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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 6 Antworten
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Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 13.567

08.09.2022 19:45
The Queen Is Dead Antworten

https://www.spiegel.de/panorama/leute/qu...4b-034ba9825b60
https://www.bbc.com/news/uk-61585886

Zitat von BBC
With her death, her eldest son Charles, the former Prince of Wales, will lead the country in mourning as the new King and head of state for 14 Commonwealth realms.

In a statement, Buckingham Palace said: "The Queen died peacefully at Balmoral this afternoon.

"The King and the Queen Consort will remain at Balmoral this evening and will return to London tomorrow."

All the Queen's children travelled to Balmoral, near Aberdeen, after doctors placed the Queen under medical supervision.
...
Her reign spanned 15 prime ministers starting with Winston Churchill, born in 1874, and including Liz Truss, born 101 years later in 1975, and appointed by the Queen earlier this week.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Johanes Offline




Beiträge: 2.424

09.09.2022 12:41
#2 RE: The Queen Is Dead Antworten

Das zweite Elisabethanische Zeitalter endet damit

Mit dem Tod von Königin Elisabeth geht auch das Zeitalter zu ende. Jedenfalls in der britischen Geschichte.
In diesem Zeitalter sind eine Reihe von ganz erstaunlichen Sachen passiert. Luftverkehr ist normalität geworden, Satelliten wurden in den Weltraum geschickt, Menschen auf den Mond, der integrierte Schaltkreis.

Natürlich auch entkolonialisierung, sozialer Wandel usw.

Für mich auf jeden Fall der richige Anlass, dieser Königin Respekt zu erweisen.

Vielleicht würde es sich in diesem Zusammenhang lohnen, sich etwas mit den uralten, aber immer noch funktionierenden politischen System Englands zu befassen.

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 13.567

09.09.2022 15:29
#3 RE: The Queen Is Dead Antworten

Ich schreibe dazu an diesem Wochenende noch etwas. Nur soviel: So "alt" ist dieses System gar nicht; auch wenn es unterm Strich die älteste funktionierende Demokratie darstellt. (Ich hätte fast geschrieben "in Europa"* - aber es gilt eben auch für den bescheidenen Rest der Welt). Es fällt auf, daß sich das seit 1688, seit der "Glorious Revolution", seit man also von diesem System sprechen kann, auch immer wieder gewandelt hat, zwar nicht radikal, aber beständig. Das beginnt mit der Etablierung eines funktionierenden Parteiensystems, den Whigs vs. den Tories, Ende des 17. Jhdts. die sich programmatisch nicht sonderlich unterscheiden und etwa so prinzipienfest sind wie Herr Seehofer, aber das Prinzip verkörpern, das der leidlichen Erfahrung mit dem Bürgerkrieg geschuldet ist: daß man politische Differenzen mit Worten & Abstimmungen ausficht & nicht auf dem Schlachtfeld. Daß der politische Gegner kein tatsächlich niederzumachender ist. Wenn man sich die Kabalen der Zeit um Swift, Pope, Lord Harvey mal anschaut, sieht man das im Anfangszustand. (Ich habe übrigens das ungute Gefühl, daß wir uns im Westen, gerade auch in den USA, mit der Verung alles "Rechten" diesem Zustand wieder bedenklich annähern.) Mitte des 19. Jhdts. entstehen dann im Zug der Industrialisierung die Parteienkonstellationen, die wir bis heute kennen. Vor allem ändert sich die Gewichtung der Monarchie: "politisch" ist dieses Amt ja mit Vorbedacht ohne Gewicht: der Regent steht dem Land vor, bleibt aber in der tatsächlichen politischen Praxis außen vor. Im Rückblick fällt auf, daß die männlichen Thronerben nie eine besonders gute Presse hatten, die meisten galten als Leichtgewichte, Lebemänner (etwa Karl III-1, bei dem von der "Herrschaft der Unterröcke" die Rede war & dessen Hobby anscheinend darin bestand, jeder Hofdame, die nicht bei drei auf dem Baum war, ein Balg zu machen**). Um William Savage Landors wohlbekannte Verse zu zitieren:

Zitat
George the First was always reckoned
Vile, but viler George the Second;
And what mortal ever heard
Any good of George the Third?
When from earth the Fourth descended
God be praised: the Georges ended!



