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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 10 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Llarian Offline



Beiträge: 7.120

06.06.2020 00:13
Anmerkungen zum R-Faktor Antworten

Eine kleine Beobachtung.

strubbi77 Offline



Beiträge: 337

06.06.2020 11:54
#2 RE: Anmerkungen zum R-Faktor Antworten

Die Grundtendenz des Artikels stimmt.
Es wäre mit deutlich milderen Mitteln möglich gewesen das Virus einzudämmen. Und Rt ist der falsche Wert um betrachtet zu werden.
Es ging immer nur um die Nachvollziehbarkeit von Infektionsketten. Ein Kardinalsfehler war die Unterschätzung in der generellen Ausbreitung weltweit. Deswegen wurden Reisewarnungen und Tests und andere Maßnahmen an symptomatischen Personen nicht durchgeführt.
Zusätzlich hat ja bekanntlich das Fehlen von Schutzausrüstung dazu geführt, dass Zufallsbegegnungen bei Massenveranstaltungen wie ÖPNV und Schlange stehen am Einlass noch ohne Methoden zur Senkung der Virenlast in der Luft durchgeführt wurden.
Durch die reduzierte Gesamtanzahl an Infizierten wird die Kontaktmachverfolgung immer besser. Und somit wird jede Rücknahme von Maßnahmen durch schnelleres Handeln auf der anderen Seite flankiert.
Ein in Quarantäne gestreckter Infizierter hat ein Rt von 0. Einer der rumröchelnd die anderen Personen im selben Raum abknutscht 20-100 ... der Schnitt davon ist das Thema. Die meisten Aktivitäten mit einer Ansteckungsmöglichkeit von > 5 sind noch verboten. Mir wäre es lieber gewesen von Beginn an bei 30 die Grenze zu machen, dann wären wenigstens die Klassenzimmer noch befüllt worden.
Wie es jetzt weitergeht kann ich nicht abschätzen, aber ein Anstieg der Gesamtzahl an Infizierten vor dem Ende der Sommerferien würde mich wundern. Danach wird es sicher zu einem aufflackern kommen. Wie stark .. keine Ahnung

strubbi
Es geht nichts verloren, ausser der Fähigkeit es wiederzufinden.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

06.06.2020 12:17
#3 RE: Anmerkungen zum R-Faktor Antworten

Zitat von strubbi77 im Beitrag #2
Die Grundtendenz des Artikels stimmt.

Ich habe nicht den Eindruck, dass wir da so übereinstimmen. Deshalb vielleicht deutlicher:
Der Virus war bereits vor dem Lockdown "eingedämmt" (zumindest wenn man den R-Faktor zugrunde legt). Die unglaublich teuren Maßnahmen, die allesamt nach dem Verbot von Großveranstaltungen kamen, waren in Retrospektive allesamt unnötig und verheerend in ihren Nebenwirkungen.

Zitat
Es ging immer nur um die Nachvollziehbarkeit von Infektionsketten.


Ihnen vielleicht. Aber nicht dem Staat. Der Umgang mit tatsächlichen Infektionen war in Deutschland schon zu Anfang der Krise lächerlichst (selbstkontrollierte Heimisolation, da lachen ja die Hühner). Den Spaß der Nachvollziehbarkeit hat man vielleicht noch in Bayern nach der Fortbildungsveranstaltung gemacht und in Gangelt noch stümperhaft versucht, aber spätestens nach der 100. bekannten Infektion war das alles nur noch Mumpitz. Und es ist auch heute noch Mumpitz.

Zitat
Durch die reduzierte Gesamtanzahl an Infizierten wird die Kontaktmachverfolgung immer besser.


Das ist Legendenbildung und stammt aus dem selben Dunstkreis, die meinen eine "Corona-App" würde irgendwelche Probleme lösen (weil angeblich in Korea so erfolgreich). Kontaktverfolgung klappt, wenn sie ein paar Dutzend Fälle haben, wir haben weltweit eine Durchseuchung im bald zweistelligen Millionenbereich, alleine in Deutschland über 100.000 Offizielle, inoffiziell vermutlich mehr als eine Million. Da wird nix mehr nachverfolgt.

