Eine ehrwürdige Universität lädt den Papst ein; aber er kommt nicht. Die Hintergründe, die recht skurril sind, kann man in dem Artikel lesen. Siehe dazu auch den von Meister Petz eröffneten Thread.
Sie haben einen wesentlichen Punkt bei dem Streit nicht erwähnt.
Auch 67 an der Universität dozierende Professoren unterzeichneten einen Appell gegen den Besuch des Papstes.
Der Konflikt dreht sich vor allem um Galileo Galilei und um eine angebliche Rechtfertigung des Ketzerprozesses gegen den Mathematiker und Physiker durch Ratzinger in seiner Zeit als Kurienkardinal. Der heutige Papst hatte sich 1990 in Parma die Position des österreichischen Philosophen Paul Feyerabend zu eigen gemacht habe, wonach der Prozess der Kirche gegen Galilei „vernünftig und gerecht“ gewesen sei und seine Revision reine Opportunitätsgründe hatte.
das mit Galilei ist eine seltsame Sache. Ich habe mir den Brief von Cini sehr gründlich angeguckt in der Erwartung, dort diesen Vorwurf gegen Ratzinger zu finden. Aber der einzige Satz, in dem Galilei vorkommt, lautet:
Soprattutto se si tiene conto che, fin dai tempi di Cartesio, si è addivenuti, per porre fine al conflitto fra conoscenza e fede culminato con la condanna di Galileo da parte del Santo ufficio, a una spartizione di sfere di competenza tra l'Accademia e la Chiesa. La sua clamorosa violazione nel corso dell'inaugurazione dell'anno accademico de La Sapienza sarebbe stata considerata, nel mondo, come un salto indietro nel tempo di trecento anni e più.
Also, seit der Zeit von Descartes sei, um dem Konflikt zwischen Gewissen und Glauben ein Ende zu machen, der in der Verurteilung Galileis durch das Heilige Offizium gegipfelt habe, eine Trennung zwischen den Sphären der Wissenschaften und der Kirche vorgenommen worden. Den nachfolgenden Satz habe ich in dem Artikel schon übersetzt.
Wie die Rede des Papsts von 1990 in diese Diskussion gekommen ist, habe ich nicht herausgefunden. In den nicht weniger als 199 Kommentaren zu dem verlinkten Brief wird jedenfalls breit darauf eingegangen.
Ich habe das, lieber M. Schneider, deshalb nicht erwähnt, weil ich dann auch diese Rede, die ich mir angesehen hatte, hätte diskutieren müssen.
Feyerabend ist ja nun ein sehr eigenwilliger, gewiß nicht frommer Wissenschaftstheoretiker (aus meiner Sicht eher ein witziger Provokateur als ein ernstzunehmender Theoretiker) ein denkbar ungeeigneter Zeuge gegen Galilei. Und Benedikt zitiert ihn auch gar nicht zustimmend - so wenig, wie damals in Regensburg er sich dem Zitat über Mohammed, das so viel Aufsehen erregte, selbst angeschlossen hatte.
Aber damals wie jetzt wird ja kaum sachlich diskutiert, sondern es läuft die übliche Propaganda - mal der Islamisten und ihrer Helfershelfer, mal der Kommunisten und ihrer Helfershelfer.
in der "Welt" gibt es einen längeren Artikel zu Galileo, der seine Causa kenntnisreich -- wenn auch mit etwas polemischer Sympathie für Rom (die mir wohltut) -- in die Wissenschafts- und Zeitgeschichte einbettet. Auch z.B. der "Siderus nuntius", über den Sie ja unlängst erst schrieben, wird darin diskutiert.
Erwähnt sei auch der Blog, über den ich selbst auf den Artikel stieß, nämlich "Fakten und Fiktionen" des Autors "Kewil". Sofern Sie den Blog nicht ohnehin schon kennen, wollte ich nicht versäumen, Sie auf ihn aufmerksam zu machen und ihn Ihnen ans Herz zu legen. "Kewil" pflegt zwar in der Debatte nicht wie Sie das feine (und spitze) Florett, sondern haut eher derb mit dem Säbel drein. Aber im Grundsatz kämpfen Sie nach meinem Eindruck beide für dieselbe gute Sache: für die Freiheit, wider die unendlichen Lügen. Und da tut es doch manchmal gut, voneinander zu wissen, um sich weniger einsam im Streit zu fühlen.
Naja, Galileo mit Erich von Däniken zu vergleichen.
oder:
In Antwort auf:Die Relativitätstheorie nämlich. Sind alle Erscheinungen relativ zum Ort des Betrachtenden und Messenden, dann ist das ganze Universum relativ zu unserem Ort.
Häh? Lustigerweise legt die RT etwas absolut fest: c ist für alle gleich.
Fernrohr, dazu 4 Worte: Io, Europa, Ganymed und Kallisto Es ging nicht um das erste Fernrohr, sondern um das bessere!
vielen Dank für die Hinweise! Ja, "Fakten Fiktionen" kenne ich und habe es auch in ZR verlinkt. Ich bin oft andrer Meinung als Kewil, aber mir gefällt sein selbständiges Denken und Argumentieren, ohne Rücksicht darauf, was gerade als pc gilt.
Was nun den Text von Hans Conrad Zander angeht, hm hm.
Ich schätze Hans Conrad Zander als einen sehr witzigen, ironischen, kenntnisreichen Journalisten - wenn es um die Heiligen geht, die Katholische Kirche und das Umfeld. Aber er ist eben auch, sagen, wir, auf eine fröhliche Weise subjektiv. Und ob er von Physik und Astronomie viel versteht, weiß ich nicht.
Ich habe mich ja, Sie erwähnten es, auch a bisserl mit Galilei beschäftigt und bin zu einem ganz anderen Urteil gekommen als Zander.
Mit Vielem rennt er offene Türen ein. Natürlich war das kopernikanische Weltbild unter Fachleuten 1610 schon weitgehend akzeptiert. Galilei hat es ja nicht erfunden oder auch nur verbessert; seine Leistung bestand darin, das wissenschaftliche Potential des Fernrohrs zu erkennen und zu nutzen, um entscheidende Belege gegen das ptolemäische Weltbild zu finden. Das Fernrohr hat er natürlich auch nicht erfunden und das auch nie behauptet; er hat eben nur sein Potential erkannt. Seine zweite Leistung neben dieser empirischen Arbeit besteht darin, die Himmelsmechanik des kopernikanischen Weltbilds mit der Allgemeinen Mechanik verknüpft zu haben.
Und bei der Allgemeinen Mechanik liegt auch - ich habe es seinerzeit in ZR zu zeigen versucht - Galileis eigentliche wissenschaftliche Leistung.
Die Ergebnisse seiner Beobachtungen hat er im Sidereus Nuncius mitgeteilt.
Zander verkennt diesen Text völlig. Es ist ein wissenschaftlicher Text mit seitenlangen Beobachtungsprotokollen, genauen Zeichnungen vom Mond, von den Positionen der Jupitermonden im Zeitverlauf (rund sechzig solche Zeichnungen, über viele Seiten hinweg!), mit wissenschaftlichen Detailerörterungen wie zB der Frage, warum der Rand des Mondes nicht gezackt erscheint, wenn es doch auf dem Mond hohe Berge gibt.
Zander zitiert - und das grenzt schon ans Unseriöse - statt aus der Arbeit selbst aus dem Titeltext, der, wie das im Barock üblich war, bombastisch formuliert wurde (meines Wissens ist unbekannt, ob ihn Galilei selbst oder der Verleger Thomas Baglionus formuliert hat). Und auch den übersetzt Zander sehr, sagen wir, eigenwillig, wenn er "magna, longeque admirabilia spectacula" mit "große Sensationen" übersetzt. Es sind große und bewundernswerte Anblicke, nämlich der Details des Mondes und des Sternhimmels, die angekündigt werden. Am Himmel finden ja keine Spektakel statt.
Teilweise interpretiert Zander das, was Galilei geschrieben hat, so falsch, daß man man sich fragen kann, ob er ihn überhaupt zu verstehen versucht hat.
Zum Beispiel, wenn er zustimmend die folgende Kritik an Galilei zitiert:
Zitat von Zander Fast gelyncht wurde 1908 der berühmte französische Physiker Pierre Duhem, als er die historische Wahrheit aussprach, im Prozess gegen Galileo Galilei habe „die wissenschaftliche Logik“ dort gestanden, wo sie immer noch stehe, nämlich auf der Seite der Inquisition: „Angenommen, die Hypothesen des Kopernikus könnten alle bekannten Erscheinungen erklären, dann könnte man daraus schliessen, dass sie möglicherweise wahr sind, keineswegs aber, dass sie notwendig stimmen. Um diesen letzten Schluss zu ziehen, müsste man ja beweisen, dass kein anderes System erdenkbar ist, das die Erscheinungen genau so gut erklärt. Dieser letzte Beweis ist aber nie geführt worden.“
Monsieur le Professeur, jenes „andere System“ ist inzwischen erdacht! Die Relativitätstheorie nämlich. Sind alle Erscheinungen relativ zum Ort des Betrachtenden und Messenden, dann ist das ganze Universum relativ zu unserem Ort. Zu unserer alten Erde. Vielleicht hat Gott ja schon vor Einstein etwas von Relativität verstanden.