Insofern fügt sich der aktuelle Monarch überaus gut in die Tradition.

Wirklichen Respekt für Amt & Funktion haben sich nur die weiblich gelesenen Monarch*Innen erworben: mit der 1. Elizabeth, als "Astraea" zur fleischgewordenen Inkarnation der Idee "Albion" hochstilisiert, mit Victoria, als Verkörperung eines ganzen Zeitalters und der duldenden Tugend (das setzt übrigens erst nach 1851 ein, nach der 1. Weltausstellung; und dann in großem Stil nach Prinz Alberts Tod), und eben mit Elizabeth II. Wobei hier die Figur der Königin eine Gewichtung erreicht hat, die diesem Amt vorher nicht zukam: als Verkörperung einer - wie Sie schreiben - "alten", einer festgemauerten Tradition, die von allem Zeitgeistigen unberührt bleibt, ein Garant dafür, daß die Werte und Traditionen, die sich bewährt haben, auch weiterhin das Fundament bilden. (DAS scheint mir der Grund für den geschmacklosen Haß zu sein, der sich seit gestern leider auch auf deutschen sozialen Meiden mitunter ausmährt.) Diese Aufladung entspricht der Wandlung, die bei uns das Amt der Bundespräsidenten durchgemacht hat: das war mit Heinemann der staatliche Frühstücksdirektor, der immerhin noch kluge Bücher geschrieben hat (sogar ganz allein!), mit Lübke ein Popanz (der er nicht war, den die Linken aber in ihm sehen wollten), Scheel konnte noch Volkslieder singen. Die Aufwertung kam erst mit Weizsäcker, und seitdem sind alle Nachfolger an diesem Anspruch gescheitert.

* Pedanten kommen an der Stelle mit dem Althing in Island; aber da handelt es sich um eine andere Art von Institution: das Alþingi war dazu gedacht, daß die Besitzer der Höfe in Island, die keinerlei Herrschaftsstruktur besaßen, sich nicht endlos per Blutrache dezimierten; jeder Hofbesitzer mußte den Sommer über Feld & Ställe den Weibern & den Sklaven überlassen & durfte in der Versammlung keine Waffen tragen.

** Mit der Folge, daß sowohl Diana wie auch Camilla von ihm abstammen, wenn auch mit völlig unterschiedlichen Stammbäumen.



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Johanes Offline




Beiträge: 2.424

09.09.2022 18:14
#4 RE: The Queen Is Dead Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #3
(Ich habe übrigens das ungute Gefühl, daß wir uns im Westen, gerade auch in den USA, mit der Verung alles "Rechten" diesem Zustand wieder bedenklich annähern.)


Ich teile diese Sorge und sehe das tatsächlich als Gefahr.

Zitat
"politisch" ist dieses Amt ja mit Vorbedacht ohne Gewicht: der Regent steht dem Land vor, bleibt aber in der tatsächlichen politischen Praxis außen vor.



Das ist die Trennung von Staatsoberhaupt und Regierungschef, wie wir sie heute in allen "parlamentarischen Regierungsformen" und fast überall finden. Auch wenn es irgendwie unlogisch ist.
Man bemerkt dieses Fremdeln auch, wenn niemand so genau weiß, was er mit Ämtern wie den Bundespräsidenten anfangen soll.

Außnahme sind natürlich solche Systeme wie die USA, wo Staats- und Regierungschef das selbe sind, oder die Schweiz. Frankreich und Japan sind ebenfalls Sonderfälle, aber sie reproduzieren das System 1:1.

Zitat
Diese Aufladung entspricht der Wandlung, die bei uns das Amt der Bundespräsidenten durchgemacht hat: das war mit Heinemann der staatliche Frühstücksdirektor, der immerhin noch kluge Bücher geschrieben hat (sogar ganz allein!), mit Lübke ein Popanz (der er nicht war, den die Linken aber in ihm sehen wollten), Scheel konnte noch Volkslieder singen.



Siehe oben!
Man weiß mit dem Amt nichts anzufangen. Daher wird dann irgendwie der Übervater der Nation daraus.

Gab es nicht Things oder Dinge auch schon bei anderen?

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 13.567

09.09.2022 19:33
#5 RE: The Queen Is Dead Antworten

Zitat von Johanes im Beitrag #4
Gab es nicht Things oder Dinge auch schon bei anderen?


