Zitat von ZettelKommentar: Als Liberalkonservativer kann ich mich über den jämmerlichen Zustand der SPD nicht freuen; denn jede funktionierende Demokratie braucht eine starke linke Volkspartei.
das hatten Sie bereits ausgeführt in einem anderen Strang, worauf ich eigentlich noch eingehen wollte. Mache ich das halt jetzt hier.
Zitat von ZettelMir wird tatsächlich auch um die SPD zunehmend bange. Keine Demokratie kann ohne eine starke linke Volkspartei funktionieren.
Zitat von ZettelEs ist schon ein Desaster, lieber Califax. Wie geschrieben - unser Land braucht eine starke SPD.
Was den Tenor angeht, haben Sie sicherlich recht, aber mir ist das zu platt und nicht differenziert genug. Was genau ist es denn, was wir brauchen? Eine starke SPD, wie Sie sagen? Oder ist es die Sozialdemokratie, die wir benötigen? Oder ist es generell eine starke linke Volkspartei?
Wenn Sie von einer starken SPD sprechen, ohne einer Darstellung der Gründe, dann widerspreche ich erstmal, denn diese SPD hat überhaupt keinen politischen Entwurf, der mich interessiert. Sie macht nichts, außer neue Vorschriften und weitere Regulierung zu erfinden, von denen irgendjemand ohne echte Argumente oder Sachverstand überzeugt ist, worauf ich vollständig verzichten kann und möchte. In diesem Sinne ist die SPD überflüssig wie ein Kropf. Werden ohne starke rechte und linke Volksparteien die politischen Ränder gestärkt? Genau das ist die Gefahr; deshalb brauchen wir sie. Läßt sich momentan ja leider beobachten, wieviele Menschen angesichts der Schwäche der SPD nach links abdriften an bzw. hinter die Grenzen des demokratischen Spektrums, viele sicherlich ohne es (bewußt) zu merken. Besteht also eine Notwendigkeit einer starken linken Volkspartei? Ganz bestimmt - aber ich sehe keinen Grund, warum das unbedingt die SPD sein muß.
Haben wir einen Mangel an sozialdemokratischer Politik (falls es sowas überhaupt gibt)? Kein Gedanke! Ich fühle mich geradezu umzingelt von Gutmenschen, die noch ein bißchen mehr regulieren möchten, immer weiter in mein Leben reinregieren wollen, was sie für vernünftig halten, den Staatsapparat noch weiter aufblähen, Steuern und Abgaben stetig erhöhen usw. usf. Mit dem, was heute gemeinhin als linke Politik bezeichnet wird, nerven mich - mit Ausnahme der FDP - alle Parteien mehr oder weniger penetrant. Mit der Sorge um die SPD kann also keinesfalls ein Abhandenkommen sozialdemokratischer Politik gemeint sein, denn die dominiert.
Kann die Rolle der SPD auch von einer anderen Partei übernommen werden? Ich glaube schon, daß wir in o. g. Sinne eine starke linke Volkspartei haben, nämlich die CDU! Deren Reformer, die den Staat entrümpeln wollen, sind doch schon alle vor und spätestens kurz nach der letzten Wahl verjagt worden. Denen fällt auch nichts anderes mehr ein, als für jedwedes Problem nach dem Staat zu rufen, der dann mit Geld und/oder neuen Gesetzen kommt. Daß Regulierung auch Ursache und nicht nur Lösung von Problemen sein kann, kommt in deren Köpfen nicht einmal mehr vor.
Wenn wir in Deutschland an irgendwas einen ganz klaren Mangel haben, dann an Liberalismus. Darüber sollte man sich Gedanken machen. Wir drohen nicht im Chaos zu versinken, sondern an einem wahnwitzigen Verwaltungsapparat zu ersticken. Als Neuseeland die Staatsquote drastisch und erfolgreich zurückgeschraubt hat, hat man auch das Steuersystem radikal vereinfacht und die Hälfte der Finanzbeamten in die Wüste geschickt. Das wäre mal eine Maßnahme für Deutschland, um mehr Luft zum Atmen zu bekommen. Was wir dagegen gar nicht brauchen, sind noch mehr Heinis mit sozialdemokratischen Vorstellungen (egal von welcher Partei), die irgendwas regeln (wollen) und in komplexen Systemen herumpfuschen, die sie nicht verstehen.
