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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 20 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Llarian Offline



Beiträge: 7.120

20.07.2020 16:44
Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

Macron braucht Geld.

Florian Offline



Beiträge: 3.179

21.07.2020 11:23
#2 RE: Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

wirklich erschütternd ist der durchgängige Tenor in den deutschen Medien.

Die Einigung wird als großer Erfolg der Kanzlerin verkauft.
Die Bösewichte in dem Spiel sind die "sparsamen Vier" (und natürlich Polen und Ungarn), die bei der Geldverteilung nicht so richtig mitmachen wollen.

Und: die Umverteilung gilt grundsätzlich als "Sieg für Europa" (während die Gegner der Umverteilung entsprechend "Europa-Gegner" sind).
Speziell diese moralische Aufladung nervt mich wahnsinnig.
Auf bundesdeutscher Ebene käme es niemanden in den Sinn, Menschen die sich niedrigere Steuern wünschen oder die in einer Sachfrage anderer Meinung sind als die Bundesregierung als "Anti-Deutsche" zu bezeichnen. Aber Menschen, die eine andere Vorstellung zum EU-Haushalt haben als die EU-Kommission sind selbstverständlich "Anti-Europäer".

Pars pro toto hier ein Artikel auf Spiegel Online:
https://www.spiegel.de/politik/deutschla...9c-13c8fc5bdf96

In diesem Artikel wird durchaus Kritik geäußert - aber eigentlich nur daran, dass die Verhandlungen so lang und zäh gewesen seien.
Zitat: "was den Prozess angeht, kann von einem kraftvollen Signal an den Rest der Welt keine Rede sein."
Muss man sich mal vorstellen: da wird mal ganz schlank der EU-Haushalt faktisch verdoppelt. Und die deutschen Medien echauffieren sich darüber, dass darüber nun politisch gestritten wird. Ein viel "kraftvolleres Signal" für den Rest der Welt wäre es natürlich gewesen, wenn solche Milliarden-Summen einfach ohne Debatte durchgewunken worden wären wie im chinesischen Volkskongress. Ein ganz bedenkliches Demokratieverständnis und ein sehr bedenklicher Wunsch nach "starker Führung", die da die deutschen Medien (nicht nur der Spiegel) offenbaren.

Und dann die Berichterstattung über die Details des Deals: einfach grottenschlecht.
Als Beispiel hier die Welt (von der man ja eigentlich noch am ehesten erwarten würde, dass sie die Sache nüchtern sieht):

https://www.welt.de/politik/ausland/arti...le-Details.html

Dieser Artikel verspricht in der Überschrift "die Details der Einigung".
Nun, was sind denn aber nun die dort kommunizierten "Details"?
Eine Information, welcher denn nun eigentlich wie viel zusätzlich bezahlen muss fehlt komplett.
Stattdessen wird groß erwähnt, Merkel habe "eine zusätzliche Milliarde" für Deutschland rausgehandelt. Na, schön und gut. Aber was verbleibt denn nun nach Abzug dieser Milliarde an Kosten für Deutschland? Wird nicht erwähnt...

Im oben verlinkten Spiegel-Artikel lese ich übrigens diesen kryptischen Hinweis auf die Kosten- und Nutzenverteilung:
"Wie es sich für einen guten Kompromiss gehört, gibt es zunächst einmal vor allem Gewinner: (...) Der Süden bekommt sein Geld. Der Norden bekommt hohe Beitragsrabatte"

Jetzt mal abgesehen davon, dass das objektiv wohl kaum zusammenpasst (wenn der Norden weniger zahlt, wie soll dann der Süden mehr bekommen können?).
Was im Details sind denn diese "Beitragsrabatte"? Und was ist "der Norden"?
Zählt da Deutschland auch dazu? Oder haben sich vielleicht nur die "sparsamen Vier" Rabatte erstritten? (Was dann letztlich bedeuten würde, dass die dann umso höhere Rechnung von Deutschland bezahlt werden müsste).

Details wären interessant. Aber in den großen deutschen Medien habe ich allen ernstes nirgendwo eine Erklärung gefunden, was der Kompromiss nun konkret für Deutschland fiskalisch bedeutet.
Etwas besser (aber in den entscheidenden Punkten zu den deutschen Lasten leider auch sehr vage) ist übrigens die Tagesschau:
https://www.tagesschau.de/ausland/eu-gipfel-faq-101.html
Dort kann man zumindest lesen, dass die die erhöhten Beitragsrabatte tatsächlich nur die "sparsamen Vier" bekommen - und nicht Deutschland.
Wieviel der nun beschlossenen Kredite und zusätzlichen EU-Beiträge nun letztlich von Deutschland übernommen werden, steht auch auf der Tagesschau-Seite nicht.
[Es wäre aber völlig unplausibel, wenn es nicht mehrere 100 Milliarden wären, die das ganze Deutschland letztlich per Salod kostet].
Stattdessen wird auch hier groß und breit auf die 1 Milliarde eingegangen, die Merkel für Ostdeutschland rausgeschlagen hat...

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

21.07.2020 13:07
#3 RE: Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #2
wirklich erschütternd ist der durchgängige Tenor in den deutschen Medien.

Die Einigung wird als großer Erfolg der Kanzlerin verkauft.
Die Bösewichte in dem Spiel sind die "sparsamen Vier" (und natürlich Polen und Ungarn), die bei der Geldverteilung nicht so richtig mitmachen wollen.
[...]
Muss man sich mal vorstellen: da wird mal ganz schlank der EU-Haushalt faktisch verdoppelt. Und die deutschen Medien echauffieren sich darüber, dass darüber nun politisch gestritten wird. Ein viel "kraftvolleres Signal" für den Rest der Welt wäre es natürlich gewesen, wenn solche Milliarden-Summen einfach ohne Debatte durchgewunken worden wären wie im chinesischen Volkskongress. Ein ganz bedenkliches Demokratieverständnis und ein sehr bedenklicher Wunsch nach "starker Führung", die da die deutschen Medien (nicht nur der Spiegel) offenbaren.

Und dann die Berichterstattung über die Details des Deals: einfach grottenschlecht.

Ach, warum informieren Sie sich nicht gleich beim Westfernsehen?

