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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 8 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.05.2008 18:49
Zitat des Tages: "Reichlich neoliberal" Antworten

Eine Bemerkung von Giovanni die Lorenzo gegenüber Helmut Schmidt erscheint mir geeignet, auf eine Begriffsverwirrung hinzuweisen, die herbeizuführen der linken Agitprop gelungen ist:

Das Wort "liberal" wird durch "neoliberal" ersetzt, dem eine negative Konnotation gegeben wird.

Die Lücke, die dadurch entsteht, wird mit dem Begriff "linksliberal" gefüllt, der nicht mehr eine Spielart des Liberalismus bezeichnet, sondern eine, sagen wir, bürgerliche Spielart linken, etatistischen Denkens.

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.006

17.05.2008 04:52
#2 RE: Zitat des Tages: "Reichlich neoliberal" Antworten

Sehr guter Beitrag.

Der arme Schmidt, der stammt aus einer Zeit, in der die BRD auf Basis des Neoliberalismus gegründet wurde...
...der hätte sich sicher nicht träumen lassen, dass der Begriff zum Schimpfwort umfunktioniert würde, und das von Leuten, die den Liberalismus in Deutschland mehr und mehr abgebaut haben, um ihm jetzt die Schuld für's staatliche Versagen in die Schuhe zu schieben.

...wobei: Schmidt war daran als Kanzler nicht gerade unbeteiligt.

F.Alfonzo

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.05.2008 13:38
#3 Helmut Schmidt und die sozialliberale Koalition Antworten

Zitat von F.Alfonzo
...der hätte sich sicher nicht träumen lassen, dass der Begriff zum Schimpfwort umfunktioniert würde, und das von Leuten, die den Liberalismus in Deutschland mehr und mehr abgebaut haben, um ihm jetzt die Schuld für's staatliche Versagen in die Schuhe zu schieben.

...wobei: Schmidt war daran als Kanzler nicht gerade unbeteiligt.

Helmut Schmidt als Kanzler war, lieber F. Alfonzo, meines Erachtens ein fast unglaublicher Glücksfall für die Bundesrepublik.

Ob die SPD, so wie sie Mitte der siebziger Jahre geworden war, jemals zu ihrem "Kanzlerkandidaten" gemacht hat ist fraglich. Vorsitzender war er ja nie. Aber als Brandt 1974 zurücktrat, hatte die SPD buchstäblich keinen anderen, dem man das Amt des Kanzlers zutraute. Karl Schiller war aus Protest gegen den Linkskurs der Regierung Brandt ja schon 1972 nicht nur als Wirtschaftsminister zurückgetreten, sondern hatte sogar die SPD verlassen. Es blieb nur Helmut Schmidt, wenn man nicht gleich Herbert Wehner zu Kanzler machen wollte.



Es war ein Glücksfall, weil Helmut Schmidt die Kraft, den Mut und das Geschick hatte, sich acht Jahre lang zusammen mit einigen verbliebenen Liberalen in der damaligen FDP (allen voran der Graf Lambsdorff und Hans-Dietrich Genscher) einem Abdriften Deutschlands nach links entgegenzustellen.

Er hat (mit mehr Unterstützung aus der Union als aus der SPD) den Kampf gegen den Terrorismus geführt, er hat eine sozialistische Wirtschaftspolitik verhindert, wie viele in seiner Partei sie wollten ("Investitionslenkung" und paritätische Mitbestimmung in der gesamten Wirtschaft sollten in die Planwirtschaft führen). Und er hat den NATO-Doppelbeschluß herbeigeführt und verhindert, daß er von seiner eigenen Partei konterkariert wurde. (Das tat diese erst, als er schon gestürzt war).

Man kann natürlich, lieber F. Alfonzo, auch argumentieren: Ohne Helmut Schmidt wäre die sozialliberale Koalition viel früher zerbrochen, und der Kohl-Aufschwung hätte nicht erst im Herbst 1982 begonnen.

Vielleicht. Aber vielleicht wäre unter einem Willy Brandt, der zunehmend den Linken nachgab und der immer weniger zur Führung in der Lage war, auch Deutschland in den siebziger Jahren so nach links gekippt wie Frankreich nach der Wahl Mitterrands 1981.

