"Christliches Menschenbild in der CDU? Zum 75. Geburtstag der Partei kommentierte der Welt-Redakteur Thomas Schnid das Verhältnis der CDU zum Christentum. Ludwig Weimer seinerseits kommentiert den Artikel Schmids.
Zitat Dass wir Menschen so verflixt egoistisch, misstrauisch und doch auch so liberal und liebevoll sein können, macht unsere Größe aus. Christen, die es wirklich sein wollen, zu raten, wie es Thomas Schmid tut, es dort, in den Kirchen, aber dann ganz zu sein, und als Bürger zusätzlich politische Wächter und Täter, ist ein guter Rat.
Ich frage mich, was es da nicht zu verstehen gibt. Aber fragen Sie weiter. Vielleicht ergibt sich daraus eine fruchtbare Diskussion auf dieser so öde und einseitig (gewordenen)* Plattform.
Der Rechtsradikalismus ist die derzeit größte Gefahr für die Demokratie. So das Statement des Bundesinnenministers in diesen Tagen. Sind der aufkeimende Rechtsradikalismus und die sinkenden Mitgliederzahlen in den Kirchen zwei Seiten einer Medaille? Entgleitet unserer Gesellschaft mit zunehmender Kirchenferne allmählich der ethische Maßstab? Fällt sie damit zurück in einen heidnischen Tribalismus, in dem die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder Ethnie mehr zählt als die Würde des einzelnen Menschen? In die ZEIT vom 2. Juli 20 (Nr. 28) berichtet ein Überlebender des Holocaust kurz vor seinem hundertsten Geburtstag über seine Erlebnisse im Wien in den 1930er Jahren. Der Beginn der Naziherrschaft in Wien war ein einziger Ausbruch des Neids, der Missgunst und der böswilligen Rachsucht gegen die jüdischen Bürger der Stadt. Auch hier waren getaufte Christen am Werk, wenn es darum ging, sich des jüdischen Eigentums zu bemächtigen. Und der Anteil an Kirchenmitgliedern in der Bevölkerung war in diesen Jahren weitaus größer als heute.
An der bloßen Größe der beiden Kirchen kann es also nicht liegen, wenn der Maßstab verloren ginge. Evelyn Finger erinnert in der ZEIT derselben Ausgabe in ihrem Beitrag "Glaube ohne Worte" an ein Wort Joseph Ratzingers von der kleinen Schar, einer Kirche, die, weil sie nicht mehr Volkskirche ist, den christlichen Glauben überzeugender lebt.
Zitat von Harlachinger im Beitrag #4An der bloßen Größe der beiden Kirchen kann es also nicht liegen, wenn der Maßstab verloren ginge. Evelyn Finger erinnert in der ZEIT derselben Ausgabe in ihrem Beitrag "Glaube ohne Worte" an ein Wort Joseph Ratzingers von der kleinen Schar, einer Kirche, die, weil sie nicht mehr Volkskirche ist, den christlichen Glauben überzeugender lebt.
Hier Evelyn Fingers Statement zur kleinen Schar im Kontext:
Zitat Auf dieses Problem reagierten beide Kirchen bislang mehr ängstlich als beherzt. Die Katholiken, grob gesagt, sind seit einem halben Jahrhundert tief zerstritten, ob sie die Moderne verteufeln sollen oder sich der modernen Menschen annehmen, wie sie sind. Die Protestanten, grob gesagt, haben es sich bequem gemacht in der Illusion, die fortschrittlichere Kirche zu sein und dank der Reformation keine echten Reformen mehr nötig zu haben. Zugleich ist in beiden schrumpfenden Kirchen ein heimliches Überlegenheitsgefühl gewachsen, ein Verliererstolz, der an der Basis ebenso vorkommt wie in der Hierarchie. Joseph Ratzingers trotziges Wort von der Kirche der kleinen Schar drückte aus, was nicht nur seine Fans empfanden: Je weniger wir sind, desto mehr haben wir recht.
Was für eine Fremdprophetie! Keine weiteren Fragen.
Zitat von Harlachinger im Beitrag #4Der Rechtsradikalismus ist die derzeit größte Gefahr für die Demokratie. So das Statement des Bundesinnenministers in diesen Tagen. Sind der aufkeimende Rechtsradikalismus und die sinkenden Mitgliederzahlen in den Kirchen zwei Seiten einer Medaille? Entgleitet unserer Gesellschaft mit zunehmender Kirchenferne allmählich der ethische Maßstab? Fällt sie damit zurück in einen heidnischen Tribalismus, in dem die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder Ethnie mehr zählt als die Würde des einzelnen Menschen?
Es brauchte mindestens 30 Seiten, um das hier Vermixte zu trennen & einzeln ad acta zu legen. Hier läuft so einiges durcheinander, was zu einer unproduktiven Mélange verrührt wird.
Zitat Der Rechtsradikalismus ist die derzeit größte Gefahr für die Demokratie.
Dieser Satz ist schlichter Unsinn (ich darf das schreiben, da Sie das ja als zweifelhaftes Zitat bringen). Egal, ob diese Stellen das wirklich glauben, oder ob sie nur das seit gefühlt 1975 gängige Schibboleth bedienen, um fromme Floskeln abzusondern. Die Zahlen geben es schlicht nicht her. Bei mindestens 9 von 10 der inkriminierten rechtsradikalen & rechtsextremen Taten handelt es sich um Propagandadelikte, um Schmierereien, ob nun auf Netzplattformen oder Hauswänden. Irgendwelche halbwegs wirksamen Bestrebungen, die demokratische Rechtsordnung auszuhebeln, No-Go-Areas zu etablieren, Denkmäler zu stürzen, den Komment zu beherrschen, was auch immer: Fehlanzeige. Alles Dinge, die die Linke, die Antifa - bis hin zum Aufstellen von Denkmälern für Massenmörder wie Lenin - locker im Programm hat. Agents provocateurs dürften da zudem eine nicht geringe Rolle spielen. Die "großen Wellen" der letzten 2-3 Jahre haben sich mit unangenehmer Regelmäßigkeit als Luftnummern entpuppt: Franco A., die BW als rechtsextrem unterwanderte Organisation, Hase-du-bleibst-hier, Reichsbürgerwahn... Statt dessen sehen wir ipso facto die Party People und Eventmanager am Werk. Die darf man ihrer Einstellung wohl unumwunden als "rechtsradikal" bezeichnen, aber nicht in dem Sinn, wie es den Medien genehm ist.
Zitat Sind der aufkeimende Rechtsradikalismus und die sinkenden Mitgliederzahlen in den Kirchen zwei Seiten einer Medaille?
Nein. Vor dem geistigen Auge entsteht das Bild eines enttäuschten Kirchgängers, der sonntags nicht mehr für den Klingelbeutel spendet, sondern aus Enttäuschung eine Reichskriegsflage im Keller hißt. Beide Felder haben nichts miteinander gemein. Leute, die mit den Insignien des Terrors randalieren, zählen zu einer anderen Gruppe; ihre Antriebe & Dynamiken speisen sich aus anderem als der Schwund der etablierten Denominationen. Hierbei sollte man sich mal kurz an das erinnern, was vor 30 Jahren bei den Diskussionen um "Skins" und "Hooligans" festgestellt wurde & wegen mangelnder Paßgenauigkeit schnell übergangen wurde: bei den meisten einheimischen Radikalen handeln es sich im Kern um unpolitische Gemüter, denen es auf die Randale ankommt; die Symbolik, die primitiven Parolen dienen zur Anstachelung bei den Entfesselung von Gewalt & Primitivität, nicht umgekehrt.
