Zitat Die Union hätte gut daran getan sich erst einmal zurück zu nehmen. In Sachsen vielleicht eine Minderheitsregierung anzustreben und in Thüringen erst einmal den Ball zur AfD zu schieben.
Hier muss man die Landesverfassungen beachten, in denen es oft kleine (aber entscheidende) Unterschiede bei der Ministerpräsidentenwahl gibt.
Konkret:
Sachsen:
Zitat Art.60: (1) Der Ministerpräsident wird vom Landtag mit der Mehrheit seiner Mitglieder ohne Aussprache in geheimer Abstimmung gewählt. (2) Kommt eine Wahl nach Absatz 1 nicht zustande, so ist gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhält. (3) Wird der Ministerpräsident nicht innerhalb von vier Monaten nach dem Zusammentritt des neugewählten Landtages oder nach der sonstigen Erledigung des Amtes des Ministerpräsidenten gewählt, so ist der Landtag aufgelöst
Thüringen:
Zitat Art.70: (3) Der Ministerpräsident wird vom Landtag mit der Mehrheit seiner Mitglieder ohne Aussprache in geheimer Abstimmung gewählt. Erhält im ersten Wahlgang niemand diese Mehrheit, so findet ein neuer Wahlgang statt. Kommt die Wahl auch im zweiten Wahlgang nicht zustande, so ist gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen erhält.
Was das bedeutet:
In THÜRINGEN ist eine Minderheitsregierung recht leicht möglich. Haben wir ja aktuell auch. Konkret lief das vor 5 Jahren so ab: 1. und 2. Wahlgang: Niemand ist gewählt. 3. Wahlgang: Für Ramelow stimmen nur seine eigenen Parteifreunde. (Was die anderen Fraktionen machen ist, egal.) Nachdem die Linkspartei die größte Fraktion ist, ist er gewählt.
Das wäre dieses Mal aber in dieser Form nicht möglich. Würde z.B. der CDU-Kandidat einfach so im 3. Wahlgang antreten (mit dem Ziel eine Minderheitsregierung zu bilden wie damals Ramelow), dann reicht das nicht. (Denn die AfD hat mehr Stimmen als die CDU. Wenn also auch die AfD einen Kandidaten aufstellt, dann wäre der gewählter Ministerpräsident. Der CDU-Kandidat braucht also aktive Zustimmung von weiteren Fraktionen. Stille Duldung reicht ihm - anders als Ramelow - nicht.)
Und in SACHSEN hat die CDU zwar anders als in Thüringen die relative Mehrheit - aber so wie in Thüringen ist in Sachsen eine Minderheitsregierung von der Verfassung ohnehin nicht vorgesehen. Es braucht für einen Ministerpräsidenten IMMER die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. (Ein mögliches Manöver wäre, dass SPD, Linkspartei und BSW bei der Abstimmung nicht anwesend sind. Das also nur CDU und AfD abstimmen. Dann würden dem CDU-Kandidaten die Simmen seiner eigenen Partei reichen und er könnte eine Minderheitsregierung bilden. Immer setzt das aber in Sachsen - anders als in Thüringen - die aktive Kooperation der anderen Fraktionen voraus. Wenn da z.B. die BSW nicht mitspielt und bei der Abstimmung anwesend ist, dann kann kein CDUler nur mit CDU-Stimmen gewählt werden).
Zitat von Florian im Beitrag #2 (Ein mögliches Manöver wäre, dass SPD, Linkspartei und BSW bei der Abstimmung nicht anwesend sind. Das also nur CDU und AfD abstimmen. Dann würden dem CDU-Kandidaten die Simmen seiner eigenen Partei reichen und er könnte eine Minderheitsregierung bilden. Immer setzt das aber in Sachsen - anders als in Thüringen - die aktive Kooperation der anderen Fraktionen voraus. Wenn da z.B. die BSW nicht mitspielt und bei der Abstimmung anwesend ist, dann kann kein CDUler nur mit CDU-Stimmen gewählt werden).
Und selbst wenn die linken Parteien das Spielchen mitspielen sollten, wäre da noch der Abgeordnete der Freien Wähler. Und wenn der sich zur Abstimmung auch absentieren sollte: die CDU hat gerade mal einen Sitz mehr als die AfD. Da reicht ein einziger Umfaller in der CDU - jemand, der mit Kretschmer noch ein Rechnung offen hat z.B. - und Sachsen hat einen mehrheitlich gewählten AfD-MP.