Herzlich, Zettel

C.K. Offline



Beiträge: 149

17.05.2008 16:23
#4 RE: Zitat des Tages: "Reichlich neoliberal" Antworten

Lieber Zettel,

Neoliberal vs. Soziale Gerechtigkeit.

Eine kleine Geschichte dazu.

Ich war vor einigen Wochen auf einer Konferenz der Bundeszentrale für politische Bildung in der evangelischen Akademie Schwanenwerder zum Thema "Ideologie und Lebensalltag - Zum Kitt der DDR-Gesellschaft".

Die Abschlussdiskussion war etwas gespenstisch.

Leitfrage: Was bleibt von der DDR?

Auf dem Podium saßen

Wolfgang Templin
Prof. Dr. Richard Schröder (Theologe an der HU)
Dr. Martina Weyrauch (LZPB Berlin)
Dr. Edelbert Richter (Linkspartei)

und diskutierten auch brav das Thema (Abwertung von DDR-Biografien, verpasste Wendechancen, Linkspartei etc.). Als die Diskussion für das Publikum geöffnet wurde, waren wir aber schnell bei der üblichen (stark verkürzten) Litanei: Neoliberalismus, Globalisierung und soziale Gerechtigkeit, alles schlimm.

Tatsächlich führte fast jeder der Wortmelder den Begriff der Sozialen Gerechtigkeit ins Felde und markierte seine Position damit.

Ich erlaubte mir dann kurz vor Schluss anzumerken, ich könne mir nicht vorstellen was mit sozialer Gerechtigkeit gemeint sei. Ich hielte den Begriff eigentlich für gänzlich ungeeignet um als Leitbegriff einer Gesellschaft zu dienen, da er bestenfalls eine Wohlfühlphrase sei, die jeder beliebig mit Inhalt füllen könne und er sich höchstens dafür eigne Negativzuschreibungen - etwas ist schlecht, also nicht sozial gerecht - vorzunehmen. Im Detail, also in der konkreten Auseinandersetzung sei er relativ nutzlos, da er überladen und frei definierbar sei.

Die Erwiederung war lustig.
Wolfgang Templin wurde laut und warf mir vor nicht zugehört zu haben (ich hatte draußen 2 Zigaretten geraucht), jeder im Raum müsse doch an Hand seiner Ausführungen begriffen haben, was soziale Gerechtigkeit sei (er hatte tatsächlich SEINE Vorstellung davon kund getan).

Dr. Richter von der Linkspartei sagte wörtlich zu mir: "Aber Sie argumentieren jetzt ja neoliberal". Ja, das mag sein, aber bei ihm klang das als sei das ein Verbrechen oder das Ausschlusskriterium schlechthin.
Da konnte ich nicht anders als noch einen drauf zu setzten und anzumerken, dass Hayek es sogar als "Wieselwort" bezeichnet hat und ich auch keine Schmerzen mit der Bezeichnung neoliberal hätte. Darauf wurde er etwas hektisch und versuchte darzulegen warum alle Ökonomen aus Österreich die Existenz von sowas wie "Gesellschaft" leugnen.

Die Rettung kam von Prof. Dr. Schröder, der schon vorher anmerkte hier würde ein Subjekt Names "Neoliberalismus" konstruiert. Sein Beispiel waren Studiengebühren: Es gibt Menschen die meinen es sei sozial gerecht wenn das Studium kostenlos ist. Es gibt Menschen die meinen es sei nicht sozial gerecht, dass die Putzfrau in der Uni dem zukünftigen Arzt mit ihren Steuern sein späteres hohes Einkommen finanziert. Und es gibt Menschen die finden es nicht sozial gerecht, dass trotz freien Studiums in Deutschland weniger Kinder aus unteren Gesellschaftsschichten studieren als z.B. in den USA.
Und jetzt solle ihm mal jemand erklären, wie man da mit dem Begriff der sozialen Gerechtigkeit weiterkäme.

Danke für diese Stimme der Vernunft.

Wirklich schräg fand ich aber, dass eine eigentlich vernünftige Konferenz in der Schlussdiskussion in eine solche Richtung kippen konnte und der Linkspartei-Anhänger dort schlimmstes Marktwirtschaftsbashing betreiben konnte und tatsächlich dort unwidersprochen behaupten konnte, wir strebten auf einen Markt ohne Staat zu. Wohlgemerkt, das Thema war: Was bleibt von der DDR?


