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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 6 Antworten
und wurde 1.272 mal aufgerufen
 Geschichte, Philosophie, Religion
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.08.2006 00:15
Gedanken über die Monarchie Antworten

Der durch Sparrowhawks Anmerkung angeregte Blog über die Monarchie ist jetzt fertig.

Anfangs dachte ich, das Thema gebe vielleicht keinen Blog her. Aber es hat sich doch als unerwartet ergiebig erwiesen.

Dank an Sparrowhawk!

Sparrowhawk ( Gast )
Beiträge:

09.08.2006 00:56
#2 RE: Gedanken über die Monarchie Antworten
"... weitgehend ohne radikale Brüche verlaufene nationale Geschichte haben, daß sich dort nie revolutionäre Umstände ergaben, die zum Sturz der Monarchie geführt hätten."

Hm... also in England gab es eine kurze Unterbrechung der Monarchie, im 17. Jahrhundert. König Charles I wurde geköpft, und der Herr am Ruder hieß Oliver Cromwell, und dieser hatte den Königstitiel stets abgelehnt, trotz Angeboten.

1660 wurde die Monarchie wieder etabliert, nachdem Richard Cromwell sich überhaupt nicht hat durchsetzen konnte, und es Revolten gab, z.B. in der Armee. Diese wollten aber nicht den König wiederhaben, sondern revoltierten, weil der Sold ausgeblieben war. Würde man hier "was wäre wenn" spielen, käme man zu 2 Möglichkeiten:
- a) was wäre wenn Oliver Cromwell nicht schon 1658 gestorben wäre und sich länger hätte halten können ?
- b) was wäre gewesen, wenn Richard Cromwell ähnlich stark wie sein Vater gewesen wäre ?

Frankreich hat in Sachen Monarchie, das am Rande, seit 1789 eine sehr wechselvolle Geschichte hinter sich. Erst den Sturz der Monarchie und die Hinrichtung Ludwigs XVI, danach die Wiedereinsetzung der Monarchie durch Napoleon I und dann die französische Republik nach der Niederlage und die Gefangennahme Napoleons III bei Sedan 1870 (grob gesprochen).
Auch da kann man natürlich richtig gut mit den Gedanken spielen...

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.08.2006 01:19
#3 Die Briten Antworten

Zitat von Sparrowhawk
"... weitgehend ohne radikale Brüche verlaufene nationale Geschichte haben, daß sich dort nie revolutionäre Umstände ergaben, die zum Sturz der Monarchie geführt hätten."
Hm... also in England ga es eine kurze Unterbrechung der Monarchie, im 17. Jahrhundert. König Charles I wurde geköpft, und der Herr am Ruder hieß Oliver Cromwell, und dieser hatte den Königstitiel stets abgelehnt, trotz Angeboten. 1660 wurde die Monarchie wieder etabliert, nachdem Richard Cromwell sich überhaupt nicht hat durchsetzen konnte, und es Revolten gab, z.B. in der Armee. DIese wollten aber nicht den König wiederhaben, sondern revoltierten, weil der Solf ausgeblieben war.


Wohl wahr, lieber Sparrowhawk. Du hast mal wieder zielsicher eine Ungenauigkeit aufgespürt. (Wie meine Frau, nebenbei - die findet jeden Fehler. Ich lese die Zeitung immer erst nach ihr, und da hat sie dann schon alles angestrichen, was falsch ist - orthographisch, sachlich, logisch usw.)




Aber zur Geschichte von GB: Das ist ja das Seltsame: Dort ging es wild zu - nur vor Jahrhunderten!

Irgendwie haben die das hingekriegt, sich darauf zu einigen, daß es allen besser geht, wenn man sich nicht gegenseitig an die Gurgel geht, sondern sich nur Redeschlachten liefert.




Es ist, glaube ich, einfach eine Frage geschichtlicher Ungleichzeitigkeit. Die Briten waren, warum auch immer, a bisserl früher dran als die meisten anderen (vielleicht hatte es was mit dem Kulturgemisch zu tun?):

  • Sie waren die ersten mit den Grundlagen der modernen Wissenschaft (Bacon, Newton)

  • Sie waren die ersten mit der Staats- und Wirtschaftstheorie (Hobbes, Smith, Ricardo)

  • Sie waren die ersten mit dem Skeptizismus, der überhaupt erst die Moderne möglich gemacht hat, weil er es jedem ermöglicht, jede andere Meinung gelten zu lassen (Locke, Hume)


  • Danach hatten sie, wenn man so will, geistesgeschichtlich getan, was sie tun konnten.




    Im 19. Jahrhundert waren sie die Imperialisten, die kühlen Verteidiger des Empire, der Perfide Albion. Im 20. Jahrhundert waren sie der Kranke Mann - bis Margaret Thatcher kam und es gerichtet hat.

    So strange is history!