Zitat
Die meisten Aktivitäten mit einer Ansteckungsmöglichkeit von > 5 sind noch verboten.


Dann empfehle ich mal einen Realitätscheck in der Innenstadt.

zwerg Offline



Beiträge: 80

06.06.2020 16:27
#4 RE: Anmerkungen zum R-Faktor Antworten

R-Faktor mal beseite genommen. Wie kann es sein, dass die Maßnahmen unwirksam sind, wenn wir durch sie von 150000 Gesamtfällen mit über zeitweise deutlich über 50000 aktiven Fällen auf aktuell unter 8000 aktive Fälle gekommen sind? Wie Sie ja durchaus bemerkt haben, ist die etwas zu frühe Abnahme des Anstiegs durch erstes Vermeidungsverhalten der Bevölkerung vor dem Lockdown verursacht. Darüber hinaus ist Schweden, das auf die Maßnahmen verzichtet aktuell auf inzwischen heute über 34000 aktive Fälle gestiegen ist und in der Tendenz steigend. Also aktuell 4x so viel wie Deutschland bei 8x weniger Bevölkerung. Auch das zeigt, dass die Maßnahmen doch etwas Effekt haben müssen.

Der R-Faktor ist auch nicht das, was er impliziert, da nur die Kurve der Neuinfektionen der letzten Woche angeschaut wird und nicht, wie impliziert, eine Nachverfolgung von Infektionen in die Berechnung eingeht. Zwei Wochen nach dem Zuckerfest haben wir einige neue Infektionsherde, wo die Maßnahmen nicht eingehalten wurden und letzt kam immer wieder R wieder über 1 in einigen Nachrichten, zumindest regional. Gleichzeitig findet aktuell kaum Absteigen der Neuinfizierungen statt, für Deutschland letzte Woche
5/30/20, 267
5/31/20, 221
6/1/20, 184
6/2/20, 285
6/3/20, 242
6/4/20, 351
6/5/20, 452
Ich muss noch dazusagen, dass an zwei Tagen vor der Woche vermutlich wegen einem Superspreading wir bei 600-700 Neuinfektionen lagen. Daher dürfte der veröffentlichte R-Werte gerade eher klein sein, aber die Tendenz legt ein Steigen des veröffentlichten 7-Tage-Wertes nahe.

Dass wir ein niedriges R trotz Lockerungen sehen bedeutet aber wohl insgesamt, dass wenig Infizierte unerkannt rumrennen.

Was auch zu bedenken ist, dass es primär um Superspreader-Ereignisse geht und diese ja auch im besonderen durch die verbleibenden Maßnahmen abgeschwächt werden. Man könnte auch sagen, jetzt, wo wir Masken und viele Ersatzmaßnahmen haben, können wir lockern. Hintergrund: Wie z.B. Nassim Taleb das ja auch feststellt, die Infektionen folgen Fat-Tail-Statistiken. Da, wo ein Spreading mal durchschlägt, ist der Wert plötzlich hoch. Danach beruhigt sich der Wert wieder, weil der Beitrag des Superspreadings fehlt. Insofern wäre es nicht überraschend, wenn Tage mit niedrigem R Tage mit hohem R in dem angegebenen 7-Tage-R-Wert ausgleichen könnten und den Wert dadurch unsinnig machen könnten. Gerade die Gefahr von falschem Mittelwertbilden sehe ich sehr hoch. Aber wie Taleb das in dem Fall gut sagt, man soll nicht einzelne Werte anschauen, sondern die Verteilungsfunktion.
.
Wo ich Ihnen auf Recht gebe: erst die Verdopplungszahl, dann der R-Wert, alles irgendwie halbgare Statistiken und R müsste aufgrund statistischer Effekt auch deutlich unter 1 sein, damit auch wirklich ein Abklingen in absehbarer Zeit erfolgt. 1 ist kein guter Wert.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

07.06.2020 02:00
#5 RE: Anmerkungen zum R-Faktor Antworten

Zitat von zwerg im Beitrag #4
R-Faktor mal beseite genommen. Wie kann es sein, dass die Maßnahmen unwirksam sind, wenn wir durch sie von 150000 Gesamtfällen mit über zeitweise deutlich über 50000 aktiven Fällen auf aktuell unter 8000 aktive Fälle gekommen sind?

