Daß jemand die Erstausgabe von Newtons Principia und die Raumschiffe des "Erben des Universums" zu Zeugen aufruft, um einen Harvard-Professor in die Schranken zu weisen, dürfte auch ein "Novum" darstellen, das nach Darko Suvin die Quintessenz aller Science Fiction ausmacht.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Hier gibt es übrigens eine Darstellung, die die berechneten Umlaufbahnen von 3I/ATLAS (gelb) und dem Sonnensystem (rot) um das Milchstraßenzentrum in Draufsicht zeigen. Da jeweils drei Umläufe zu sehen sind, umfaßt das einen Zeitraum von 750 Millionen Jahren.
Zitat von ZRMan braucht nicht zu betonen, daß sich Loeb – und seine Doktoranden, dann um sie handelt es sich bei diesen Mitautoren – bei der internationalen Forschungsgemeinschaft der Astronomen damit nicht viele Freunde gemacht hat. Gerade auch in der Astronomie gilt der Grundsatz: „extraordinary claims require extraordinary proof“ – je ausgefallener und fragwürdiger eine Hypothese daherkommt, desto handfestere und unwiderlegliche Belege müssen ihre Vertreter dafür vorlegen können.
Zitat Astronomer Samantha Lawler of University of Regina highlighted that "while it is important to remain open-minded about any 'testable prediction,' the new paper [by Loeb et al.] pushes this sentiment to the limit."[54] Lawler further cited extraordinary claims require extraordinary evidence, and that "the evidence presented [by Loeb et al.] is absolutely not extraordinary."[54]
Ich scheine nicht der Einzige zu sein, der Professor Loebs Hausarbeiten mit dem Rotstift durchgeht und keine guten Noten zu verteilen hat.
Zitat von 30. Juli 2025 Von Michael KhanHarvard-Professor Avi Loeb und zwei Ko-Autoren haben gestern ein Paper auf ArXiv hinterlegt, in dem sie vorschlagen, die NASA-Jupiter-Sonde Juno auf eine Bahn zum interstellaren Objekt 3I/ATLAS zu schicken. Das Paper leuchtet mir allerdings nicht ein – da brauche ich Hilfe. ... Der Vorschlag von Loeb et al. zielt nun darauf ab, Juno stattdessen mittels zweier Bahnmanöver am 9. und 14. September 2025 in eine Fluchtbahn vom Jupiter zu überführen. Juno wäre dann, so die Autoren, in einer interplanetaren Bahn, in der sie 3I/ATLAS am 14. März 2026 während seiner größten Annäherung an Jupiter begegnen könnte.
3I/Atlas ist auf einer retrograden Bahn und hat als interstellares Objekt ohnehin eine enorme Bahnenergie. Daher würde die Relativgeschwindigkeit der hypothetischen Begegnung bei 66 km/s liegen. DIe Autoren gehen auch nicht von einem Einschuss in eine Bahn um das Objekt und eine damit mögliche Langzeitbeobachtung aus.
Das Manöverbudget für die Flucht aus dem Jupitersystem haben Loeb et al. mit 2676 m/s berechnet. Das ist ein sehr hoher Wert, sodass sich natürlich die Frage stellt, ob die alte Raumsonde dafür noch genügend Treibstoff in ihren Tanks hat. Hier widersprechen die Annahmen von Loeb et al. der frei verfügbaren Dokumentation, beispielsweise dem Press Kit zum Jupiter Orbit Insertion. Dort steht:
“At the end of a nominal 35 minutes Jupiter Orbit Insertion burn, Juno will have about 447 kilograms of fuel”
Aber Loeb et al. nehmen die Masse der vollbetankten Sonde beim Start und die Leermasse (3625 bzw. 1593 kg), schätzen den spezifischen Impuls des Triebwerks optimistisch (wie sie selbst zugeben) auf 340 s und wenden die Ziolkovski-Gleichung an, um die Delta-v-Kapazität auf 2.74 km/s zu berechnen. Damit kommen sie zu dem Schluss, ihre vorgeschlagene Strategie sei machbar.
