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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 3 Antworten
und wurde 201 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.541

20.03.2023 00:24
Vom großen Wind - Gustav Meyrink, "Das grüne Gesicht" (1916) Antworten

https://zettelsraum.blogspot.com/2023/03...grune.html#more

Als ich vor zwei Tagen mit diesem Beitrag begonnen habe, habe ich mir gesagt: au fein - da brauche ich 95% des Texts nur zu übernehmen und muß keine einzige Zeile übersetzen...



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.541

22.03.2023 04:19
#2 RE: Vom großen Wind - Gustav Meyrink, "Das grüne Gesicht" (1916) Antworten

Da ich Edward Fitzgeralds Vierzeiler unübertragen gelassen habe, hier noch die Nachreichung,

Und gehst du, Saki, dann fürbass
Zwischen den Gästen, ausgestreckt im Gras
Und kommst dorthin, wo ich einst weilte, dann
Tu mir die Ehre und kehr um dein Glas.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.541

13.12.2023 14:24
#3 RE: Vom großen Wind - Gustav Meyrink, "Das grüne Gesicht" (1916) Antworten

Zitat von ZR
Der zweite SF-Roman, der eine Stippvisite in Istanbul einlegt, ist M. P. Shiels „The Purple Cloud“ aus dem Jahr 1901, der ebenfalls das Ende der Menschheit zum Thema macht. Allerdings verbindet sich hier die schrille Dekadenz, die Shiels frühe Erzählungen nicht grundiert, sondern mit jeder Zeile durchtränkt, mit einem ebenso rabiat übersteigerten Nietzscheanismus, der Bäume selbst da ausreißt, wo gar keine stehen.
...
Als sich Adam daranmacht, Istanbul niederzubrennen (nachdem der sich vorher mit angemessenem Mobiliar für seinen Palast versorgt hat), stößt er auf den einzigen anderen überlebenden Menschen – eine nackte junge Frau von 20 Jahren, die von nichts auf der Welt eine Ahnung hat. Sie schließt sich ihm an und folgt ihm, egal, wie oft er sie auf zurückstößt und schlecht behandelt (sein Job ist es ja, einen Schlußstrich unter das Kapitel „Menschheit“ zu ziehen). Nachdem er sie widerwillg in seiner Nähe duldet, erweist sich, daß sie ihr ganzes Leben in den Kellergewölben des Topkapi-Serails verbracht und somit nichts von der Welt draußen erfahren hat (wie sie es geschafft hat, die letzten 17 Jahre seit der Katastrophe zu überleben, verrät der Autor nicht). Nachdem er sie Sprechen, Nähen und Kochen gelehrt hat, kämpft er gegen die Zuneigung, die er zu ihr entwickelt. Als er sich ohne sie von Paris aus aufmacht, um noch ein wenig mehr von England in Trümmer zu legen, erreicht ihn ihr Anruf aus Paris, daß die rote Wolke wieder am Himmel erschienen ist. (Wieso das Fernsprechnetz nach zwanzig Jahren noch funktioniert, läßt der Autor so im Dunkel wie Ray Bradbury, in dessen „Mars-Chroniken“ in der Episode „The Silent Towns“ auch lange nach der Rückkehr der letzten Siedler zur Erde nachts die Telephone des Nachts klingeln.)



Manchmal ist man ja auch als passionertes Bibliotheksgespenst überrascht, was es noch alles gibt. Etwa die "Andere Bibliothek", 1985 von Hans Magnus Enzensberger und Franz Greno ins Leben gerufen und mit dem Jahrtausendwechsel so ziemlich vom Radar des Kulturbetriebs verschwunden (Dietmar Daths fiktionalisierte Mathematiker-Porträtgalereíe aus dem Jahr 2002 dürfte einer der letzten markanten Titel gewesen sein).

Und in eben dieser Reihe ist im August eine Neuübersetzung von "The Purple Cloud" herausgekommen, in der Übertragung von Peter Torberg - nachdem es 1982 eine erste deutsche Ausgabe, damals übersetzt von Hans Maeter, beim Heyne-Verlag gegeben hatte.