Genau diese Überlegung läßt Galilei seine drei Diskutanten im "Dialogo" ausführlich erörtern. Seine ganze Mechanik basiert auf der Relativität von Bewegung; nämlich relativ zu dem jeweiligen Bezugssystem. Galilei leugnet keinen Augenblick, sondern betont es sogar, daß es eine Frage des gewählten Bezugssystems sei, ob man die Erde oder die Sonne als stillstehend betrachtet. Was Zander Einstein zuschreibt, hat mit der Relativitätstheorie ungefähr so viel zu tun wie mit der Lyrik von Rilke.
Und so fort. Ich könnte vermutlich diesen ohnehin langen Beitrag verdreifachen,w enn ich zeigen wollte, wie sehr Zander Galilei mißversteht. Lassen wir's dabei.
Was Zander aber vor allem verschweigt, das ist die juristische "Grundlage" des Prozesses.
Es wurde in diesem Prozeß überhaupt nicht thematisiert, welche wissenschaftlichen Gründe für und gegen das kopernikanische System sprechen. Sondern man nahm Bezug auf ein eine angebliche Ermahung Kardinal Bellarminos vom 26. Mai 1616 an Galilei, die es ihm verbot, das kopernikanische System zu "vertreten", und zwar mit der Begründung, es sei durch die Bibel widerlegt, der zufolge Gott der Sonne geboten habe, stillzustehen. Also bewege sie sich um die Erde.
Keine Spur von einer wissenschaftlichen Erörterung oder Bewertung, weder in dem angeblichen Dokument von 1616, noch in dem Prozeß 1633.
Es ist umstritten, ob der Text dieser "Ermahnung" nachträglich gefälscht wurde, um Galilei einen Verstoß dagegen nachzuweisen. Jedenfalls legte die Inquisition kein schriftliches Dokument vor, das, wie damals in solchen Fällen üblich, notariell durch Unterschrift beglaubigt worden wäre, sondern nur einen Aktenvermerk über eine angebliche mündliche Ermahnung Galileis im Jahr 1616.
Juristisch ging es zwei Wörter, nämlich docere und tenere. Das heißt "lehren" und "vertreten". Das war laut diesem Aktenvermerk in Bezug auf das kopernikanische Weltbild Galilei verboten worden.
Galilei erklärte, er hätte das kopernikanische Weltbild zwar neben dem ptolemäischen gelehrt, dh seine Studenten darüber in Kenntnis gesetzt, es aber nicht als allein richtig "vertreten". In der Tat hat er - das genaue Gegenteil von dem, was Zander suggeriert - niemals dogmatisch die´Richtigkeit dieses Weltbilds behauptet, sondern es nur als das im Lichte der Fakten wahrscheinlichere bezeichnet; im "Dialogo" kann das jeder nachlesen.
Also, lieber Herzog, ich habe mich, ehrlich gesagt, bei der Lektüre Zanders schon kräftig geärgert.
Der Versuch, die damals allein politisch motivierte und allein formaljuristisch begründete Verurteilung Galileis nachträglich als sozusagen von einer höheren wissenschaftsteoretischen Warte aus gerechtfertigt darzustellen, ist Geschichtsklitterei.
Und so angenehm, wie es Zander darstellt, war der carcer für Galilei keineswegs. Von 1633 an, da war er fast siebzig, bis zu seinem Tod neun Jahre später durfte er den Hausarrest in Arcetri nicht verlassen, trotz aller seiner Gesuche. Gefoltert war er zwar während des Prozesses nicht worden, aber in dem Verhör am 21. Juni 1633 war ihm die Folter angedroht worden, falls er nicht "die Wahrheit sage".
Galilei wurde wegen seiner wissenschaftlichen Ansichten aus politischen Gründen verfolgt.
Er war ein Opfer einer damals freiheits- und wissenschaftsfeindlichen katholischen Hierarchie.
Daß es heute den Versuch gibt, das zu leugnen und ihn, wie es Zander tut, zu einem eitlen Aufschneider zu machen, der zu Recht verfolgt wurde, empfinde ich als schon ein wenig empörend.
Brecht und viele Kommunisten haben Galilei zu einem edlen Kämpfer gegen die Reaktion stilisiert; was Kappes ist. Zander macht jetzt etwas Ähnliches, nur mit umgekehrter Zielrichtung.
ich habe Zanders Text mit wachsendem Ärger gelesen und dazu gerade eine ausführliche Antwort an Herzog geschrieben.
Auch ich finde den Vergleich mit Däniken indiskutabel. Er zeigt meines Erachtens, daß Zander nicht sehr viel von empirischer Wissenschaft versteht.
Was die Konstanz von c angeht - nicht wahr, es ist schon kurios, daß viele glauben, die Relativitätstheorie besage, daß "alles relativ" sei.
Daß Ruhe und Bewegung nur in Bezug auf das jeweilige Bezugssystem definiert werden können, hat just Galilei betont; vielleicht als erster.
Nur galt bis zum Michelson-Morley-Experiment eben, daß es ein sozusagen oberstes Bezugssystem gibt, den "Äther", in dem sich auch die Lichtwellen ausbreiten sollten wie die Wellen auf dem Meer. Dann müßte sich, in Bezug auf diesen Äther, das Licht aber in der Bewegungsrichtung der Erde schneller ausbreiten als in der Gegenrichtung. (Ein Gedankenexperiment dazu - eine Kugel wird von einer schnell fahrenden Kanone entweder in Bewegungsrichtung oder ihr entgegen abgeschossen - hatte schon Galilei diskutiert!)
Die logische Konsequenz aus diesem Experiment (kein Unterschied in Abhängigkeit von der Ausbreitungsrichtung des Lichts) war die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Wenn die Geschwindigkeit, also Raum durch Zeit, konstant ist, dann können es Raum und/oder Zeit logischerweise nicht sein, jedenfalls nicht bei Bewegungen mit Lichtgeschwindigkeit. Das war der Ausgangspunkt für Einstein; und dann hatte er noch die ja schon vorliegenden Lorentz-Transformationen, um das mathematisch zu fassen.
Lieber Feynman, ich schreibe das nicht für Sie; sie wissen das natürlich. Sondern ich schreibe es, weil ich den Eindruck habe, daß es nicht allgemein bekannt ist, und daß über Einstein ebenso seltsame Vorstellungen herrschen, wie Zander sie über Galilei verbreitet.
Ihr Beitrag, lieber Zettel, hat für mich eine schlechten Beigeschmack. Da gelingt es einem bigotten alten Professor und einigen ähnlich geistlosen Kumpanen (oder wie soll man solche nennen, die über die angebliche Laizität der Wissenschaft schwadronieren?) eine Rede zu verhindern und ihre Haltung dazu ist doch sehr verhalten. Sind die Übeltäter nicht kommunistisch genug? Es ist nur wieder ein Beispiel, das es Liberale mit der Freiheit anderer nicht immer so genau nehmen.
In Antwort auf:Was Zander vor allem verschweigt, das ist die juristische "Grundlage" des Prozesses.
Es wurde in diesem Prozeß überhaupt nicht thematisiert, welche wissenschaftlichen Gründe für und gegen das Kopernikanische System sprechen. Sondern man nahm Bezug auf ein eine angebliche Ermahung Kardinal Bellarminos vom 26. Mai 1616 an Galilei, die es ihm verbot, das Kopernikanische System zu "vertreten", und zwar mit der Begründung, es sei durch die Bibel widerlegt, der zufolge Josua der Sonne geboten habe, stillzustehen. Also bewege sie sich um die Erde.
Keine Spur von einer wissenschaftlichen Erörterung oder Bewertung, weder in dem angeblichen Dokument von 1616, noch in dem Prozeß 1633.
Wenn man schon auf die historischen Fakten schaut (die jener Physikprofessor natürlich nicht kennt), dann sollte man es ganz tun und nicht nur zum Teil.
Galileo wurde eben nicht verboten, "das Kopernikanische System zu vertreten" - es wurde ihm (wenn die Aktennotiz denn echt ist und nicht nur eine goldene Brücke, die man ihm bauen wollte, um den Häresievorwurf zu vermeiden)verboten, das System als Faktum und als einzige Wahrheit zu vertreten, und das mit Hinweis darauf, nicht daß "die Bibel widerlegt werde", sondern das es eben nicht sicheres Faktum sei, dem Augenschein widerspreche und man, träfe Kopernikus zu, den Josuavers eben anders interpretieren müsse. Übrigens hat sich Galileo selbst auf das Gebiet der Bibelinterpretation vorgewagt, was eben durch den Protestantismus zu einem sehr heiklen Unterfangen geworden war.
Einen Beweis für seine These hatte er übrigens nicht (außer der - falschen - Behauptung, die Gezeiten gingen auf die Erdbewegung zurück). Das Kopernikanische System war damals bei weitem noch nicht über eine interessante aber unbewiesene und mit zig Probleme behaftete Hypothese. Erst Kepler kam z.B. ohne Epizyklen aus.