Zitat Entgleitet unserer Gesellschaft mit zunehmender Kirchenferne allmählich der ethische Maßstab?
Mal davon ab, daß "die Gesellschaft" auch ganz schön handfest werden konnte, als sie noch, im Kleinen bis in jede Faser christlich grundiert war. Ein Blick in die Geschichte lehrt, daß Macht, Schlacht, Rassismus von der Glaubensstärke unabhängig sind (das "deus lo vult" spare ich mir an dieser Stelle). Die pietistischen und quietistischen Tendenzen im Christentum haben die Realpolitik in 1500 Jahren ziemlich wenig bestimmt. Die Lieblingsbeschäftigung sämtlicher Medien, wenn sich ihr Blick mal aufs Vergangene richtet, über das notorische Jahrzwölft hinaus, besteht darin, die komplette Amoralität dieser christlich geprägten Geschichte anzuklagen. Im Kleinen (Frauenunterdrückung, Sexualmoral, mangelnde Bekachelung und Heiligsprechung sexueller Devianz) wie im Großen (seit 60 Jahren Stichwort "Kolonialismus", aktuell "Sklaverei") - immer unter strenger Vermeidung, einen Blick darauf zu werfen, wie es während dieser Zeit im Rest der Welt zuging. Die "Entgleitung des ethischen Maßstabs" ist seit 2500 Jahren ein Dauerbrenner. Daß ein solches Richtmaß womöglich einer starken religiösen Klammer bedarf, um zu funktionieren, säkularen Gesellschaften also keine große Zukunft beschert ist, weil "der Mensch" nunmal als Gruppe weder freiheitlich noch glaubensfrei konstruiert ist, steht auf einem ganz anderen Blatt.*
(*Wenn der infantile Unfug des Gretatismus eins archetypisch gezeigt hat, dann, wie sich die Rituale kollektiven religiösen Verhaltens Bahn brechen, auch wenn dies völlig anders intendiert war.)
Zitat Fällt sie damit zurück in einen heidnischen Tribalismus, in dem die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder Ethnie mehr zählt als die Würde des einzelnen Menschen?
Sie fällt nicht zurück; das ist die normale Grundierung menschlicher Gesellschaften. Die Toleranz ist ein Ausnahmezustand, zu gefühlt 95% durch Handel (und zu einem kleineren Anteil durch Wissenschaftsbetrieb) ermöglicht und benötigt. Die Prägung von Homo sapiens ist die Großgruppe; dieses Blut wird, wenn die Wellen hochgehen, wohl immer stärker sein als das Wasser der nachsichtigen Toleranz. Wir reden hier nicht vom Individuum, sondern von Gesellschaften, die Hunderttausende oder Millionen umfassen. (Da läßt sich eine Gruppenmoral auch nicht mal eben so installieren, egal, ob christliche Missionare missionieren oder Regenbogen-Hüpflinge. Das ist der Grund, warum in Immigrationsgesellschaften die "alten", importierten Gepflogenheiten dominieren. Von denen manche subkutan verlaufen und manche sich in übler Weise Bahn brechen. Weswegen solche Gesellschaften nur Zukunft haben, wenn sie die zweite Sorte erst gar nicht importieren; der Westen zahlt gerade dieses Lehrgeld wieder einmal.)
Für Gesellschaften, für Großgruppen, ist die "Würde des Einzelnen" die falsche Meßlatte. War es immer, wird es immer sein. So funktioniert es nicht, wenn es über den erweiterten Bekanntenkreis hinausgeht. Die Gesellschaft hat, und zwar streng formal und funktionalistisch, Institutionen bereitzustellen, die einem solchen Freiraum die Möglichkeit gibt, zu bestehen und sich zu entfalten. Vorzugsweise, ohne andauernd gefährdet zu sein (Stichwort "täglich neu aushandeln"). Die Etablierung & Erhaltung dieser Institutionen, von Bildungswesen, Polizei, Justiz usw. hat damit herzlich wenig zu tun; der geschützte Freiraum ist sekundärer Ausfluß ihres Funktionierens.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Die Katholiken waren im 19. Jahrhundert mehr als heute darüber zerstritten, ob sie die Moderne verteufeln sollen oder nicht. Sie haben sie verteufelt, sehr zum Nachteil der gesellschaftlichen Entwicklung. Die Katholische Kirche hatte in der Folge an gesellschaftlichen Einfluss verloren. Einfluss wäre aber nötig gewesen, als es darum ging, dem am Ende des 19. Jahrhunderts aufkeimenden Antisemitismus und Nationalismus etwas entgegenzusetzen. Die Katholiken galten lange als rückständig im Vergleich zu den Protestanten, die sich seit der frühen Aufklärung als loyalere und in vieler Hinsicht produktivere Verbündete im Deutschen Reich erwiesen haben.
Die Katholiken streiten sich seit dem 2. Vatikanum nicht mehr darüber, ob sie den modernen Menschen annehmen sollen. Leider wird nicht mehr gestritten, denn das heißt, es gibt keinen Dialog mit der Gesellschaft. Es wird nicht mehr diskutiert. Dabei gab es einen intensiven Dialog im Gefolge des Vatikanums, sogar ein eigenes Päpstliches Sekretariat - pro dialogus com non credentibus. Die Initiative Papst Benedikts "Vorhof der Völker" ist der Versuch einer Fortsetzung dieser Bemühungen um einen Dialog mit der modernen Welt. Im Großen und Ganzen ist er allerdings versandet und die sich leerenden Pfarreien - katholisch wie evangelisch - sind die Folge. Man kann leicht auf die Idee kommen - und das schwingt wohl bei Josef Ratzingers Zitat von der kleinen Schar irgendwie mit - dass, weil die Urgemeinde in Jerusalem klein und deshalb auch erfolgreich war, auch heute eine kleine Kirche wieder erfolgreich wäre. Nur das bloße Kleinsein wird nicht mehr ausreichen. Vor 2000 Jahren hatte das Christentum Erfolg, weil auch der nichtchristliche Mensch die Welt als an sich göttlich glaubte. Eben das ist heute nicht mehr so. An die Stelle des Übernatürlichen ist die Natur mit ihren Gesetzen getreten. Es bräuchte heute mehr als nur eine strukturkongruente Analogie: Reformen in der Kirche, die dazu helfen, modernes Alltagsleben mit gläubiger Weltsicht zu verbinden. Dann wäre auch ein gesellschaftlich-politischer Einfluss wieder gegeben.
Zitat von Harlachinger im Beitrag #7Man kann leicht auf die Idee kommen - und das schwingt wohl bei Josef Ratzingers Zitat von der kleinen Schar irgendwie mit - dass, weil die Urgemeinde in Jerusalem klein und deshalb auch erfolgreich war, auch heute eine kleine Kirche wieder erfolgreich wäre. Nur das bloße Kleinsein wird nicht mehr ausreichen.Vor 2000 Jahren hatte das Christentum Erfolg, weil auch der nichtchristliche Mensch die Welt als an sich göttlich glaubte. Eben das ist heute nicht mehr so. An die Stelle des Übernatürlichen ist die Natur mit ihren Gesetzen getreten. Es bräuchte heute mehr als nur eine strukturkongruente Analogie: Reformen in der Kirche, die dazu helfen, modernes Alltagsleben mit gläubiger Weltsicht zu verbinden. Dann wäre auch ein gesellschaftlich-politischer Einfluss wieder gegeben.
Zitat von Harlachinger im Beitrag #7Man kann leicht auf die Idee kommen - und das schwingt wohl bei Josef Ratzingers Zitat von der kleinen Schar irgendwie mit - dass, weil die Urgemeinde in Jerusalem klein und deshalb auch erfolgreich war, auch heute eine kleine Kirche wieder erfolgreich wäre.