Das ist das Wunder der Exponentialfunktion. Selbst kleine Abweichungen unter 1 machen da eine enorme Wirkung. Und unter 1 waren wir bereits vor dem Lockdown. Seitdem sind 11 Wochen vergangen. Setzen Sie einen R-Faktor zwischen 0,8 und 0,9 an, dann sind sie schon da. Entscheidend ist aber etwas ganz anderes: Das seit wir Lockerungen durchsetzen, sich der R-Faktor nicht wieder erhöht hat. DAS ist die entscheidende Beobachtung.
Wir streiten ja weniger darüber, ob es zwischen Dezember 20019 und heute entschiedene Verhaltensänderungen ("Maßnahmen") gegeben hat, die den Faktor massiv gedrückt haben. Entscheidend ist aus meiner Perspektive ob diese Maßnahmen bereits im März 2020 erfolgt waren. Denn die Maßnahmen, die zwischen Dezember 2019 und März 2020 eingeführt wurden, sind bis dato ja nicht aufgehoben. Mal ab von den hirnverbrannten linken Großdemos, die derzeit stattfinden (es würde mich nicht wundern, wenn diese noch einmal Zündstoff geben).

Zitat
Darüber hinaus ist Schweden, das auf die Maßnahmen verzichtet aktuell auf inzwischen heute über 34000 aktive Fälle gestiegen ist und in der Tendenz steigend. Also aktuell 4x so viel wie Deutschland bei 8x weniger Bevölkerung. Auch das zeigt, dass die Maßnahmen doch etwas Effekt haben müssen.


Sollte man meinen. Ist aber in der Kürze falsch. So hat Großbritannien deutlich mehr Fälle und auch Tote als Schweden, und das obschon in Großbritannien ein viel schärferes Programm gefahren wird. Solche Ländervergleiche sind immer extrem schwierig, sie berücksichtigen keinen Gesundheitsstand, kein Durchschnittsalter, keine Impfstruktur, vor allem aber keine Mentalität. Die Deutschen "gehorchen" bekanntermaßen sehr gerne, wenn man ihnen sagt, dass sie zuhause bleiben sollen und sich die Hände waschen sollen, dann tun die das auch. Das ist in anderen Ländern keinesfalls garantiert. Deutschland ist gesundheitlich (leider nicht wirtschaftlich) gut durch die Pandemie gefahren, aber nicht wegen toller Maßnahmen (die haben andere auch und noch schärfer gefahren und haben damit keinen Erfolg gehabt) sondern eher aus Gründen, die wir heute noch nicht genau kennen. Das deutsche Phänomen ist bisher nicht verstanden, aber es ist unwahrscheinlich, dass es sich an Maßnahmen erschliessen kann, die andere weit früher getroffen haben.

Zitat
Dass wir ein niedriges R trotz Lockerungen sehen bedeutet aber wohl insgesamt, dass wenig Infizierte unerkannt rumrennen.


Aber ganz uns gar nicht. Das Dunkelfeld ist von den offiziellen Zahlen nicht beeinflusst, vor allem dann nicht, wenn die Kontrollgruppe (also die positiv getesteten) sich genauso verhält wie die unbekannten Infizierten. Wie viele da draußen wirklich infiziert sind, wissen wir nicht. Allerdings geben uns die wenigen repräsentativen Studien ein sehr klares Bild, dass die Menge der tatsächlich infizierten einige Faktoren, im Extremfall mehr als eine Potenz, höher liegt.

Zitat
Gerade die Gefahr von falschem Mittelwertbilden sehe ich sehr hoch.


Auch hier sind wir absolut gegenteiliger Meinung, die Mittelwertbildung ist die einzig sinnvolle Größe. Ob es zu Superspreading überhaupt kommt oder nicht, ist am Ende für Virologen spannend, aber für die Betrachtung des ganzen Landes ist vor allem entscheidend welche Auswirkungen das Gesamtpaket ausmacht. Und da ist der Mittelwert genau die richtige Größe.

