Die forsche, plappernde Franziska Drohsel sagt, was die Linke in der SPD denkt: Das Ziel der - auf dem Hamburger Parteitag hat man diese Selbstbezeichnung bekräftigt - "Partei des Demokratischen Sozialismus" ist es, den Kapitalismus abzuschaffen.
Mit wem wird das wohl eher gehen - mit der FDP oder mit derjenigen Partei, die bis vor kurzem ebenfalls die "Partei des demokratischen Sozialismus" war?
In Antwort auf:Weiterhin stehen sich die Anhänger des Schröderschen Kurses, der der Partei den Verlust von 300 000 Mitgliedern und elf verlorene Wahlen in Folge bescherte
Behauptet also die FAZ. Wer sagt denn eigentlich, daß es dieser Kurs war, der der SPD diese Verluste bescherte? KÖnnte man nicht auch zum Schluß kommen, die fortwährende Sabotage und Propaganda der SPD-Linken gegen die Politik der eigenen Regierung wäre schuld gewesen? Konnte es denn eine bessere Wahlhilfe für die SED (die ja im wesentlichen Nutznießer der SPD-Verluste war) geben als die Steilvorlagen der SPD-Linken?
Zitat von R.A.Wer sagt denn eigentlich, daß es dieser Kurs war, der der SPD diese Verluste bescherte? KÖnnte man nicht auch zum Schluß kommen, die fortwährende Sabotage und Propaganda der SPD-Linken gegen die Politik der eigenen Regierung wäre schuld gewesen? Konnte es denn eine bessere Wahlhilfe für die SED (die ja im wesentlichen Nutznießer der SPD-Verluste war) geben als die Steilvorlagen der SPD-Linken?
Gute Fragen, lieber R.A. Es stimmt - wenn die SPD die "Agenda 2010" (ich schreibe das jetzt schon in Anführungszeichen; der Begriff ist ja schon verstaubt, bevor das Jahr auch nur erreicht ist) geschlossen unterstützt hätte, dann hätte das sogar für sie ein großer Erfolg werden können.
Dann hätte ja Schröder auch nicht das Vabanquespiel der Neuwahlen versuchen müssen. Daran war die Linke schuld, deren Unterstützung er nicht mehr sicher sein konnte.
Nur war diese Situation wiederum die Schuld von Schröder selbst, der eben nie als Reformer in der SPD aufgetreten ist, wie seinerzeit Tony Blair bei Labour, und wie es jetzt Delanoe in Frankreich mit der PS versucht.
Er hat den ganzen rotgrünen Irrsinn fünf Jahre mitgemacht und vertreten und dann, als sei er Generalsekretär einer KP, von oben die Wende um 180 Grad befohlen.
Nur ist die SPD keine kommunistische Partei; und für sehr viele war diese Agenda 2010 schon deshalb diskreditiert, weil sie Schröder in dieser Art durchgeboxt hat.
Die harte Linke wäre so und so dagegen gewesen. Aber eine Mehrheit der Partei hätte Schröder meines Erachtens hinter sich bringen können, wenn er vor 1998 einen "New Labour"-Kurs in der SPD zur Diskussion gestellt hätte.
Aber er wurde ja nicht aus Einsicht zum Neoliberalen, sondern weil das rotgrüne Experiment so radikal gescheitert war, daß er gar keine Wahl mehr hatte. Außerdem ist Schröder ohnehin nicht der Mann, Überzeugungen zu haben und für sie zu werben; sondern es ging ihm stets nur um die Macht.
Auch in dieser Hinsicht ist Schröders Hinterlassenschaft katastrophal: Er hat einen liberalen Kurs der SPD auf Jahrzehnte diskreditiert. So, wie er einer der Hauptverantwortlichen für den Irak-Krieg ist, wird er auch die Hauptverantwortung dafür tragen, daß es zu einer Volksfront kommt.