In Antwort auf:Galilei erklärte, er hätte das Kopernikanische Weltbild zwar neben dem ptolemäischen gelehrt, dh seine Studenten darüber in Kenntnis gesetzt, es aber nicht als allein richtig "vertreten". In der Tat hat er - das genaue Gegenteil von dem, was Zander suggeriert - niemals dogmatisch die´Richtigkeit dieses Weltbilds behauptet, sondern es nur als das im Lichte der Fakten wahrscheinlichere bezeichnet.
Das, lieber Zettel, ist nun das Gegenteil der Wahrheit. Natürlich hat Galileo den Geozentrismus als die einzig vertretbare Position hingestellt und jede gegenteilige Meinung mit Spott übergossen. Und auch jene, die nicht ganz mit ihm übereinstimmten oder ihm eben wissenschaftlich nicht das Wasser reichen konnten. Inklusive - und da lag der "tragic flaw" dieses tragischen Helden - seinen Förderer, Papst Urban VIII. Ein Streit unter Freunden wird oftmals umso heftiger.
Die Wahrheit ist nunmal, Galileo wurde nicht aus politischen Gründen verurteilt sondern aus persönlichen Anlässen und aus theologischen Gründen und zwar für eine wissenschaftliche Meinung, die sich später (wenn auch etwas anders) als die "wahrere" herausstellte.
Aber Zander kann ich nicht ganz zustimmen, wirft er doch Galileo Ketzerei vor, was aber hinten und vorne nicht zutrifft.
Er war auch nicht "ein Opfer einer damals freiheits- und wissenschaftsfeindlichen katholischen Hierarchie", denn
1. hat ihn diese Hierarchie und insbesondere dieser Papst wieder und wieder gefördert 2. waren es seine akademischen Kollegen (und nicht irgendwelche Kardinäle), die sich weigerten durchs Fernrohr zu schauen. 3. war es eben nicht so, daß er überall sonst willig Aufnahme fand 4. sollte man bei dem Anlaß nicht vergessen, wer die Universität um die der Ärger geht denn gegründet hat. Wissenschaftsfeindlich?
Das immer noch die gleiche Schauermärchen aus dem finsteren 18. Jarhundert wiederholt wird, finde ich wiederum empörend.
In Antwort auf:Brecht und viele Kommunisten haben Galilei zu einem edlen Kämpfer gegen die Reaktion stilisiert; was Kappes ist.
So so, Kappes ist das? Ja, das stimmt. Aber Brecht der Kommunist sagte nichts anderes als Liberalisten vor ihm und das war auch schon Kappes.
Aber letztlich ist das auch nicht die entscheidende Frage bezüglich des Ereignisses. Hier hat ein akademischer Mob mit und ohne Lehrstuhl, der aber nur eine ganz kleine Minderheit vertritt, ihre Ideologie gewaltsam durchgesetzt.
Zitat von str1977Es ist nur wieder ein Beispiel, das es Liberale mit der Freiheit anderer nicht immer so genau nehmen.
Ich glaube nicht, daß Cini oder irgendwer von denen, die die Rede verhindert haben, Liberale sind. Ob Cini Kommunist ist, weiß ich nicht. Unterstützt wurde jedenfalls die Aktion von Kommunisten.
Zitat von str1977Wenn man schon auf die historischen Fakten schaut (die jener Physikprofessor natürlich nicht kennt), dann sollte man es ganz tun und nicht nur zum Teil.
Ob er sie kennt, weiß ich nicht. Wie schon in meinem Artikel erwähnt, hat ja gar nicht Cini Ratzingers Bemerkungen zu Galilei ins Feld geführt, sondern das haben irgendwann andere hinzugetan.
Zitat von str1977Galileo wurde eben nicht verboten, "das Kopernikanische System zu vertreten" - es wurde ihm (wenn die Aktennotiz denn echt ist und nicht nur eine goldene Brücke, die man ihm bauen wollte, um den Häresievorwurf zu vermeiden)verboten, das System als Faktum und als einzige Wahrheit zu vertreten, und das mit Hinweis darauf, nicht daß "die Bibel widerlegt werde", sondern das es eben nicht sicheres Faktum sei, dem Augenschein widerspreche und man, träfe Kopernikus zu, den Josuavers eben anders interpretieren müsse.
Wo haben Sie das denn her, lieber str1977? Sprechen Sie von der Aktennotiz vom 26. Februar 1616 oder von dem Dekret vom 5. März 1616, das sich allerdings nicht an Galilei richtet, sondern es allgemein verbietet, die Lehre des Kopernikus zu vertreten? In keinem der beiden Texte steht das, was Sie zitieren. In der Aktennotiz steht das Verbot, die Lehre des Kopernikus zu lehren (docere) und aufrechterhalten (tenere). Was Sie sonst schreiben, kommt weder in dem Dekret noch in dem Protokoll über die Ermahnung vor. Welche Textausgabe benutzen Sie denn? Ich beziehe mich auf diese, die einen sehr gründlichen Anmerkungsapparat enthält.
Und die Aktennotiz vom 16. Februar eine "goldene Brücke" - wer hat denn das behauptet? Sie diente als juristische Grundlage für die Anklage, denn es wurde Galilei vorgeworfen, eine Zusicherung gebrochen zu haben, die er selbst in dem Gespräch mit Bellarmino selbst gemacht hatte ("Diesem Gebote fügte sich ebendieser Galilei und versprach zu gehorchen").
Zitat von str1977Übrigens hat sich Galileo selbst auf das Gebiet der Bibelinterpretation vorgewagt, was eben durch den Protestantismus zu einem sehr heiklen Unterfangen geworden war.
Er hat das meines Wissens zweimal getan. Beide Texte sind sehr lesenswert.
Das erste ist eigentlich keine Bibelinterpretation, aber immerhin ein Text über die Hölle: Eine Vorlesung über die "Gestalt, Lage und Größe von Dantes 'Hölle'"! Als er das vortrug, war er allerdings erst 24 Jahre.
Das zweite ist eine Auseinandersetzung mit dem "Argument", Gott habe für Josua die Sonne still stehen lassen, um das Tageslicht für eine Schlacht zu verlängern, und also drehe diese sich um die Erde. In einem Brief vom 21. Dezember 1613 an Benedetto Castelli weist Galilei sehr scharfsinnig nach, daß auch unter der Voraussetzung des ptolemäischen Weltbilds Gott keineswegs den Tag hätte verlängen können, indem er die Sonne hätte stillstehen lassen - denn Tag und Nacht werden ja auch in diesem Weltbild nicht durch die Bewegung der Sonne bestimmt (deren Bewegung vielmehr den Jahreszyklus bestimmt), sondern durch die Drehung des Himmelsgewölbes, an dem die Sonne während eines Tages fest fixiert ist. Dieses primum mobile also hätte Gott anhalten müssen, um den Tag zu verlängern.
Zitat von str1977Einen Beweis für seine These hatte er übrigens nicht (außer der - falschen - Behauptung, die Gezeiten gingen auf die Erdbewegung zurück). Das Kopernikanische System war damals bei weitem noch nicht über eine interessante aber unbewiesene und mit zig Probleme behaftete Hypothese. Erst Kepler kam z.B. ohne Epizyklen aus.
Dieser Gezeiten-Beleg war irrig, das stimmt. Aber er wäre auch nur ein Beleg, ein Indiz gewesen, kein Beweis. Aber Galilei hat sich - man kann das im "Dialogo" alles nachlesen - nicht auf einen einzelnen "Beweis" gestützt, sondern auf viele Belege. Zum Beispiel die Jupitermonde.
Daß Kopernikus Epizykel angenommen hätte, ist mir neu. Und wie hätte sie denn die Ungenauigkeiten seiner Bahnbestimmungen beseitigen sollen, die ja darauf beruhten, daß er statt Ellipsen Kreise annahm?
Zitat von str1977
In Antwort auf:Galilei erklärte, er hätte das Kopernikanische Weltbild zwar neben dem ptolemäischen gelehrt, dh seine Studenten darüber in Kenntnis gesetzt, es aber nicht als allein richtig "vertreten". In der Tat hat er - das genaue Gegenteil von dem, was Zander suggeriert - niemals dogmatisch die´Richtigkeit dieses Weltbilds behauptet, sondern es nur als das im Lichte der Fakten wahrscheinlichere bezeichnet.
Das, lieber Zettel, ist nun das Gegenteil der Wahrheit. Natürlich hat Galileo den Geozentrismus als die einzig vertretbare Position hingestellt und jede gegenteilige Meinung mit Spott übergossen.
Sie meinen den Heliozentrismus? Aber auch da irren Sie. Und wieder frage ich mich, welche Texte von Galilei Sie denn gelesen haben. Wenn Sie mir ein einzige Zitat aus einer Publikation (in privaten Briefen hat er sich gelegentlich anders geäußert) bringen, das Ihre Behauptung belegt, dann kriegen Sie ... tja, was? ... ein gemeinsames virtuelles Weingelage von mir:
In Antwort auf:Ich glaube nicht, daß Cini oder irgendwer von denen, die die Rede verhindert haben, Liberale sind. Ob Cini Kommunist ist, weiß ich nicht. Unterstützt wurde jedenfalls die Aktion von Kommunisten.