Simon Offline



Beiträge: 334

07.06.2020 20:07
#6 RE: Anmerkungen zum R-Faktor Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #5
Das ist das Wunder der Exponentialfunktion. Selbst kleine Abweichungen unter 1 machen da eine enorme Wirkung. Und unter 1 waren wir bereits vor dem Lockdown. Seitdem sind 11 Wochen vergangen. Setzen Sie einen R-Faktor zwischen 0,8 und 0,9 an, dann sind sie schon da. Entscheidend ist aber etwas ganz anderes: Das seit wir Lockerungen durchsetzen, sich der R-Faktor nicht wieder erhöht hat. DAS ist die entscheidende Beobachtung. Wir streiten ja weniger darüber, ob es zwischen Dezember 20019 und heute entschiedene Verhaltensänderungen ("Maßnahmen") gegeben hat, die den Faktor massiv gedrückt haben. Entscheidend ist aus meiner Perspektive ob diese Maßnahmen bereits im März 2020 erfolgt waren. Denn die Maßnahmen, die zwischen Dezember 2019 und März 2020 eingeführt wurden, sind bis dato ja nicht aufgehoben. Mal ab von den hirnverbrannten linken Großdemos, die derzeit stattfinden (es würde mich nicht wundern, wenn diese noch einmal Zündstoff geben). Zitat


vgl. Fragen an den Freiburger Mathematiker Gerd Antes. Von Birgit Herden Redakteurin im
Ressort Wissen

https://www.welt.de/wissenschaft/plus209...ezurueckgezogen-
Was-bedeutet-das.html

Mit Grüßen!
Simon

hubersn Offline



Beiträge: 1.342

01.08.2020 15:42
#7 RE: Anmerkungen zum R-Faktor Antworten

Inzwischen sind wir ja zwei Monate weiter, und pünktlich nach Llarians Beitrag begann der R-Wert ja wieder (ich beziehe mich hier auf den geglätteten 7-Tage-Wert - ich denke, der ist unter den ganzen Schätzungen mit all ihren Unwägbarkeiten noch der zuverlässigste für eine Langzeitbetrachtung) für einige Zeit stetig über 1 zu liegen, in der Spitze bis 1,4 gegenüber den "unter 0,8"-Werten solange der strenge Lockdown mit den Kontaktbeschränkungen aktiv war. Woran lag's? Demos ohne Abstand? Einreisende Erntehelfer und Schlachthof-Mitarbeiter? Beginnende Wiederaufnahme der Reisetätigkeit? Offene Läden? Noch keine Maskenpflicht?

Und jetzt, im Hochsommer mit den erfahrungsgemäß schlechtesten Ausbreitungsbedingungen für derartige Viruserkrankungen, ist der Wert wieder seit etwa drei Wochen deutlich und stetig über 1. Welche der Lockerungen in Verbindung mit allgemein nachlassender Vorsicht letztlich für diesen Anstieg sorgt, ist natürlich schwer zu sagen. Aber dass man Teile der Reisebeschränkungen aufgehoben hat, ohne gleichzeitig Zwangstests z.B. für ankommende Rückkehrer am Flughafen einzurichten inklusive Quarantänepflicht für die Zeit bis zum Testergebnis ist mir ein absolutes Rätsel. Leichtsinn oder nur Inkompetenz?

Auch die Tatsache, dass es weiterhin eher schwierig ist, einen Test zu bekommen, wenn man symptomlos ist oder nur milde Symptome hat, ist befremdlich. Und die Zeit, bis das Testergebnis vorliegt, ist nach wie vor viel zu hoch. Von "Schnelltest" kann keine Rede sein.