Martin Offline



Beiträge: 4.129

21.07.2020 16:49
#4 RE: Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #3
Ach, warum informieren Sie sich nicht gleich beim Westfernsehen?

Danke. Ich sehe, der Kommission werden neue Einnahmequellen zugeschustert. Denkt diese bei einer Abgabe nicht-recyclefähiger Kunststoffe etwa an ein Riesengeschäft, wenn die Windmühlen eines Tages abgebaut werden müssen? Landen nicht auch schon die Strafzahlungen von Automobilunternehmen, die ihre CO2-Ziele nicht einhalten, im EU-Säckel? Das wäre ein großer Anreiz für die Kommission, in Zukunft weitere nicht erreichbare Grenzwerte festzulegen.

Und so nebenbei will Merkel Soros' Auftrag zu Ende bringen, und Ungarn für dessen Rausschmiss an die Gurgel gehen.

Gruß
Martin

Florian Offline



Beiträge: 3.179

21.07.2020 17:25
#5 RE: Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #3

Und dann die Berichterstattung über die Details des Deals: einfach grottenschlecht.

Ach, warum informieren Sie sich nicht gleich beim Westfernsehen?[/quote]

Danke.
Tatsächlich besser und nachvollziehbarer als alles, was ich in deutschen Medien gefunden habe.

Um den Deal aus deutscher Sicht beurteilen zu können, fehlen allerdings auch im NZZ-Artikel wesentliche Informationen.
Also:
Was kostet der Deal Deutschland zusätzlich? Und was bringt er anzusätzlichen Einnahmen?
(Dass eine Schweizer Zeitung darauf nicht eingeht, ist ja nachvollziehbar. Aber dass deutsche Medien diese Frage auch nicht groß zu interessieren scheint, ist einfach schlechter Journalismus).

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

23.07.2020 01:08
#6 RE: Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #2
Als Beispiel hier die Welt (von der man ja eigentlich noch am ehesten erwarten würde, dass sie die Sache nüchtern sieht):

https://www.welt.de/politik/ausland/arti...le-Details.html

Dieser Artikel verspricht in der Überschrift "die Details der Einigung".
Nun, was sind denn aber nun die dort kommunizierten "Details"?
Eine Information, welcher denn nun eigentlich wie viel zusätzlich bezahlen muss fehlt komplett.
Stattdessen wird groß erwähnt, Merkel habe "eine zusätzliche Milliarde" für Deutschland rausgehandelt. Na, schön und gut. Aber was verbleibt denn nun nach Abzug dieser Milliarde an Kosten für Deutschland? Wird nicht erwähnt...

Ich finde diesen Artikel erschreckend. Nicht nur weil er inhaltlich nahezu nichts bringt, aber ich finde ihn vor allem deshalb so irritierend, weil er Merkels "Ostmilliarde" so als Erfolg verkaufen will. Dieser Deal kostet die Nordländer 390 Milliarden Euro in direkten Kosten (den Kredit, der nie zurückgezahlt wird, lassen wir mal beiseite). Von diesen 390 Milliarden werden mindestens(!) 250 Milliarden von Deutschland aufgebracht. Geld das faktisch(!) verschenkt wird. Es wird ohne Grundlage verschenkt, weil die südlichen Volkswirtschaften Geld brauchen. Die deutsche Wirtschaft hat prozentual mindestens die selben Einbrüche (eher mehr, weil die Exportquote höher ist). Und Merkel verschenkt 250 Milliarden.
OHNE jedeweden Gegenwert, außer dass die EU, die sie selber an den Rand des Abgrundes getrieben hat, erhalten bleibt.
Jetzt wäre das schon der Hammer, aber die Welt beschäftigt sich damit gar nicht, sie stellen die Milliarde, die übrigens nicht wie die 390 Milliarden in den nächsten drei Jahren sondern in sieben Jahren verplant sind, als großen Erfolg hin. Das ist doch ein Witz! Man verschenkt 250 Milliarden und bekommt eine Milliarde, damit man zuhause einen Papiererfolg verkaufen kann. Wo ist denn das ein Erfolg? Merkel wollte, wenn es die "sparsamen vier" nicht geggeben hätte, 500 Milliarden verschenken.

Wie kann es eine Presse auch nur wagen(!) einen solchen Schrott ernsthaft zu verkaufen? Das ist übelstes Niveau auf Ebene des neuen Deutschlands oder der Prawda. Hofberichterstattung ist dafür noch eine harmlose Vokabel. Deutschland Journalisten machen sich regelmäßig, wenn sie mit dem Vorwurf der Lügenpresse konfrontiert werden, darüber lustig, sie würden Instruktionen aus dem Kanzleramt erhalten. Nun mag das lächerlich sein, aber wie kommt eine solche Berichterstattung zustande? Die Welt wird ja auch in ihrem eigenen Leserforum für den Quatsch verprügelt, da fällt keiner, aber nicht einmal der Dümmste drauf rein. Gleichzeitig kann man an anderer Stelle erfahren, dass die Printpresse im zweiten Quartal, gerade die Welt, existenzvernichtende Auflagenverluste erlitten hat und die Pressekohle, die die Regierung schon in Aussicht gestellt hat, zum Überleben braucht. Muss man sich jetzt den Aluhut aufsetzen? Ist das so absurd? Wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, und das ist bei der Welt der Fall, ist es da so eine gute Idee die Lächerlichkeit von Merkel laut raus zu posaunen? Oder ist es nicht viel besser ein bischen aufs Merkel Lager zu schwenken?

Man muss es einfach sagen: Es gibt in Deutschland keine, aber auch keine überregionale Zeitung mehr, die nicht auf Merkel Linie liegt. Und das nennt sich dann pluralistische Presselandschaft.

Florian Offline



Beiträge: 3.179

23.07.2020 20:24
#7 RE: Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

Weil ich zumindest von der Welt eigentlich einen kritischeren Geist erwartet hätte, stößt mich der dortige Tenor besonders auf.

Es ist wirklich unglaublich, mit welch dummdreisten Rechentricks da die Realität umgedeutet wird.
Jüngstes Beispiel:

https://www.welt.de/wirtschaft/plus21206...ren-Sieger.html

"EU-Gipfel: Plötzlich sind Deutschland und Frankreich die klaren Sieger"

Zitat aus dem Artikel:
"Eine aktuelle Analyse liefert jetzt überraschende Ergebnisse: Ausgerechnet Deutschland und Frankreich sind die größten Profiteure der Verhandlungen über den 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbauplan."

