahl um den Parteivorsitz, jetzt den Weg der SPD zu beschreiten scheint.

Ich vermute fast, das bundesweite Antreten der CSU ist nur eine Frage der Zeit.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

18.06.2019 22:03
#7 RE: Görlitz oder: Wie die CDU lernte, den Pyrrhussieg zu lieben Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #6
Was mich wirklich besorgt ist, dass die CDU nach dem kurzen "Aufflackern" bei der Wahl um den Parteivorsitz, jetzt den Weg der SPD zu beschreiten scheint.

Ich vermute fast, das bundesweite Antreten der CSU ist nur eine Frage der Zeit.

Lieber nsn, da wette ich dagegen - vorher steigt die Asylantenzahl um 20 m und der Meeresspiegel um 100 Mio (oder war es umgekehrt?).

Diese Vermutung gibt nämlich nur Sinn, wenn Du sie mit dem Satz davor verknüpfst: es gibt mE nur einen Weg, wie sich die CSU unter die 20% katapultieren könnte, und das ist der von Dir vorgeschlagene.

Denn die CSU hat einen unverkennbaren Markenkern, und das ist Bayern. Daraus bezieht sie ihren Machtanspruch. Gibt sie diesen auf, wird sie maximal Juniorpartner unter dem Duracellhäschen. Nun könnte man ja argumentieren, das wäre ein Preis, der zu verschmerzen wäre für den bundesweiten Erfolg. Aber wo soll denn der herkommen? Ein paar Argumente:

1. Das Konzept CSU funktioniert nicht auf Bundesebene. Landesverbände oder gar ein Bundesvorsitzender - möglicherweise ein Nichtbayer - Unvorstellbar!

2. Der Sprung von der konservativen Regionalpartei zur Bundespartei funktioniert nicht - frag Herrn Aiwanger. Wenn es dieses versprengte Wählerpotenzial in nennenswertem Umfang gäbe, hätten die Freien Wähler 2017 zumindest in den Ländern, in denen sie angetreten sind, deutlich erfolgreicher abgeschnitten.

3. Wo soll denn qualifiziertes Personal herkommen? Man kann gegen die CSU sagen, was man will, aber sie hat im Vergleich zu jedem CDU-Landesverband deutlich mehr an ministrablem Personal hervorgebracht. Das wird sie sich nicht verwässern lassen. Es wären also so abgehalfterte Maaßens und ähnliches von der Werteunion. Damit kann man einen Tichy-Blog mit Interviews füllen, aber kein Land regieren.

Nein, ich bin zuversichtlich, dass jeder, der sich eine AfD light wünscht, von der er auch gleichzeitig im Yogakurs erzählen kann, das er sie wählt, sich woanders umschauen muss.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.420

18.06.2019 23:23
#8 RE: Görlitz oder: Wie die CDU lernte, den Pyrrhussieg zu lieben Antworten

Petz,
Sehr interessant, Sie haben Recht.

___________________
Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

18.06.2019 23:34
#9 RE: Görlitz oder: Wie die CDU lernte, den Pyrrhussieg zu lieben Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #8
Petz,
Sehr interessant, Sie haben Recht.

Und das wichtigste Argument habe ich glatt vergessen: Wenn die CSU selbst unter einem starken Bundespolitiker wie Strauß letztendlich kalte Füße bekommen und den Schritt nicht getan hat, dann um so weniger unter einem Söder, der noch nie irgendwelche bundespolitische Ambitionen erkennen hat lassen, und der den Eindruck macht, dass ihm Berlin immer fremd bleiben wird.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Manfred Sachs Offline




Beiträge: 109

19.06.2019 09:46
#10 RE: Görlitz oder: Wie die CDU lernte, den Pyrrhussieg zu lieben Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #5
Indem man sich hingegen zu einem Blockflötenkonzert gegen die AfD verabredet hat, hat man der AfD nicht nur einen Gefallen getan, weil sie - wie Du richtig schreibst - nicht durch Erfolglosigkeit ihres Exponenten bei der Amtsführung entzaubert werden kann, sondern das geschlossene Gegenbündnis auch ein Dolchstoßnarrativ gestattet.


Es bedarf sicher keines "Dolchstoßnarrativs" um die Antipathie an den "Block der antifaschistischen demokratischen Parteien" wieder in Erinnerung zu rufen. So lange ist das noch nicht her und ein Großteil der Wahlberechtigten kennt diese Zeit noch aus eigenem Erleben. Und warum unbedingt Dolchstoß? Achja, das obligatorische In-Die-Nähe-Rücken...