Zitat von Florian im Beitrag #2 Das wäre dieses Mal aber in dieser Form nicht möglich. Würde z.B. der CDU-Kandidat einfach so im 3. Wahlgang antreten (mit dem Ziel eine Minderheitsregierung zu bilden wie damals Ramelow), dann reicht das nicht. (Denn die AfD hat mehr Stimmen als die CDU. Wenn also auch die AfD einen Kandidaten aufstellt, dann wäre der gewählter Ministerpräsident. Der CDU-Kandidat braucht also aktive Zustimmung von weiteren Fraktionen. Stille Duldung reicht ihm - anders als Ramelow - nicht.)
Minderheitenregierung definiert sich aber nicht dadurch, dass ein MP von einer Minderheit gewählt werden muss. Prinzipiell kann Frau Wagenknecht einem MP zustimmen, ohne in die Regierung einzutreten. Das wäre eine klassische Minderheitsregierung wie sie in Thüringen die letzte Wahlperiode stattgefunden hat. Und das ist nicht einmal schwer zu verkaufen: Frau Wagenknecht stellt einfach so viele Stimmen zur Verfügung wie es braucht "die AfD zu neutralisieren". Das würde schon gehen. Mein Artikel geht aber ein bischen in eine andere Richtung: Die CDU kann die AfD auch machen lassen. Dann wird Höcke eben im dritten Wahlgang gewählt. So what? Er ist dann ein reichlich machtarmer MP mit einem Parlament ohne Mehrheit. Gleichzeitig würde Thüringen von Berlin bis aufs Blut geschasst. Ich weiß nicht ob das besonders gut gehen würde, denn so echte Macht hat er dadurch ja nicht. Ich glaube für die CDU wäre das aus rein taktischen Gründen deutlich gesünder, als wenn sie mit Sarah Wagenknecht koaliert, insbesondere im Hinblick auf die Bundestagswahl.
Die CDU hat das Problem das sie derzeit von rechts aufgefressen wird. Das Land geht vor die Hunde und tendiert mehr und mehr aus reiner Verzweifelung nach rechts. Es hat seinen Grund warum 38%(!) der Erstwähler in Thüringen die AfD gewählt haben, und das trotz massiver Propaganda in so ziemlich allen Jugendmedien inklusive der Schule. Der Zug geht, umso mehr die Ampel wurstelt, Richtung rechts. In einer solchen Situation mit einer Kommunistin zu koalieren wird die CDU am rechten Rand (ehrlicherweise eher in der Mitte) noch weiter ausfransen. Wie glaubwürdig kann die CDU ein Wirtschaftsprogramm auflegen und gleichzeitig mit Sarah Wagenknecht koalieren?
Deswegen schrieb ich ja, die CDU hat sich in eine saudumme Lage gebracht. Sie hat sich selber Handlungszwang auferlegt, kann aber mit keiner der beiden Radikalen zusammen gehen ohne massiv beschädigt zu werden.
Zitat Die CDU kann die AfD auch machen lassen. Dann wird Höcke eben im dritten Wahlgang gewählt. So what? Er ist dann ein reichlich machtarmer MP mit einem Parlament ohne Mehrheit.
Auch hierzu eine Anmerkung, diesmal zur Gewaltenteilung:
Ministerpräsidenten sind auch ohne Parlamentsmehrheit ziemlich mächtig.
Die Machtverteilung zwischen Regierung und Parlament ist in den Bundesländern sehr deutlich zu Gunsten der Regierung (viel mehr als auf Bundesebene). Ministerpräsidenten haben in den Ländern vergleichsweise sehr viel Macht.