Nun, aber sie operieren auf einer dem Liberalismus entsprungenen Ideologie, dem Laizismus, wobei sie diesen (was aber nicht neu ist) über das eigentliche Verhältnis Kirche und Staat (aber auch ist Italien trotz ständiger Behauptung eben nicht ein laizistischer Staat, zumindest verlangt das nicht die Verfassung) hinausgeht und eine Laizität der Wissenschaft beansprucht.
In Antwort auf:Ob er sie kennt, weiß ich nicht. Wie schon in meinem Artikel erwähnt, hat ja gar nicht Cini Ratzingers Bemerkungen zu Galilei ins Feld geführt, sondern das haben irgendwann andere hinzugetan.
Ja, hier habe ich unsauber formuliert. 1. geht es nicht um Cini sondern um den, der das Galileothema aufgebracht hat (ich ziehe es übrigens vor ihn beim Vornahmen zu nennen) 2. kann auch ich nicht sagen, ob es sich um Unkenntnis oder um bewußtes Verschweigen handelt. Aber ich gehe von ersterem aus.
Aber ganz egal ob nun Liberale oder Kommunisten oder beide die Schurken sind, meine Kritik richtete sich ja darauf, daß ich bei Ihnen eben die Verurteilung der Schurkerei vermißte.
Und dies sollte ganz unabhängig davon geschehen, was wir beide vom Fall Galileo (ich habe da nur Einzelheiten kommentiert und keine Gesamteinschätzung gegeben) oder von den Worten des Papstes halten (die man übrigens hier in englischer Übersetzung nachlesen kann: http://ncrcafe.org/node/1541/print)
2. Was den Fall Galileo angeht:
In Antwort auf:Wo haben Sie das denn her, lieber str1977? Sprechen Sie von der Aktennotiz vom 26. Februar 1616 oder von dem Dekret vom 5. März 1616, das sich allerdings nicht an Galilei richtet, sondern es allgemein verbietet, die Lehre des Kopernikus zu vertreten? In keinem der beiden Texte steht das, was Sie zitieren. In der Aktennotiz steht das Verbot, die Lehre des Kopernikus zu lehren (docere) und aufrechterhalten (tenere). Was Sie sonst schreiben, kommt weder in dem Dekret noch in dem Protokoll über die Ermahnung vor. Welche Textausgabe benutzen Sie denn? Ich beziehe mich auf diese, die einen sehr gründlichen Anmerkungsapparat enthält.
Also laut Köstler: "In Wirklichkeit war jedoch nie davon die Rede gewesen, das kopernikanische System als Arbeitshypothese zu verurteilen." Ich habe es aber auch bei anderen Historikern gelesen.
In Antwort auf:Und die Aktennotiz vom 16. Februar eine "goldene Brücke" - wer hat denn das behauptet? Sie diente als juristische Grundlage für die Anklage, denn es wurde Galilei vorgeworfen, eine Zusicherung gebrochen zu haben, die er selbst in dem Gespräch mit Bellarmino selbst gemacht hatte ("Diesem Gebote fügte sich ebendieser Galilei und versprach zu gehorchen").
Eine goldene Brücke daher, weil eine übelwollende Inquisition ihm auch Häresie vorwerfen hätte können (wie das in der Galileolegende dargestellt wird - diese kennt daher ja auch keine Notiz, keinen Vorwurf des Ungehorsams etc.) Ungehorsam ist natürlich ein wesentlich leichteres Vergehen als Häresie.
Zur Bibelinterpretation:
In Antwort auf:Er hat das meines Wissens zweimal getan. Beide Texte sind sehr lesenswert.
Es geht ja auch nicht darum ob sie (es geht um die Josuastelle im Bezug auf seine Astronomie) lesenswert oder sogar richtig sind, sondern darum, daß sich der Protestantismus die Exegese durch den einzelnen Gläubigen auf die Fahnen geschrieben hat. Dagegen hat die Katholische Kirche die Bindung an das Lehramt bekräftigt und zeitbedingt die Rolle des Priesters als Exegeten sehr betont, wohl auch überbetont. Daher hat man sehr allergisch darauf reagiert als der Laie (in beiderlei Hinsicht: Nichtpriester und Nichttheologe) hier anfing, die Bibel zu erklären. Im übrigen, auch Sie verwenden hier das Wort "nachwiesen" in unzulässiger Weise. Galileo weist überhaupt nichts nach sondern argumentiert (wie scharfsinning, dazu will ich mich nicht äußern - mich überzeugt es nicht).
In Antwort auf:Dieser Gezeiten-Beleg war irrig, das stimmt. Aber er wäre auch nur ein Beleg, ein Indiz gewesen, kein Beweis. Aber Galilei hat sich - man kann das im "Dialogo" alles nachlesen - nicht auf einen einzelnen "Beweis" gestützt, sondern auf viele Belege. Zum Beispiel die Jupitermonde.
Galileo sah das aber anders, er stellte die Gezeiten als den Beweis heraus, den er bei seinem Verfahren vorbrachte. Als er damit nicht durchkam, hat er widerrufen.
Was die Jupitermonde angeht, die sind ja noch weiter hergeholt, denn die Existenz von Jupitermonden sagt ja überhaupt nichts über die Erdbewegung im Verhältnis zur Sonne aus.
In Antwort auf:Daß Kopernikus Epizykel angenommen hätte, ist mir neu. Und wie hätte sie denn die Ungenauigkeiten seiner Bahnbestimmungen beseitigen sollen, die ja darauf beruhten, daß er statt Ellipsen Kreise annahm?
Ja, Kopernikus und Galileo haben nunmal Epizyklen (und sogar Epizyklen von Epizyklen) angenommen, um die Bahnen zu berechnen zu können. (Beleg z.B. bei Koestler, Seite 445) Ich werfe ihnen das ja nicht vor. Sie waren auf der richtigen Spur, doch fehlte ihnen ein entscheidendes Element, das erst mit Kepler kam. Dafür sollte man Kepler loben, Galileo nicht kritisieren. Aber man sollte nicht so tun, als ob Galileo ein ausgegorenes Model gehabt hätte. Vorzuwerfen ist immer eher, daß er Erkenntnisse anderer Forscher ignoriert hat.
In Antwort auf:Sie meinen den Heliozentrismus?
Ja, da habe ich mich vertippselt.
In Antwort auf:Aber auch da irren Sie. Und wieder frage ich mich, welche Texte von Galilei Sie denn gelesen haben. Wenn Sie mir ein einzige Zitat aus einer Publikation (in privaten Briefen hat er sich gelegentlich anders geäußert) bringen, das Ihre Behauptung belegt, dann kriegen Sie ... tja, was? ... ein gemeinsames virtuelles Weingelage von mir.
Meine Quellen sind wiederum besagte Historiker, die ich aber grade nicht zur Hand habe. Es ist so das Galileo gerne mit Begriffen wie 'schöne Eselei', 'übler Hasenfuß', 'undankbarer Schurke' operierte, z.B. gegenüber dem Jesuitenastronom Grassi (der in der Kometenfrage gegenüber Galileo recht behalten sollte), gegenüber Tycho Brahe.
Wie gesagt, Zander ist nicht ganz zuzustimmen - er meint wahrscheinlich auch nicht alles so ernst, was er schreibt. Aber Galileo ist trotzdem nicht der Held, zu dem man ihn macht.
Es ist auch total unproblematisch für die Kirche, Fehler im Verfahren zuzugestehen. Sie hat Galileo ja auch rehabilitiert, wenn das auch wohl eher in Reaktion auf die wirkungsmächtige Legende geschah und nicht aufgrund historischer Fakten.
lassen Sie mich zunächst etwas anmerken, was sozusagen die Bilanz einer ziemlich langen Befassung mit Wissenschaft ist: Man sollte, wenn es irgend geht, keine Sekundärliteratur lesen, wenn man auch die Quellen lesen kann. Das gilt für alle Wissenschaften, und für die Wissenschaftsgeschichte gilt es ganz besonders.
Ich möchte Sie also herzlich einladen, selbst die Texte und Quellen zu lesen, über die ich hier geschrieben habe. Sie werden dann sehen, daß sehr vieles von dem, was über Galilei geschrieben wird, durch eine bestimmte Brille gesehen ist - die der einen, die ihn als Neuerer überschätzen, wie Brecht es (freilich mit künstlerischer Freiheit) getan hat; die anderen, die ihn herabwürdigen, wie Hans Conrad Zander.
Jetzt im einzelnen:
Zitat von str1977
In Antwort auf:Ich glaube nicht, daß Cini oder irgendwer von denen, die die Rede verhindert haben, Liberale sind. Ob Cini Kommunist ist, weiß ich nicht. Unterstützt wurde jedenfalls die Aktion von Kommunisten.