Brauchen wir eine starke linke Volkspartei, um nach links ins demokratische Spektrum zu integrieren? Ja! Vielmehr davon aber bitte nicht.
alles sehr triftige Gründe, die Sie aufzählen, die den Niedergang der SPD eindrücklich belegen. Und dennoch glaube ich, dass das nur die Hälfte der Wahrheit ist. Wenn die Probleme der SPD rein in ihrer Führung und ihrem Stil bestünden, dann würde vom Niedergang vor allem die CDU profitieren, denn wie Rex Cramer gerade schrieb, ist das eine starke, linke Volkspartei in Deutschland. Das hält sich aber in Grenzen, der eigentliche Profiteur sind die Parzeien noch weiter links, wo gerade der Demagoge, der maßgeblich der SPD schadete, jetzt die Zügel in der Hand hält. Und gemessen an den Intrigen, die im grünen Parteivorstand so laufen, halte ich die SPD nicht für übertrieben intrigant.
Meine Erklärung für den Niedergang ist bei weitem pessimistischer und sie hat einen Namen: "Soziale Gerechtigkeit". Dieses Gespenst erschien der SPD Anfang der neunziger Jahre ein tolles Thema zu sein. Denn Gerechtigkeit ist toll, jeder will das, und dadurch, dass es in einer Marktwirtschaft zwangsnotwendig soziale Unterschiede gibt, ist sie nie vorhanden. Toll eigentlich, sollte man meinen. Das ist in etwa so toll wie jeden Tag Sonnenschein zu fordern, die meisten sind dafür, obwohl sie nichtmal wissen, was das jetzt genau sein soll oder wie man das erreichen will, aber man sieht es für sich persönlich als eine Verbesserung an. Als die SPD 98 dann an die Macht kam, war das Gespenst bereits ein reiner Selbstläufer. Und es wurde immer schlimmer, denn obwohl die SPD sie nicht herstellen konnte, wurde sie weiter angebetet. Inzwischen macht das ja sogar die CDU und eine Gegenposition in der FDP sehe ich auch nur selten.
Was ich damit sagen will, ist, dass das meiste was in der SPD läuft, vom klassischen SPD Wähler gar nicht wahrgenommen wird, weil der sich weit weniger für Politik interessiert, als beispielsweise ein Wähler der FDP. Das aber diese tolle, "soziale Gerechtigkeit" nicht kommt, wenn man dann die Roten wählt, das merkt der Wähler schon. Und dann probiert er es noch weiter links, denn die versprechen das ja noch viel, viel mehr. Das schlimme daran ist, die SPD kann tun und lassen was sie will, sie wird die Geister, die sie rief, nicht mehr los. Will sagen, das, was die Sozialpoltiker die letzten 20 Jahre gepredigt haben, hat die Gesellschaft massiv verändert, ein Anspruchsdenken installiert, das jetzt nicht befriedigt werden kann. Es war die Unehrlichkeit zuzugeben, dass eine funktionierende Volkswirtschaft keine soziale Gerechtigkeit herstellen kann und darf. Diese Lüge kann aber nicht mehr zurückgenommen werden.
Zitat von RexCramerdas hatten Sie bereits ausgeführt in einem anderen Strang, worauf ich eigentlich noch eingehen wollte. Mache ich das halt jetzt hier.
Ja, es schien mir wichtig genug, es vom Kleinen Zimmer in ZR zu befördern. Jedenfalls ist es mir subjektiv wichtig genug. Es beunruhigt mich wirklich, wie die SPD vor die Hunde geht.
Zitat von RexCramerWas genau ist es denn, was wir brauchen? Eine starke SPD, wie Sie sagen? Oder ist es die Sozialdemokratie, die wir benötigen? Oder ist es generell eine starke linke Volkspartei?