Ich dagegen komme mit den Angaben des NASA-Press-Kits auf nur knapp 784 m/s, und zwar nach dem JOI und damit noch vor dem geplanten großen Manöver zur Reduzierung der Bahnperiode und vor allen anderen Manövern, die danach stattgefunden haben. Außerdem kann man bei einer Raumsonde die Tanks nicht bis auf den letzten Tropfen leersaugen. Bei der Bahnreduzierung kam es 2016 allerdings zu einem Problem mit der Druckbeaufschlagung der Tanks, sodass dieses Manöver nicht mehr durchgeführt werden konnte. Ich gehe davon aus, dass aktuell (vielleicht deutlich) weniger als 700 m/s Delta-v aufgebracht werden kann. Das ist mehr als genug, um das Entsorgungsmanöver sicher durchführen zu können. Es reicht aber lange nicht für die Jupiterflucht. Es kommt wohlgemerkt nicht allein auf die verbleibende Treibstoffmenge an. Wichtig ist auch der Restdruck in den Tanks, wenn diese jetzt im Blowdown-Modus betrieben werden müssen.
Kleiner Nachtrag, Stichwort "Treppenwitz," da ich ja auf die Erstausgabe von Newtons "Principia" verwiesen habe.
Mir fällt gerade auf, daß diese Publikation präzise den Punkt kennzeichnet, an dem "Fachliteratur," grundlegende Umrisse, Denkbilder, Summae nicht mehr in der lingua franca der Gelehrtenwelt, also auf Lateinisch, publiziert werden, sondern in der jeweiligen Landessprache. Descartes hat noch auf Latein geschrieben; Hobbes auf Englisch. Die "Principia" ist am 5. Juli 1687 erschienen. Das erste Werk, daß die neue Philosophie, in diesem Fall die "neue Astronomie" nach Kopernikus, Galilei und Kepler für ein allgemeines Lesepublikum ("sogar Frauenzimmer") dargestellt hat, war Charles Bouvier de Fontenelles "Entretiens sur la pluralité des mondes habitables." Die "Gespräche" vermerken nur das Druckjahr 1686, nicht das genaue Datum des Erscheinens, und anders als in England haben die französischen Gazetten keine Ankündigungslisten von Buchhändlern über neu erschienene Titel (aus denen das erschlossen werden kann), aber die Druckfreigabe der königlichen Zensur, die sich hinter dem unpaginierten Vorwort findet, verzeichnet als Datum der Vorlage des Texts den 22. Januar 1686 und die Erteilung der Druckerlaubnis für den 8. März.
Zitat von 'Preface'J'ay mis dans ces Entretiens une Femme que l'on instruit, & qui n'a jamais oüy parler de ces choses-là. J'ay crû cette fiction me serviroit à rendre l'Ouvrage plus susceptible d'agrément, & à encourager les Dames par l'exemple d'une Femme, qui n'ayant point du tout un caractere surnaturel, & ne fortant jamais des bornes d'une personne qui n'a nulle teinture de Science, ne laisse pas d'entendre ce qu'on luy dit, & de ranger dans sa teste sans confusion les Tourbillons & les Mondes. Pourquoy y auroit-il des Femmes qui cedassant à cette Marquise imaginaire, qui ne conçoit que ce qu'elle ne peut se dispenser de concevoir?
Stichwort Descartes: die "tourbillons" beziehen sich auf Descartes' Wirbeltheorie als Ursache der Entstehung der Dinge; aus der Lamäng würde ich mal vermuten, daß Descartes das Clinamen Epikurs übernommen hat. Wobei mir auch auffällt, daß sich dieser allererste Ansatz zur Frage "warum gibt es etwas und nicht nichts?" bis heute gehalten hat, weil die Kosmologie von einem winzigen Überhang der Materie gegenüber der Antimaterie beim Big Bang ausgeht, und "clinamen," als Lukrezische Neuprägung von "inclinare" abgeleitet, eben eine winzige Störung der prädestinierten Elemente bezeichnet, die zum Entstehen von Atomen führt.
Es giebt unter den späteren Fontenelle-Lesern eine Diskussion, die als Vorbild der Marquise die Madame Margarethe de la Mésangère (1658-1714) ausgemacht haben, Tochter der Salonnière Marguerite de La Sablière (1636-1693) und nach ihrer Heirat Madame de Rambouillet. Anscheinend haben diese Leute diese Charakterisierung nie gelesen.