Nun, aber sie operieren auf einer dem Liberalismus entsprungenen Ideologie, dem Laizismus
Stimmt, es gibt dumme und engstirnige Liberale. Aber die kann man dem Liberalismus gewiß nicht anlasten; so wenig, wie man Christus die Exzesse der Inquisition anlasten kann.
In Antwort auf:Aber ganz egal ob nun Liberale oder Kommunisten oder beide die Schurken sind, meine Kritik richtete sich ja darauf, daß ich bei Ihnen eben die Verurteilung der Schurkerei vermißte.
Dann ist Ihnen, glaube ich, die Ironie in meinem Artikel entgangen. Natürlich finde ich das Vorgehen gegen die Rede des Papst völlig indiskutabel.
Zitat von str1977Also laut Köstler: "In Wirklichkeit war jedoch nie davon die Rede gewesen, das kopernikanische System als Arbeitshypothese zu verurteilen." Ich habe es aber auch bei anderen Historikern gelesen.
Siehe meine Eingangsbemerkung - bitte lesen Sie's in den Dokumenten nach. Es geht um die beiden Begriffe docere und tenere. Galilei hatte es nach der "Ermahnung" von 1616 peinlich vermieden, zu behaupten, das kopernikanische System sei nachgewiesenermaßen das einzig richtige.
In der Einleitung zum "Dialogo" schreibt er, daß er zeigen wolle, daß "dieses System dem von der Unbewegtheit der Erde zwar nicht schlechthin überlegen ist, wohl aber in Ansehung der Gegengründe, die von den zünftigen Peripatetikern vorgebracht werden". (Die Peripatetiker sind die Anhänger von Aristoteles, der das ptolemäische System mit Argumenten begründet hatte). Das Verbot, das kopernikanische System zu lehren, weil es gegen die Bibel verstößt, (also nicht wegen der Gründe der Peripatetiker), nennt Galilei dagegen einen "weisen Beschluß", ein "heilsames Edikt, welches ... der pythagoreischen Ansicht, daß die Erde sich bewege, rechtzeitiges Schweigen auferlegte".
Galilei argumentiert also so: Rein wissenschaftlich betrachtet ist das kopernikanische System überlegen (nicht unbedingt richtig), aber unter Berücksichtigung der Bibel gilt das Edikt des Heilligen Offiziums.
Zitat von str1977
In Antwort auf:Und die Aktennotiz vom 16. Februar eine "goldene Brücke" - wer hat denn das behauptet? Sie diente als juristische Grundlage für die Anklage, denn es wurde Galilei vorgeworfen, eine Zusicherung gebrochen zu haben, die er selbst in dem Gespräch mit Bellarmino selbst gemacht hatte ("Diesem Gebote fügte sich ebendieser Galilei und versprach zu gehorchen").
Eine goldene Brücke daher, weil eine übelwollende Inquisition ihm auch Häresie vorwerfen hätte können (wie das in der Galileolegende dargestellt wird - diese kennt daher ja auch keine Notiz, keinen Vorwurf des Ungehorsams etc.) Ungehorsam ist natürlich ein wesentlich leichteres Vergehen als Häresie.
Es stand niemals zur Debatte, ihn wegen Häresie anzuklagen. Er hat ja nichts Theologisches gelehrt, was eine solche Anklage gerechtfertigt hätte. Der Ungehorsam war das Maximale, was man ihm vorwerfen konnte.
Die Sache mit der "goldenen Brücke", lieber str1977, gehört zu den vielen Spekulationen und Interpretationen, mit denen bestimmte fromme Historiker die Inquisition im Nachhinein entlasten oder gar reinwaschen wollen. Diese Spekulationen stützen sich - nach meinem besten Wissen, und ich habe schon a bisserl dazu gelesen - auf keine Fakten.
Zitat von str1977
In Antwort auf:Er hat das meines Wissens zweimal getan. Beide Texte sind sehr lesenswert.
Es geht ja auch nicht darum ob sie (es geht um die Josuastelle im Bezug auf seine Astronomie) lesenswert oder sogar richtig sind, sondern darum, daß sich der Protestantismus die Exegese durch den einzelnen Gläubigen auf die Fahnen geschrieben hat. Dagegen hat die Katholische Kirche die Bindung an das Lehramt bekräftigt und zeitbedingt die Rolle des Priesters als Exegeten sehr betont, wohl auch überbetont. Daher hat man sehr allergisch darauf reagiert als der Laie (in beiderlei Hinsicht: Nichtpriester und Nichttheologe) hier anfing, die Bibel zu erklären.
Auch das, lieber str1977, ist - ich kann es nicht milder sagen - Geschichtsklitterei. Galilei hat mit keinem Wort "die Bibel ausgelegt", schon gar nicht im Sinne einer "Exegese durch den einzelnen Gläubigen".
Sondern er hat auf ein schlichtes Faktum aufmerksam gemacht: Wenn man die betreffende Stelle bei Josua als Beleg für das ptolemäische Weltbild interpretiert, dann muß man auch dieses ptolemäische Weltbild zugrundelegen.
Und dieses Weltbild besagt nun einmal, daß die scheinbare Bewegung der Sonne im Tagesverlauf keine Bewegung der Sonne selbst ist, sondern eine Bewegung des gesamten Himmelsgewölbes, an das die Sonne fest angeheftet ist (während eines Tages; im Jahresverlauf "wandert" sie und steht in verschiedenen Sternbildern).
Also, sagt Galilei in dem (offenen) Brief an Castelli, hätte Gott, um den Tag für die Schlacht zu verlängern, nicht der Sonne gebieten müssen, stillzustehen, sondern er hätte - immer innerhalb des ptolemäischen Systems! - die Bewegung des Himmelsgewölbes, das primum mobile anhalten müssen.
Da er das aber laut Bibel nicht getan hat, spricht diese Bibelstelle gerade für das kopernikanische System: "Gott ließ die Sonne stillstehen" bedeutet, sagt Galilei: Er ließ sie relativ zur Erde stillstehen. Durch ein Anhalten der Erdbewegung. Und dann kommen Überlegungen zur Relativität von Ruhe und Bewegung. (Daß Zander ausgerechnet Galilei vorwirft, er habe diese Relativität nicht erkannt, ist ein Witz).
Zitat von str1977
In Antwort auf:Dieser Gezeiten-Beleg war irrig, das stimmt. Aber er wäre auch nur ein Beleg, ein Indiz gewesen, kein Beweis. Aber Galilei hat sich - man kann das im "Dialogo" alles nachlesen - nicht auf einen einzelnen "Beweis" gestützt, sondern auf viele Belege. Zum Beispiel die Jupitermonde.
Galileo sah das aber anders, er stellte die Gezeiten als den Beweis heraus, den er bei seinem Verfahren vorbrachte. Als er damit nicht durchkam, hat er widerrufen.
Nein, das stimmt alles nicht. Tut mir leid, wenn ich das so deutlich sagen muß.
Für den Widerruf hat dieses Argument nicht die geringste Rolle gespielt. Er hat widerrufen, weil ihm die Folter angedroht worden war; in dem Prozeß ist ihm die Gezeiten-Theorie überhaupt nicht vorgehalten worden.
Und wo hat er denn die Gezeiten einen "Beweis" genannt? Bitte lesen sie den Vierten Tag des "Dialogo", der ganz diesem Thema gewidmet ist. Er sieht die Gezeiten als eines von mehreren Argumenten an, die man zugunsten des kopernikanischen Systems ins Feld führen kann.
Zitat von str1977Was die Jupitermonde angeht, die sind ja noch weiter hergeholt, denn die Existenz von Jupitermonden sagt ja überhaupt nichts über die Erdbewegung im Verhältnis zur Sonne aus.
Sie widerlegt das ptolemäische Weltbild, wonach die Planeten an Sphären aufgehängt sind.
Zitat von str1977
In Antwort auf:Daß Kopernikus Epizykel angenommen hätte, ist mir neu. Und wie hätte sie denn die Ungenauigkeiten seiner Bahnbestimmungen beseitigen sollen, die ja darauf beruhten, daß er statt Ellipsen Kreise annahm?
Ja, Kopernikus und Galileo haben nunmal Epizyklen (und sogar Epizyklen von Epizyklen) angenommen, um die Bahnen zu berechnen zu können. (Beleg z.B. bei Koestler, Seite 445)
Das würde ich gern nachlesen, bevor ich es für Galilei glaube. Auf welche Textstelle(n) bei Galilei beruft sich Koestler? Ich halte es deshalb für unwahrscheinlich, weil Galilei sich meines Wissens nie mit der Berechnung von Planetenbahnen befaßt hat; das interessierte ihn nicht.
Zitat von str1977Aber man sollte nicht so tun, als ob Galileo ein ausgegorenes Model gehabt hätte. Vorzuwerfen ist immer eher, daß er Erkenntnisse anderer Forscher ignoriert hat.
Nein, er hatte kein Modell. Er hat das ja auch nie behauptet, sondern lediglich a) neue empirische Belege für das kopernikanische Weltbild gefunden und b) die Kosmologie mit der Mechanik verknüpft. Das schrieb ich ja schon.