Zitat
BAND 462 (2023) Die purpurne Wolke

Beschreibung
Adam Jefferson heißt dieser Mensch, der Ich-Erzähler dieses „postapokalyptischen“ Romans. Auf dem Schiff Boreal wird er sich als Arzt, Botaniker und meteorologischer Assistent einer fünfköpfigen britischen Expedition zum Pol anschließen – nur einer unter ihnen kann als erster Mensch den Pol erreichen, ihm winkt unermesslicher Reichtum.

Als einziger Überlebender tritt Adam Jefferson einen Rückmarsch von epischer Dimension durch das ewige Eis in die Zivilisation an und wird entdecken: tote Tiere und tote Menschen. Eine purpurne und giftige Wolke ist nach einer vulkanischen Explosion im pazifischen Ozean von Ost nach West um den Globus geweht. Die Menschheit ist einem purpurnen Gas mit dem Aroma von Pfirsichblüten zum Opfer gefallen. Der letzte Überlebende findet sich in einer unbewohnten Welt wieder, in unermesslicher Einsamkeit, umgeben von Kadavern und Relikten. In einer jahrzehntelangen Odyssee und in einem irren Rausch aus Vernichtung und Allmachtswahn irrt er über die Meere durch die ausgestorbenen Städte der Welt, um die Monumente der Vergangenheit zu zerstören, verbrennt London und Paris, Rom und Venedig, Peking oder Konstantinopel. Aber ihm wird begegnen, was er vor allem gefürchtet hat, ein weiterer Mensch ist auf der Erde verblieben – eine Frau, eine Eva.

Mit dem Versprechen, der Pol sei wie der Baum der Weisheit im Garten Eden, hat sich Adam Jefferson zu seiner Arktisexpedition verführen lassen und findet sich einem Robinson Crusoe gleich statt auf einer abgelegenen Insel auf der entvölkerten Erde wieder – wo eine neue Schöpfung der Zivilisation beginnen kann.

Matthew Phipps Shiel ist ein literarischer Exzentriker in seiner Gattung. Für seine einfallsreichen und dramatisch spannenden Szenerien, für seine dämonischen Delirien und Traumbilder hat er eine wie barock ausschweifende Sprache gefunden.

In der Tradition von Mary Shellys Der letzte Mensch und H. G. Wells Der Krieg der Welten, in der Verbindung von Physik und Metaphysik im Gefolge von Edgar Allan Poe, voll von profundem Wissen über Geologie und Biologie, geprägt von fin-de-siècle-Apokalyptik und Orientalismus ist H.P. Shiels bekanntestes und auch verfilmtes klassisches Werk neuübersetzt endlich wiederzuentdecken.

Verlag Die Andere Bibliothek
Erscheint August 2023
ISBN 978-3-8477-0462-1
Anzahl Seiten 317
Bandnummer 462



https://www.aufbau-verlage.de/die-andere...8-3-8477-0462-1

Der kleine Pedant notiert, daß die Taschenbuchausgabe vor 41 Jahren mit 6,80 DM zu Buche schlug; die gebundene Neuausgabe mit € 48,00.

Und, liebe Klappentexter, der gesuchte Begriff lautet nicht "Geologie," sondern "Geographie" - und Shiels Kenntnisse auf diesem Gebiet verdanken sich schlicht den aktuellen Ausgaben von Karl Baedeker ("Kings and presidents may err / but never Dr Baedeker") - denen auch Bram Stoker die Details für "Dracula" (vier Jahre vor "The Purple Cloud" erschienen) entnommen hat. Und von Biologie findet sich schlicht nichts in dem Schmäucher.