Jetzt habe ich ziemlich viel geschrieben und eigentlich wenig gesagt, aber da ich es hier schonmal steht, werde ich auch einfach mal auf absenden drücken, auch wenn es etwas off-topic geworden ist

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.05.2008 19:40
#5 RE: Zitat des Tages: "Reichlich neoliberal" Antworten

Lieber C.K.,

jetzt beginne ich einmal mit dem PS : Herzlich willkommen im "kleinen Zimmer"!

Ich hätte das schon bei Ihrem ersten Beitrag schreiben sollen, aber mit diesem ist es mir so gegangen: Ich fand ihn sehr interessant und wollte antworten, wenn ich die verlinkten Artikel gelesn hätte, oder sagen wir: haben würde.

Dazu bin ich nicht gleich gekommen, dann schon sich anderes nach vorn, und so blieb Ihr Beitrag damals unbeantwortet (kommt aber noch) und Sie unbegrüßt. Was ich hiermit gutmachen möchte:

Und weil's eh "meta" ist, gleich noch eine zweite Vorbemerkung: Gegen lange Beiträge habe ich persönlich gar nichts (wie könnte ich, angesichts meiner eigenen Schwäche dafür?). Auch "off topic" soll es hier eigentlich nicht geben. Wie Gespräche im RL entwickelt sich ein Thema halt oft in unerwartete Richtungen. Und wenn's gar zu weit weg geht (wie damals, als ein Thread über Gysi in einen über Religion mündete), dann kann man ja einen neuen Thread aufmachen.



Jetzt zu Ihrem Beitrag, den ich sehr interessant fand, wie überhaupt solche Berichte über konkrete Erfahrungen: Von Richard Schröder habe ich eine außerordentlich hohe Meinung. Er war ja nach der Wende einmal als Bündespräsident im Gespräch, und ich fand es schade, daß er es nicht geworden ist. Die andreren Namen sagen mir nichts, außer natürlich Wolfgang Templin, von dessen politischen Auffassungen ich aber auch keine Vorstellungen habe. Er war ja, glaube ich, noch länger als Biermann ein überzeugter Kommunist und hat dann großen Mut bewiesen, als er aus der Partei austrat und mehr Freiheit forderte. Ob er immer noch an den Sozialismus glaubt, den er sich nur freiheitlich wünscht - ich weiß es nicht.

Daß Schröder sich so verhalten hat, wie Sie es schildern, paßt zu meinem Bild von ihm.

Und daß man sich offfenbar weitgehend einig war, daß "neoliberal" selbstverständlich etwas Negatives ist, bestätigt leider das, was ich geschrieben habe. Der Begriff ist meines Erachtens bei dem immer wiederkehrenden Versuch der Linken, die Semantik zu bestimmen, an die Stelle der früheren Begriffe "Imperialismus", "Neokolonialismus" und "Multis" getreten, die dieselbe Funktion hatten.

Herzlich, Zettel

Feynman ( gelöscht )
Beiträge:

17.05.2008 20:19
#6 RE: Zitat des Tages: "Reichlich neoliberal" Antworten

Zitat von C.K.
Darauf wurde er etwas hektisch und versuchte darzulegen warum alle Ökonomen aus Österreich die Existenz von sowas wie "Gesellschaft" leugnen.


Worher kommt dieses Gerücht eigentlich? Bei den "Österreichern" klingt das ja immer nach die Gesellschaft brauche wenig (keinen) staatlichen Zwang um zu funktionieren. Die Nicht-Österreicher hingegen glauben da weniger an die Gesellschaft dafür mehr an staatlichen Zwang.

Das ewig Unbegreifliche an der Welt ist ihre Begreiflichkeit.
Albert Einstein

Nola ( gelöscht )
Beiträge:

18.05.2008 13:38
#7 RE: Zitat des Tages: "Reichlich neoliberal" Antworten

Zitat Zettel

In Antwort auf:
Es war ein Glücksfall, weil Helmut Schmidt die Kraft, den Mut und das Geschick hatte, sich acht Jahre lang zusammen mit einigen verbliebenen Liberalen in der damaligen FDP (allen voran der Graf Lambsdorff und Hans-Dietrich Genscher) einem Abdriften Deutschlands nach links entgegenzustellen.