Zitat von str1977
In Antwort auf:Wenn Sie mir ein einzige Zitat aus einer Publikation (in privaten Briefen hat er sich gelegentlich anders geäußert) bringen, das Ihre Behauptung belegt, dann kriegen Sie ... tja, was? ... ein gemeinsames virtuelles Weingelage von mir.
Meine Quellen sind wiederum besagte Historiker, die ich aber grade nicht zur Hand habe. Es ist so das Galileo gerne mit Begriffen wie 'schöne Eselei', 'übler Hasenfuß', 'undankbarer Schurke' operierte, z.B. gegenüber dem Jesuitenastronom Grassi (der in der Kometenfrage gegenüber Galileo recht behalten sollte), gegenüber Tycho Brahe.
Es ging aber, lieber str1977, an dieser Stelle unserer Diskussion darum, ob er das kopernikanische Weltbild öffentlich als das einzig richtige bezeichnet hat, nachdem ihm das 1616 untersagt worden war. Und dafür hätte ich gern ein Zitat als Beleg. Nicht ein Zitat irgendwelcher Historiker, die irgendwas behaupten. Sondern ein Zitat von Galilei.
Sie haben Recht, Kopernikus hat tatsächlich noch Epizykel angenommen. Auf diese konnte erst Kepler verzichten, weil er die Planeten statt auf Kreisbahnen auf Ellipsen um die Sonne kreisen ließ. Also, dieser Punkt geht an Sie.
Bei den empirischen Belegen für das heliozentrische System hätte ich noch die Venusphasen erwähnen sollen, und die Berge auf dem Mond. Beides hat Galilei aufgrund der Beobachtungen mit dem Fernrohr beschrieben. Die Mondberge widersprachen dem ptolemäischen Weltbild, weil dieses die Himmelskörper (in der Unterscheidung zwischen "Himmel" und "Erde") als vollkommene Kugeln angesehen hatte. Die Venusphasen ließen sich innerhalb dieses Weltbilds gar nicht erklären, entsprachen hingegen genau den Vorhersagen des kopernikanischen Weltbilds.
Und dann hatten Sie noch einen gewissen Koestler erwähnt. Ich dachte, das sei ein Historiker, habe aber jetzt festgestellt, daß es sich offenbar um den Journalisten Arthur Koestler handelt, der über alles Mögliche geschrieben hat.
Ein guter, witziger Journalist und Schriftsteller, der als einer der ersten den totalitären Charakter des Kommunismus schonungslos beschrieben hat (ich habe eine Aufsatzsammlung von ihm aus den vierziger Jahren; das ist schon eindrucksvoll), der aber auch viel Unfug zu Papier gebracht hat, z.B. über Skinner und den Behaviorismus, gar über Ufos und Parapsychologie.
Als eine Autorität, was Galilei angeht, kann er sicher nicht gelten. So wenig, wie der Heiligenverehrer Hans Conrad Zander, auch er ein geistreicher Journalist, aber weder Historiker noch offenbar mit Physik und Astronomie vertraut.
vielen Dank für die zusammenfassung. Dem Disskusionsverlauf konnte ich in der Teife nicht folgen. Gleichwohl will ich auf einen Text von Claudio Magris im Corriere della Sera hinweisen. Darin schreibt er über den Sinn oder die Haltung des Laizismus Il senso laico.
Zu einer Übersetzung reicht die Zeit nicht. Noch nicht einmal für eine kurze Zusammenfassung, deswegen hier nur das Schlußwort:
In Antwort auf:Una cosa, in tutta questa vicenda balorda, è preoccupante per chi teme la regressione politica del Paese, i rigurgiti clericali e il possibile ritorno del devastante governo precedente. È preoccupante vedere come persone e forze che si dicono e certo si sentono sinceramente democratiche e dovrebbero dunque razionalmente operare tenendo presente la gravità della situazione politica* e il pericolo di una regressione, sembrano colte da una febbre autodistruttiva, da un'allegra irresponsabilità*, da una spensierata vocazione a una disastrosa sconfitta.
Dieses Fazit scheint vordergründig das Bild von Don Camillo und Peppone nachzuzeichnen Wenn Magris von *einem fröhlichen Mangel an Verantwortung spricht., dass sie zur Einleitung bemühten. Tatsächlich entwickelt sich längs aller gesellschaftlichen Diskursen derzeit das Gefühl eines Landes und einer Gesellschaft in Auflösung. Das macht auch Mgris in diesem Konflikt und der Art, wie er ausgefochten wurde aus, *wenn man sich die prekäre politische Situation und die Gefahr eines Rückschritts vor Augen führt.
In Antwort auf: una febbre autodistruttiva, (...) un\'allegra irresponsabilità, (...) una spensierata vocazione a una disastrosa sconfitta.
Also, wenn mein eingerostetes Italienisch reicht, das richtig zu übersetzen: Ein Fieber der Selbstzerstörung, eine fröhliche Verantwortungslosigkeit, die sorglose Berufung dazu, einem desaströsen Niedergang entgegenzugehen.
Ist das nicht eine schöne Kennzeichnung der italienischen Innenpolitik seit, sagen wir, de Gasperi?
Eppur si muove ...
Herzlich, Zettel
PS: Willkommen im kleinen Zimmer! Ich habe mich über Ihren Beitrag zu Italien besonders gefreut, weil hier Italien bisher noch a bisserl zu kurz kommt. Jedenfalls im Vergleich mit den USA und Frankreich.
Geht es bei dem Diskurs noch um die Haltung der Professoren und kommunistischen Studenten? Ich fand diese Haltung jämmerlich. Mit einem Hitler oder einem Ahmadinedschad (siehe USA) kann man sicher schlecht diskutieren. Aber da gibt es jetzt einen Papst, der intellektuell sogar auf diesem Weblog mithalten könnte und der mit vielen schönen Worten eigentlich nur sagen wollte, dass Wissenschaft und Religion zu trennen seien und dann das! Was Galilei angeht scheint mir, dass er wissenschaftlich sagen durfte, was er wollte, was zu seiner Zeit eigentlich ganz toll war. Das heliozentrische Weltbild war zumindest den Gelehrten bekannt und wurde nicht von der Inquisition bekämpft. Er hat sich dann aber wohl auf´s politische Glatteis begeben, als er thematisierte, dass manche Dinge in der Bibel nicht zu seinen Erkenntnissen passten. Da hat er sich in seiner Zeit doch etwas weit aus dem Fenster gelehnt. Was Herrn Zander angeht, so habe ich sein Buch "Kurzgefasste Verteidigung der Heiligen Inquisition" mit Vergnügen gelesen. Manche mögen es für tendenziell halten. Mir war aber nicht bekannt, dass die Inquisition beispielsweise das Rechtssystem Europas verändert hat, die Hexenverfolgung ein überwiegend deutsches Vergnügen war, die in Spanien von der Inquisition sofort in ihren Anfängen erstickt wurde. Usw. Also ich habe daraus gelernt, was ich alles NICHT über die Inquisition wußte. Kannte nur den üblichen plakativen Kram von Mord und Totschlag. Mißt man außerdem die Inquisitoren an ihren weltlichen Herrschern, sehen Letztere eher schlecht aus. Faszinierend. Werde als Nächstes "Gewalt und Toleranz" von Angenendt lesen. Hier noch ein Link zur längsten auf Deutsch übersetzten Textstelle aus der vielzitierten Rede von Kardinal Ratzinger im Jahr 1990. Habe zumindest noch keine längere Textpassage in deutscher Übersetzung gefunden. http://www.domradio.com/benedikt/artikel_37583.html
Zitat von F. HoffmannWas Galilei angeht scheint mir, dass er wissenschaftlich sagen durfte, was er wollte, was zu seiner Zeit eigentlich ganz toll war. Das heliozentrische Weltbild war zumindest den Gelehrten bekannt und wurde nicht von der Inquisition bekämpft.
So war es leider nicht, lieber F. Hoffmann.
Es stimmt, daß die Heiligen Kongregation zunächst Galilei gewähren ließ; wohl in der Erwartung, er werde eine geringe Wirkung in der Öffentlichkeit haben. Aber schon das Edikt der Heiligen Kongregation vom 16. März 1616 verbot nicht nur eine Reihe von Schriften. (Das De revolutionibus orbium von Kopernikus übrigens wurde interessanterweise nur suspendiert, bis seine Irrtümer korrigiert seien). Sondern darin wird auch das heliozentrische Weltbild eindeutig verurteilt und seine Verbreitung untersagt:
Zitat von Heilige Kongregation...weil es auch zur Kenntnis ... der Hl. Kongregation gelangt ist, daß jene falsche und der Hl. Schrift gänzlich entgegenstehende pythagoreische Lehre von der Bewegung der Erde und dem Stillstand der Sonne ... sich schon verbreitet und von vielen übernommen wird ..., hat sie daher beschlossen, damit eine derartige Lehre nicht zum Verderben der katholischen Lehre um sich greife, daß besagte Bücher ...
Es folgen die Suspendierungen.