Das deckt sich irgendwie mit der neuen Istruktion „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“, welche die Kleruskongregation am gestrigen Montag veröffentlicht hat und Papst Franz mit seiner Autorität, besonders auch auf die "synodalen" Tendenzen in Deutschland hin, unterstützt.
Zitat von Harlachinger im Beitrag #7Vor 2000 Jahren hatte das Christentum Erfolg, weil auch der nichtchristliche Mensch die Welt als an sich göttlich glaubte. Eben das ist heute nicht mehr so.
Wie Sie m.E. richtig einschätzen, wird "das bloße Kleinsein nicht mehr ausreichen". Warum?
Zitat von Harlachinger im Beitrag #7 An die Stelle des Übernatürlichen ist die Natur mit ihren Gesetzen getreten. Es bräuchte heute mehr als nur eine strukturkongruente Analogie: Reformen in der Kirche, die dazu helfen, modernes Alltagsleben mit gläubiger Weltsicht zu verbinden. Dann wäre auch ein gesellschaftlich-politischer Einfluss wieder gegeben.
Das hieße im Klartext: Die christologisch zentrierte und ekklesiologisch strukturierte apostolische Gemeinde in ihrer sakramentalen wirksamen Form, aufbauend auf der im Exil gefundenen Form der jüdischen "Synagoge", die die "Versammlung" (Ekklesia) Christi präfigurierte, müsste wiedergefunden und hellsichtig möglichst von Papst und Bischöfen unterstützt werden. Und dies in der Hoffnung, dass sie - einst (wieder)- in der Einheit mit dem gläubigen Judentum der (von den falschen Göttern gereinigten) aufgeklärten Welt- verlässlich darüber hinaus - "Licht auf dem Leuchter", "Stadt auf dem Berg", "Salz", das vor der Fäulnis bewahrt, sein könnte. So wie es die Propheten ganz deutlich seit dem Exil universal (d.i. mit Weltgeltung) - schöpfungs- und heilstheologisch - bereits für das atl. Volk ISRAEL aus der (ihrer) Geschichte abgelesen, erschaut und aufgeschrieben hatten.
Vielen Dank, Harlachinger und freundliche Grüße! Ich denke, das könnte auch eine verdeutlichende Antwort auf Frank2000s Anfrage sein. Simon
Zitat von Harlachinger im Beitrag #7Man kann leicht auf die Idee kommen - und das schwingt wohl bei Josef Ratzingers Zitat von der kleinen Schar irgendwie mit - dass, weil die Urgemeinde in Jerusalem klein und deshalb auch erfolgreich war, auch heute eine kleine Kirche wieder erfolgreich wäre.
Dergleichen Gemeinden gibt es zuhauf. Die Freikirchen, die Baptistengemeinden, die Adventisten, die Altkatholiken. Nur ist ihnen das Kleine, Partikulare (gemeine Seelen sagen: Sektenhafte) eingeschrieben. Das galt, mutatis mutandis, auch für die christliche Urgemeinde; es galt sogar nach der Abwendung vom Judentum, nach der Neuorientierung hin zr Heidenmission und dem Fußfassen quer durchs Römische Imperium. Die gegenstrebige Konsolidierung setzte dann ab dem Ende des 2. Jhdts. ein, um ein Zerfallen in zahllose feindliche Kleingemeinden zu verhindern; nicht zuletzt mit der Eingrenzung des Schriftkanons. Eine weltumfassende Lehre ist auf dergleichen angewiesen (übrigens kann man einen ähnlichen Vorgang auch beim nichtmissionierenden Buddhismus beobachten, bei dem die "Gleichschaltung" von Ritus & Kanon im 2. Jdt. v. Chr. sich ebenso auswirkte).
Man muß es einfach im Auge behalten: wer auf die "kleine Schar" zielt, gibt damit allen Anspruch auf Außenwirkung auf. Was bleibt, ist das Castillo interior. Am prägnantesten natürlich in den Klostergemeinschaften ausgeprägt (nicht nur den christlichen). Aber eine normative Strahlkraft ist damit nicht mehr gegeben. Das ist der Preis dafür.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #9wer auf die "kleine Schar" zielt, gibt damit allen Anspruch auf Außenwirkung auf. Was bleibt, ist das Castillo interior. Am prägnantesten natürlich in den Klostergemeinschaften ausgeprägt (nicht nur den christlichen). Aber eine normative Strahlkraft ist damit nicht mehr gegeben. Das ist der Preis dafür.
Das mit dem "Anspruch" ..., das kann doch schon rein logisch gesehen nicht wahr sein. Dann hätte es weder die "Katholische Kirche", die sich in ihrem SYMBOLUM bis heute die "eine, heilige, katholische und apostolische Kirche" nennt nie gegeben. Selbst ihre Denominationen hingen dann völlig in der Luft.
Was die christlich fundierten "Klostergemeinschaften" betrifft, so bleibt ihre Nichtwirksamkeit eine reine Behauptung. Geschichtlich belegt ist das Gegenteil! Markante Beispiele (z.T. übrigens bis heute wirksam) muss ich nicht nennen. Sie sind leicht zu ergoogeln. Doch freilich bleiben sie trotz ihrer situationsbezogenen (relativen) Strahlkraft Not-Gemeinschaften, was ihre jüdisch-christliche DNA betrifft. Ich versuchte das oben schon klarzustellen. Hier sei vielleicht beispielhaft nur das eine Faktum erwähnt: der fehlende nervus rerum: dass die volle Freiheit des Individuums und seine volle Verfügbarkeit und Verantwortung über das individuelle Eigentum erhalten bleibt. Das Wort Jesu: "Verkaufe alles was du hast ..." meint nicht ein Allerwelts-Almosenwesen, sondern ist Ausdruck der Ganz-Hingabe für seine Sache, d.h. der Sache der (nicht vom Menschen angezettelten) Offenbarung zum Wohl des Menschen in seiner Welt. Zum Erstaunen der Welt, wenn sie geschieht oder gar glückt. - Ähnlich steht das: "Verlasse Vater und Mutter ... und folge mir nach" ohne dabei "arm" im allgemein-sozialen Sinne zu werden - wovor z.B. Berhard Show* warnt und recht hat, wenn er nur soziologisch denkt - unter dieser Prämisse. Das mag für heute Abend genügen. Grüße! Simon
Zitat von Simon im Beitrag #10Geschichtlich belegt ist das Gegenteil!
Geschichtlich belegt ist, dass in meiner aktuellen Heimatdiözese faktisch kein einziger Männerorden mehr existiert. Ich kenne hier - als Relikt aus dem letzten Jahrtausend - noch einen dieser ihrer Meinung nach zu ergoogelnden Konvente, wo sich vier Greise mehrmals am Tag ins Chorgestühl schleppen. Und wieder zurück. Und ich sage das mit allem Respekt vor deren Lebensleistung und mit großem Bedauern. Die jungen sind alle in den 90er Jahren gegangen. Und in meinem aktuellen Wohnort wurde der letzte Konvent vorletzten Sommer aufgelöst, aus vergleichbaren Gründen. Was bitteschön bleibt da an Außenwirkung?
Zitat von Simon im Beitrag #10Doch freilich bleiben sie trotz ihrer situationsbezogenen (relativen) Strahlkraft Not-Gemeinschaften, was ihre jüdisch-christliche DNA betrifft.