Das Letztere. Eine Demokratie kann nur dann funktionieren, wenn als Alternative zur jeweiligen Regierung eine regierungsfähige Opposition bereitsteht. Regierungsfähig: Das heißt, daß sie erstens stark genug ist, um zu regieren. Es heißt zweitens, daß sie die Verwaltung der Regierungsgeschäfte übernehmen, aber nicht die Gesellschaft umkrempeln wird, wenn sie an die Macht kommt.
Jetzt droht uns die schlechteste aller überhaupt denkbarer Konstellationen: Eine SPD, die so schwach ist (und personell so am Ende), daß sie gar nicht regieren kann. Und die, falls sie das mit Hilfe der Kommunisten dennoch tun wird, von diesen in das Abenteuer einer Veränderung der Gesellschaft gestürzt werden wird.
Auch Deutschland, lieber RexCramer, ist ja nicht vor einem Niedergang sicher, wie ihn auch Demokratien immer wieder erleben. 1998 bis 2005 war ein Vorgeschmack. Die Volksfront wird, falls sie es an die Macht schafft, unser Land in die schlimmste Krise seit 1949 führen.
Zitat von RexCramerWenn Sie von einer starken SPD sprechen, ohne einer Darstellung der Gründe, dann widerspreche ich erstmal, denn diese SPD hat überhaupt keinen politischen Entwurf, der mich interessiert. Sie macht nichts, außer neue Vorschriften und weitere Regulierung zu erfinden, von denen irgendjemand ohne echte Argumente oder Sachverstand überzeugt ist, worauf ich vollständig verzichten kann und möchte. In diesem Sinne ist die SPD überflüssig wie ein Kropf.
Wie soll dann der demokratische Wechsel funktionieren?
Zitat von RexCramerWerden ohne starke rechte und linke Volksparteien die politischen Ränder gestärkt? Genau das ist die Gefahr; deshalb brauchen wir sie. Läßt sich momentan ja leider beobachten, wieviele Menschen angesichts der Schwäche der SPD nach links abdriften an bzw. hinter die Grenzen des demokratischen Spektrums, viele sicherlich ohne es (bewußt) zu merken. Besteht also eine Notwendigkeit einer starken linken Volkspartei? Ganz bestimmt - aber ich sehe keinen Grund, warum das unbedingt die SPD sein muß.
Wer sonst, lieber Rex Cramer? Es ist doch offensichtlich, daß allein die Kommunisten die Lücke füllen werden.
Zitat von RexCramerHaben wir einen Mangel an sozialdemokratischer Politik (falls es sowas überhaupt gibt)? Kein Gedanke! Ich fühle mich geradezu umzingelt von Gutmenschen, die noch ein bißchen mehr regulieren möchten, immer weiter in mein Leben reinregieren wollen, was sie für vernünftig halten, den Staatsapparat noch weiter aufblähen, Steuern und Abgaben stetig erhöhen usw. usf.
Genauso sehe ich das auch. Wir brauchen 2009 dringend eine Koalition von CDU und FDP. Deutschland ist in Gefahr, das wieder zu verspielen, was die Agenda 2010 erbracht hat, nämlich ein partielles Aufholen in der globalen Konkurrenz.
Zitat von RexCramerKann die Rolle der SPD auch von einer anderen Partei übernommen werden? Ich glaube schon, daß wir in o. g. Sinne eine starke linke Volkspartei haben, nämlich die CDU! Deren Reformer, die den Staat entrümpeln wollen, sind doch schon alle vor und spätestens kurz nach der letzten Wahl verjagt worden. Denen fällt auch nichts anderes mehr ein, als für jedwedes Problem nach dem Staat zu rufen, der dann mit Geld und/oder neuen Gesetzen kommt. Daß Regulierung auch Ursache und nicht nur Lösung von Problemen sein kann, kommt in deren Köpfen nicht einmal mehr vor.
Ich stimme Ihnen zu. Nachdem sie ihren konservatven Flügel amputiert hat, der einmal durch Leute wie Dregger und Carstens verkörpert wurde, ist die CDU jetzt in Gefahr, auch noch ihren liberalen Flügel zusammenzustutzen. Das ist nicht das Werk von Merkel; sondern sie hat in der Großen Koalition halt nur einen geringen Spielraum.