Also, das heliozentrische Weltbild wurde schon "von der Inquisition", dh von der Heiligen Kongregation "bekämpft". In der "Ermahnung" vom 16. Februar 1616 an Galilei heißt es laut Protokollnotiz:
Zitat von Protokollnotiz... gebot und befahl der obengenannte Pater Kommissar ... Galilei ... ausdrücklich im Namen unseres Herrn ..., daß er die obengenannte Meinung, die Sonne sei der Mittelpunkt der Welt und unbeweglich und die Erde bewege sich, gänzlich aufgebe und sie in Zukunft nicht aufrechterhalte, lehre oder verfechte ...
Entschuldigen Sie, lieber F. Hoffmann, die vielen Auslassungen. Der Stil ist von barocker Umständlichkeit, und ich wollte das nicht alles abtippen.
Zitat von F. HoffmannEr hat sich dann aber wohl auf´s politische Glatteis begeben, als er thematisierte, dass manche Dinge in der Bibel nicht zu seinen Erkenntnissen passten. Da hat er sich in seiner Zeit doch etwas weit aus dem Fenster gelehnt.
Das ist auch nicht richtig. Er hat im Gegenteil gesagt, daß das kopernikanische Weltbild nicht im Widerspruch zur Bibel steht. (So, wie es die Katholische Kirche heute ja auch lehrt).
Galilei hat sich überhaupt von sich aus nicht zur Bibel geäußert, sondern sich immer nur mit den Aristotelikern angelegt. Nur als man ihm vorwarf, daß die (in diesem Thread schon ausgiebig diskutierte) bekannte Stelle im Buch Josua das ptolemäische Weltbild beweise, hat er gezeigt, daß sie im Gegenteil zu diesem im Widerspruch steht.
Allerdings stimmt, daß bei der Verfolgung Galileis nicht nur eine Rolle spielte, daß er zugunsten des kopernikanischen Weltbilds argumentierte. Es ging wesentlich wohl auch um die Art, wie er es tat. Nämlich dadurch, daß er unverdrossen an den Verstand seine Hörer und Leser appellierte.
Galilei griff die Peripatetiker auf eine Art an, die in der Tat antiautoritär war:
Mit teilweise schneidend ironischer Widerlegung ihrer Argumente; mit dem immer wiederkehrenden Appell an seine Hörer und Leser, sich selbst von der Richtigkeit von Sachverhalten und Argumenten zu überzeugen. Das war in der Tat subversiv.
So, lieber F. Hoffmann, wie ja Appelle an Vernunft und an Selbstdenken auch heute noch subversiv sind.
Zitat von F. HoffmannWas Herrn Zander angeht, so habe ich sein Buch "Kurzgefasste Verteidigung der Heiligen Inquisition" mit Vergnügen gelesen.
Wie schon geschrieben, schätze ich Zander als einen geistreichen, witzigen und auch kenntnisreichen Journalisten. Ich habe jahrelang seine Beiträge zu der Sendung "Zeitzeichen" des WDR mit Vergnügen gehört.
Nur neigt er eben dazu, um der Pointe willen manches zuzuspitzen, es sehr einseitig darzustellen. Das darf er als Feuilletonist, als Meister der kleinen Form. Aber mit Wissenschaftsgeschichte sollte man das nicht verwechseln.
Noch eine allgemeinere Bemerkung:
Ich hätte, lieber F. Hoffmann, gar nicht gedacht, daß sich an Galilei immer noch die Geister scheiden, auch hier im Forum.
Und ich frage mich a bisserl, ob das nicht auch daran liegt, daß - ich habe das in meinem Artikel in ZR erwähnt - wir Galilei immer noch durch die Brille von Brecht sehen. Weil der ihn (ich habe mir das im einzelnen angesehen) tendenziös, um nicht zu sagen verzerrt darstellt, gibt es zu Recht eine Gegenbewegung in der Sicht auf Galilei.
Nur sollte man jetzt nicht den spiegelbildlichen Fehler machen und bestreiten, daß Galilei nur deshalb von der Heiligen Kongregation verfolgt und verurteilt wurde, weil er bestimmte wissenschaftliche Auffassungen und Argumente publiziert hatte.
Er war meines Erachtens als Vorläufer der Aufklärung durchaus Descartes ebenbürtig.
So, wie Descartes das exakte Denken repräsentierte, das zur Mathematisierung der Naturwissenschaften führte, so steht Galilei für das hypothesengeleitete Experimentieren, das Prüfen von Behauptungen an der Erfahrung, den Schluß von der Beobachtung auf allgemeine Gesetze. Das sind die beiden Grundlagen der Naturwissenschaften, wie sie sich im 18. und 19. Jahrhundert entwickelten.
da es bei diesem Thema eigentlich nicht um die Frage "Hatte die Inquisition im Fall Gallileo Recht" geht, sondern um das unsägliche Verhalten italienischer Professoren und Studenten (und von mir angestoßen, Ihrer Behandlung des Vorfalls), nur diese abschließenden Bemerkungen:
1. Man kann noch so viele "Belege" Gallileos anführen, es ändert nichts daran, daß er sein Model weder als Tatsache beweisen konnte (im wissenschaftlichen Sinne) - zumal wenn sich die Belege nur gegen das andere Elemente des aristotelischen Modells, nicht aber spezifisch gegen den Geozentrismus richten (siehe Mondberge).
2. Natürlich war Herr Koestler kein Historiker sondern ein Journalist und Schriftsteller. Ich hätte das vielleicht dazuschreiben sollen, setzte aber voraus, daß der Name weitbekannt ist. Aber was er schrieb (gestützt auf Quellenlektüre), hält eben auch bei historischen Untersuchungen stand. Gerhard Prause ("Tratschke") z.B. gibt ihm Recht und er ist ein Historiker. Sie werden verstehen, daß ich nicht die Zeit habe, da tiefer zu graben (mit ein Grund, warum diese Antwort so spät kommt.)
In Antwort auf:Zitat von F. Hoffmann Was Galilei angeht scheint mir, dass er wissenschaftlich sagen durfte, was er wollte, was zu seiner Zeit eigentlich ganz toll war. Das heliozentrische Weltbild war zumindest den Gelehrten bekannt und wurde nicht von der Inquisition bekämpft.
So war es leider nicht, lieber F. Hoffmann.
Es stimmt, daß die Heiligen Kongregation zunächst Galilei gewähren ließ; wohl in der Erwartung, er werde eine geringe Wirkung in der Öffentlichkeit haben.
Nicht hat sie ihn gewähren lassen, er wurde auch von jesuitischen Gelehrten und dem nachmaligen Papst Urban gefördert. Der Prozeß hat dann tatsächlich zu einer Haltung gegen den Heliozentrismus geführt, die aber auch nicht lange anhielt. Ihre Motivanalyse "wohl in der Erwartung" ist dagegen pure Spekulation, wenn Sie damit meinen, man habe gehofft Gallileo werde ignoriert werden. Oder meinten Sie, in seinen Thesen habe man keine Gefahr gesehen.
In Antwort auf:
In Antwort auf:Zitat von F. Hoffmann Er hat sich dann aber wohl auf´s politische Glatteis begeben, als er thematisierte, dass manche Dinge in der Bibel nicht zu seinen Erkenntnissen passten. Da hat er sich in seiner Zeit doch etwas weit aus dem Fenster gelehnt.
Das ist auch nicht richtig. Er hat im Gegenteil gesagt, daß das kopernikanische Weltbild nicht im Widerspruch zur Bibel steht. (So, wie es die Katholische Kirche heute ja auch lehrt).
Galilei hat sich überhaupt von sich aus nicht zur Bibel geäußert, sondern sich immer nur mit den Aristotelikern angelegt. Nur als man ihm vorwarf, daß die (in diesem Thread schon ausgiebig diskutierte) bekannte Stelle im Buch Josua das ptolemäische Weltbild beweise, hat er gezeigt, daß sie im Gegenteil zu diesem im Widerspruch steht.
Sie haben beide teilweise recht: Gallileos Verhängnis war, daß er erstens seinen Freund und Gönner durch diverse Aktionen gegen sich aufbrachte, zweitens sich auf das Gebiet der Bibelexegese wagte - ob aus eigener Initiative ist völlig ohne Belang. Er hätte "fundamentalistische (im Wortsinne) Anwürfe" ja auch übergehen können. Zu jener Zeit, reagierte aber die Kirchenführung im Anbetracht des Protestantismus etwas allergisch darauf, wenn ein Laie und Nichttheologe sich auf dieses Gebiet begab.
In Antwort auf:Allerdings stimmt, daß bei der Verfolgung Galileis nicht nur eine Rolle spielte, daß er zugunsten des kopernikanischen Weltbilds argumentierte. Es ging wesentlich wohl auch um die Art, wie er es tat. Nämlich dadurch, daß er unverdrossen an den Verstand seine Hörer und Leser appellierte.
Das ist wiederum liberal-aufklärerische-antiautoritäre Legende à la 1968 (Verstand vs. Dummheit). Als ob seine Gegenspieler dies nicht getan hätten. Und also ob er nur das getan hätte. Wenn GG in die Polemikkiste greift, dann hat das nicht mehr viel mit an den Verstand appellieren zu tun. (Ich halte übrigens die Bezeichnung Peripatetiker für das 17. Jahrhunder doch reichlich verfehlt.)