Was bitteschön ist denn das Maß, und was ist das Bemessene? Alles, was im Christentum nicht Jüdisch ist, ist eine Notlösung? Woher haben Sie bloß diese hermeneutische Brechstange? Solch eine a priori Festetzung ist pure Willkür. Es gab in der Exegesegeschichte schon Phasen, wo das genaue Gegenteil als wissenschaftlich erwiesen galt. Jetzt behaupten Sie halt genau das Gegenteil. Was soll's? Denn auch das ist Windhauch. "Die Logik hat eine Nase aus Wachs, sie lässt sich biegen, wohin der Redner es will." Und zu ihrem Trost: Das Zitat kommt aus klösterlichem Umfeld, belegt also Ihre These von der Strahlkraft. Vor ca. 1000 Jahren halt. Und heute?
So hat jede Zeit ihre hermeneutische Lieblingsbrille, durch die sie auf die Schrift schaut. In der Folge kann dann jeder immer genau das aus ihr herauslesen, was er will. Und wenn Sie darauf bestehen, liefere ich Ihnen auch noch das Ratzinger-Zitat, in dem er viel ausgewogener und sachlich richtiger genau dieses Faktum ins Wort hebt.
- Sei's drum: Wenn Sie Ihre metaphorische These von der christlich-jüdischen DNA zuende dächten, kämen Sie zu dem Schluss, zum Judentum konvertieren zu müssen. Das mag rein technisch gesehen nicht einfach sein, aber es soll Standorte geben, wo das möglich ist. Mazal tov!
Zitat von Simon im Beitrag #10Was die christlich fundierten "Klostergemeinschaften" betrifft, so bleibt ihre Nichtwirksamkeit eine reine Behauptung. Geschichtlich belegt ist das Gegenteil! Markante Beispiele (z.T. übrigens bis heute wirksam) muss ich nicht nennen.
Wirklich Wirkung hatten natürlich die Benediktinergemeinden der irischen Mission, die als Startpunkt dafür gesehen werden, daß das Frühmittelalter das Chaos der Völkerwanderungszeit abzulösen begann. ("Chaos" blieb freilich spätestens bis zum Erlaß der Treuga Dei ausgangs des 11. Jahrhunderts faktisch gegeben.) Das Pendant dazu kann man, gut 700 Jahre später, in den Jesuitenmissionen der Neuuen Welt sehen. Deren Funktion ergab sich daraus, daß sie schlicht die einzige Institution darstellten, die die Verwaltungsarbeit eines Reiches sicherstellen konnte, weil die Mönche als einzige lesen, schreiben und rechnen (Stichwort computus) konnten. Die Missionsarbeit lief immer über die Bekehrung der Häuptlinge, Herrscher, Dorfschulzen, Fürsten, Kaziken oder wie immer man die Kleinfürsten nennen mag, und der Konversion der Bevölkerung. An der Sachsenmission Karls d. Gr. kann man das nachverfolgen, auch an der Missionstätigkeit des Deutschen Ordens. Es ist ja bezeichnend, daß der geistige Umbau in der sprituellen Ausrichtung des Hochmittelalters, das Anbordnehmen (neu)platonischer Elemente, auch der aufkommende Marienkult, keine lebensweltlichen Änderungen nach sich zog, außer im Übergang im Kirchenbau vom romanischen Stil zur gebauten Lichtmetaphorik der gotischen Kathedralen. Das begann sich erst mit der Etablierung der Hochschulen in Paris und Prag zu wandeln.
Der letzte Durchgang, Klostergemeinschaften als geistige Keimzelle für Erkenntnis & Philosophie zu etablieren, war im 17. Jahrhundert die Schule von Port-Royal, die den Jansenismus pflegte & ausbaute. Damit hat es bekanntlich kein gutes Ende genommen.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Heute fuhr ich wieder einmal in die Kathedrale, um dort "eine Messe mit Andacht zu hören". Ich gebrauche bewusst die Formulierung, die früher in meinem "Katechismus" als "Sonntagspflicht" vermerkt war, die zu erfüllen noch vor der Pflicht sich "knechlicher Arbeiten zu enthalten" rangierte. - Mit Andacht hätte ich auch eine Messe in meiner Ortspfarrei , der größten im Bistum - aus 5 großen Pfarreien zusammengelegt - hören können. Aber erstens vergaß ich mich anzumelden, zweitens: Was nützt hier jede "Andacht", wenn man sich nach der Messe wieder aus dem Weg geht, es die Gesellschaft, das Volk, während der Woche nicht spürbar wird, in der solche "Pflichten" ihren "Sitz im Leben", Sinn haben, einsichtig werden? In die Kathedrale zieht es mich immer wieder, weil ich die Weite ihrer Architektur liebe, Form in der Musik und im Gesang erwarten kann; vor allem immer wieder gespannt bin, wie der Bischof, wenn er zugegen ist, oder sonst ein Prediger die Texte - eine Lesung aus dem AT, eine aus dem NT (meist aus Briefen) und eine aus den "Evangelien" auslegt. Heute, am 18. So. i. Jahreskreis, Lesejahr A, 2020, waren die Texte: Jes 55,1-3 - Röm 8, 35.37-39 - Mt 14, 3-21 für die Liturgie ausgewählt. - Der Prediger, ein älterer Herr, professoral wirkend, redegeübt, benützte den Satz aus Deuterojesaja als Brücke für das, was er im Evangelium hervorheben und entfalten wollte: "Auf, ihr Durstigen, kommt alle zum Wasser! Die ihr kein Geld habt, kommt, kauft Getreide und esst, kommt und kauft ohne Geld und ohne Bezahlung Wein und Milch! Warum bezahlt ihr mit Geld, was euch nicht nährt, und mit dem Lohn eurer Mühen, was euch nicht satt macht? Hört auf mich, dann bekommt ihr das Beste zu essen und könnt euch laben an fetten Speisen! Neigt euer Ohr mir zu und kommt zu mir, hört und ihr werdet aufleben!" - Dazu: Das ist sehr löblich, aber ohne Einordnung und Auslegung bleiben die paradoxen Formulierungen des Propheten aus dem 6. oder 5. Jh, v. Chr. rätselhaft. Trotzdem muss gelobt werden, dass der atl. Text erwähnt wird. Im Evangelium, das mit der Notiz der Enthauptung Johannes d. T. beginnt, nahm der Prediger die Notiz zum Anlass, um zu mutmaßen, dass Jesus allein sein will, um Johannes zu betrauern. Fehldeutung, denn in der Zusammenschau der Evangelien steht fest, dass Jesus erst öffentlich auftrat, als es den Mund des Propheten nicht mehr gab, und das ist von Belang: Er wusste, was auf ihn zukommt!! Trotzdem lässt er sich vom Volk drängen, das seine Worte - als Gottes Wort - hören will. "Mitleid mit ihnen" und den "Kranken, die bei ihnen waren" drängte ihn. Die sog. - poetisch erzählte - "Brotvermehrung", hier aus fünf Broten und zwei Fischen --- für 5000 Männer, dazu die Frauen und Kinder, deutete er allein auf das zentrale Wochenereignis für die Gläubigen in der "Eucharistie". Das ist nicht falsch, aber kurzsichtig. Es muss zu einem mirakelhaften Verständnis solcher Texte führen, zu "Hocus pocus"-Verständnis (NB, die Zauberworte sind den sog. Wandlungsworten verbalhornt nachgebildet) auch der Messe. Überlesen und nicht ernst genommen wird das Jesuswort im Text: (bezogen auf die Leute, die vom langen Zuhören hungrig sind: "Sie brauchen nichr wegzugehen, Gebt ihr ihnen zu essen." Hier kommt bei Jesus zum Tragen, was die atl. Propheten schon an Kritik gegenüber dem Opferkult vorbrachten: Gott kann eure Opfer nicht ausstehen, hält sich die Nase zu vor ihrem Duft, wenn ihr zulässt, dass es Arme und Kranke unter euch gibt. Die Eucharistie der Gläubigen als Zeichen und Höhepunkt gläubigen Tuns macht also nur Sinn, wenn es das Volk, die Gesellschaft gibt, das an den übrigen Tagen der Woche das aneinander vollzieht, was Jesus an den Zwölf und seinen Jüngern getan hat zum Nachvollzug. - NB: Das ist aber nicht vo rrangig (nur)politisch-gesellschaftlich zu vertehen!- Der Prediger sprach davon, dass die Eucharistie in den Alltag und die politische Gesellschaft hineinwirken soll. Als "Hocuspocus"? fragt man sich, wenn es nicht unabhängig von einer so oder so politisch gefärbten Gesellschaft in einer Gesellschaft von Gläubigen freiwillig vollzogen wird. - Denn: Nur wenn es das gibt, dann reicht das Zeugnis von Wenigen.- Aber das ist das Manko, dass so von den Predigern bis hin zu Bischöfen und in der Art in den Pfarreien - so moralisierend - gepredigt wird. Da kann einem die "Andacht" vergehen. Simon
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #12Es ist ja bezeichnend, daß der geistige Umbau in der sprituellen Ausrichtung des Hochmittelalters, das Anbordnehmen (neu)platonischer Elemente, auch der aufkommende Marienkult, keine lebensweltlichen Änderungen nach sich zog, außer im Übergang im Kirchenbau vom romanischen Stil zur gebauten Lichtmetaphorik der gotischen Kathedralen. Das begann sich erst mit der Etablierung der Hochschulen in Paris und Prag zu wandeln.