Wenn man Lockerungen will, dann muss man in eine deutlich professionalisierte Infrastruktur investieren und auch unbequeme Maßnahmen treffen, sonst wird es erst mit Verfügbarkeit einer Impfung oder einer guten antiviralen Therapie einen Ausweg aus der Dauermisere geben. Die Downloadzahlen der Corona-Warn-App verbreiten ja auch nicht gerade Hoffnung. Klar, der Einzelne hat ja auch hauptsächlich Nachteile davon. Wie bei der Alltagsmaske.

Positiv zu vermerken ist eigentlich nur, dass sich die Behandlung der COVID-19-Erkrankten mit steigender Erfahrung wohl deutlich verbessert hat. Die Überlebenschancen auf der Intensivstation steigen, der Anteil der auf der Intensivstation Intubierten sinkt. Vielleicht aber auch nur ein Effekt von "die Schwächsten erwischt es zuerst".

Gruß
hubersn

--
Mein Politik-Blog: http://politikblog.huber-net.de/
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Florian Offline



Beiträge: 3.179

01.08.2020 18:36
#8 RE: Anmerkungen zum R-Faktor Antworten

Zitat von hubersn im Beitrag #7
Inzwischen sind wir ja zwei Monate weiter, und pünktlich nach Llarians Beitrag begann der R-Wert ja wieder (ich beziehe mich hier auf den geglätteten 7-Tage-Wert - ich denke, der ist unter den ganzen Schätzungen mit all ihren Unwägbarkeiten noch der zuverlässigste für eine Langzeitbetrachtung) für einige Zeit stetig über 1 zu liegen, in der Spitze bis 1,4 gegenüber den "unter 0,8"-Werten solange der strenge Lockdown mit den Kontaktbeschränkungen aktiv war. Woran lag's? Demos ohne Abstand? Einreisende Erntehelfer und Schlachthof-Mitarbeiter? Beginnende Wiederaufnahme der Reisetätigkeit? Offene Läden? Noch keine Maskenpflicht?



Ein paar statistische Anmerkungen:

Erstens:
Der R-Wert sagt eigentlich herzlich wenig aus über die aktuelle Gefahrenlage.

Szenario A: R=1,2. Es gibt aktuell 1000 Infizierte, die 2 Wochen lang ansteckend sind.
Dann dauert es 58 Wochen, um auf kumuliert 1 Mio. Infizierte zu kommen.

Szenario B: alles wie bei A. Nur R=0,8 und aktuell 300.000 Infizierte.
Dann dauert es 8 Wochen, um auf kumuliert 1 Mio. Infizierte zu kommen.

Mit anderen Worten: So lange die Infektionszahlen so niedrig sind wie aktuell, ist der R-Wert eigentlich nicht sehr aussagekräftig.
Relevant wird er erst, bei relativ hohen Infektionszahlen.
Aktuell würde ich eher auf Kennziffern wie "neue Fälle pro Tag" schauen.
Und die sind zwar in der Tat leicht ansteigend, aber noch SEHR weit entfernt von den Zahlen im März oder April.


Zweitens:
Ein sehr wichtiger Grund für die steigenden Fallzahlen dürfte die steigende Zahl an Tests sein.
Wobei man hier noch bedenken sollte, dass Tests auch falsche Ergebnisse liefern können. Gerade bei sehr geringen Fallzahlen kommt es dann zu statistisch überraschenden Effekten.

Beispiel:
In einer Bevölkerung von 10 Mio. Menschen sind aktuell 10.000 infiziert. (=0,1% der Bevölkerung)
Es gibt einen (sehr guten!) Test, der zu positive Fälle mit 99% Zuverlässigkeit als positiv erkennt. Und der negative Fälle mit 99% Zuverlässigkeit als negativ erkennt.

Nun werden zufällig 100.000 Personen aus der Gesamtbevölkerung ausgewählt und getestet.
0,1% davon ist objektiv positiv (=100 Personen). Bei 99 davon zeigt der Test richtig "positiv". Bei 1 Person liegt der Test falsch und zeigt "negativ".
99,9% sind objektiv negativ (=99.900 Personen). Bei 99% davon (=98.900) zeigt der Test richtig "negativ". Bei 1% (=1000) liegt der Test falsch und zeigt "positiv".

