Die Groko hat die Wiedereinführung des Meisterzwangs für zwölf Gewerke in 2020 beschlossen. Die erfolgreiche Reform und Liberalisierung der Handwerksordnung in 2003 durch Wirtschaftsminister Wolfgang Clement wird einkassiert. Betroffen sind davon folgende Gewerke:
• Fliesen-, Platten- und Mosaikleger • Betonstein- und Terrazzohersteller • Estrichleger • Behälter- und Apparatebauer • Parkettleger • Rollladen- und Sonnenschutztechniker • Drechsler und Holzspielzeugmacher • Böttcher • Glasveredler • Schilder- und Lichtreklamehersteller • Raumausstatter • Orgel- und Harmoniumbauer
Das ist in jeder Hinsicht ein Rückschritt: Für das Handwerk, für die Kunden und für Unternehmensgründer und somit für die deutsche Gesamtwirtschaft. Das Handwerk leidet seit Jahren unter Nachwuchsmangel. Der relativ niedrige Lohn als Handwerksgeselle ist ein Grund, ein weiterer ist die Perspektivlosigkeit in höhere Gehaltsregionen vorstoßen zu können. Hier begann und beginnt die Phantasie des Gesellen, ein eigenes Unternehmen gründen zu können. Diese Dynamik wird durch die Rolle rückwärts in die Ausweitung zulassungspflichtiger Gewerke massiv ausgebremst. Der Aufwand in Zeit und Kosten um einen Meistertitel zu erwerben, erstickt jede unternehmerische Phantasie eines Gesellen.
Um die Qualität der deutschen Ausbildung der Meisterschulen im dualen System beneidet uns angeblich die ganze Welt. Hier muss man sich fragen, warum dieses denn nicht von der Welt kopiert wird. Die Antwort ist einfach: Weil es den Marktzugang erheblich erschwert, hohe Kosten verursacht und dem Stand der Technik um 20 Jahre hinterherhinkt. Was gestern Handarbeit war, erledigt heute eine Maschine. Solche Anschaffungen sind von den Kammern nicht zu stemmen, sie halten nicht Schritt mit der Entwicklung. Stattdessen betreiben sie Folklore und verschließen die Augen fest vor technischen Entwicklungen, die „ihr Handwerk“ angreifen. Gradezu widerwillig wurden in vielen Bereichen CNC-gesteuerter Maschinen eingeführt und deren Bedienung gelehrt.
Für den Kunden in Deutschland sind das auch keine gute Aussichten, denn ihm wird im Grunde die Fähigkeit abgesprochen, Preis und Leistung beurteilen zu können. Das Angebot wird schlicht verknappt und die Rechnung stimmt: Es wird teurer für den Kunden.
Wie passt das zur Harmonisierung in der EU? Wenn der polnische Fliesenleger hier legal Fliesen verlegen darf und Hein Müller bei ihm als Angestellter arbeitet? Das darf man dann wohl als „ Innländerdiskriminierung „ bezeichnen.
Fazit: Wir können alle sehr froh sein, dass uns nicht eine niederländische Orgel verkauft wurde. Ein Hoch auf die deutschen Handwerkslobbyisten! Ganze Arbeit! Echt!
Der Meisterzwang erschwert auch den Verkauf, die Unternehmensübergabe, bis hin zur Schließung eines profitablen Betriebes mangels Nachfolger mit entsprechendem Meistertitel. So wird der Inhaber um seine Lebensleistung und Altersvorsorge gebracht.
Die DNA der HWO liegt in mittelalterlichen Zünften. Bismarck hatte die Gewerbefreiheit denen entgegen eingeführt, bis die Nazis diese 1935 wieder beschränkten in die Form, wie wir sie heute haben.
Der Meisterzwang treibt bisweilen auch völlig absurde Blüten.
Ein guter Freund von mir, gelernter Metzger aber eben kein Meister, betreibt ein Dorfwirtshaus in einem Kaff mit unter 1000 Einwohnern, das in der gesamten Gegend bekannt ist für seine Wildgerichte. Die kann er zu günstigen Preisen anbieten, weil er das Fleisch nicht im Wildhandel kaufen muss, sondern die Jäger liefern ihm die Viecher frisch aus dem Wald an. Win-win-Situation für alle.
Nun bleibt ja aus den Teilen, die nicht gastronomisch verwertbar sind noch einiges übrig, woraus er Wurst herstellt. Die wollte er nebenbei aus einer Frischtheke verkaufen - darf er nicht, gilt als Metzgereibetrieb und deswegen Meisterzwang. Obwohl er genau die gleiche Wurst an seine Gäste auf einem Brotzeitbrett verkaufen darf. Finde ich absurd.
Die Umschreibung der HWO als Humus für absurde Blüten ist sehr nett und gnädig, denn es handelt sich im Kern um ein knallhartes Monopol, das ausserhalb des Handwerkskosmos auch als verfassungswidrig eingeschätzt wird, da es dem Artikel 12 "Berufsfreiheit" widerspricht. Die Handwerkslobby ist unglaublich mächtig und einflussreich. Umso erstaunlicher wirkt auf mich rückbetrachtend der Mut und die Durchsetzungskraft eines Minister Clement unter Schröder. Dabei wird mir auch bewusst, wie fortschrittlich die Schröder-Regierung in vielen Bereichen war. Die Groko rennt in Siebenmeilenstiefeln den errungenen Liberalisierungen hinterher und kassiert sie ein. Unternehmerischer Optimismus, den Deutschland dringend braucht, wird im Keim erstickt.
Für Ihren befreundeten Wirt und Metzgergesellen gibt es eine Lösung, die es ihm ganz legal ermöglicht, seine selbst hergestellte Wurst zu verkaufen. Das Zauberwort heisst "Ausübungsberechtigung". Diese kann man als Meister beantragen, um in fast jedem zulassungspflichtigen Gewerk der HWO legalen Marktzugang zu erwerben. Eine fachliche Prüfung gibt es dabei nicht, es ist ein rein bürokratischer Antrag/Akt. Stellt er z.B einen arbeitslosen Orgelbaumeister als Kellner ein, der einen Antrag auf Aufübungsberechtigung in Wurstherstellung/Metzger stellt und bewilligen läßt, steht der Herstellung und dem ganz legalen Verkauf nichts mehr im Wege. Wenn er etwas sucht, wird er arbeitslose Meister schnell finden: Buchbinder, Glasbläser, Brunnenbauer, Korbflechter, Büchsenmacher, Seiler, Klempner...die alle dürfen dann Wildwurst herstellen. Ausbilden dürfen sie allerdings in der Wurstherstellung dann nicht. Also...nur bisschen Mut zur Lücke ;)
Oder Ihr befreundeter Wirt kauft sich ne Wurstmaschiene. Dann ist er kein Handwerker mehr, stellt seine Würste industriell her. In der IHK hat er freie Fahrt und kann den Massenmarkt ohne Meister bedienen. Die Würste, die ein Deutscher so im Leben verputzt, sind zu 99,9% industriell hergestellt.
Wie verhält es sich beim Meisterzwang? Wie bei Apotheken, sodaß man nur ein Geschäft bedienen darf? Oder könnte der findige Metzgermeister seinen Titel gegen einen kleinen Obolus mehreren Bedürftigen zur Verfügung stellen (ähnlich weiblichen Vorstandsvorsitzenden)?
MfG M. S. ____________________________________ Alle Menschen sind gleich - mir jedenfalls.
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