Ich weiß, lieber R.A., viele halten es für überzogen, wenn ich das schreibe. Es ist aber nach meiner Überzeugung die Wahrheit.
völlig richtig, es war natürlich schon Schröder, der die Hauptschuld trägt. Mir ging es erst einmal darum, daß ausgerechnet die FAZ hier völlig unkritisch die linke Propaganda rezitiert.
Ansonsten sehe ich aber strukturell schon die Linken als Hauptursache des SPD-Problems: Schon vor Schröder haben sie es im Prinzip unmöglich gemacht, dort vernünftige Grundlagendiskussionen zu führen. Die Zeit in der Opposition durfte nie zur Regeneration genutzt werden, sondern der Mangel an disziplinierender Regierungsverantwortung wurde als Freibrief genommen, jedes Abweichen von völlig realitätsferner Dogmatik zu verhindern.
In vielen Punkten konnte man ja als Liberaler mit SPD-Realos besser zusammen arbeiten als mit jeder anderen Partei, die CDU eingeschlossen. Aber die resignieren mehr und mehr und scheinen gegenüber den Linksfrontlern nicht mehr kampffähig zu sein.
Na, die Schuld auf Schroeder zu schieben ist zu kurz gegriffen: Blair hatte mit New Labour einen ideologischen Unterbau fuer das, was die SPD 'neoliberal' nennt. Das Schroeder-Blair Papier ging auch in diese Richtung. Aber im gegensatz zu Schroeder war Blair auch Parteivorsitzender und hatte keinen Lafontaine, der die Partei auf einen anderen Kurs eingetrimmt hat. Schroeder hatte die Unterstuetzung der Partei erst durch die Niedersachsenwahl ('Hallo Kandidat') und vorher nicht. (Und nachher auch nicht.)
ich sollte vorausschicken, daß ich seit gemeinsamen Juso-Zeiten eine tiefe Abneigung gegen Gerhard Schröder habe. Insofern bin ich sicher einseitig, wenn ich über ihn schreibe.
Damals in den Siebzigern gab es bei den Jusos verschiedene "Fraktionen"; die "Stamokaps", die "Antirevisionisten", die "Reformer". Dazwischen viele, die sich an diesen Diskussionen beteiligten, ohne sich gleich einer "Linie" anzuschließen. Die aber eben auch ernsthaft diskutierten.
Und es gab Gerhard Schröder, von dem niemand wußte, wo er stand, der es aber irgendwie fertigbrachte, Bundesvorsitzender zu werden. Er galt schon damals als ein Opportunist ohne Überzeugungen, den allein die Macht interessiert.
Das ist er aus meiner Sicht geblieben, über alle seine Karrierestationen, bis hin zu der unglaublichen Entscheidung, sofort nach Ende seiner Amtszeit als Kanzler in den Dienst eines ausländischen Staatskonzerns zu treten. Das war Schröder, wie ich ihn seit über dreißig Jahren kenne: Nur auf den eigenen Vorteil bedacht, ohne Rücksicht auf die Interessen der Partei oder gar des Staats.
Zitat von DagnyNa, die Schuld auf Schroeder zu schieben ist zu kurz gegriffen: Blair hatte mit New Labour einen ideologischen Unterbau fuer das, was die SPD 'neoliberal' nennt. Das Schroeder-Blair Papier ging auch in diese Richtung. Aber im gegensatz zu Schroeder war Blair auch Parteivorsitzender und hatte keinen Lafontaine, der die Partei auf einen anderen Kurs eingetrimmt hat.
Wenn Schröder ein überzeugter Anhänger von New Labour gewesen wäre, dann hätte er zwischen seiner Zeit als Juso-Vorsitzender und 1998 zwanzig Jahre lang Zeit gehabt, in der SPD dafür zu werben.
Er hat noch nicht einmal Ansätze gezeigt, das zu tun. Die Partei interessierte ihn stets nur als Instrument für seinen persönlichen Ehrgeiz. Er schloß Bündnisse mit allen, die ihm dabei helfen wollten; beispielsweise 1984 mit den niedersächsischen Rechten in der SPD, die ihm, der damals als Linker auftrat, die Spitzenkandidatur einbrachten. So hat er es immer gemacht: Kungeln, Putsch, Sieg.