    Herzlich, Zettel

    Reader Offline



    Beiträge: 803

    09.08.2006 07:47
    #4 RE: Die Briten (die Amerikaner heimlich auch?) Antworten

    -

    Guten Morgen, lieber Sparrowhawk, lieber Zettel,

    wie immer lese ich eure hier festgehaltenen Gedanken mit Interesse, um nicht zu sagen, Vergnügen.

    Zum Thema selber möchte ich nur anfügen, dass mir scheint, dass sogar bei den Amerikanern gewisse Sehnsüchte nach dynastischen Verhältnissen gelegentich durchbrechen. So hat es im politischen Leben wiederholt Familien gegeben bzw. gibt es noch, die mehr als einen Präsidenten stellten oder/und Senatoren- oder Abgeordnetenposten sozusagen in der Familie "vererbt" haben (natürlich nicht wirklich, denn sie mußten auch gewählt werden, aber einmal etablierten connections und "name recognition" halfen zu einem nicht unbeträchtlichen Teil). Es gibt sogar regelrecht "Blutsadelige", zum Beispiel Familien, deren Frauen dem Bund der DAR angehören ("Membership in DAR is open to women at least eighteen years of age who can prove [i]lineal bloodline descent from an ancestor who aided in achieving United States independence."[/i] - Zitat aus Wikipedia, Link unten) oder der Society of Mayflower Descendants, deren Vorfahren der Plymouth entstiegen sind ("The Society of Mayflower Descendants is a hereditary organization comprised of individuals who have documented their [i]descent from one or more of the 102 passengers who arrived on the Mayflower in 1620 at what is now Plymouth, Massachusetts[/i]" - Zitat Wikipedia, s. Link). Gehört man einer dieser beiden Societys an, ist man automatisch A-List (oder anders ausgedrückt, "Hochadel").

    Off topic: Unter Zettels Beitrag und auf diesen sehr wohl Bezug nehmend, wenn auch nicht zum direkten Thema, sehe ich diese Werbezeile:

    Trotz ADS - und Konzentrationsschwäche spielend gute Noten erzielen

    Faszinierend, wie sophisticated hier "inhaltlich" auf Texte eingegangen wird, um nicht zu sagen unheimlich, denn diese Werbung muß "was falsch ist - orthographisch, sachlich, logisch" aus Zettels Beitrag so interpretiert haben, dass hier jemand sehr konkrete Hilfe braucht.

    Mal gespannt, was mir jetzt anempfohlen werden wird von diesen kleinen Beratern,
    lieben Gruß,
    R.r


    Wikipedia Links:
    Daughters of the American Revolution
    http://en.wikipedia.org/wiki/Daughters_o...ican_Revolution
    The Mayflower Society
    http://en.wikipedia.org/wiki/Society_of_...wer_Descendants

    -

    Reader Offline



    Beiträge: 803

    09.08.2006 07:50
    #5 RE: Die Briten (die Amerikaner heimlich auch?) Antworten

    Entschuldigung für die Fehler, aber mir fehlt jetzt die Zeit zum Korrigieren.

    Zettel Offline




    Beiträge: 20.200

    09.08.2006 14:11
    #6 RE: Die Briten (die Amerikaner heimlich auch?) Antworten

    Zitat von Reader
    wie immer lese ich eure hier festgehaltenen Gedanken mit Interesse, um nicht zu sagen, Vergnügen.

    Das freut mich, dear Reader. Und den Sparrowawk bestimmt auch.
    In Antwort auf:
    Zum Thema selber möchte ich nur anfügen, dass mir scheint, dass sogar bei den Amerikanern gewisse Sehnsüchte nach dynastischen Verhältnissen gelegentich durchbrechen.

    Ja gell, das ist interessant? Natürlich spielt die Macht, spielt der Reichtum eine Rolle, die die Rockefellers, die Kennedys, die Bushs angesammelt haben, über die Generationen. Aber mir scheint, es muß auch im Volk eine Bereitschaft dasein, diese Dynastien sozusagen anzunehmen. Man war ja nicht verpflichte, nach Bush sen. auch Doubleyou zu wählen, oder Ted Kennedy jahrzehntelang immer wieder in den Senat. Oder Hillary Clinton; da scheint sich ja eine neue Dynastie anzubahnen.

    Und es ist ja fast weltweit so: Die Gandhi-Dynastie in Indien, die Bhutto-Dynastie in Pakistan, die Bandaranaikes in Sri Lanka usw.

    In Antwort auf:
    Mal gespannt, was mir jetzt anempfohlen werden wird von diesen kleinen Beratern,



    Ja, ich muß manchmal laut lachen!

    Manchmal tippt das Programm allerdings auch daneben - wenn es zB zur Diskussion über die politische Rechte Rechtsberatung empfiehlt.

    Also, ich finde, es ist eine hübsche Ergänzung; Subtext nennen das die Philologen wohl.

    Herzlich, Zettel

    Zettel Offline




    Beiträge: 20.200

    16.08.2006 17:20
    #7 Das Ende der Habsburger Monarchie und die Folgen Antworten

    Zu diesem Blog hat Günter in Infoschripptalk eine Anmerkung gemacht, die mich zu dieser Replik veranlaßt hat. Ich habe dort auf einen Gesichtspunkt hingewiesen, der in dem Blog nicht vorgekommen war und auf den ich hier etwas genauer eingehen möchte: Das Ende des Habsburger Reichs und seine Folgen für den Weg zum Zweiten Weltkrieg.