Nun, woran macht die Welt fest, dass Deutschland der große Profiteur der Verhandlungen ist?

Die Rechnung geht wie folgt:
laut ursprünglichem Plan von Frau von der Leyen (ein Plan, der übrigens im Kern auf einem Plan von Merkel und Macron beruht) hätte Deutschland 34 Mrd.€ aus dem 750Mrd-EU-Aufbaufonds bekommen. Und das Verhandlungsergebnis sieht nun vor, dass Deutschland 47 Mrd. bekommt.

Irgendwo ganz unten im Artikel wird übrigens erwähnt, dass die Mittel für den Aufbaufonds von den einzelnen EU-Staaten gemäß Ihres bisherigen Anteils am EU-Haushalt kommen soll.
Der deutsche Anteil am EU-Haushalt (d.h. der Brutto-Zahlungen an die EU) war bisher übrigens laut Wikipedia 21%. Wenn man Großbritannien rausrechnet werden es 23% sein.
23% von 750 Mrd. sind 173 Mrd.

So ganz grob ist das Verhandlungsergebnis also:
Deutschland bezahlt 173 Mrd. und bekommt davon 47 Mrd. wieder zurück.
Und ist (laut Welt) der große Profiteur der Verhandlungen über den Aufbaufonds, weil ursprünglich ja nur ein Rückfluss von 34 Mrd. vorgesehen war.
Man fragt sich wirklich, für wie dumm die Welt ihre Leser hält.

Fast am schlimmsten ist bei dem ganzen die üble Speichelleckerei, mit der die deutschen Medien Merkel auch noch dafür feiern, dass sie in den Verhandlungen so viel für Deutschland rausgeholt habe.
Wenn in Wahrheit der ursprüngliche (für Deutschland noch teurere Vorschlag) ja von Merkel selbst kam. Und die "sparsamen Vier" den neuen Schlüssel ja GEGEN Merkel durchgesetzt haben.
Dass dieses absolut bizarre Verhandlungsverhalten Merkels soweit ich sehe nirgendwo thematisiert wird, lässt einen an den deutschen Medien wirklich verzweifeln.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

23.07.2020 22:23
#8 RE: Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

Nun, dieser Deal - und seine Begleitung durch die Vierte Gewalt (die mit der ersten ja so symbiotisch verschmolzen ist, wie man es sonst nur aus den üblen Katakomben des 20. Jahrhunderts kennt)- bestätigt das, was ich an dieser Stelle seit fünf Jahren immer wieder geschrieben habe. Dieses System, exemplifiziert in der EU und der deutschen Parteienochlokratie, die das Staatswesen und seine Ressourcen nur noch als Erbpacht kennt, ist nicht mehr von innen reformierbar. Der Höllentanz geht weiter und weiter und kann nur noch von einem Systemzusammenbruch - finanziell wir ökonomisch (und im Gefolge davon wohl leider Gottes auch zivilisatorisch) - beendet werden. Das wird jetzt durch dieses Paket noch beschleunigt werden. Es ist nur verdammt mißlich, daß unsereins zwangsweise mittendrin steckt und das aus erster Hand mitmachen muß, statt sich den Luxus des Zuschauers beim Schiffbruch gönnen zu können.

Zitat von Florian im Beitrag #7

Dass dieses absolut bizarre Verhandlungsverhalten Merkels soweit ich sehe nirgendwo thematisiert wird, lässt einen an den deutschen Medien wirklich verzweifeln.




Ja. Es WIRKT bizarr (und IST es natürlich auch); aber nur, weil wir aus der Optik des Nachkriegswestens draufsehen. Vom Funktionieren her ist es dagegen folgerichtig: hier greifen just die Muster, die im alten Besten-DE-aller-Zeiten vor 89 dafür sorgten, daß die Vorgaben aus der Berliner Zentrale praktisch-faktisch zumeist unterbleiben konnten. Die Partei & die Führung hatte immer recht, das Bestehende war mit dem Wünschenswerten ineinsgesetzt. Der Glanz der ausgelebten Weisheit blendete jeden Zuschauer; so nicht, war der Knick in der Optik damit bewiesen. Natürlich ist das Ganze ein Satyrspiel auf armseligster Basis, aber es ist folgerichtiger Bestandteil der dekadenten Agonie dieses Systems. Exakt dasselbe gilt für den grotesken Hüpfkult um die neue Johanna der Schwachköpfe und das Herumgerutsche im Zeichen der Letternfolge B-L-M. Diesem infantilen Byzantinismus (oder byzantinischer Infantilität) ist die Steigerung (also mehr Hysterie, mehr Schlichtheit der verkrampften Gesten) eingebaut. Irgendwann ist zwar eine Grenze erreicht, ab der es nicht mehr steigerungsfähig ist. Beim Personenkult um Merkel war das im letzten Jahr (oder war das schon 2018?) das gespenstische "wir werden uns nach ihr sehnen" dieser Journalistin, deren Namen ich jetzt nicht gugeln mag, und Martin Walsers Parodie darauf ("bin in Merkel verliebt"). Aber zurückgestuft wird das nicht.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.430

24.07.2020 00:17
#9 RE: Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

Ich habe seit Wochen auf meinem zu-erledigen-Zettel einen Gastbeitrag über die deutsche Presselandschaft stehen. Aber vermutlich wird es zu diesem Artikel nicht kommen, weil mir sowohl die Zeit als auch die Nerven dafür fehlen.

Im Groben (und jetzt ohne Quellenverweise) geht meine These so:

- Die sogenannten Vollredaktionen, also Redaktionen auf der Basis akkreditierter Journalisten (Spiegel, Zeit, Süddeutsche, Welt, Bild, usw) sind in Deutschland SENSATIONELL schlecht. Und damit meine ich NICHT "Meinungsstark". Sondern ich meine Lügen- und Lückenpresse.