Zitat von DagnySchroeder hatte die Unterstuetzung der Partei erst durch die Niedersachsenwahl ('Hallo Kandidat') und vorher nicht. (Und nachher auch nicht.)
Das stimmt. Obwohl er via Jusos ja die ganze Partei durchlaufen hat.
Er hatte nicht deshalb nicht die Unterstützung der Partei, weil er ihr ideologisch ferngestanden hätte; denn Überzeugungen hat er ja nie erkennen lassen. Sondern weil man ihn kannte oder kennengelernt hatte.
Unabhängig von dieser Bewertung Schröders geben ich Ihnen, liebe Dagny, aber Recht: Daß die SPD die Wende zu "New Labour" nicht geschafft hat, ist nicht Schröders Schuld. Wie Sie sagen, hat man die achtziger und neunziger Jahre, als man in der Opposition Zeit dazu hatte, nicht für eine programmatische Diskussion genutzt.
Aber man hätte sie auch nach 1998 noch führen können. Das Schröder-Blair-Papier hätte ein Ansatz sein können.
Aber auch das war wieder nur eine der Schaumschlägereien Schröders gewesen; so schnell wieder in die Schublade gesteckt, wie er es rausgezogen hatte. Typisch Schröder: Was für Blair eine Neuorientierung der Labour Party aus Überzeugung war, das bensutzte Schröder nur als taktisches Stückchen, um diejenigen ruhigzustellen, die nach der Regierungsbildung die im Wahlkampf großspurig verkündete "Neue Mitte" nicht entdecken konnten.
Lieber Zettel, ich glaube, der größte Unterschied zwischen Blair und Schröder ist Margret Thatcher. Das heißt, dass Blair schon auf den Erfolgen von Thatcher und Major aufbauen konnte. Für ihn ging es nur darum, die Reformen hier und da etwas abzurunden, Härten zu beseitigen und dabei das Erreichte nicht zu gefährden. In der glücklichen Situation war Schröder nicht. Davon abgesehen: Ich konnte ihn auch nie leiden. Mir hat mal wer gesagt, dass Schröder seine eigene Großmutter verkaufen würde, wenn es ihm hilft. Derjenige kannte ihn aus der Zeit, als er im Wendland diese Prozesse rund um Gorleben (Demos gegen Endlager) führte. Was die SPD angeht: Ich kenne die sogenannte Parteibasis zu wenig, um ihre koalitionsmäßigen Präferenzen wirklich beurteilen zu können. Es stimmt aber, dass sie als Juniorpartner einer großen Koalition immer weiter marginalisiert würde. Das spricht aus ihrer Sicht für die Volksfront. Wenn sie noch schwankt, muss man dabei ja berücksichtigen, dass Merkel mE der Union in den letzten paar Jahren fast jegliches konservatives Profil genommen hat, sich also auf die Linken zubewegt hat. Auch eine Wahl von Obama in Amerika könnte die Leute bestärken, die alles "ganz neu denken" wollen usw. (nur die Wahl, nicht das, was absehbar danach kommt). Herzlich, Chripa
Zitat von ZettelEr hatte nicht deshalb nicht die Unterstützung der Partei, weil er ihr ideologisch ferngestanden hätte; denn Überzeugungen hat er ja nie erkennen lassen. Sondern weil man ihn kannte oder kennengelernt hatte.
War das so? Von Schröder habe ich erstmals gehört, als die SPD den Nachfolger Engholms wählte. Damals trat er gegen Scharping und (glaube ich) Wieczorek-Zeul an, und wirkte äußerst untypisch für einen damaligen Sozialdemokraten: laut, hemdsärmelig, selbstbewußt, eine Mischung aus Prolet und Macho. Dabei war man doch sensibel, abwägend, problematisierend, kunstsinnig, verständnisvoll, nachdenklich, leise, so etwa wie der weizsäckerhafte Engholm - ach, wäre nur die verdammte Schublade nicht gewesen... Scharping kam dem einigermaßen nahe, während Schröder wie ein Bulldozer auftrat. Der hat die mild-bedenklichen Sozis erschreckt.