Die gab es, wenn auch die Quellenlage (naturgemäß) schütter ist. Im gesamten nordgermanischen Raum. Wobei allerdings nicht klar ist, ob das in vielen Fällen über die Gerichtsbarkeit (also die Schlichtung von Streitfällen und die Ahndung von Verstößen) hinausging. In der Regel hatten ja die germanischen Stämme keine überwölbenden Institutionen, sondern nur Häuptlinge, deren Majestixzuständigkeit drei Äcker weiter endete. Bei den Altsachsen wurde ein Dux bellorum nur im Fall kriegerischer Auseinandersetzungen gewählt, bei den Franken auch; das entspricht also in etwa der zeitweisen Machtübertragung an den Tyrannen der griechischen poleis. Das hat sich dann mit der Herausbildung einer feudalen Ordnung (im Süden im Lauf der 7. Jhdts., im Norden im 10.) allmählich verloren. In Norwegen gab es zur Zeit König Hakons I. vier Thinge, die sich aber auf die Gesetzesgebung und die Rechtssprechung beschränkten.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Johanes Offline




Beiträge: 2.424

22.09.2022 19:50
#6 RE: The Queen Is Dead Antworten

Denkt ihr, dass das Ergebnis auch direkte politische Konsequenzen haben wird?

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 13.567

22.09.2022 20:14
#7 RE: The Queen Is Dead Antworten

Nein. Die Institution des Königshauses ist innerhalb der englischen Verfaßtheit und des Rule of Law so angelegt, daß Personalwechsel keinen Einfluß auf das politische Zeitgeschehen haben. Der Monarch kann nur innerhalb seiner Rolle als schwache Persönlichkeit gesehen werden (Queen Anne beispielweise, die diversen Georgs, Edward VII...) oder als starkes Symbol, als einigende Persönlichkeit (Viktoria, Elisabeth II) - ohne daß dies die Entscheidungen des Parlaments oder des Kabinetts berührt. Ganz bezeichnend ist in diesem Fall die "Wahnsinn von König Georg" (gemeint ist #III), der ab dem Sommer 1788 nicht mehr in der Lage war, seine Amtsgeschäfte wahrzunahmen. Was nicht ganz unwichtig war, da ohne die Eröffnungsrede vor dem neugewählten Unterhaus dieses die Arbeit nicht aufnehmen kann. Daraufhin hat Premierminister Pitt den Antrag eingebracht, daß für solch einen Fall de Prinz of Wales als desgnierter Amtsnachfolger diese Amt übernehmen sollte. Der Monarch hat sich vor der Verabschiedung erholt. Ab 1814 war Georg III dann nachweislich umnachtet - bis zu seinem Tod 1821. Wobei auffällt, daß die König*INNEN hier zum Symbol ihres Zeitalters geworden sind - Königin Anne mal ausgenommen, die auch schon den Zeitgenossen während ihrer Herrschaftszeit von 1702 bis 1714 nicht im Gedächtnis geblieben ist (sie galt immer als eine Art ungebildetes Hausmütterchen), während die männlichen Statthalter durch die Bank als schwache Persönlichkeiten galten; die zudem während ihrer Anwartschaft mitunter einen recht halbseidenen Lebenswandel geführt hatten: Georg IV etwa, vor allem wegen seiner Freundschaft mit Beau Brummell (er soll den Kommilitonen, der ihm den Prinzregenten vorstellen wolle, brüsk gefragt haben: "Und wer ist dein fetter Kumpel?" - "Who's your fat friend?" - der Satz, über den sich Obelix aufregt, ist also ein Zitat). Oder Edward VII.

Alle Forderungen nach "Veränderung", "Zeitgemäßheit" pp. kommen entweder von Leuten, die von dem Wesen einer konstitutionellen Monarchie keine Ahnung haben & deshalb England nicht als "demokratisch" führen (bei den Niederlanden, Schweden, Japan oder Saudi-Arabien gar als ABSOLUTER Monarchie haben sie damit keinerlei Probleme; man merkt dann, woher das kommt), oder sie bewegen sich innerhalb dieses Rahmens der Repräsentanz - etwa Tony Blairs Antichambrieren, weil die Queen vor 25 Jahren sich nach dem Urteil der Medien in Sachen der "Prinzessin der Herzen" zu sehr bedeckt hielt.



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