PS. Bevor jemand mäkelt: Stokers Quellen bezüglich Land, Leute & historisches Lokalkolorit für Siebenbürgen waren zuerst die beiden Bände von Emily Gerards "The Land Beyond the Forest," 1885 erschienen, in denen er den Begriff "Nosferatu" gefunden hat; und weiter A. F. Crosses "Round About the Carpathians" sowie "Transsylvania" von Charles Boner. Die Verbindungen aus dem Baedeker grundieren die Anreise von Jonathan Harker zu Beginn des ersten Kapitels und die Verfolgungsjagd des Teams unter Dr van Helsing quer durch Europa am Schluß des Buchs.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.541

14.12.2023 00:32
#4 RE: Vom großen Wind - Gustav Meyrink, "Das grüne Gesicht" (1916) Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #3
die beiden Bände von Emily Gerards "The Land Beyond the Forest," 1885 erschienen, in denen er den Begriff "Nosferatu" gefunden hat


Aus der Rubrik "Hölzchen auf Stöckchen": dem Kleinen Pendanten fällt gerade auf, daß "Nosferatu" womöglich mittlerweile das bekannteste Beispiel für ein Hapax legomenon darstellt: ein Wort, daß in der Quellenliteratur nur ein einziges Mal auftaucht udn dessen genaue Herkunft und exakte Beudeutung deshalb ungeklärt und widersprüchlich sind. Gerard verweist an einer einzigen Stelle in "The Land Beyond the Forest" darauf, im Kapitel XXV, "The Roumanians: Death and Burial - Vampires and Were-Wolves":

Zitat
More decidedly evil is the nosferatu, or vampire, in which every Roumanian peasant believes as firmly as he does in heaven or hell. There are two sorts of vampires, living and dead. The living vampire is generally the illegitimate offspring of two illegitimate persons; but even a flawless pedigree will not insure any one against the intrusion of a vampire into their family vault, since every person killed by a nosferatu becomes likewise a vampire after death, and will continue to suck the blood of other innocent persons till the spirit has been exorcised by opening the grave of the suspected person, and either driving a stake through the corpse, or else firing a pistol-shot into the coffin. To walk smoking round the grave on each anniversary of the death is also supposed to be effective in confining the vampire. In very obstinate cases of vampirism it is recommended to cut off the head, and replace it in the coffin with the mouth filled with garlic, or to extract the heart and burn it, strewing its ashes over the grave.

That such remedies are often resorted to even now is a well-attested fact, and there are probably few Roumanian villages where such have not taken place within memory of the inhabitants. There is likewise no Roumanian village which does not count among its inhabitants some old woman (usually a midwife) versed in the precautions to be taken in order to counteract vampires, and who makes of this science a flourishing trade. She is frequently called in by the family who has lost a member, and requested to “settle” the corpse securely in its coffin, so as to insure it against wandering. The means by which she endeavors to counteract any vampire-like instincts which may be lurking are various. Sometimes she drives a nail through the forehead of the deceased, or else rubs the body with the fat of a pig which has been killed on the Feast of St. Ignatius, five days before Christmas. It is also very usual to lay the thorny branch of a wild-rose bush across the body to prevent it leaving the coffin. (S. 186)



Als Quelle für Gerard wird zumeist ein Artikel von Wilhelm Schmidt aus dem Jahr 1865 vermutet, "Das Jahr und seine Tage in Meinung und Brauch der Rumänen Siebenbürgens" (Österreichische Revue, Bd.3, Nr.1), in dem es heißt:

Zitat
Hieran reihe ich den Vampyr – nosferatu. Es ist dies die uneheliche Frucht zweier unehelich Gezeugter oder der unselige Geist eines durch Vampyre Getödteten, der als Hund, Katze, Kröte, Frosch, Laus, Floh, Wanze, kurz in jeder Gestalt erscheinen kann und wie der altslavische und böhmische Blkodlak, Vukodlak oder polnische Mora und russische Kikimora als Incubus oder Succubus – zburatorul – namentlich bei Neuverlobten sein böses Wesen treibt. Was hierüber vor mehr als hundert Jahren geglaubt und zur Abwehr geübt wurde, ist noch heute wahr, und es dürfte kaum ein Dorf geben, welches nicht im Stande wäre Selbsterlebtes oder doch Gehörtes mit der festen Überzeugung der Wahrheit vorzubringen. (S. 224)



https://books.google.com.au/books?id=beu...epage&q&f=false

Ansonsten taucht das Wort in der Literatur zum Volksglauben in Rumänien oder dem Balkan allgemein nicht auf.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

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