So wurde die Niederlage Schröders jedenfalls kommentiert, wenn ich mich richtig erinnere.
Zitat von ZettelEr hatte nicht deshalb nicht die Unterstützung der Partei, weil er ihr ideologisch ferngestanden hätte; denn Überzeugungen hat er ja nie erkennen lassen. Sondern weil man ihn kannte oder kennengelernt hatte.
War das so? Von Schröder habe ich erstmals gehört, als die SPD den Nachfolger Engholms wählte. Damals trat er gegen Scharping und (glaube ich) Wieczorek-Zeul an, und wirkte äußerst untypisch für einen damaligen Sozialdemokraten: laut, hemdsärmelig, selbstbewußt, eine Mischung aus Prolet und Macho.
Schröder, lieber Kallias, hatte immer ein sehr verschiedenes Image innerhalb und außerhalb der SPD. Sein Bild in der Öffentlichkeit skizzieren Sie sehr treffend. In der SPD hatte er aber das Image des Opportunisten. (Natürlich gilt das immer nur so ungefähr; nicht für alle. Das versteht sich ja).
Übrigens habe ich bei dieser "Urwahl" zähneknirschend Schröder gewählt. Die "rote Heidi" kam für mich nicht in Frage, und Scharping hielt ich zwar für redlich, aber für unfähig, die SPD als Spitzenkandidat zum Sieg zu führen.
Daß er dann, nachdem er in der ersten und einzigen Urwahl von den Mitgliedern als Vorsitzender ausgesucht worden war, von Delegierten gestürzt wurde, die Lafontaine besoffen gemacht hatte, das hat mir damals endgültig gezeigt, zu was für einer Partei die SPD geworden war.
Zitat von ZettelSchröder, lieber Kallias, hatte immer ein sehr verschiedenes Image innerhalb und außerhalb der SPD. (...) In der SPD hatte er aber das Image des Opportunisten.
Sehr interessant: wie ist das möglich? Bei Delegierten und Parteioffiziellen kann ich mir eine solche Diskrepanz vorstellen, aber daß sich deren Bild an die hunderttausende einfacher Mitglieder vermittelt und dort nicht das mediale Image vorherrscht, überrascht mich.
Und andersherum: wie kommt es, daß Journalisten ein anderes Bild eines Politikers malen als sie es selbst im Kontakt mit der Partei erfahren? Von Gabriel habe ich gelesen, daß er "in der Partei als Opportunist" gilt, aber nicht von Schröder. Merkwürdig.
Zitat von ZettelWie Sie (Dagny) sagen, hat man die achtziger und neunziger Jahre, als man in der Opposition Zeit dazu hatte, nicht für eine programmatische Diskussion genutzt.
In den achtziger Jahren gab es eine programmatische Wende hin zum "rot-grünen Projekt"; das stand auch im Einklang mit der allgemeinen Tendenz im Lindenstraßen-Deutschland, Rotgrün wäre wohl 1990 schon gekommen (und 1994 durch gewesen), wenn nicht dazwischen unprogrammgemäß die Wiedervereinigung, pardon Neuvereinigung, passiert wäre. Das normale Hin und Her der Politik schien damals aus dem Takt zu geraten. 1998 war Rotgrün dann schon ein Anachronismus.
In Antwort auf:Rotgrün wäre wohl 1990 schon gekommen
Das ist ein linker Mythos ohne jegliche Belege. Kein Mensch weiß, wie die Bundestagswahl ohne Wiedervereinigungseffekt ausgegangen wäre - es gibt da nur ein paar notorisch unzuverlässige Umfragezahlen.
In Antwort auf:Rotgrün wäre wohl 1990 schon gekommen
Das ist ein linker Mythos ohne jegliche Belege. Kein Mensch weiß, wie die Bundestagswahl ohne Wiedervereinigungseffekt ausgegangen wäre - es gibt da nur ein paar notorisch unzuverlässige Umfragezahlen.