- Trotzdem perlen an diesen Medien auch die schlimmsten Skandale ab wie von Teflon. Selbst Relotius hat keine Spur hinterlassen. Medien wie die Tagesschau haben Gott gleiche Stellung. Da mögen die paar Tausend Kommentatoren in den Leserforen noch so geifern: die überwältigende Mehrheit hat einen absoluten Vertrauensvorschuss in diese Medien. Wenn etwas in der Tagesschau kam oder im Spiegel steht, gilt das bei zweidrittel der Deutschen erstmal als "wahr".
Das Gegenargument, dass die Journalisten bei diesen Medien ganz gewöhnliche Menschen mit dem üblichen Anteil an persönlichen Interessen seien, mit dem üblichen Opportunismus, Arroganz, Faulheit, Voreingenommenheit und Missionstrieb (einschließlich dem Anspruch der eigenen Vollkommenheit), - so was wird als böswillige Unterstellung zurückgewiesen, als Verleumdung. Möglicherweise kommt dann noch der Hinweis auf den "Pressekodex" und damit wird dann jedes weitere Gespräch mit dem Heräthiker abgebrochen. Journalisten bei Tagesschau, Spiegel und Süddeutsche gelten als "bessere Menschen", als "Übermenschen", die alles wissen und göttlich neutral sind.

- Dabei ist das genaue Gegenteil der Fall. Praktisch nichts, was in der deutschen Presse steht, ist sowohl wahr als auch vollständig. So bald man an einem x-beliebigen Artikel kratzt, kommt nur noch Rost zum Vorschein, plumpe Behauptungen ohne Quelle oder Logik, Lücken überall, Propaganda, und auch schlicht Falschaussagen.

- Es gibt nur noch eine Handvoll deutsche Blogs, die dagegenhalten. Publico, AchGut und ein halbes Dutzend Einzelkämpfer. Wenn in diesen Blogs mal ein Artikel aus der "Qualitätspresse" zerlegt wird, wenn eine politische Aktion kommentiert wird, dann auf einem ganz anderen Niveau. Exemplarisch das hier:
https://www.publicomag.com/2020/07/fake-...gleichstellung/

- Und TROTZDEM gilt "Die Presse" als glaubwürdig, als "Garant der Demokratie", als Neutral, Sachlich und Vollständig. Und die Blogs gelten als halbseiden, fast schon Nazi und sind per se "unglaubwürdig". Wenn man in einer Diskussion sagt "Habe ich bei Publico gelesen " oder "Habe ich bei AchGut gelesen", dann ist die Diskussion vorbei. Man gilt bestenfalls als harmloser Spinner, der sich bei den üblichen Seiten für Verschwörungstheorien informiert. Bestenfalls wird man so betrachtet. Schlimmstenfalls braucht man einen neuen Job.

- Es gibt keine staatliche Zensurbehörde in Deutschland. Aber die fachlichen Mängel der Mainstream-Medien in Verbindung mit dem bizarren Vertrauen der allermeisten (Bio!)Deutschen in die deutsche Presse erzeugt die gleiche Wirkung. Die Presse ist seit Jahren (!) kein Korrektiv der Politik mehr, keine "fünfte Gewalt", die ihr Verständnis daraus zieht, aus Prinzip (!) die Politik zu hinterfragen und verborgenes aufzudecken. Statt dessen ist in Deutschland die Presse eher eine Art "Verein der Freunde und Förderer", wahlweise einer Partei oder einer Regierung. An das Presseimperium der SPD sei nur am Rande erinnert.

- Das ganze wird noch potenziert durch die ungleiche Verteilung der "Aktivisten". Es gibt in Deutschland tausende, wenn nicht zehntausend Leute, die ihre gesammte Freizeit investieren, um jedes Wort, sei es gesagt oder geschrieben, auf noch so abstruse Fehlinterpretationen hin abzuklären... wenn diese Worte aus den "falschen" Medien bzw von den "bösen" Leuten kommen. Die paar bürgerlichen Blogger, die es noch gibt und die überhaupt noch die Art von Korrektiv sind, die die "Presse" nur behauptet zu sein, werden massiv bedroht und verfolgt.
Diese "Aktivisten", die nach eigener Aussage zur linken Szene gehören, versuchen aktiv und mit moralisch und rechtlich extrem zweifelhaften Aktionen die wenigen abweichenden Stimmen auch noch zum Schweigen zu bringen.

- Wo ist da im Ergebnis noch ein Unterschied zur staatlichen Zensur?

___________________
Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

24.07.2020 13:15
#10 RE: Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #9
- Die sogenannten Vollredaktionen, also Redaktionen auf der Basis akkreditierter Journalisten (Spiegel, Zeit, Süddeutsche, Welt, Bild, usw) sind in Deutschland SENSATIONELL schlecht. Und damit meine ich NICHT "Meinungsstark". Sondern ich meine Lügen- und Lückenpresse.

Dem würde ich noch zustimmen.

Zitat
- Trotzdem perlen an diesen Medien auch die schlimmsten Skandale ab wie von Teflon. [...]


Und dem überhaupt nicht. Es gibt kaum eine Berufsgruppe deren Ruf noch schlechter ist als der von Journalisten (allenfalls Politiker oder Versicherungsvertreter), die allermeisten Deutschen vertrauen ihnen keinen Millimeter mehr. "Das hat in der Zeitung gestanden" oder "Das war gestern in den Nachrichten" ist inzwischen durchaus ähnlich wertlos wie "das habe ich im Internet gelesen". Die meisten Deutschen haben sich, ganz analog zur DDR-Bevölkerung, inzwischen angewöhnt zwischen den Zeilen zu lesen und erst einmal nichts davon für bahre Münze zu nehmen. Der Effekt, den Sie ansprechen, kommt nicht durch ein großes Vertrauen in Journalisten zustande sondern durch die Alternativlosigkeit und Permanentbeschallung. Das ist ein wichtiger Unterschied. Wenn man eine Lüge hundertmal hört, dann glaubt man sie irgendwaann, zumindest eher als eine Alternative deren Wahrheitsgehalt man auch nicht prüfen kann. Man vertraut deswegen nicht dem Lügner. Im Gegenteil. Die deutsche Presse pfeift auf dem letzten Loch, die Printpresse steht ohne Ausnahme(!) ohne staatliche Hilfen vor der Insolvenz, die Mehrheit der in diesem Bereich arbeitenden Personen kann man problemlos als intellektuelles Prekariat betrachten, ihre Gehälter sind lächerlich, ihre Sozialabsicherung katastrophal, die Zukunftsaussichten düster. Die privaten Sender leben von ihrem Unterhaltungsprogramm und die öffentlich rechtlichen Medien leben rein von ihrem dem Bürger gegen seinen Willen abgepressten Geld. Sie wären auf einem freiwilligen Markt sofort und unweigerlich pleite.

