Das habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen. Ein klassischer Komet, hart im Nordnordosten. Zehn Grad über dem Horizont, der Schweif 10° Länge, 85° senkrecht, nach Westen/rechts gekippt. Kaum ausgefächert, schmal. Mit unbewaffnetem Auge nur der Gasschweif sichtbar, Helligkeit gute 2. Größenklasse.
Ich habe nun so einige Kometen gesehen, von Kohoutek über den Halleyschen (beide Enttäuschungen), Hyakutake... und hätte Stein & Bein geschworen: der “klassische Komet“, wie man ihn aus zahllosen Darstellungen am irdischen Nachthimmel kennt, ist eine Fiktion, ein Artefakt der Darstellung.
Und der Himmel sagt: “Ätsch!“ Ja, das läßt man sich gefallen.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Bei "richtigen" Teleskopen ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, entweder nicht mitten in der Stadt zu wohnen (im Sinn von j.w.d.) oder aber mobil zu sein, weil man sich dergleichen nicht auf den Buckel laden kann. Selbst die kompakten Schmidt-Cassegrain-Reflektoren, deren Tubus angemehn kurz ist, bringen da diverse Kilo auf die Waage; die Montierung samt Stativ kommt noch dazu. Bei kleinen Amateurinstrumenten ist es zumeist so, daß sich bei nicht sehr engagiierten Benutzern schnell leichte Enttäuschung einstellt, weil "das alles" nicht so aussieht, wie man es von denn professionellen Aufnahmen her kennt, die halt stundenlang Licht auf die Chips sammeln. Die Farbtönung ist sehr schwach, von ein paar Paradeobjekten wie Wega oder Beteigeuze (klar blau) oder Antares (rot) angesehen; Mars irkt ziemlich lachsfarben; die bekannten Nebel einfach wie verschüttete Milch; der Andromedanebel auch. Am lohnendsten sind in kleinen Fernrohren die Auflösung von Kugelsternhaufen, die Mondbeobachtung und etwa das Verschwinden & Auftauchen der 4 galileischen Jupitermonde.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Warum ich mir da nichts Größeres zugelegt habe, erhellt recht gut aus diesem Protokoll (ich habe mir für jeden "großen Kometen" solch eine Liste angelegt seit dem Halleyschen, den ich auch nur einmal zu Gesicht bekommen habe; am frühen Morgen des 16. März 1986):
Sa., 11. Juli (2020): Neowise zum 1. Mal gesichtet, nach 10 Tagen Bedeckung So., 12. Juli: sichtbar Mo., 13. Juli: bedeckt Di., 14. Juli: bedeckt + Regen Mi., 15. Juli: trocken, aber im Norden Wolken Do., 16. Juli: bedeckt Fr., 17. Juli: bedeckt Sa., 18. Juli: bedeckt So., 19. Juli: bedeckt Mo., 20. Juli: klar; Exkursion mit Feldstecher Di., 21. Juli: klar; mit Feldstecher vom Balkon (*die Zhuo-Übersetzung wollte fertiggestellt werden) Mi., 22. Juli: bedeckt im Norden Do., 23. Juli: bedeckt Fr., 24. Juli: bedeckt Sa., 25. Juli: komplett bewölkt; nachts schwere Regenschauer
Das erinnert jetzt an Februar/März 1996; als wir hier oben geschlagene drei Wochen hindurch keinen Blick auf den Sternenhimmel werfen konnten, während Komet Hyakutake seine Bahn zog.
PS. Da war doch was...? Richtig:
Zitat "Jetzt kann man den Kometen sehen!" riefen die Nachbarn, "Kommt doch heraus und seht!"
Und die Mutter nahm den Kleinen bei der Hand, er musste die tönerne Pfeife hinlegen, das Spiel mit den Seifenblasen unterbrechen; der Komet war da. Und der Kleine sah die schimmernde Feuerkugel mit dem strahlenden Schweif, einige sagten, er sei drei Ellen lang, andere behaupteten, er messe Millionen Ellen; man sieht so verschieden.
...
Er war jetzt ein alter Schulmeister.
Die Schulkinder sagten, er sei so klug, er wisse so viel, er wusste Geschichte und Geographie und was man von den Himmelskörpern kennt.
"Alles kehrt wieder!" sagte er. "Gebt nur acht auf die Personen und Ereignisse, und ihr werdet erfahren, dass sie alle wiederkehren, in anderem Gewand, in anderem Land."
Und der Schulmeister hatte gerade von Wilhelm Tell erzählt, der einen Apfel von seines Sohnes Haupt schießen musste, aber ehe er den Pfeil abschoss, barg er einen zweiten auf seiner Brust, um ihn dem bösen Geßler ins Herz zu schießen. Das geschah in der Schweiz, aber viele Jahre früher war genau dasselbe in Dänemark mit Palnatoke geschehen; der sollte auch einen Apfel von seines Sohnes Haupt schießen und steckte, wie Tell, einen Pfeil beiseite, mit dem er sich rächen wollte; und vor mehr als tausend Jahren ward dieselbe Geschichte niedergeschrieben, die sich in Ägypten zugetragen hatte; es kehrt alles wieder so wie die Kometen, sie fahren hin, verschwinden, und kehren wieder.