Aha, bin ich den Linken also auf den Leim gekrochen, das kann schon sein. Wie die Wahl ausgegangen wäre, weiß man natürlich nicht. Aber es scheint mir doch so viel klar, daß Rotgrün Ende der achtziger Jahre sowohl bei der SPD als auch bei den Grünen (dort noch mit größerem Widerstand) durchgesetzt war.
Die Regierung Kohl befand sich erkennbar im Niedergang. (Oder ist das vielleicht auch ein linker Mythos?) Daher meine Vermutung.
Ich widerspreche v.a. der Behauptung, es hätte in der Opposition keine programmatische Debatte gegeben. Die führte bloß nicht zu New Labour, sondern zu Rot-Grün.
Zitat von Kallias Ich widerspreche v.a. der Behauptung, es hätte in der Opposition keine programmatische Debatte gegeben. Die führte bloß nicht zu New Labour, sondern zu Rot-Grün.
Gruß, Kallias
Sehen wir jetzt die Programmatische Debatte hin zur Volksfront? Mir fehlt darin immer noch die Programmatik der Gruenen, aber es scheint, dass die gruenen nicht so buergerlich sind, wie es Hamburg vortaeuscht.
Zitat von DagnySehen wir jetzt die Programmatische Debatte hin zur Volksfront? Mir fehlt darin immer noch die Programmatik der Gruenen, aber es scheint, dass die gruenen nicht so buergerlich sind, wie es Hamburg vortaeuscht.
Ich sehe keine programmatische Debatte. Nach der Wahl 2005 wurde die Interpretation durchgesetzt, das Volk habe den Neoliberalismus abgelehnt und daher müsse man sich jetzt um Gerechtigkeit usw. kümmern.
2007 wurde diese These ergänzt um die Behauptung, wir hätten jetzt auf Dauer ein Fünfparteiensystem. Aber ein Volksfront-Projekt sehe ich nicht. Das rötliche Morgenleuchten fehlt, ich glaube, Chripa hat recht, es geht um die Kanzlermehrheit, nicht um ein Programm.
Zitat von ZettelSchröder, lieber Kallias, hatte immer ein sehr verschiedenes Image innerhalb und außerhalb der SPD. (...) In der SPD hatte er aber das Image des Opportunisten.
Sehr interessant: wie ist das möglich? Bei Delegierten und Parteioffiziellen kann ich mir eine solche Diskrepanz vorstellen, aber daß sich deren Bild an die hunderttausende einfacher Mitglieder vermittelt und dort nicht das mediale Image vorherrscht, überrascht mich.
Sie haben schon recht, lieber Kallias. Solche Aussagen wie meine sind immer nicht nur cum grano salis, sondern sozusagen mit einer Kelle voll Salz genießbar.
Wenn man sich die Wirklichkeit ganz genau anguckt, dann verschwinden meist solche Kategorisierungen und Gegenüberstellungen, und man trifft auf nix als Kontinua, als Gradienten.
Bei vielen aktiven Mitgliedern hatte Schröder diesen Ruf des Opportunisten, bei den meisten Wählern nicht. Unter den "einfachen Mitgliedern" wird es viele gegeben haben, die das wie die aktiven Mitglieder sahen, und viele, die es wie die Wähler sahen.
Bei den "einfachen Mitgliedern" gibt es ja auch wieder viele Abstufungen, wie bei den Christen.
Von denen, die in jede MV gehen, aber kein Amt übernehmen wollen, über diejenigen, die nur regelmäßig in die Jahreshauptversammlung gehen und die, die das nur alle paar Jahre tun bis zu denen, die nur Beiträge zahlen. Und die, die noch nicht einmal das (ehrlich) tun.
Aber das wäre wiederum ein anderes Thema, die Beitragsehrlichkeit.
In Antwort auf:Aber es scheint mir doch so viel klar, daß Rotgrün Ende der achtziger Jahre sowohl bei der SPD als auch bei den Grünen (dort noch mit größerem Widerstand) durchgesetzt war.
Das ist auf jeden Fall richtig.
In Antwort auf:Die Regierung Kohl befand sich erkennbar im Niedergang.