Was nicht heißt, dass dieses Prekariat keine Macht hat. Die schöpft es aber im Wesentlichen daher, dass es keine Alternativen gibt.

Zitat
Journalisten bei Tagesschau, Spiegel und Süddeutsche gelten als "bessere Menschen", als "Übermenschen", die alles wissen und göttlich neutral sind.


Das Gegenteil ist richtig, lieber Frank. Spargel und neues Süddeutschland sind faktisch pleite, die Tagesschau lebt rein von Zwangsgebühren. Und wird gleichzeitig von immer weniger Menschen konsumiert, obschon sie in dem Sinne dann nichts mehr kostet. Selbst geschenkt ist noch zu teuer.

Zitat
Die Presse ist seit Jahren (!) kein Korrektiv der Politik mehr, keine "fünfte Gewalt", die ihr Verständnis daraus zieht, aus Prinzip (!) die Politik zu hinterfragen und verborgenes aufzudecken. Statt dessen ist in Deutschland die Presse eher eine Art "Verein der Freunde und Förderer", wahlweise einer Partei oder einer Regierung. An das Presseimperium der SPD sei nur am Rande erinnert.


Nach meinem Dafürhalten ist es inzwischen eher umgekehrt. Die Regierung ist inzwisczhen eine Marionette der Presse, das gilt insbesondere und absolut für unsere Frau Bundeskanzler, die nichts tut was nicht vorher in der einschlägigen Linkspresse gestanden hat. Die Presse ist zumindest unter einer so schwachen Regierung nicht die vierte sondern die eigentliche Gewalt. Der Absturz der letzen 15 Jahre geht meines Erachtens nach praktisch rein auf die Presse zurück und eine schwache Bundeskanzlerin, die alles, aber auch wirklich alles tun würde, um bei diesen Gestalten gut auszusehen.

Zitat
- Wo ist da im Ergebnis noch ein Unterschied zur staatlichen Zensur?


Die Subtilität. Es funktioniert besser als staatliche Zensur. Gut, das Bild kriegt inzwischen zunehmend Risse, weil sich die Realität nicht beliebig verbergen lässt, aber es funktioniert besser als beispielsweise in der DDR.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.430

24.07.2020 13:46
#11 RE: Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

Irgendwie passt das alles noch nicht zusammen. Wie soll eine Gruppe, denen so wenig geglaubt wird wie Sie vermuten, so viel Macht haben?
Ich halte meine These für logischer. Denn das die Presse ganz wesentlich für die Durchsetzung linker Politik verantwortlich ist, da bin ich ja bei Ihnen. Aber das geht nur, wenn die Presse Zugriff hat auf die Gehirne der Wähler. Denn die Wahlen sind immer noch geheim und frei.

Wie die Presse das erreicht ist doch nur eine technische Frage. Fakt ist, dass die Mainstream-Medien ihr Framing durchsetzen können und die Handvoll Blogger nicht dagegen anstinken können.

___________________
Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.

strubbi77 Offline



Beiträge: 337

24.07.2020 14:01
#12 RE: Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #11
Irgendwie passt das alles noch nicht zusammen. Wie soll eine Gruppe, denen so wenig geglaubt wird wie Sie vermuten, so viel Macht haben?
Die Pressekampagne bis zum Rücktritt von Christan Wulff wegen Nichtigkeiten? Wie Kemmerich zum Rücktritt getrieben wurde?

Die Kampagnenfähigkeit der Presse ist immer noch gut. Immer öfter wie bei Schulz-Zug nicht gut genug, aber für einzelne "Erfolge" reicht es immer noch.

strubbi
Es geht nichts verloren, ausser der Fähigkeit es wiederzufinden.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

24.07.2020 14:19
#13 RE: Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #11
Irgendwie passt das alles noch nicht zusammen. Wie soll eine Gruppe, denen so wenig geglaubt wird wie Sie vermuten, so viel Macht haben?

Ja, das ist in der Tat erstaunlich. Aber nicht widersprüchlich. Die Presse lebt im Wesentlichen davon, dass ihr niemand widerspricht. Es gibt kein Korrektiv (mehr). Und wenn nur eine "Wahrheit" übrig bleibt, keine dagegen gestellt wird, dann überlebt eben diese Wahrheit, egal wie unsinnig sie am Ende ist. Warum sich kein Korrektiv bildet? Schwer zu sagen, vielleicht reicht die Nachfrage nicht. Ist einer von uns ein Pate bei der Achse des Guten? Wie viele haben schon für Tichy gespendet und wie viele haben dagegen auf "Ich habe schon bezahlt." geklickt?
Das Problem ist nicht eine hohe Glaubwürdigkeit der Presse sondern ihre Hegemonie. Es gibt einfach keinen der stark genug ist und widerspricht.

Zitat
Wie die Presse das erreicht ist doch nur eine technische Frage. Fakt ist, dass die Mainstream-Medien ihr Framing durchsetzen können und die Handvoll Blogger nicht dagegen anstinken können.


Die Blogger sind vielleicht auch nicht die Antwort. Bei Licht betrachtet sind die meisten Blogs ziemlich schlecht (ich nehme mich selber dabei nicht aus).