Dann haben wir als Testergebnis also insgesamt 1099 Personen, die als "positiv" getestet wurden.
Davon waren allerdings tatsächlich nur 99 positiv. Beim Rest war das Testergebnis falsch.
Und dieses auf den ersten Blick seltsame Ergebnis mit ganz überwiegend "falschen Alarmen" kommt zustande, OBWOHL der Test eigentlich zu 99% richtig liegt.

Der Grund ist die dahinter liegende statistische Problematik, die ich in diesem Beispiel deutlich machen wollte:
So lange nur ein geringer Anteil der Bevölkerung tatsächlich infiziert ist, führt eine Ausweitung der Tests dazu, dass der überwiegende Teil der positiven Testergebnisse falsch ist.
Es wäre also möglich, dass die Erhöhung der Infizierten-Zahlen in der Realität gar nicht stattfindet sondern nur ein mathematisches Konstrukt ist, dass sich aus vermehrten Tests ergibt.

Und abschließend, um einen Teil Ihrer Frage zu beantworten, der mich beruflich betrifft:
Zitat von hubersn im Beitrag #7
Woran lag\'s? Demos ohne Abstand? Einreisende Erntehelfer und Schlachthof-Mitarbeiter? Beginnende Wiederaufnahme der Reisetätigkeit? Offene Läden? Noch keine Maskenpflicht?


Es gibt in Deutschland bislang soweit ich weiß keinen einzigen Fall von Masseninfektionen, der auf einen Laden zurück zu führen war.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

02.08.2020 00:37
#9 RE: Anmerkungen zum R-Faktor Antworten

Zitat von hubersn im Beitrag #7
Inzwischen sind wir ja zwei Monate weiter, und pünktlich nach Llarians Beitrag begann der R-Wert ja wieder (ich beziehe mich hier auf den geglätteten 7-Tage-Wert - ich denke, der ist unter den ganzen Schätzungen mit all ihren Unwägbarkeiten noch der zuverlässigste für eine Langzeitbetrachtung) für einige Zeit stetig über 1 zu liegen, in der Spitze bis 1,4 gegenüber den "unter 0,8"-Werten solange der strenge Lockdown mit den Kontaktbeschränkungen aktiv war. Woran lag's? Demos ohne Abstand? Einreisende Erntehelfer und Schlachthof-Mitarbeiter? Beginnende Wiederaufnahme der Reisetätigkeit? Offene Läden? Noch keine Maskenpflicht?

Mehr Tests. Schlicht und trivial. Florian hat es schon beschrieben, hier findet es sich noch einmal ausführlich: https://www.achgut.com/artikel/bericht_z...nstliche_wellen
Der ganze R-Wert war vorher schon fragwürdig, inzwischen ist er rein politisch. Wenn das RKI nicht einmal die massive Steigerung der Tests einrechnet, was ja wirklich jedem, der Statistik auch nur mal angerissen hat, anbrüllen muss, dann sieht man sehr deutlich dass da inzwischen nur noch versucht wird irgendwie die Panik zurück zu holen.

Zitat
Welche der Lockerungen in Verbindung mit allgemein nachlassender Vorsicht letztlich für diesen Anstieg sorgt, ist natürlich schwer zu sagen.


Eigentlich ist es trivial zu sagen, und es spricht für sich, dass das RKI das nicht sagt.

Zitat
Aber dass man Teile der Reisebeschränkungen aufgehoben hat, ohne gleichzeitig Zwangstests z.B. für ankommende Rückkehrer am Flughafen einzurichten inklusive Quarantänepflicht für die Zeit bis zum Testergebnis ist mir ein absolutes Rätsel. Leichtsinn oder nur Inkompetenz?


Weil die Panik vorbei ist, lieber hubersn. Inzwischen haben viel zu viele Leute realisiert, dass man einer Irrsinnspanik aufgesessen ist und die ganzen Horrorszenarien nicht eingetroffen sind. Das sind nur noch Rückzugsgefechte, damit niemand offen zugeben muss, dass man die größte Weltwirtschaftskrise seit 100 Jahren(!) für Nüsse produziert hat. Solche Tests wären vielleicht sinnvoll. Aber sie werden bei weitem nicht mehr als so wichtig angenommen, als in einer Zeit, wo die Panik noch vorherrschend war. Sprich: Es schadet der Politik nicht, ob solche Tests nun gemacht werden oder nicht, weil die Aufmerksamkeitsökonomie längst woanders ist.