Er hat (mit mehr Unterstützung aus der Union als aus der SPD) den Kampf gegen den Terrorismus geführt, er hat eine sozialistische Wirtschaftspolitik verhindert, wie viele in seiner Partei sie wollten ("Investitionslenkung" und paritätische Mitbestimmung in der gesamten Wirtschaft sollten in die Planwirtschaft führen). Und er hat den NATO-Doppelbeschluß herbeigeführt und verhindert, daß er von seiner eigenen Partei konterkariert wurde. (Das tat diese erst, als er schon gestürzt war).


Als "Zeitzeuge" (ich war damals 23 J. jung) habe ich das leider nicht so empfunden, wie viele junge Menschen mit mir. Wir hielten Herrn Schmidt für arrogant und abgehoben.(Kunststück nach Willy Brandt) Aber es war ja auch noch die Zeit des politischen Schweigens. Viel zu wenig Information über ein warum und wieso erreichte das Volk. Es hatte einfach nur "mitzumachen". Heute weiß ich es besser und halte Herrn Schmidt nicht nur in Ehren, sondern glaube, daß er einer der herausragendsten Politiker der Nachkriegszeit ist.


Zitat Zettel
In Antwort auf:
Aber vielleicht wäre unter einem Willy Brandt, der zunehmend den Linken nachgab und der immer weniger zur Führung in der Lage war, auch Deutschland in den siebziger Jahren so nach links gekippt wie Frankreich nach der Wahl Mitterrands 1981.


Warum haben wir jüngeren alle Willy Brandt "geliebt"? Er sprach mit dem Volk (haben wir jedenfalls gedacht) In Wahrheit war seine Persönlichkeit über weite Strecken von seinen Depressionen befallen, die ihn oftmals Handlungsunfähig machten. Somit sehe ich heute Herrn Brandt ganz sicher ohne Glorienschein.

Wieso habe ich gerade das Gefühl, daß man zu einer besseren Beurteilung - wie ich meine - fähig ist, wenn doch ein wenig Patina das jugendliche Ungestüm bedeckt?

♥liche Grüße Nola

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.006

20.05.2008 01:13
#8 RE: Helmut Schmidt und die sozialliberale Koalition Antworten
Lieber Zettel,

mein Kommentar zu Schmidt hat sich nicht auf dessen Qualitäten als Regierungschef generell bezogen (die wohl durchaus nicht unerheblich waren), sondern direkt auf das Konzept des Neoliberalismus.

Ich betrachte das Ergebnis letzendlich nicht politisch, sondern ökonomisch (die Unklarheiten bitte ich zu entschuldigen). Vermutlich ist deshalb auch nicht Schmidt als Kanzler, sondern eher die Regierungskoalition zur Verantwortung zu ziehen, wenn Schmidt, wie Sie sagen, schon Mühe hatte, den "Laden zusammenzuhalten".

Fakt ist aber, dass sämtliche politischen Entwicklungen, die seit Gründung der BRD die neoliberale Wirtschaftsordnung ins Wanken gebracht oder zugunsten des Sozialismus abgebaut haben unter den Regierungen Schmidt und Kohl entstanden sind (fairerweise definiere ich die Ära Kohl mal von `82 - `89, die Wiedervereinigung hat natürlich ganz massive Veränderungen herbeigeführt):

Da wären die Erhöhung der Staatsquote (also auch der Steuern), massive Erhöhung der Staatsschulden (durch den kläglichen Versuch, durch deficit spending ein Perpetuum Mobile in Gang zu setzen, was dann zu einer Stagflation geführt hat) und der massive Ausbau von Sozialleistungen (die allerdings auch, aber nicht ausschließlich durch horrende Tarifabschlüsse in den 70ern begünstigt wurden). Das sind alles Entwicklungen, die so gar nicht neoliberal sind. Abgesehen mal von der Tatsache, dass damals schon klar wurde, dass man mit der Rentenversicherung ein Problem bekommen würde.