Und wie die Presse das ganze erreicht ist meines Erachtens schon wichtig. Weil es einen Unterschied macht ob ich selber stark bin oder nur stark wirke, weil ich keinen Gegner habe. Denn wenn einer auftaucht, dann sehe ich sehr aalt aus, wenn ich eben nicht stark bin. Ich glaube nicht daran, dass der Würgegriff, in dem sich das Land befindet, am Ende so stark ist. Er ist nur deshalb präsent, weil es kaum Gegenwehr gibt. Gibt es die aber, dann kann das ganze "der Linken" schneller um die Ohren fliegen als ihnen lieb ist. Ich glaube das hat die extreme Linke auch erkannt (Leute wie Maas, Giffey oder auch Restle). Deswegen versuchen sie ihre Truppen auch dazu aufzustellen die eventuell auftretender Gegner mit anderen Methoden bekämpfen zu können. Deswegen wird auch die AfD so massiv attackiert. Und deshalb wird auch im Netz die Achse des Guten oder Tichy so massiv angegriffen (indem man beispielsweise versucht hat ihre Geldquellen anzugreifen). Die linke Hegemonie kann sich im direkten Wettstreit nicht messen, deshalb muss sie ihre Gegner attackieren, bevor diese auch nur ihre Füße auf dem Boden haben.

Wenn ich wirklich glauben würde, lieber Frank, dass dieser Land "grundlinks" ist und die Linke ihre Mehrheiten deshalb erreicht, weil sie gute und starke Argumente hätte, denen die Bürger wirklich glauben, weil sie sie überzeugend finden, dann würde ich heute noch meine Koffer packen. Aber ich glaube das nicht. Ich glaube die Linke dominiert den Diskurs einzig und alleine deshalb, weil sie Gegenargumente gar nicht diskutiert sondern diejenigen, die sie vertreten mit aller Macht und legalen wie illegalen Mittel zu delegitimieren sucht. Eine Diskussion soll und darf gar nicht statt finden.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

24.07.2020 14:25
#14 RE: Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

Zitat von strubbi77 im Beitrag #12
Zitat von Frank2000 im Beitrag #11
Irgendwie passt das alles noch nicht zusammen. Wie soll eine Gruppe, denen so wenig geglaubt wird wie Sie vermuten, so viel Macht haben?
Die Pressekampagne bis zum Rücktritt von Christan Wulff wegen Nichtigkeiten? Wie Kemmerich zum Rücktritt getrieben wurde?

Das sind aber zwei schlechte Beispiele. Wulff hat sich einfach rotzdumm verhalten und war der Meinung, dass er Kraft seiner Autorität keine Fragen zu seiner Vergangenheit beantworten müsste. Die "Nichtigkeit" mag kein Grund zum Rücktritt sein, aber spätestens die Weigerung darüber zu reden war es definitiv. Und Kemmerich ist nicht durch eine Pressekampagne gestürzt worden sondern durch eine Frau Bundeskanzler, die der FDP mit dem Rauswurf aus den Landesregierungen gedroht hat, weil ihr ein SED MP lieber ist als die Chance das ihre Erzfeinde von der AfD auch nur in die Nähe einer Regierungsbeteiligung rutschen könnten.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

24.07.2020 15:56
#15 RE: Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #13
Warum sich kein Korrektiv bildet? Schwer zu sagen, vielleicht reicht die Nachfrage nicht.
Für Nachrichten, die auf Bundesebene und z.T. Landesebene Relevanz haben, hat man in den GEZ-Anstalten natürlich einen begünstigten Konkurrenten. Ohne diese begünstigte Konkurrenz arbeiten Lokalzeitungen mit ihrem Lokalteil als USP. Dann sind da noch Medien mit einer etwas anderen Themengewichtung (BILD, yellow press) und Medien, die sich auf das Berichten konzentrieren (N24, RTL news, euronews usw.).

Zitat von Llarian im Beitrag #13
Ist einer von uns ein Pate bei der Achse des Guten? Wie viele haben schon für Tichy gespendet und wie viele haben dagegen auf "Ich habe schon bezahlt." geklickt?
Nun, ehrlich gesagt sind das Kolumnensammlungen und Kommentare. So etwas ist kein "Alleinfutter", um informiert zu sein. Für Information bin ich bereit zu zahlen, für Meinungstexte nicht, unabhängig ob es meine Meinung ist oder nicht. Tatsächlich sind mir die Meinungen in meinem persönlichen Umfeld interessanter als die Meinungen von Kolumnisten, die ich wahrscheinlich sowieso nie im Leben persönlich kennenlernen werde. Also werde ich eher Geld für ein geselliges Kaltgetränk ausgeben.

Zitat von Llarian im Beitrag #13
Die Blogger sind vielleicht auch nicht die Antwort.
Blogger berichten (meistens) ebenfalls nicht, sondern kommentieren nur. Man kann ja sich mal als Kontrollfrage stellen, was denn in der letzten Sitzungen der Parlamente auf Bundes-, Landtags- und Kommunalebene so wichtig war. Das ist heutzutage einfach zu recherchieren. Aber es wäre eine journalistische Leistung, so etwas mal regelmäßig aufzuarbeiten. Das kriegt aber derzeit gar keiner hin. Ehrlich, ich glaube trotz all der modernen Technologien ist der Bürger heute schlechter über die Parlamentsarbeit informiert als 1848/1849 und hat eine weniger fundierte und weniger überzeugte (eher eine überredete) Meinung dazu. Das ist der Grund, warum man mit Nonsensideen noch Stimmen fangen kann.

Zitat von Llarian im Beitrag #13
Ich glaube die Linke dominiert den Diskurs einzig und alleine deshalb, weil sie Gegenargumente gar nicht diskutiert sondern diejenigen, die sie vertreten mit aller Macht und legalen wie illegalen Mittel zu delegitimieren sucht. Eine Diskussion soll und darf gar nicht statt finden.
Und am Anfang sahen sich die Linken nur schwachen Diskussionsgegnern gegenüber. Die haben sich ihrerseits lieber empört als einfach mal einen Augenblick die damals jungen Leute ernstzunehmen und argumentativ zu zerlegen.

Florian Offline



Beiträge: 3.179

24.07.2020 20:10
#16 RE: Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

ein kleiner Stichprobenvergleich zwischen deutschen und amerikanischen Medien:

USA:
Präsident Trump wird interviewt von seinem angeblichen "Haussender" FOX News:
https://www.youtube.com/watch?v=W6XdpDOH1JA

Deutschland:
Angela Merkel im Interview mit Anne Will:
https://www.youtube.com/watch?v=S5dzCRo6XX4

Man beachte, mit wie viel Wohlwollen und Samthandschuhen Merkel behandelt wird.
Und wie robust bei Trump nachgefragt wird.