Zitat
Wenn man Lockerungen will, dann muss man in eine deutlich professionalisierte Infrastruktur investieren und auch unbequeme Maßnahmen treffen, sonst wird es erst mit Verfügbarkeit einer Impfung oder einer guten antiviralen Therapie einen Ausweg aus der Dauermisere geben. Die Downloadzahlen der Corona-Warn-App verbreiten ja auch nicht gerade Hoffnung. Klar, der Einzelne hat ja auch hauptsächlich Nachteile davon. Wie bei der Alltagsmaske.


Das Thema ist schlicht und einfach durch, lieber hubersn. Die Panik ist vorbei und inzwischen realisieren einige Millionen Menschen die Folgen dieser Panik am eigenen Leibe und der eigenen Existenz. Das ist das Problem des Untergangspropheten: Wenn man so massiv den Untergang herbeiredet und der nicht im Ansatz eintritt, dann wird es irgendwann immer schwieriger, dass einem die Leute noch glauben. Genau das ist bei Covid passiert. Das kann durchaus nochmal zurück kommen. Und kann auch richtig weh tun. Aber die Panik kommt nicht wieder. Und deshalb wird es auch keine Dauermisere geben oder sonst irgendwelche großen Maßnahmen. Gemessen an der Misere, die durch die Covid-Panik angerichtet wurde, ist der Virus am Ende ohnehin der kleinere Killer.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

02.08.2020 00:56
#10 RE: Anmerkungen zum R-Faktor Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #8
Aktuell würde ich eher auf Kennziffern wie "neue Fälle pro Tag" schauen. Und die sind zwar in der Tat leicht ansteigend, aber noch SEHR weit entfernt von den Zahlen im März oder April.

Dazu möchte ich wiederum was anmerken: Das wird auch wieder hochgehen. Genauso wie es bei jeder Gruppe und jeder Erkältung wieder im Herbst hochgeht. Was ich immer so absurd finde in der ganzen R-Faktor Diskussion ist die absurde Vorstellung man könne Covid irgendwie "austreten". Was ja bei Inluenza Viren auch so supergut funktioniert. Als im März Covid bekannt wurde, erschien dies nach den damaligen Informationen als möglich. Aber auch das war wohl schon falsch, weil es längst weltweit verbreitet war und China nur darüber getäuscht hatte. Es ist aber weltweit unterwegs. Und damit tritt man es nicht mehr aus. Das Ding kommt immer wieder. Und was sollte die Reaktion sein? Vor allem dann, wenn es keine Impfung geben sollte (was ja durchaus möglich wäre). Jede Einreise zu testen? In Quarantäne? Was ist mit illegalen Einreisen? Was ist mit Schengen? Das ist am Ende doch alles absurd. Aber auf diesem absurden Level wird diskutiert.
Wir werden, zumindest so es keine effektive Impfung gibt, immer wieder Ausbrüche sehen. Genauso wie bei Grippe auch. Und es werden Menschen sterben. Wie bei Grippe auch.

Es wäre viel wichtiger, viel, viel wichtiger, sich Gedanken zu dem zu machen was man angerichtet hat und was man noch alles anzurichten gedenkt. Die Ausbreitung von Covid zu verhindern/zu behindern ist sicher ein gesellschaftliches Ziel. Aber es ist nur eins unter vielen. Und es wurde monatelang so behandelt als müsste jedes andere dahinter zurück stehen. Mit katastrophalen Folgen. Und dieser Fehler möchte sich fortsetzen. Ja, es macht Sinn sich Gedanken zu machen wieviele neue Fälle es pro Tag gibt. Und was man dagegen tun kann. Und ebenso, was man bisher absolut vernachlässigt hat, was das, was man dagegen tun kann, am Ende kostet.