Das konnte ich nicht erkennen - das wäre halt das Wahlkampfthema gewesen, ob dem so ist. Sagen wir mal so: Die Regierung Kohl ging mit einem großen Vorsprung (Wahlergebnis von 1987) in die Wahl (53% zu 45%). Da hätte ohne Problem etwas bröckeln können, um Lafontaine wäre noch lange nicht Nachfolger von Kohl geworden. Ich hatte damals nicht das Gefühl, daß ein Kandidat Lafontaine damals so populär oder ein Kohl so verbraucht gewesen wäre, daß rot/grün ohne Wiedervereinigung eine Mehrheit geschafft hätten.
Man könnte auch allgemein sagen: Nur auf Westdeutschland bezogen hatten SPD und Grüne noch nie bei einer Bundestagswahl die Mehrheit. Wieso also hätte das 1990 der Fall sein sollen?
In Antwort auf:Ich widerspreche v.a. der Behauptung, es hätte in der Opposition keine programmatische Debatte gegeben. Die führte bloß nicht zu New Labour, sondern zu Rot-Grün.
Das mag sein. Ich kann mich zwar nicht erinnern, daß die SPD auch inhaltlich über eine Kurskorrektur oder überhaupt eine echte programmatische Basis für eine Regierungsübernahme diskutiert hätte. Die Entscheidung für rot/grün war taktisch, und 1998 hatte man das Gefühl, keiner hätte mit der Regierungsverantwortung gerechnet und da hätte das Nachdenken überhaupt erst rudimentär angefangen. Aber der Eindruck kann falsch sein, die SPD-Interna damals habe ich nicht immer detailliert verfolgt.
Zitat von KalliasIn den achtziger Jahren gab es eine programmatische Wende hin zum "rot-grünen Projekt"; das stand auch im Einklang mit der allgemeinen Tendenz im Lindenstraßen-Deutschland.
Es gab, lieber Kallias, aus meiner Sicht so etwas wie eine schleichende Wandlung der SPD, die etwas damit zu tun hatte, daß erstens die Jusos der siebziger Jahre in die Funktionen nachrückten und daß zweitens die SPD sich in ihrer sozialen Zusammensetzung änderte: Die Arbeiter und kleinen Angestellten starben weg oder zogen sich aus der Partei zurück, und die neu Eintretenden und in der Hierachie Nachrückenden waren überwiegend die schon oft apostrophierten Lehrer, Sozialarbeiter, Angehörigen des Öffentlichen Dienstes.
Damit ging einher, daß die SPD den diversen "Bewegungen" erlag - der "Friedensbewegung", der "Anti-AKW-Bewegung", der "Frauenbewegung".
Das hatte in der Tag zum Ergebnis, daß die SPD zur Zeit der Wiedervereinigung (das scheint mir das richtige Wort zu sein ) eine andere Partei war als die der siebziger Jahre. Aber das war eben eine schleichende Veränderung gewesen, nicht das Ergebnis einer offenen und kontroversen Diskussion, wie bei der Entscheidung für "New Labour".
Und es war eine Wandlung, die viel mehr die Schicht der aktiven Mitglieder und die der kleinen und mittleren Funktionäre und Mandatsträger betroffen hatte. Das wurde deutlich, als die Mitglieder in der Urwahl 1993 nicht die Exponentin dieses Wandels, die rote Heidi, wählten und auch nicht Schröder, der damals noch von vielen als links von Scharping stehend gesehen wurde, sondern eben Rudolf Scharping, der die SPD vor dieser Wandlung repräsentierte.
Als Lafontaine auf dem Mannheimer Parteitag putschte, war das zugleich auch ein Putsch dieser Schicht der Aktiven gegen die einfachen Mitglieder.
Als Schröder dann im Wahlkampf 1998 die "Neue Mitte" propagierte, hatte er mal wieder eine seiner vielen Volten geschlagen. Daß die Partei das mitmachte, zeigte, wie opportunistisch auch sie (die aktiven ... usw. usw.) geworden war.
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