MfG
M. S.
____________________________________
Alle Menschen sind gleich - mir jedenfalls.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

19.06.2019 20:09
#11 RE: Görlitz oder: Wie die CDU lernte, den Pyrrhussieg zu lieben Antworten

Zitat von Manfred Sachs im Beitrag #10
Und warum unbedingt Dolchstoß? Achja, das obligatorische In-Die-Nähe-Rücken...


Mir wäre neu, dass die AfD obligatorisch in die Nähe der Obersten Heeresleitung gerückt würde.

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

20.06.2019 18:00
#12 RE: Görlitz oder: Wie die CDU lernte, den Pyrrhussieg zu lieben Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #6
Ich vermute fast, das bundesweite Antreten der CSU ist nur eine Frage der Zeit.
Das wird nicht passieren. Hier wurden schon einige Grüne genannt, aber die sind mir zu abstrakt. Konkret sieht es so aus, dass die CSU zur Zeit einer Menge Parteimitgliedern in Bayern Pöstchen und sonstige Vorteile verschafft. Wenn sie, was im Fall der bundesweiten Ausdehnung unvermeidbar wäre, in Bayern Konkurrenz durch eine CDU bekäme, gingen diese Privilegien verloren. Dafür winken zwar anderen, künftigen Parteimitgliedern in anderen Bundesländern vielleicht mal solche Vorteile, aber erstens auf einer viel unsichereren Basis und zweitens - haben die bei der Entscheidung zur Ausdehnung keine Stimme. Clubtheoretisch ist die Sache klar.

--
Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.005

20.06.2019 18:19
#13 RE: Görlitz oder: Wie die CDU lernte, den Pyrrhussieg zu lieben Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #12
Das wird nicht passieren.
Da mögen du und Petz Recht haben.

Meine Gedanke war auch weniger als Prognose gedacht, sondern ein lautes Nachdenken darüber was geschieht, wenn die CDU Richtung 10% geht wie die SPD und die CSU in diesen Strudel mit hinein gerät. Da wären die Pöstchen auch weg. Vielleicht ist ein solches Szenario derzeit nicht denkbar und vielleicht kann man auf ein solches Szenario als CSU auch anderes reagieren, als bundesweit anzutreten. Aber ich kann mir ein solches Szenario, eine Union auf aktuellem SPD Niveau, durchaus vorstellen. Auch wenn ich es mir alles andere als wünsche.

Vor einigen Monaten, als Seehofer von sich reden machte, hatten wir hier und auch bei dir mal die Diskussion über die Volksparteien und ihre Intergrationsaufgaben im Hinblick auf die politischen Ränder. Der CSU hatte ich das damals zugetraut auf diese Aufgabe wieder hinzuarbeiten. Der CDU nicht.

Aber du und Petz haben sicherlich Recht, dass es für den bundesweiten Antritt der CDU sehr große Hürden gibt. Allerdings geht es mir auch nicht um eine Yogataugliche AfD light, die ich herbei sehne.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

20.06.2019 18:23
#14 RE: Görlitz oder: Wie die CDU lernte, den Pyrrhussieg zu lieben Antworten

Dieser Schreibfehler ist einfach zu schön (Hervorhebungen von mir).

Zitat von Werwohlf im Beitrag #12
Hier wurden schon einige Grüne genannt, aber die sind mir zu abstrakt.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

20.06.2019 18:29
#15 RE: Görlitz oder: Wie die CDU lernte, den Pyrrhussieg zu lieben Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #13
Meine Gedanke war auch weniger als Prognose gedacht, sondern ein lautes Nachdenken darüber was geschieht, wenn die CDU Richtung 10% geht wie die SPD und die CSU in diesen Strudel mit hinein gerät. Da wären die Pöstchen auch weg.


Die CSU hält sich nach wie vor erstaunlich gut. Sie ist die einzige in der Bundesregierung vertretene Partei, die bei der EP-Wahl nicht verloren hat. Ich vermute, dass sie auch bei der nächsten Landtagswahl in Bayern die mit Abstand stärkste Kraft wird. Da schauen dann schon etliche Pöstchen heraus. Und wenn man vielleicht auch nicht mehr in der Bundesregierung ist: Den Einzug in den Bundestag wird die CSU unter vorhersehbaren Umständen jedenfalls schaffen.

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