Zitat
Es gibt in Deutschland bislang soweit ich weiß keinen einzigen Fall von Masseninfektionen, der auf einen Laden zurück zu führen war.


Und es gibt keinen einzigen dokumentierten Fall von einer Infektion, die nicht über ein Aerosol sondern über einen haptischen Kontakt zustande gekommen ist. Was aber nichts daran ändert, dass in allen Schwimmbädern keine Schwimmhilfen und Tauchringe mehr ausgegeben werden, weil man keine Möglichkeit hat diese nach jeder Nutzung zu desinfizieren (was sich irgendein Bürokrat ausgedacht hat). Und, wenn ich schon bei Schwimmbädern bin, diverse Schwimmbäder inzwischen mitten am Tag eine Stunde schliessen, damit alle offenen Flächen desinfiziert werden können. In den aktuellen Regelungen ist so viel Schwachsinn enthalten, dass es einem die Schuhe auszieht.

Aber Maske, Desinfektion und Schliessungen haben eins gemeinsam: Sie mögen nicht allzu wirksam sein, aber sie simulieren ein: Wir haben etwas getan.

hubersn Offline



Beiträge: 1.342

02.08.2020 17:01
#11 RE: Anmerkungen zum R-Faktor Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #9

Mehr Tests. Schlicht und trivial.



Die Anzahl der durchgeführten Tests schwankt gar nicht so furchtbar stark zwischen KW12 (Beginn Lockdown) und KW30 (letzter verfügbarer Wert der Tests pro Woche). Und wenn man den Anteil der positiven Tests anschaut, hat der durchaus eine Korrelation zum R-Wert - würde ich jetzt mal so freihändig sagen.

Dass zu Anfang der Pandemie zuwenig Tests gemacht wurden, um das wahre Ausmaß zu erkennen, und die Menschen mit Symptomen einfach in häusliche Quarantäne geschickt wurden ohne Tests, ist ja hinreichend bekannt. Von daher sind die Anfangszahlen - auch aufgrund der viel zurückhaltenderen Teststrategie - nicht 1:1 mit den Zahlen seit etwa Mitte April zu vergleichen.

Zitat

Florian hat es schon beschrieben, hier findet es sich noch einmal ausführlich: https://www.achgut.com/artikel/bericht_z...nstliche_wellen



Oh Mann, der Herr Frank mischt aber auch wieder alles mit jedem und verquirlt es nochmal gut durch, um zu seinem immer gleichen Ergebnis zu kommen: alles Panikmache. Die Toten sind nur erfunden oder zumindest nicht vom Virus verursacht. Masken sind überflüssig. Lockdowns bringen nix. Corona hat dafür gesorgt, dass massenweise medizinisch notwendige und dringende Behandlungen unterbleiben (und dass das eine Lüge ist, kann ich aus eigener Erfahrung sagen). Seit zwei Wochen der neueste Hit: der Lockdown an sich hat für die Todesopfer gesorgt, und nicht etwa der Virus. Es ist wirklich an Absurdität kaum zu übertreffen, was der Herr Frank und seine Mitstreiter regelmäßig von sich geben. Man lese sich noch mal das pseudo-geleakte Dokument aus dem Innenministerium durch, da war er ja auch federführend beteiligt. Auch da: mit Logik und Konsistenz tut man sich schwer, mit steilen Behauptungen ohne Grundlage hingegen leicht.

Natürlich darf das gute alte Narrativ von den vielen vielen false-positive-Ergebnissen nicht fehlen. Man fragt sich, wie es die Australier geschafft haben, trotz täglich 25000 bis 35000 Tests nur eine einstellige Zahl von positiven Tests zu generieren. Seitdem in den Labors die Dual-Target-Analyse quasi Standard ist, kann man mit "false-positive" eigentlich nicht mehr in einer relevanten Größenordnung argumentieren, und schon vorher war es fragwürdig. Der oft zitierte erste Ringversuch bestimmter Labore diente ja genau zur Verbesserung der Prozesse. Typisch, dass sowas von interessierter Seite direkt gegen einen verwendet wird.

Gruß
hubersn

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