Um das zu illustrieren: Überlegen Sie sich selbst einmal: Was war das letzte Mal, dass in ihrem Bundesland ein wichtiges GESETZ verabschiedet wurde? Wahrscheinlich wird ihnen da wenig einfallen. Sehr, sehr viel geschieht in den Bundesländern nämlich auf Verordnungs-Ebene. (Nur als Beispiele: 1. Eines der in den letzten Jahren sehr kontrovers diskutierten Themen in Bayern war, ob Gymnasien 8 oder 9 Jahre dauern sollen. Diese Frage ist allerdings NICHT im bayerischen Schulgesetz geregelt. Sondern wird vom Kultusministerium einfach per Verordnung geregelt. Und auch welche Fächer mit welchem Inhalt unterrichtet werden, wird per Verordnung festgelegt. Das Parlament ist bei diesen Fragen also NULL beteiligt. 2. Die größten Grundrechtseinschränkungen während der Corona-Zeit waren i.d.R. Verordnungen der Bundesländer. In meinem Bundesland Bayern gab es zwar wöchentlich neue Verordnungen, aber m.W. KEIN EINZIGES Landesgesetz, das im Zuge von Corona geändert wurde. Fast alles hat der Ministerpräsident Söder per Verordnung geregelt.)
Und dann gibt es natürlich den Einfluss der Bundesländer auf den Bund via Bundesrat. Auch hier ist es nur die Landesregierung, die entscheidet.
Natürlich gibt es die Landeshaushalte, für die man die Zustimmung der Landtage braucht. Und hier kann Höcke ggf. ausgebremst werden. Wobei auch das politisch nicht so besonders toll funktionieren wird, weil Höcke für viele Dinge ja WENIGER Geld will als bisher. Wenn er also in seinem Haushalt die Gelder für (z.B.) Genderbeauftragte streicht, dann kann die Opposition ihm zwar die Zustimmung zum Haushalt verweigern. Geld bekommen die Genderbeauftragten dann aber erst recht nicht...
Übrigens kann in Thüringen ein Ministerpräsident vom Landtag nur durch KONSTRUKTIVES Misstrauensvotum gestürtzt werden. Was also bedeuten würde, dass sich CDU, Linkspartei UND BSW auf einen gemeinsamen Gegenkandidaten einigen müssten, den sie dann auch alle aktiv wählen müssten ("Duldung" reicht nicht). So lange das nicht passiert, bliebe Höcke im Amt.
Zitat von Florian im Beitrag #5Ministerpräsidenten haben in den Ländern vergleichsweise sehr viel Macht.
Um das zu illustrieren: Überlegen Sie sich selbst einmal: Was war das letzte Mal, dass in ihrem Bundesland ein wichtiges GESETZ verabschiedet wurde? [...] Wenn er also in seinem Haushalt die Gelder für (z.B.) Genderbeauftragte streicht, dann kann die Opposition ihm zwar die Zustimmung zum Haushalt verweigern. Geld bekommen die Genderbeauftragten dann aber erst recht nicht...
Mit den Personalfragen haben Sie die für die etablierten Parteien heikelste Macht eines MinPrä angesprochen. Ein thüringer AfD-MinPrä würde AfD-Minister einsetzen und die wiederum die politischen Beamten austauschen. Eine Weile dann würden auch die Besetzungen bzw. Beförderungen in den normalen, höheren Beamtenpositionen durch die AfD dominiert, und die bekommt man nicht so schnell weg. Und dann sind da ja noch die Organe der Staatssicherheit (Polizfi und VerfSch) die man ganz besonders ungerne in die Hände der AfD geben würde, insbesondere angesichts der Ausweitung ihrer Befugnisse durch die letzten Bundesregierungen zur Terrorismus- und Rechtsextremismusbekämpfung.
Aus meiner Sicht fällt jetzt den etablierten Parteien auf die Füße, es sich jahrzehntelang mit übermächtigen Ministerpräsidentenämtern eingerichtet zu haben. Da hatten wir zu viele de Gaulles und zu wenige Dufours.
Zitat von Emulgator im Beitrag #6Aus meiner Sicht fällt jetzt den etablierten Parteien auf die Füße, es sich jahrzehntelang mit übermächtigen Ministerpräsidentenämtern eingerichtet zu haben.
Bevor man sich im Staat irgendwelche Macht verschafft, sei es legislativ oder exekutiv, sollte man sich immer überlegen, was passiert, wenn nach der nächsten Wahl der politische Gegner genau diese Befugnisse in die Hände bekommt.
Aber leider braucht man für so eine Denke mehr Demut, als der übliche Politiker besitzt.
-- Non delectent verba nostra, sed prosint. - Seneca, Epistulae morales ad Lucilium, 75, 3
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