Über die Gründe dieser Entwicklung kann man diskutieren, das Ergebnis allerdings kann man in einer Bibliothek nachlesen.
Ach ja: Witzig finde ich, dass ausgerechnet an diesen beiden Regierungen die FDP beteiligt war. Damit wäre eigentlich empirisch widerlegt, dass die FDP eine neoliberale Partei ist... komisch, dass die das nie zu ihrer Verteidigung anführen

P.S.:
Den Kohl-Aufschwung würde ich ja eher als den Aufschwungs-Kohl bezeichnen. Überschätzen Sie niemals den Einfluss von Politikern auf die Konjunktur, die in eine relativ kleine, offene Volkswirtschaft wie Deutschland vor allem von außen hereingetragen wird. Das war auch damals schon so. Die Konjunktur wird von der Summe der Präferenzen der Individuen auf Märkten "gemacht", nicht vom Kanzler. Der Versuch, Konjunkturschwankungen zu glätten wurde ja unternommen (wenn auch nur als "cap" nach unten), ist aber grandios gescheitert. Man kann die Zukunftserwartungen von zig Millionen Menschen nicht dadurch verändern, dass man Papiergeld über dem Land abwirft. Die Menschen wissen das (intuitiv), die meisten Ökonomen wissen das, nur die Politik scheint/schien da ein bisschen hinterherzuhängen.

F. Alfonzo
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

20.05.2008 01:48
#9 Willy Brandt und Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Nola
Wir hielten Herrn Schmidt für arrogant und abgehoben.(Kunststück nach Willy Brandt) Aber es war ja auch noch die Zeit des politischen Schweigens. Viel zu wenig Information über ein warum und wieso erreichte das Volk. Es hatte einfach nur "mitzumachen". Heute weiß ich es besser und halte Herrn Schmidt nicht nur in Ehren, sondern glaube, daß er einer der herausragendsten Politiker der Nachkriegszeit ist.

Ja, liebe Nola, Brandt war wurde halt geliebt und Schmidt nur respektiert.

Ich hatte bei den Wahlen 1972 auch einen "Willy wählen"-Button angesteckt. Überhaupt war ja damals der Drang, sich politisch zu bekennen, groß. Man trug diese Buttons am Wams, man trug noch kleine Anstecker, die erkennen ließen, ob man die CDU oder die SPD favorisierte, man hatte diese Aufkleber sogar auf der Heckscheibe seiner Autos! Und wenn man einen Gesinnungsgenossen überholte, dann hupte man und winkte ihm zu.

Kann man sich heute gar nicht mehr so recht vorstellen, nicht wahr?

Und dazu paßte der nüchterne Hanseate Schmidt nun gar nicht. Die SPD hat ihn nie gemocht. Die Deutschen haben ihn erst schätzen gelernt, als er gegen den Terrorismus standhielt.
Zitat von Nola
Warum haben wir jüngeren alle Willy Brandt "geliebt"? Er sprach mit dem Volk (haben wir jedenfalls gedacht) In Wahrheit war seine Persönlichkeit über weite Strecken von seinen Depressionen befallen, die ihn oftmals Handlungsunfähig machten. Somit sehe ich heute Herrn Brandt ganz sicher ohne Glorienschein.

Ja, seltsam, diese düstere Seite seines Wesens ist damals uns allen entgangen. Er war ja so schwer depressiv, daß er manchmal tagelang im Bett lag und niemanden zu sich ließ; das wurde als Grippe kaschiert.

Und noch etwas Anderes: Er war auch, ganz anders als wir damals dachten, ein eisiger, kaum zur emotionalen Kommunikation fähiger Mensch. Seine Kinder haben das ja später berichtet.

Andererseits halte ich ihn auch heute noch für einen aufrechten Demokraten und vor allem auch Patrioten. Er hat auf seine Art für die Wiedervereinigung gekämpft. Er hat (anders als der intrigante Altkommunist Wehner) nie mit den DDR-Kommunisten gekungelt. Und er hat es trotz der Linken in der SPD immer geschafft, das Verhältnis zu den USA intakt zu halten.

Und er war Opfer einer wirklich widerlichen Kampagen der Rechtsextremen. Allein das war Grund genug, daß wir zu Recht mit ihm solidarisch waren. Das sehe ich auch heute noch so.
Zitat von Nola
Wieso habe ich gerade das Gefühl, daß man zu einer besseren Beurteilung - wie ich meine - fähig ist, wenn doch ein wenig Patina das jugendliche Ungestüm bedeckt?

Das haben Sie aber schön gesagt, liebe Nola.

Herzlich, Zettel

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