In Antwort auf:
In Antwort auf:Zitat von F. Hoffmann Was Herrn Zander angeht, so habe ich sein Buch "Kurzgefasste Verteidigung der Heiligen Inquisition" mit Vergnügen gelesen.
Wie schon geschrieben, schätze ich Zander als einen geistreichen, witzigen und auch kenntnisreichen Journalisten. Ich habe jahrelang seine Beiträge zu der Sendung "Zeitzeichen" des WDR mit Vergnügen gehört.
Nur neigt er eben dazu, um der Pointe willen manches zuzuspitzen, es sehr einseitig darzustellen. Das darf er als Feuilletonist, als Meister der kleinen Form. Aber mit Wissenschaftsgeschichte sollte man das nicht verwechseln.
Ja, (auch) bei Zander triumphiert leider oft der Stil über den Inhalt. Aber man sollte auch bedenken - und darauf weißt F. Hoffmann zurecht hin -, daß er gegen Vorurteile in punkto Inquisition anschreibt, die so weit verbreitet sind, daß sie allenthalben für Fakten gehalten werden. Jetzt nicht nur oder gar primär in punkto Gallileo.
In Antwort auf:Ich hätte, lieber F. Hoffmann, gar nicht gedacht, daß sich an Galilei immer noch die Geister scheiden, auch hier im Forum.
Und ich frage mich a bisserl, ob das nicht auch daran liegt, daß ...
Nicht nur an Brecht aber auch. Brecht ist da nur ein Pflasterstein in einer Legende. Das spaltende an GG ist nicht der Fall an sich, wie er sich im 17. Jahrhundert zugetragen hat (und mithin auch nicht, ob das Urteil nun richtig war und - was nicht das gleiche ist - revidiert gehört hätte) sondern daß aus dem Fall im Zeitalter der finstersten Aufklärung eine Legende gebaut wurde die seither als Knüppel eingesetzt wird.
Und damit wären wir wieder bei den italienischen Professoren und Studenten - hier wurde mit viel Tamtam, pöbelhaftem Auftreten und aus dem Kontext gerissenen Zitaten einem angesehenen Intellektuellen und Wissenschaftler, der zudem (da inzwischen Papst) Nachfolger des Universtitätsgründers ist ein Redeverbot auferlegt im Namen einer das angeblich verlangenden Laizität. Ich habe diese vergeblich in der italienischen Verfassung gesucht und ohnehin erscheint mir der Laizismus nur ein Instrument zur Unterdrückung unliebsamer Auffassungen und Gruppen (das war er in seiner Hochzeit in Frankreich, das ist er bis heute in der Türkei).
Und ich habe mich eben gewundert, warum diese freiheitsfeindlichen Aktionen von Ihnen, lieber Zettel, so nonchalant behandelt wurde.
Zitat von str1977Man kann noch so viele "Belege" Gallileos anführen, es ändert nichts daran, daß er sein Model weder als Tatsache beweisen konnte (im wissenschaftlichen Sinne) - zumal wenn sich die Belege nur gegen das andere Elemente des aristotelischen Modells, nicht aber spezifisch gegen den Geozentrismus richten (siehe Mondberge)
Erinnern Sie sich noch, lieber str1977, daß ich in meinem Artikel zu Galilei - das war, bevor dieses Komödie in Rom stattfand - das Gedankenexperiment gemacht habe, Galilei und Descartes auf einer Tagung heutiger Naturwissenschaftler auftreten zu lassen?
Meine Behauptung war, daß Galilei - natürlich erst, wenn er die Fakten kennen würde - die Art des Diskutierens, den Stil der Argumentation verstanden hätte. Descartes nicht.
Und zu diesem Stil gehört eben auch, daß man nicht von "beweisen" spricht. Beweise gehören in die Mathematik und die Logik. Naturwissenschaftler haben Theorien und Modelle, die mehr oder weniger gut belegt sind, die eine mehr oder weniger gute Annäherung an die Realität darstellen.
Galilei, der ja hauptsächlich auf dem Gebiet der Mechanik arbeitete, hatte das verstanden. Er hatte verstanden, daß das kopernikanische Weltbild viele Beobachtungen besser, vor allem einfacher, erklären konnte als das ptolemäische. Und er hatte selbst durch seine Beobachtungen - der Venusphasen, der Jupitermonde, der Mondberge - weitere solche Fakten entdeckt.
Was nun die Mondberge angeht - doch, sie stehen im Zusammenhang mit dem geozentrischen Weltbild. Dieses basierte nämlich auf einer im Grunde philosophischen Unterscheidung zwischen "Himmel und Erde". Zwischen der Art, wie die Dinge auf der Erde beschaffen sind, und wie sie am Himmel sind.
Am Himmel herrscht nach dieser Vorstellung die vollkommene Geometrie - die Sphären sind perfekte Kugeln, die Himmelskörper sind perfekte Kugeln. Ein Mond mit Bergen, wie auf der Erde - das verletzte diese Grundvorstellung. Das beseitigte diesen Gegensatz zwischen Himmel und Erde.
Herzlich, Zettel
PS: Ich freue mich übrigens immer, wenn, wie Sie das jetzt getan haben, ältere Threads wieder aufgenommen werden. Zumal, wenn es ein so "zeitloser" ist.
In Antwort auf:Und zu diesem Stil gehört eben auch, daß man nicht von "beweisen" spricht. Beweise gehören in die Mathematik und die Logik. Naturwissenschaftler haben Theorien und Modelle, die mehr oder weniger gut belegt sind, die eine mehr oder weniger gute Annäherung an die Realität darstellen.
Deshalb habe ich "Beweis" in Anführungszeichen gesetzt und außerdem durch den Zusatz "im wissenschaftlichen Sinne" bestimmt.
Aber nein, ich galube Galileos Auftritt auf so einer Tagung wäre kein schönes Erlebnis, zumindest wenn er wiederum halbgares als "die Wahrheit" ausgäbe und andere Meinung lächerlich machen täte.
In Antwort auf:Was nun die Mondberge angeht - doch, sie stehen im Zusammenhang mit dem geozentrischen Weltbild. Dieses basierte nämlich auf einer im Grunde philosophischen Unterscheidung zwischen "Himmel und Erde". Zwischen der Art, wie die Dinge auf der Erde beschaffen sind, und wie sie am Himmel sind.
Nein, ganz und gar nicht. Hier liegen Sie nun mal völlig daneben. Das geozentrische Weltbild beruht auf keiner solchen Unterscheidung sondern einzig auf der Annahme, daß sich Sonne, Mond und Planeten um die feststehende und zentrale Erde drehen.
Was Sie damit verwechseln ist das aristotelische Weltbild, welche eine sublunare Welt (der Veränderung) und eine superlunaren Welt (der unveränderlichen Perfektion) annimmt. ("Himmel" und "Erde" sind da übrigens ganz und gar untaugliche Begriffe). Wo genau der Mond jetzt hingehört weiß ich nicht, aber die Mondphasen lassen mich dazu tendieren, den Mond noch zur sublunaren Welt zuzuordnen, womit Mondberge kein Problem sein sollten. Aber selbst, wenn der Mond zur superlunaren Sphäre gehören würde, ist die Entdeckung von Mondbergen nur eine Widerlegung dieser aristotelischen Einteilung, nicht aber des Geozentrismus.
Ja, Geozentrismus und diese Spährenunterscheidung treten gemeinsam auf und wurden gemeinsam verteidigt. Dennoch sind sie zu unterscheiden. Eine Widerlegung des einen ist nicht eine Widerlegung des anderen.
Zitat von str1977Ja, Geozentrismus und diese Spährenunterscheidung treten gemeinsam auf und wurden gemeinsam verteidigt. Dennoch sind sie zu unterscheiden. Eine Widerlegung des einen ist nicht eine Widerlegung des anderen.
Da haben Sie vollkommen Recht, lieber str1977. Nur war in der damaligen Diskussion eben, weil die Verteidiger des Ptolemäus zugleich Aristoteliker waren, die Entdeckung von Mondbergen ein Argument gegen das geozentrische Weltbild.
Sie können das im "Dialog" ausführlich erörtert lesen, den ich Ihnen bei dieser Gelegenheit noch einmal sehr ans Herz legen möchte.
Ich bin sicher, daß auch Sie, wenn Sie Galilei selbst lesen, finden werden: Was Zander, was Koestler über ihn schreiben, ist die Sicht von Gegnern, die ihn negativ darstellen wollen.
Koestlers Arbeit über Galilei kenne ich nicht; aber ich kenne ihn als Gegner der Aufklärung, bis hin zum Glauben an die Parapsychologie. Und zu Zander habe ich ja schon etwas geschrieben - so sehr ich ihn als Fachmann für Heilige und als witzigen Autor schätze - von Naturwissenschaft sollte er die Finger lassen.
Herzlich, Zettel
PS: Nein, der Mond gehört nicht zur sublunaren Welt. Deshalb heißt sie ja sublunar.
Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.