Auffallend ist übrigens auch, wie sehr Anne Will im Interview ausländische Regierungen kritisiert (USA, Italien, usw). Merkel wird dann nur gefragt, wie sie mit diesen kritisierten Regierungen umgehen will.
Wobei ja eigentlich die Aufgabe einer DEUTSCHEN Journalistin die Kritik an der DEUTSCHEN Regierung wäre.

Und dann gibt es noch einen weiteren Methodenunterschied:
Bei FOX ist das Interview journalistisch eingebettet in eine allgemeine Berichterstattung. Das Interview ist also nicht live. Sondern es wird ein Teil des Interviews gezeigt, dann kommt ein Einspieler in dem Trumps Aussagen mit der Realität konfrontiert werden. (Zum ersten Mal passiert das bei 2:45 im Interview). Dann kommt die nächste Interviewpassage. Andere Unterbrechungen können z.B. sein, dass man frühere Interviews von Trump sieht in denen er andere Aussagen macht, usw.
So ähnlich wird das in den USA fast immer praktiziert. Während dieser Realitätsabgleich in Deutschland unüblich ist.
(Wenn überhaupt, ist bei deutschen Talkshows die umgekehrte Methode üblich: Es gibt einen Einspieler und dann wird mit den Talkshowgästen über den Einspieler debattiert).

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.286

24.07.2020 21:41
#17 RE: Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #15
Nun, ehrlich gesagt sind das Kolumnensammlungen und Kommentare. So etwas ist kein "Alleinfutter", um informiert zu sein. Für Information bin ich bereit zu zahlen, für Meinungstexte nicht, unabhängig ob es meine Meinung ist oder nicht.


Das ist ein wichtiger Punkt. Man hat auf der einen Seite die Mainstreammedien, die nicht berichten sondern wertend kommentieren (inkl. selektiver Faktenauswahl, man kennt das alles), und deren Gegenpol sind Blogger (auch bei TE und Achgut besteht ein großer Teil der Artikel daraus), die sich hauptsächlich über diese Art der Berichterstattung ärgern und deshalb Kommantare kommentieren. Letztendlich ist das ein Medien- und Politik-Krieg, die Information selbst ist nur der Anlass. Das hat einen gewissen Unterhaltungswert (der sich allerdings relativ schnell abnutzt), und hilft vielleicht initial bei der Bewertung der Medienschaffenden, es ist aber beides kein Nachrichtenersatz und bietet letztendlich auch keinen Mehrwert jenseits der Unterhaltung.

Nachrichten sind für mich das, was bspw. Bloomberg macht. Man liest die Überschrift und den ersten Absatz und hat alle wichtigen Rahmeninfos in 10 Sekunden. Wer alle Details möchte, liest den Rest des Artikels. Gute Struktur, keine Wertung, keine Auslassungen, etc. Das ist eine Dienstleistung, die vielen Leuten einen enormen Nutzen stiftet und deshalb auch eine gewisse Zahlungsbereitschaft weckt. Wofür aber offensichtlich niemand zahlen will - die Auflagen sprechen eine klare Sprache - ist die politische Meinung der Redaktionen; niemand will Geld ausgeben, um irgendwelchen Medienschaffenden ihre künstlerische Freiheit zu finanzieren, und sich dabei möglicherweise noch beschimpfen zu lassen. Wen die politische Meinung interessiert, der kauft ein Buch des Journalisten. Aber man bezahlt nicht für Nachrichten, um Ideologie zu erhalten.

Wir sind inzwischen an einem Punkt angekommen, an dem man ausländische Nachrichten über Deutschland lesen muss, um überhaupt noch an alle Fakten zu kommen. Weil hierzulande niemand mehr zu wissen scheint, was Nachrichten eigentlich sind.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

24.07.2020 23:52
#18 RE: Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #15
Nun, ehrlich gesagt sind das Kolumnensammlungen und Kommentare. So etwas ist kein "Alleinfutter", um informiert zu sein. Für Information bin ich bereit zu zahlen, für Meinungstexte nicht, unabhängig ob es meine Meinung ist oder nicht. Tatsächlich sind mir die Meinungen in meinem persönlichen Umfeld interessanter als die Meinungen von Kolumnisten, die ich wahrscheinlich sowieso nie im Leben persönlich kennenlernen werde. Also werde ich eher Geld für ein geselliges Kaltgetränk ausgeben.

Und genau das ist am Ende das "Problem". Und wie ich finde nicht ganz ehrlich. Wenn jemand Ihnen eine Kolumne oder Meinung anbietet ist es die selbe Freiheit diese zu lesen oder nicht wie eine Information. Sie können es ablehnen. Aber es zu konsumieren, aber nichts dafür bezahlen zu wollen ist eben das Problem dahinter. Ich finde diese Unterscheidung in Nachricht oder Meinung in der Sache richtig, aber nicht in der Frage ob man dafür bezahlt oder nicht. Ein Kolumnist macht sich genauso Arbeit wie ein Reporter. Es ist die Gratis-Mentalität, die alle Medien betrifft. Und dann darf man sich nicht wundern, wenn konservative Medien keinen Fuß auf den Boden bekommen.

Zitat
Und am Anfang sahen sich die Linken nur schwachen Diskussionsgegnern gegenüber. Die haben sich ihrerseits lieber empört als einfach mal einen Augenblick die damals jungen Leute ernstzunehmen und argumentativ zu zerlegen.


Die Parallele fällt mir in der Tat auch immer wieder auf. Die AfD, bzw. überhaupt konservative Strömungen in unserer Zeit sehen sich ganz ähnlichen Problemen gegenüber wie die Linken in den siebziger Jahren. Allerdings gibt es nach meinem Dafürhalten ein paar gewichtige Unterschiede. Die Linken aus den siebziger Jahren wurden zwar ebenso delegitimiert aber nicht mit Gewalt bekämpft. Man hat sie eher als Spinner gesehen als moralisch diskreditiert. Und das obschon ihre extremen Ausläufer Dutzende von Menschen ermordeten und offen nach dem Umsturz riefen. Die heutige Lage ist ein paar Nummern robuster und die vermeintlichen Rebellen ein paar Nummern kleiner. Die AfD hat keinen bombenlegenden Ableger, der das System in Frage stellt oder haufenweise linke Abgeordnete mit Kriegswaffen angreift. Umgekehrt werden heute völlig offen linke Guerilla staatlicherweise finanziert, die schon mal Büros der AfD "entglasen" oder gleich nieder brennen.