Im Kloster St. Viktor in Paris, gegründet 1108, entstand unter dem Scholastiker Wilhelm von Champeux nicht nur die „Kongregation der Augustiner Chorherren vom Heiligen Viktor“, sondern auch eine der einflussreichsten Klosterschulen der ganzen westlichen Christenheit. Einer ihrer bedeutendsten Theologen war Hugo von St. Viktor (1118–1141), gebürtig vermutlich aus Sachsen. Seine Theologie kam noch zu seinen Lebzeiten auch nach Canterbury. Simon
Zitat: Fällt sie damit zurück in einen heidnischen Tribalismus, in dem die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder Ethnie mehr zählt als die Würde des einzelnen Menschen?
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #6Sie fällt nicht zurück; das ist die normale Grundierung menschlicher Gesellschaften. Die Toleranz ist ein Ausnahmezustand, zu gefühlt 95% durch Handel (und zu einem kleineren Anteil durch Wissenschaftsbetrieb) ermöglicht und benötigt. Die Prägung von Homo sapiens ist die Großgruppe; dieses Blut wird, wenn die Wellen hochgehen, wohl immer stärker sein als das Wasser der nachsichtigen Toleranz. Wir reden hier nicht vom Individuum, sondern von Gesellschaften, die Hunderttausende oder Millionen umfassen. (Da läßt sich eine Gruppenmoral auch nicht mal eben so installieren, egal, ob christliche Missionare missionieren oder Regenbogen-Hüpflinge. Das ist der Grund, warum in Immigrationsgesellschaften die "alten", importierten Gepflogenheiten dominieren. Von denen manche subkutan verlaufen und manche sich in übler Weise Bahn brechen. Weswegen solche Gesellschaften nur Zukunft haben, wenn sie die zweite Sorte erst gar nicht importieren; der Westen zahlt gerade dieses Lehrgeld wieder einmal.)
Für Gesellschaften, für Großgruppen, ist die "Würde des Einzelnen" die falsche Meßlatte. War es immer, wird es immer sein. So funktioniert es nicht, wenn es über den erweiterten Bekanntenkreis hinausgeht. Die Gesellschaft hat, und zwar streng formal und funktionalistisch, Institutionen bereitzustellen, die einem solchen Freiraum die Möglichkeit gibt, zu bestehen und sich zu entfalten. Vorzugsweise, ohne andauernd gefährdet zu sein (Stichwort "täglich neu aushandeln"). Die Etablierung & Erhaltung dieser Institutionen, von Bildungswesen, Polizei, Justiz usw. hat damit herzlich wenig zu tun; der geschützte Freiraum ist sekundärer Ausfluß ihres Funktionierens.
Unter soziologischen Gesichtspunkten mag dies entwicklungsmechanisch gelten. Bezogen auf die ihr innewohnenden Müglichkeiten der "Geist"-geführt gelebten "Versammlung" von "Synagoge"/"Ekkesia" gelten gemäß dem "Geist" der Offenbarung - obwohl auf der Entwicklung des homo sapiens sapiens aufbauend (noch) andere Gesetze: Dazu gehört die "Würde des Einzelnen", das Gesetz der wirksamen "kleinen Zahl" ... und schließlich ihre universale Gültigkeit. Es handelt sich nicht um eine mechanische (blindwirkende) Wirklichkeit, sondern sie ist dem Geist begabten, mit Freiheit und Willen ausgestatteten Wesen "Mensch", überantwortet. Insofern wird er biblisch als "Krone der Schöpfung" gesehen; mit dem Auftrag "Licht für die Völker" ... "inter-national" zu sein, nicht tribalistisch rückfällig zu werden.
Joachim von Fiore - Denker der vollendeten Menschheit Matthias Riedl Published 2004 3,149 Views 397 Pages 1 File ▾ History of Ideas, Medieval History, History of Religion, Medieval Studies, Apocalypticism Show more ▾
Seit langen wird dem kalabresischen Abt Joachim von Fiore († 1202) eine geradezu ungeheure Wirkung auf die abendländische Geistesgeschichte zugeschrieben. Karl Löwith, Jakob Taubes, Eric Voegelin und andere sahen in ihm den „Vordenker“ der neuzeitlichen Ideologien, ja selbst der Totalitarismen des 20. Jahrhunderts. Doch die ideengeschichtliche Forschung kümmerte sich wenig darum, was tatsächlich in den Schriften Joachims steht. Das wird mit dieser Studie nachgeholt. Sie zieht die populären Joachim-Bilder in Zweifel. Nicht als antiklerikaler Revolutionär, zurückgezogener Mystiker oder dunkler Prophet des Dritten Reiches zeigt sich der Abt, sondern als innovativer Gesellschaftstheoretiker. Er beteiligte sich aktiv an den politischen Auseinandersetzungen seiner Zeit und stand den Mächtigen als Ratgeber zur Seite. Sein Verfassungsentwurf für das „Dritte Zeitalter des Heiligen Geistes“, der von Matthias Riedl in kommentierter Übersetzung vorgelegt wird, ist nicht weniger faszinierend als die Utopien eines Morus, Campanella oder Fourier. Joachim von Fiore, so belegt dieses Buch, formuliert zum ersten Mal die Idee des Fortschritts, im Sinne einer geschichtlich-sozialen Höherentwicklung und Vollendung der Menschheit.
Zitat von Simon im Beitrag #17Nicht als antiklerikaler Revolutionär, zurückgezogener Mystiker oder dunkler Prophet des Dritten Reiches zeigt sich der Abt, sondern als innovativer Gesellschaftstheoretiker.