Nachtrag: Es gibt einen Avis, eine Ankündigung der demnächst erscheinenden "Entretiens" im Mercur galant vom Januar 1686, und die erste Zuschreibung des anonymen Büchleins an Fontenelle durch Pierre Bayle vom Mai 1868 (in den in Amsterdam erscheinenden "Nouvelles de la République des Lettres"); der sechste Dialog ist 1687 hinzugekommen; im gleichen Jahr, als die katholische Kirche das Buch auf den Index gesetzt hat.
Zitat von Mercure gallant, janvier 1686, 24-28Vous vous fachez il y a long-temps de ce que l’Autheur des Dialogues des Morts vous a mise en goust pour ses Ouvrages, & que vous ne voyez plus rien de luy. Cessez de vous plaindre. Il fait imprimer un Livre nouveau, qui quoy qu’il soit de Philosophie, est tourné si galamment que la matiere n’a rien de sauvage. Ainsi non seulement vous le trouverez fort agreable, vous qui estes née pour toutes les belles Connoissances ; mais je puis vous asseurer que vos Amies entreront sans peine dans tout son raisonnement. L’approbation qu’il a déja euë dans quelques lectures particulieres, fait connoistre que s’il l’a fait attendre longtemps, c’est parce qu’il n’a rien voulu hasarder qui ne répondist en quelque sorte à la reputation que ses Dialogues luy ont acquise. Ce Livre est Intitulé, Entretiens sur la pluralité des Mondes. Le dessein en est extremément singulier. La Phisique y est amenée à la portée de toutes les Dames, sans exception, quand mesme elles n’en auroient jamais entendu parler. Elle y est soûtenuë de toutes les reflexions morales que le sujet peut produire ; elle y est ornée de traits d’Histoire, & égayée par tous les agrémens, mesme de galanterie, qui peuvent naistre dans la conversation d’un homme & d’une homme d’esprit. Enfin, c’est de la Philosophie déguisée, qui avec la verité qu’elle doit toûjours avoir à des graces qu’elle n’a pas ordinairement. Le but de l’Auteur est de vous donner une idée generale & fort claire de l’arrangement & de la construction de tout ce grand Univers. Il vous le fait voir d’une maniere assez differenté de celle dont la pluspart des gens le voyent ; mais en mesme temps il vous donne un spectacle tres-pompeux & tres-magnifique, & qui merite bien que tout ce qu’il y a de gens d’esprit s’arrestent à le considerer. J’auray soin de vous envoyer cet Ouvrage, dés que la Veuve Blageart aura achevé de l’imprimer. Elle espere en commencer le debit dans quinze jours.
Bayle nennt den Namen des Autors übrigens nur ganz versteckt am Anfang seiner Besprechung:
Zitat von Nouvelles de la République des Lettres, Mois de May 1686, S. 483-84Cet Ouvrage est composé de 5. Entretiens entre l'Auteur & une Marquise de tant d'esprit, qu'en moins de 5. ou 6. heures on lui fait faire son course de Physique Astronomique. Cela est aisé lors qu'on se fait des personnages d'imagination , comme est ici la Marquise de M. de Fontenelle , car on leur fait comprendre tout ce que l'on veut, on nage en pleine mer , on dispose à la fantaisie de leur cœur & de leur esprit. On fait toutes ces choses bien plus aisément que la nature ne les produit dans des sujets très-réels.