    Wie in Deutschland führte in Österreich-Ungarn der militärische Zusammenbruch im November 1918 zum weitgehenden Zusammenbrechen auch der staatlichen Ordnung. Anders als der deutsche Kaiser dankte aber Kaiser Karl I. nicht ab, sondern er erklärte am 11. November lediglich seinen Verzicht "auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften", und zwar zunächst nur für Österreich. Zwei Tage später gab er eine ähnliche Erklärung für Ungarn ab. In Deutschösterreich und in Ungarn wurden daraufhin Republiken ausgerufen.

    Niemand wäre damals auf den Gedanken gekommen, daß die Deutschösterreicher keine Deutschen wären - sie waren es genauso, wie die ungarischen Bewohner der k.u.k. Monarchie Ungarn waren, die italienischen Italiener, die polnischen Polen, die tschechischen Tschechen usw.

    Es lag also in der Logik der geschichtlichen Situation, daß diejenigen, die keinen eigenen Staat gehabt hatten - die Tschechen, die Slowaken, die Ungarn - diesen jetzt gründeten, und daß die übrigen Völker der untergegangenen Donaumonarchie sich dem jeweiligen Nationalstaat anschlossen - die Bewohner der norditalienischen Teile des Reichs also an Italien, die Bewohner der polnischen Teile an das selbständig gewordene Polen, und eben auch die Deutschösterreicher an Deutschland.



    Das Parlament von Deutschösterreich verabschiedete eine provisorische Verfassung, deren Artikel 2 lautete: "Deutschösterreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik". (Später fanden in Tirol und Salzburg Volksentscheide statt, die 98 und 99 Prozent für einen Anschluß an Deutschland ergaben.)

    Ein Anschluß an Deutschland wurde aber durch Frankreich mit Unterstützung Italiens verhindert; und im Vertrag von Saint Germain, dem Gegenstück zum Vertrag von Versailles mit Deutschland, wurde die Republik Deutschösterreich gezwungen, ihren Namen in "Republik Österreich" zu ändern. Ein Anschluß an Deutschland wurde verboten, und das deutsch besiedelte Sudetenland wurde der Tschechoslowakei zugeschlagen. (Dort bildeten damit die Deutschen, noch vor den Slowaken, die zweitstärkste Bevölkerungsgruppe).

    Deutschland hat die staatliche Eigenständigkeit Österreichs damals nicht akzeptiert. In Artikel 61 der Weimarer Verfassung heißt es: "Deutschösterreich erhält nach seinem Anschluß an das Deutsche Reich das Recht der Teilnahme am Reichsrat mit der seiner Bevölkerung entsprechenden Stimmenzahl. Bis dahin haben die Vertreter Deutschösterreichs beratende Stimme."

    Man sah also in der Weimarer Republik die Lage Deutschösterreichs sehr ähnlich, wie man in der Bundesrepublik später diejenig der DDR sah: Ein künstlich abgetrennter Teil Deutschlands, dem selbstverständlich die Rückkehr nach Deutschland freigehalten wird.



    Die von Wilson den europäischen Völkern versprochene nationale Selbstbestimmung wurde also den Deuschösterreichern verwehrt. Die Mehrheit mußte in einer separaten Republik Österreich leben, die sie nicht wollte. Eine Minderheit mußte sogar in einem neuen Vielvölkerstaat Tschechoslowakei leben, in dem sie mindere Bürgerrechte hatte.

    Das war eine Situation, die einen neuen deutschen Nationalismus geradezu heraufbeschwor. Nicht mehr den imperialen Nationalismus des Kaiserreichs, sondern einen Nationalismus, der - ähnlich wie heute der grassierende Nationalismus, der sich "antiimperialistisch" geriert - sich als "nationaler Freiheitskampf" verstand.

    Der Deutschösterreicher Hitler verkörperte das in seiner Person; und es ist diese Ideologie des "Nationalen Befreiungskampfs", die sein Buch durchzieht und die vermutlich - neben dem Antisemitismus - der Grund dafür ist, daß "Mein Kampf" in Hunderttausenden von Exemplaren in der arabischen Welt zirkuliert.



    Wäre es möglich gewesen, das Habsburger Reich nach 1918 zu erhalten? Wahrscheinlich nicht; der allgemeine Nationalismus, geschürt durch Wilsons 14 Punkte, stand dem entgegen. Aber auch hier gilt wohl das, was ich schon über das deutsche Kaiserhaus geschrieben habe: Ein Fortbestand der Monarchie hätte es zumindest wahrscheinlich gemacht, daß es nicht zur Machtergreifung der Nazis und damit auch nicht zum Zweiten Weltkrieg gekommen wäre.



    Tugenden »»
     Sprung  



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