Mal so ganz aus dem hohlen Bauch heraus, ohne das Buch durchgegangen zu sein: das überzeugt mich so recht wenig. Solche "radikalen Neuinterpretationen" tragen meist viel weniger weit, als es die Neudeuter (verständlicherweise) für sich reklamieren. Das erinnert mich, in anderem Zusammenhang, an den Versuch, Laotse (und im Gefolge davon am besten den ganzen frühen Daoismus) als ersten weltgeschichtlichen Auftritt libertärer Weltsicht zu deuten. Murray Rothbard hat den Floh 1967 in die Welt gesetzt, und seitdem spukt das in der libertären Ecke anhand von genau zwei aus dem Kontext gerissenen Passagen aus dem Daodejing immer wieder mal um Mitternacht durchs Gemäuer. Der einzige Versuch einer radikalen Neuinterpretation in Opposition zur bislang vorherrschenden Orthodoxie, die mich rundum & spontan überzeugt hat, war Anfang der 90er David Ulanseys Interpretation des antiken Mithraskults nicht als Mystenkult, aus Kleinasien importiert (wie der Isiskult), sondern als eine Religion, in deren kultischen Zentrum die Präzession der Äquinoktien stand. (Mit einem Mal ergab da die ganze krause, scheinbar beliebig symkretistisch zusammengewürfelte Gestaltung der Mithräen einen konkludenten Sinn.)
Aus der Lamäng: zum einen spielt die joachimitische Gesamtgeschichtsdeutung in der folgenden Zeit, soweit ich das überblicke, praktisch keine Rolle; der Eindruck, daß dem so wäre, dürfte auf Dante zurückzuführen sein. Zu seiner Zeit war Joachims Drei-Epochenmodell als überaus häretisch verdächtig. Im Lauf des Humanismus, so ab Petrarca, wird dann die Antike zur idealen Epoche, die wiederherzustellen ist (und der man eh' nicht das Wasser reichen kann, mit dem Mittelalter als dunklen Interregnum). Der Fortschrittsgedanke kommt dann erst mit dem beginnenden 17. Jhdt auf, so ungefähr mit Bacons Instauratio Magna. Und das ist nicht mit Fokus auf die Organisation der Gesellschaft, sondern übers Sammeln von Wissen und die praktische Umsetzung. Die Utopiker á la Campanella greifen dann ja eher aufs Modell von Platons Politeia zurück; die stehen vor allem im scharfen Gegensatz zum Christentum überhaupt. (Das sollte nicht überraschen, weil die Ausrichtung des Christentums und "Utopia", also eine alles umfassende und geregelte Idealgesellschaft, sich diametral ausschließen.)
Zum anderen: Joachim ist ja eschatologisch ausgerichtet. Er unterscheidet drei grundsätzlich verschiedene & voneinander getrennte Weltzeitalter: das des Vaters, von der Schöpfung bis zur Stiftung des Neuen Bunds durch Christus, das des Sohnes, das demnächst (von ihm aus gesehen) zu Ende geht, und das "dritte Reich" eben des Geistes. (In dieser Ablösung des bislang Gültigen durch eine neue Ordnung liegt natürlich das Bedrohliche, gerade für die Kirche, die wie das Volk Isreal vor ihr bis zum ersten Bruch, ihre Vermittlerrolle einbüßen würde.) Die Deutung der ketzerischen Volksbewegungen im 14. Jhdt., - Albigenser, Katharer, Waldenser - als von Joachim ausgelöst oder beeinflußt, war nicht universell akzeptiert, aber doch verbreitet.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #18Mal so ganz aus dem hohlen Bauch heraus, ohne das Buch durchgegangen zu sein: das überzeugt mich so recht wenig. Solche "radikalen Neuinterpretationen" tragen meist viel weniger weit, als es die Neudeuter (verständlicherweise) für sich reklamieren. Das erinnert mich, in anderem Zusammenhang, an den Versuch, Laotse (und im Gefolge davon am besten den ganzen frühen Daoismus) als ersten weltgeschichtlichen Auftritt libertärer Weltsicht zu deuten.
Sehr geehrter Herr Elkmann, Ihr Plaudern "aus dem hohlen Bauch heraus" über Joachim von Fiore in Ehren, abgesehen von den abwegigen Vergleichen mit Denkrichtungen ganz anderer Art, die seit langem - der junge Professor J. Ratzinger hat sie längst in seiner Zeit in Tübigen (1968) als alternativ zum erlahmenden Christentum in Europa und verführerisch in seinem Auskommen als Lebens-Philosophie ohne Gott und Transzendenz wach wahrgenommen und in seinem wohl bedeutendsten Werk "Einführung in das Chritentum", Vorlesungen über das Apostolische Glaubensbekenntnis, Tübingen, Sommer 1968, bereits in 10. Aufl. Tübingen 1969, neu hrsg. im Kösel-Verlag mit einem beachtlichen "Vorwort zur Neuausgabe" im Jahr der Jahrtausendwende "2000" kritisch dargelegt - herumgeistern. Zugegeben: Ich habe das zitierte Werk auch (noch) nicht gelesen. Aber ich war elektirisiert von der Empfehlung, die mich daran erinnerte, was J. Ratzinger in seinen ausgedehnten Bonaventura-Studien kritisch, aber wohlwollend über den teilweise als Ketzer Eingestuften darlegte. Komprimiert zu finden sind seine Gedanken unter: http://www.stereo-denken.de/joachim-ratzinger.htm Es scheint mir aber nicht nur interessant, sondern wegen der allgemeinen Ignoranz an solchen Themen notwendig, ein paar Stellen aus der Studie herauszugreifen und wörtlich zu zitieren: Haben wir einen Joachimiten als Papst?
Beitrag zu einer Joachim-Festschrift des Erzbistums Cosenza, auf italienisch erschienen und im März 2011 dem Papst vorgelegt
"Von den Theologen des II. Vatikanischen Konzils hat keiner besser als Joseph Ratzinger verstanden, welches Licht die Prophetie des kalabrischen Abtes Joachim von Fiore (+ 1202) auf die Kirche strahlt. In seiner Habilitationsschrift schrieb er 1959 über einen angesehenen Kirchenlehrer: "Hier wird eine neue innerweltliche, innergeschichtliche messianische Hoffnung erhoben, hier wird bestritten, daß mit Christus das Höchstmaß innergeschichtlicher Erfüllung schon gegeben sei und nur noch die eschatologische Hoffnung auf das bleibe, was nach aller Geschichte liegt. Bonaventura glaubt an ein neues Heil in der Geschichte, innerhalb der Grenzen dieser Weltzeit."
Bis in Joachims Zeit war keinem Christen derartiges in den Sinn gekommen. Zwischen Menschwerdung und Wiederkunft Christi zum Gericht erwartete man nichts wesentlich Neues. Erst der Abt von Fiore ahnte die Bedeutsamkeit des Dreieinigkeits-Glaubens für das Verständnis der Geschichte: Wie Gott Vater von Abrahams Berufung an das Volk Israel erwählte und Gott Sohn in Jesus als Neues Gottesvolk die Kirche gründete, so wird der Heilige Geist mit göttlicher Kraft in geschichtlicher Zukunft die Kirche entscheidend neu schaffen.
Schon zwei Jahre vor Konzilsbeginn hatte der junge Professor Ratzinger nicht ausgeschlossen, dass Joachim recht haben könnte. Er nannte ihn (LThK V,975) selig und rechtgläubig und stellte fest: "Das echte Problem Joachims liegt in dem Zurückbleiben der geschichtlichen Kirche hinter den Forderungen des NT."" -
" Wohl kannte Ratzinger auch die gefährliche Zweideutigkeit von Joachims These. Nach dessen Tod haben viele seine geistliche Prophetie politisch missverstanden und das Ende der hierarchischen Kirche angekündigt. Und schien das nicht logisch? Wie das anfangende Reich des Sohnes das Ende von Gottes Bund mit Israel bedeutete (so dachte man seit jeher), entsprechend würde das hereinbrechende Reich des Heiligen Geistes mit der Amtskirche Schluss machen.