Interstellar Comet 3I/ATLAS News New high angular resolution observations. Analysis gives new effective range of nuclear radius 0.16 km <= r_n<= 2.8 km New mass loss rate estimates. Preliminary characterization of the dust activity. Hubble Space Telescope images of 3I/ATLAS on July 21, 2025, show a tail pointing towards PA 280. As viewed by Hubble, the object was nearly edge-on, looking along its orbit plane. The authors provide a technical description of the tail. The coma is extended along the comet orbit plane. Contours show a flattened coma along comet orbit plane approximately 7 arcsec across. 3I/ATLAS on July 21, 2025 Hubble Space Telescope WFC3 UVIS2-FIX Total Exposure 130 secs Filter F350LP Heliocentric distance 3.83 au Spacecraft distance 2.98 au PsAng = 100.3 deg antisolar direction PsAMV = 97.4 deg -v direction PlAng = -0.67 deg small orbit plane angle arXiv:2508.02934 (Aug 2025) Image credits: STSI/HST, D. Jewitt, M-T. Hui, M. Mulcher, Y. Kim, J. Agarwal Creative Commons Attribution - CC BY 4.0
Zitat "Hubble Space Telescope Observations of the Interstellar Interloper 3I/ATLAS," Jewitt, David ; Hui, Man-To ; Mutchler, Max ; Kim, Yoonyoung ; Agarwal, Jessica
Abstract We present high angular resolution observations of the third known interstellar interloper, 3I/ATLAS, from the Hubble Space Telescope. The object is clearly active at 3.8 au pre-perihelion, showing dust emitted from the hot Sun-facing side of the nucleus and a weak, radiation pressure swept tail away from the Sun. We apply a simple model to estimate the mass loss rate in dust as dM/dt = 6 a kg/s, where a is the mean particle size in microns. With 1 < a < 100, we infer dM/dt = 6 to 60 kg/s. A fit to the surface brightness distribution of the inner coma limits the effective radius of the nucleus to be r < 2.8 km, assuming red geometric albedo 0.04. Conversely, the nucleus cannot be smaller than 0.16 km in radius if its coma is supplied by sublimation of carbon monoxide, and must be larger if a less volatile molecule drives the mass loss.
Publication: eprint arXiv:2508.02934 Pub Date: August 2025
"Water Detection in the Interstellar Object 3I/ATLAS," Zexi Xing, Shawn Oset, John Noonan
Zitat Abstract
We report the first detection of water activity in the third confirmed interstellar object, 3I/ATLAS, based on ultraviolet imaging with the Neil Gehrels-Swift Observatory. Observations acquired with the Ultraviolet/Optical Telescope on 2025 July 31st - Aug 1st revealed OH (AΣ2 — XΠ2) emission near 3085 Å. The water production rate results highly depend on the reddening assumption. For a reddening of 38.6% between 5437.8 Å and 3325.7 Å, the water production rate is (1.35±0.27)×1027 molecules s-1 (40 kg s-1) at a heliocentric distance of 3.51 au. This places 3I/ATLAS among the few comets with confirmed OH emission beyond 3 au, where water ice sublimation is typically inefficient. The inferred production rate is consistent with an active area of at least 19 km2, assuming equilibrium sublimation. Based on current upper limits of the nucleus’ radius, this requires that over 20% of the surface is active, which is larger than activity levels observed in most solar system comets. Contemporaneous near-infrared spectroscopy indicates the presence of large icy grains in the coma, which may serve as an extended source of water vapor. The detection of OH emission prior to any CN detection is unusual and may reflect differences in grain-driven outgassing or volatile inventory compared to typical comets. While similar behavior has been observed in solar system comets, the mechanisms controlling distant activity and the storage and release of volatiles remain poorly understood. If 3I/ATLAS’ coma continues to be dominated by H2O, supporting the early and low-metallicity formation hypothesis, the derived large size of the nucleus could be indicative of a key knowledge gap in low-metallicity system planetesimal formation and loss mechanisms.
Zitat von 8. August 2025Thanks to the Hubble Space Telescope, we now have the sharpest image yet of the interstellar visitor 3I/ATLAS, showing that it is clearly a comet, with a coma filled with dust particles and the first hints of a tail.
The Hubble observations show that 3I/ATLAS' nucleus is shrouded by a coma made from small particles of dust that have been lifted off the interstellar comet's surface. This coma is hiding the nucleus, but, thanks to Hubble's careful observations, astronomers have now placed upper and lower limits on the size of that core. It is potentially as large as 3.5 miles (5.6 kilometers) across, while the smallest it can be is 1,000 feet (320 meters). That's quite a large size range in the context of cometary bodies.
Hubble also saw a dust plume emanating from the sun-facing, warm side of the comet and feeding the coma, plus the barest hints of a dust tail. These are all typical features of a comet that is still 3.8 astronomical units (Earth-sun distances; one AU is about 93 million miles, or 149.6 million km) from the sun. So in that sense, 3I/ATLAS is behaving very much like a comet native to the solar system. So far, only its velocity and hyperbolic trajectory mark it out as different.
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