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.286

25.07.2020 02:50
#19 RE: Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #18
Und genau das ist am Ende das "Problem". Und wie ich finde nicht ganz ehrlich. Wenn jemand Ihnen eine Kolumne oder Meinung anbietet ist es die selbe Freiheit diese zu lesen oder nicht wie eine Information. Sie können es ablehnen. Aber es zu konsumieren, aber nichts dafür bezahlen zu wollen ist eben das Problem dahinter.


Das sehe ich anders. Natürlich bieten auch Kolumnenschreiber eine Leistung an, die einen gewissen Marktwert hat; ein Problem entsteht aber dann, wenn man diese Leistung nutzen muss, weil die eigentlich gesuchte Leistung (reine Berichterstattung) nicht existiert.

Wenn ich über ein x-beliebiges Thema, nehmen wir bspw. den Covid-19-Komplex, einfach nur alle Fakten zur Kenntnis bekommen möchte, ist das unmöglich. Das muss man sich dann aus einer Mischung aus wertenden Zeitungsartikeln und der Gegenrede irgendeines Fachmanns auf Achgut zusammenreimen. Die einzige Alternative wäre hier direkt zur Quelle zu gehen, was aber zeitlich unmöglich ist wenn man sich für mehrere Themen interessiert und noch ein Leben nebenbei hat. Es ist eigentlich die Aufgabe der Journalisten, solche Dinge zu recherchieren, zusammenzufassen und in einem Überblick ohne politischem Spin dem Leser zu präsentieren. Das ist die Dienstleistung, für die ein Nachrichtenkonsument zu zahlen bereit ist.

Wenn ich mir die Fakten mühsam aus einem Fake-News-Streit zwischen dem WDR und einem AchGut-Autor zusammensuchen muss, ist das für mich keine Dienstleistung mehr, für die ich zu zahlen bereit wäre. Sondern ein informationstechnischer Hürdenlauf und nervige Zeitverschwendung.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

25.07.2020 11:52
#20 RE: Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #19
Wenn ich mir die Fakten mühsam aus einem Fake-News-Streit zwischen dem WDR und einem AchGut-Autor zusammensuchen muss, ist das für mich keine Dienstleistung mehr, für die ich zu zahlen bereit wäre. Sondern ein informationstechnischer Hürdenlauf und nervige Zeitverschwendung.

Dann dürfen Sie sich aber auch nicht wundern, wenn niemand die Dienstleistung erbringt, die sie sich so sehr wünschen.

Jeder Journalist, egal ob Reporter, Fotograf oder eben auch Kolumnist muss bezahlt werden. Sonst lohnt es sich nicht. Wenn ich das, was Sie und Emulgator geschrieben habe mal verkürzen darf: Sie wollen reine Information und wollen dafür zahlen. Steht aber leider so nicht zur Verfügung. Kommentierte Information steht dagegen zur Verfügung. Sie konsumieren Sie sehr wohl(!), sind aber nicht bereit dafür zu bezahlen. Obschon Ihnen die Ersteller dieser kommentierten Information deutlich sagen, dass sie bezahlt werden wollen oder ansonsten gebeten werden zu gehen. Wie wahrscheinlich ist es dann, dass Sie für eine Informationen wirklich bezahlen würden, wenn sie zur Verfügung stünde?

Und rein neutral gesprochen, ohne persönliche Bande, wenn ich mir als Journalist überlegen würde, ob ich bereit bin reine Information zu produzieren, auf ein Versprechen hin, dass eben auch nicht mehr ist als ein Versprechen, und nicht sensationell glaubwürdig, dann würde ich das nicht machen. Dabei geht es jetzt gar nicht darum ob ich Ihnen oder Emulgator persönlich glaube. Es geht eher darum ob eine neutrale, dritte Person ihnen glaubt. Und zwar so sehr, dass sie bereit ist dafür etwas aufs Spiel zu setzen. Wenn ich als Investor hingehe (wo ich mich eher reindenken kann als in einen Journalisten) und jemand kommt zu mir ob ich nicht eine Zeitung (mit-)finanzieren möchte, die reine Information produziert, keine Kommentare abgibt und somit das liefert was Sie sich wünschen, würde ich das ablehnen. Das Risiko wäre mir viel zu groß.

Das Problem ist selbstverursacht. Und da kann sich jeder selbst an die Nase fassen. Durch die Gratis-Mentalität, die das Netz mit sich gebracht hat, wird Journalismus nur noch prekär bezahlt. Da darf man sich nicht wundern, wenn die Marktwirtschaft an der Stelle nicht wirklich funktioniert.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

26.07.2020 17:22
#21 RE: Streiflicht: Haste ma nen Franc? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #18
Und genau das ist am Ende das "Problem". Und wie ich finde nicht ganz ehrlich. Wenn jemand Ihnen eine Kolumne oder Meinung anbietet ist es die selbe Freiheit diese zu lesen oder nicht wie eine Information. Sie können es ablehnen. Aber es zu konsumieren, aber nichts dafür bezahlen zu wollen ist eben das Problem dahinter.
Seit ich weiß, daß es sich um Meinung handelt, konsumiere ich das auch nicht mehr. Wie gesagt sind mir die Meinungen persönlich bekannter wichtiger, und die bekomme ich für lau.

Zitat von Llarian im Beitrag #18
Ein Kolumnist macht sich genauso Arbeit wie ein Reporter.
Eine Kolumne ist weniger Arbeit als eine Recherche und ein Artikel. Außerdem hat die Weiterverbreitung der eigenen Meinung ja einen eigenen ideellen Nutzen.

Ich würde weniger die Gratismentalität als Grund sehen, sondern die Mentalität, sich die Entscheidung, was wichtig sei, so bereitwillig abzunehmen. Redakteure sagen ja recht offen, daß sie sich in ihren Entscheidungen an der Konkurrenz orientieren. Das ist schon interessant. Sonst sucht man ja, sein Produkt von der Konkurrenz abzuheben.

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