Verständlich, dass die sich wehrte. 1255 verurteilte eine Kardinalskommission diese Überzeugung der radikalen Joachimiten. Als ich, Deutscher des Jahrgangs 1936, Zeitgenosse so vieler von den Nazis ermordeter Judenkinder, eine der Begründungen jener Kardinäle las, traf es mich wie ein Blitz. »Wie von Johannes dem Täufer an das Alte verbraucht war und Neues erschien, so ist auch jetzt das Alte einzuschätzen, das bis jetzt vergangen ist, im Hinblick auf das Neue, das der Herr tun wird auf Erden. Wenn man mit diesem Worte das verbindet, womit das achte Kapitel des Hebräerbriefs schließt, dann sieht es so aus, als müsse das aufhören, was bisher im Neuen Testament gehabt worden ist.«
Heute weiß die Kirche: Diese Anklage war falsch. Gottes Bund mit Israel war am Karfreitag nicht zu Ende, hat sich vielmehr auf uns Gläubige aus den Völkern erweitert. Für die Juden, die auf den Messias hoffen aber nicht an seine Ankunft in Jesus glauben, gilt das erste Offenbarungs-Zeitalter weiter.
Ebenso ist es derzeit beim anderen Übergang. Da die Ära geistlichen Verständnisses anbricht, hört die des Buchstabens nicht auf; freilich verliert der für solche, die zu geistlicher Reife berufen sind, seine lieblose Härte und muss sich immer neu mit dem Heiligen Geist ins Verhältnis setzen.
"Dieses Konzil war eine Revolution," meinte Karol Woityla bei der Rückkehr nach Krakau. Drei ihrer Hauptpunkte: 1) Die Beziehung von Christen und Juden. Bis zum Konzil hielt man in der Christenheit den Bund Gottes mit Israel für seit langem gekündigt; heute glauben wir, dass er weiter gilt. 2) Gewissensfreiheit. Noch 1832 verurteilte Papst Gregor XVI. diese Idee als Irrsinn, heute ist sie katholische Lehre. 3) "Christus hat sich bei seiner Menschwerdung irgendwie mit jedem Menschen vereinigt" (GS 22)."
Abschließend fasst der Rezensent Jürgen Kuhlmann sein Urteil zusammen:
" Ich bin überzeugt: Das "Rätsel Ratzinger" löst sich, sobald wir seine jugendliche Begegnung mit Joachim als Schlüssel verwenden. Wenn er die Exkommunikation der Traditionalisten aufhebt, dann deshalb, weil er den fatalen Fehler vom Anfang der Kirchengeschichte nicht wiederholen will. Fast zweitausend Jahre bestimmten Hass und Verachtung die Einstellung der Christen zu den Juden, so darf es nicht stehen zwischen den Christen des zweiten und dritten Zeitalters. Wenn ein anglikanischer Bischof in einer römischen Basilika die Messe feiern darf: warum dann nicht auch eine Gemeinde, die sich aus Unwissenheit (oder gar auch nach Gottes Willen?) gegen die Konzilsrevolution stemmt?
Anderseits hat Benedikt XVI. jüngst während seiner Reise nach Portugal mit erstaunlicher Klarheit den Geist der Neuen Ära bekräftigt. In Belem sagte er: "Das Nebeneinander, das die Kirche in ihrem unverrückbaren Festhalten am Ewigkeitscharakter der Wahrheit, einerseits, und in der Achtung gegenüber anderen 'Wahrheiten' bzw. der Wahrheit der anderen, andererseits, erlebt, ist für sie eine Lehrzeit." In Lissabon: "Man hat ein vielleicht zu großes Vertrauen in die kirchlichen Strukturen und Programme gelegt, in die Verteilung der Macht und der Aufgaben; aber was wird geschehen, wenn das Salz schal wird?" In Porto schließlich wies er hin auf die tiefe drei-einige Spannung, in der die Kirche schwingt, ist sie doch "ein Werk Christi und seines Geistes".
Mit Recht kommentiert die angesehen katholische Zeitschrift TABLET (22. Mai 2010, S. 2): "Dies ist nicht ganz der Joseph Ratzinger, den wir gewohnt sind. Dies ist eher ein aufgeschlossener Mann auf einer Reise in unbekanntes Gebiet, einer Reise von der Konfrontation zum Dialog. Niemand kann des Reiseziels gewiss sein, aber es geht bestimmt nicht zurück in die Vergangenheit."
Engherziges Fragen nach dem einen Weg für alle passt nicht zum Heiligen Geist. Bei Joachim findet sich ein packendes Bild: »Es ist äußerst schwierig, Wort für Wort die Verläufe der göttlichen Wege zu besprechen ... Wie die Schrift bezeugt: "Im Meer sind deine Wege, zwischen vielen Wassern deine Pfade, und deine Spuren sind nicht sichtbar" (Ps 77,20). Die Meerwege sind in der Tat nicht wie die auf der Land-Oberfläche; gelangt man da an eine enge Stelle, kommt man unmöglich anderswo vorbei, sondern wenn sich ein Weg für alle auftut, folgen die einen den anderen. Von Seefahrern hingegen wählt jeder seinen Weg, wie ihn der Winde Wehen leitet, und wenn sich beim Lesen der Himmelszeichen keiner irrt, werden ... alle zum einzigen Hafen gelangen.«
Wie die Evangelische Kirche in Deutschland politisch autoritär wurde
Sehr verehrter Herr Frank2000, als mir dieser Tage der hier verlinkte Artikel in die Hände fiel, dachte ich an Sie und meine " ... bündige" Antwort auf Ihren Einwurf: Sie hätten nicht verstanden, wo in Weimers Beitrag der Kerngedanke läge ... Sie seien (nämlich) "Atheist". - Sie dürfen mir glauben, dass ich seinerzeit beabsichtigte (und schon zu schreiben anfing), ausgehend von Ihrem Argument, "Atheist" zu sein, durchaus länger und einfühlsamer zu antworten; ließ es dann aber bleiben, weil mir 1000 Gedanken dazu durch den Kopf gingen und ich mich dann lieber auf die Hervorhebung des Schlussgedankens von Prof. Weimer beschränkte.
Der Autor obigen Artikels, der vornehmlich seine Kirche, die Evangelische, im Blick hat, trifft m.E. die Sache im Kern, die Weimer seinerseits aufgriff und der CDU/(CSU) - von einem fremden Autor - in ihr Stammbuch schreiben lassen wollte: Lasst euer "C" nicht fallen, aber gewinnt erst einmal einen kirchlich-christlich gelebten Standpunkt, sc. = wie "Atheisten", was immer darunter zu verstehen ist, und weiß Gott wie solche, die sich - aus welchen Motiven nur immer - aktiv und mit Verstand um den/einen Staat sorgen, dann ...