Und der sprach von dem Kometen, der erwartet wurde, von dem Kometen, den er als kleiner Junge gesehen hatte. Der Schullehrer kannte die Himmelskörper, dachte über sie nach, vergaß aber darüber keineswegs die Weltgeschichte und die Geographie.
...
Jetzt war der Komet in Aussicht, und von dem erzählte er, und er erzählte auch, was die Leute in alten Zeiten, als er zuletzt hier war, gesagt und geweissagt hatten. "Das Kometenjahr ist ein gutes Weinjahr!" sagte er. "Man kann den Wein mit Wasser verdünnen, ohne dass es jemand merkt. Die Weinhändler sollen die Kometenjahre sehr lieben."
Vierzehn Tage und vierzehn Nächte war die ganze Luft mit Wolken angefüllt, man konnte den Kometen nicht sehen, aber er war da.
Andersens spätes Kunstmärchen (d.h. eigentlich ist es ja, wie öfters bei seinen späten Texten, eine Allegorie, weil es keine phantastischen Elemente gibt) ist übrigens zuerst auf Englisch in der Übersetzung von Horace Scudder im Juni 1869 als "The Comet" im Riverside Magazine erschienen, auf Dänisch dann im August in der Zeitschrift Trykt i For Ide og Virkelighed. Das mit dem Weinjahr geht übrigens auf den Großen Kometen von 1811 zurück, in Sachen "Elfer" und "Kometenwein" kann man bei Goethen so einiges finden (bei ihm meist "Eilfer" geschrieben). Im Genre gibts dazu (also zum Elfer, nicht zum Geheimbden Rath) die Erzählung "Comet Wine" von Ray Russell von 1967.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
PPS. Wenn man mal zu graben anfängt... Das "Rückkehrthema" mit langperiodischem Kometen als Taktgeber hat Andersen schon vorher beschäftigt (insofern hat das Aufgreifen des Themas bei ihm etwa nachgerade meta-Literarisches). 1830 hat er ein Gedicht verfaßt, das von der erwarteten Rückkehr des Halleyschen Kometen 1835 handelt, "Kometen 1834" (die Bahnberechnungen schwankten; auch wegen der Unwägbarkeiten der Bahnstörungen durch Jupiter; das war auch beim Durchgang von 1910 noch so; wenn man etwa die fortlaufenden Zeitungsartikel von Wilhelm Archenhold nachliest - das war übrigens das erste Mal, das das Teleskop der Treptower Sternwarte, wo er seine Beobachtungen anstellte, das ja eine recht bizarr anmutende Konstruktion darstellt, überall auf Photographien in den Gazetten gefietschert wurde). Andersens Poem, in Balladenform, 104 Zeilen lang, erschienen in Trykt i Kjøbenhavns flyvende Post, Nr. 29 am 8.3.1830, behandelt das Ende von Mutter Erde durch den Zusammenstoß mit dem Kometen.
Zitat von Kometen 1834Lad Verden tee sig nol saa laerd, foruden og forinden, Naar forst Kometen viser sig, den ryger dog af Binden, Saa seer man, den er ei solid, men saa er det for filde; Nu layser den sig alt for faelt, og dervor gaaer det ilde; Ja, horer nu, hvordan det gaaer, og hvad der snart vil haende; Thi siden saae vi neppe Tid at see paa Verdens Ende.
Alte Orthographie; ich zitiere hier nach der Ausgabe in "Samlade skrifter" von 1879.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
O hvilken Virvar dog i vor Natur! I Rakken saae vi den chinesische Muur Ja Rundetaarn og selv Theatret vaelter, I Taschenbucher man paa Gaden aelter, Og taenk en Gang - de braende! No horer man et knaldt, og saa har Verden Ende.
Ach welches Chaos herrscht in der Natur! Schutt bleibt von Chinas Mauer nur. Der Rundturm, das Theater sind zerschossen. Die Taschenbücher flattern durch die Gossen. Malt sie euch aus, die fürchterlichen Brände! Jetzt hört man einen Knall - das ist der Erde Ende.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #4Fr., 24. Juli: bedeckt Sa., 25. Juli: komplett bewölkt; nachts schwere Regenschauer
Ergänze Beobachtungsprotokoll:
So., 26.Juli: 23:30: "Weitgehend sternklar; Großer Wagen vollständig sichtbar; darunter im Norden Wolkenband; alles unterhalb von ψ UMa bedeckt. Während der zwei Minuten, in denen ich das verdeckte Himmelsareal nach einer Lücke absuche, huschen zwei Perseiden-Meteore durch den Großen Wagen: zuerst west-ost 5° über den Kastensternen, danach aufsteigend in kurzem Aufleuchten durch die Deichsel."
Über Psi Ursae majoris schreibt die deutsche Wikipedia übrigens Unfug.
Zitat In der traditionellen chinesischen Astronomie wurde der Stern „Ta Tsun“ genannt, was übersetzt „das Weinfass“ bedeutet.
Ist aber Kappes, weil 太尊, tài zūn, "hoher Würdenträger" oder "äußerst Erhabener" bedeutet (尊 id Bedeutung "Weingefäß, in altem Stil", steht stets allein); weil der Stern als einziger aus dem Asterismus der "königlichen Sterne" sich im Himmelsgebiet 紫微垣, des Kaiserpalastes, findet, der die zirkumpolaren Sterne um den nördlichen Himmelspol umfaßt.
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