Als ich den Artikel las, rafften sich meine Gedanken, die ich Ihnen seinerzeit zukommen lassen wollte, in der Zustimmung zu Luthers Gedanken gegenüber dem Staat, der allerdings nicht in der Weise inflationär werden darf, dass sich eine evangelische Kirche der Macht des/eines Staates oder Fürstentums etc. bedient bzw. in Glaubens- und Gewissenssachen unterwirft, wie es noch zu Luthers Lebzeiten - wieder - geschah): „Es genügt völlig, dass in der Politik die Vernunft herrscht“ (Martin Luther 1528, WA 27, 418,4). Und - abgekürzt gesprochen - gegen die Auffassung des großen Theologen Karl Barth. ---
Eine/d i e katholische Auffassung ist in der genialen Formulierung des J. Ratzinger/Benedikt XVI. um die letzte Jahrtausendwende bei einem öffentlichen Vortrag in Paris zu finden: "Im Christentum ist die Aufklärung zur Religion geworden". -
Das mag angesichts der misslichen Lage der Kirche Christi zu allen Zeiten wie Hohn klingen. Sie - bzw. seine Glieder - hat aber darin ein Maß von ihrem "Meister" (dem Juden Jesus v. N.- dem Christus). Dieser wies seine jüdischen Jünger immer wieder zu Lebzeiten demonstrativ in bestimmten Situationen auf das vernünftige Tun "anderer" hin und hielt ihnen deren Beispiel/Tun! vor: Sie tun das, obwohl sie "Heiden" sind = keine Juden, (=) die "nach den Geboten" (Tora) wissen müssten, was zu tun ist.
Spätestens nach Konstantin (https://www.planet-wissen.de/kultur/reli...ekaiser100.html - http://geschichtsverein-koengen.de/Christentum2.htm) und seinen Nachfolgern, als 380 n. Chr. das Christentum im Römischen Reich zur alleinigen Staats-Religion erklärt wurde, nachdem der Kaiser sich anfangs noch des grundsätzlich vorbildlichen Tuns der Christen und ihrer gemeinschaftlichen Organisation mit ihrer Caritas unter einem Stadt-Episkopen (Bischof) bedienen konnte,
(Julian Apostata, von 360 bis 363 römischer Kaiser, der in einem Intervall die römische Götter-Religion wieder einführte, aber die christliche Caritas - als vorbildlich - beibehielt , bestätigt dies),
erlag die Kirche diesem tödlichen Virus, so dass sie zwar kurzzeitig - z.B. durch den gelehrten und mutigen Mönch Luther an ihr Eigenes erinnert werden konnte. *** Aber, wie oben dargelegt, liegt über der von dem Gott-Menschen gewollten einen und einmütigen, heiligen (von Gott wie das Erstvolk der Juden für andere in der Welt bestimmt), katholischen (international geöffneten gesellschaftlichen Zusammenschlusses) und apostolischen (mit göttlicher, obwohl menschlich begrenzten, Vollmacht ausgestatteten) K i r c h e seitdem so etwas wie ein Mehltau. Eine teils noch hochmütige, anderseits zunehmend als hohl erkannte Vermengung dessen, was "irdisch/weltlich/auf Macht aufgebaut" ist - und nicht anders (aus sich - wegen der menschen Endlichkeit, Selbstbestimmtheit und Freiheit) sein kann - u n d dem göttlich, transzendenten, Faktor in ihr.
Lieber Frank2000, Ich breche hier mal meine Ausführungen ab, damit Sie heute schon eine - vorläufige - Antwort von mir bekommen.
Gewiss wird sie wieder nicht einfach zu lesen sein, weil ich mich bemühen wollte, möglichst viel an notwendiger Argumentation unterzubringen.
Glauben Sie mir, dass ich mich damit nicht irgeneiner Narretei hingebe, auch wenn ich mich als Schreiber hinter einem anderen Namen verschanze.
Auf Ihren "Atheismus" als Ihre m. E. quasi - "Narrenkappe" wäre natürlich auch noch genauso notwendig einzugehen. Dafür reicht es heute nicht. - Es ist sehr heiß bei mir und will sich bei 28 Grad Indoor immer noch nicht abkühlen.
Vielleicht kann Ihnen Herr Weimer auch noch antworten, der sich bisher - ich weiß, dass er sehr viel Termin-Arbeit hat - zurückgehalten hat.
Das Hegel-Jahr wäre auch noch ein Thema für diesen kompetenten Fundamentaltheologen, eines Schülers Ratzingers. Er hat in seiner Habilitationsschrift ein Jahrhuntertthema bearbeitet* -: Im Herder-Velag trägt die über 500 Seiten lange - schon gekürzte - Arbeit den selbstgewählten, für ihn zutreffenden Titel: "Die Lust an Gott und seiner Sache oder (so lautete m. W. das Thema): Lassen sich Gnade und Freiheit, Glaube und Vernunft, Erlösung und Befreiung vereinbaren?"
Im "Vorwort" schreibt Weimer am 2. Februar 1981: Der Satz von Kardinal Ratzinger, Kirche ruhe nicht auf der Moralität des Menschen, sondern auf dem Dennoch der göttlichen Gnade , in seinem Buch über "Das neue Volk Gottes", 77, bot den Anlass ...
Ratzinger antwortete schon am 5. Februar 1981 für ein "Geleitwort" dieses Buches: "L.W. hat sich dieser Thematik auf dem Hintergrund seiner E r f a h r u n g von Kirche gestellt, wie er sie in der Integrierten Gemeinde zu München gesammelt hat: Er hat in seinem Denken den vielschichtigen Chor der Tradition hineingenommen und seine Stimmen im Zusammenhang unserer neuen Erfahrung neu zu hören und zu deuten versucht. Sein zentraler Gedanke ...: Gott will etwas mit der Gnade, nämlich das >>Reich Gottes<<, das das Reich der Freiheit und der Liebe ist. Der Mensch will etwas mit seiner Freiheit, nämlich das Reich der Freiheit, das nur als Reich der Liebe sinnvoll ist." -
Unter diesem Riesenaspekt musste sich der Habilitand natürlich mit den verschiedensten Strömungen des Denkens auseinandersetzen. Von da her kommt der Impetus, in diesem Blog zu schreiben. Ich habe mich dem - erst zögerlich: hörend, machmal antwortend, meist noch Fragen stellend - manchmal auch verkappt, herausfordernd ... erst viel später in eigenen Schreibversuchen angeschlossen.
So, jetzt wissen Sie auch einiges von mir.
Herzliche Grüße! Simon
Das habe ich - Weimers Blog-Thema aktualisierend - gerade noch entdeckt:
* edit: ... hat 3000 Jahre Glaubensleben von Juden und Christen auf seinen Wahheits- und Möglichkeitsgehalt überprüft ** ... falscher Kurs *** Mehrere Textänderungen in diesem Absatz zugunsten der Lesbarkeit!
Maßnehmen, werter Simon, bedeutet für mich auch, Maßnehmen an der denkerischen Schärfe des Talmud. Dem ZR angemessen wähle ich, mit einem kleinen Augenzwinkern, mal einen Abschnitt aus, in dem die Zimmerleute erwähnt werden:
Zitat Die Geschichte geschah wiederum an einem Nichtjuden, der zu Schammaj kam und sprach „Bekehre mich, indem du mich die ganze Torah lehren willst, solange ich auf einem Bein stehen kann.“ Da stieß Schammaj ihn fort mit einem Maßstecken, wie sie die Zimmerleute gebrauchen. Da ging der Heide von Schammaj weg und kam zu Hillel und fragte auch ihn, ob er ihn die ganze Torah lehren wollte, solange er auf einem Bein stehen könne. Da bekehrte ihn Hillel auf seine Worte hin und sprach: „Ich will dich die ganze Torah lehren, solange du auf einem Bein stehen kannst.“ Und sprach zu dem Heiden: „Halte dich an den Schriftvers: ‚Du sollst deinem Nächsten nichts Ärgeres tun, als du dir gern getan haben willst.‘ Das ist der Urgrund der ganzen Torah. Der Rest ist Auslegung. Geh hin und lerne weiter.“ So lehrte Hillel ihn die ganze Torah, während er auf einem Bein stand. (Babylonischer Talmud, Schabbat 31a)
Das passt wohl bei jeder Temperatur, insbesondere bei der von Ihnen beklagten Hitze.
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