Aber die CDU könnte die SPD als linke Volkspartei nur dann ablösen, wenn jemand anders an ihre Stelle als rechte Volkspartei träte. Wer sollte das sein? Die FDP? Schön wär's, aber es ist auch ein Traum.
Angela Merkel könnte Größe zeigen, indem sie Friedrich Merz zurückgewinnt. Ein Führungstrio Merkel-Schäuble-Merz, das wäre das Optimale für die CDU.
Zitat von RexCramerWenn wir in Deutschland an irgendwas einen ganz klaren Mangel haben, dann an Liberalismus. Darüber sollte man sich Gedanken machen. Wir drohen nicht im Chaos zu versinken, sondern an einem wahnwitzigen Verwaltungsapparat zu ersticken.
Man kann auch Pest und Cholera haben, lieber RexCramer.
Mehr noch: Das ist der Normalzustand parlamentarischer Demokratien mit Verhältniswahlrecht, dem wir uns jetzt nähern könnten. Sowohl im Frankreich der Vierten Republik als auch in der italienischen Nachkriegsrepublik gab es zugleich ein Chaos auf der Regierungsebene und eine wuchernde Verwaltung.
Zitat von RexCramerAls Neuseeland die Staatsquote drastisch und erfolgreich zurückgeschraubt hat, hat man auch das Steuersystem radikal vereinfacht und die Hälfte der Finanzbeamten in die Wüste geschickt. Das wäre mal eine Maßnahme für Deutschland, um mehr Luft zum Atmen zu bekommen.
Und das hat eine sozialdemokratische Regierung gemacht; "Rogernomics". So, wie anderswo - in Holland, in Finnland zum Beispiel - an erfolgreichen neoliberalen Reformen die Sozialdemokraten zumindest beteiligt waren.
Zitat von RaysonLieber Zettel, dein Schlusssatz klänge weniger sexistisch und würde inhaltlich keinesfalls verlieren, wenn du noch Kurt Beck und Olaf Scholz angeführt hättest...
Lieber Rayson,
ja, das hätte eine lange Liste werden können. Aber ich habe ja für jede Periode nur die (maximal) zwei herausragenden Vertreter ausgewählt.
für jede historische Entwicklung kann man Erklärungen auf vielen Ebenen, kann man vermutlich unendlichc viele Erklärungen finden. Denn jede Antwort führt ja sofort zu der Frage: "Ja, warum gerade das? Warum gerade so?"
Meine Erklärung spielt sich, wenn man so will, auf einer sehr oberflächlichen Ebene ab: auf derjenigen der beteiligten Personen, auf der Ebene des Fehlverhaltens dieser Personen und der Rolle der Delegierten, der Vorstände, die das gedeckt oder gar befördert haben.
Man kann natürlich sofort fragen, warum denn ein Lafontaine, ein Schröder, ein Nahles in der SPD hochkommen konnten. Das führt dann auf die nächste Ebene - die Wandlung der SPD von der Partei, durch die und in der die Arbeiterbewegung sich mit dem Kapitalismus und dem demokratischen Rechtsstaat versöhnte, zu einer Partei des Öffentlichen Dienstes. Zu einer Partei von Bürokraten, die im Sozialismus noch mehr Privilegien hätten als jetzt im Kapitalismus, und von denen viele darum den Sozialismus wollen.
Und auf einer wiederum anderen Ebene, nämlich derjenigen der ideologischen Inhalte, ist Ihre Erklärung lokalisiert, der ich überhaupt nicht widerspreche, sondern die ich teile.
Zitat von LlarianMeine Erklärung für den Niedergang ist bei weitem pessimistischer und sie hat einen Namen: "Soziale Gerechtigkeit". Dieses Gespenst erschien der SPD Anfang der neunziger Jahre ein tolles Thema zu sein. Denn Gerechtigkeit ist toll, jeder will das, und dadurch, dass es in einer Marktwirtschaft zwangsnotwendig soziale Unterschiede gibt, ist sie nie vorhanden.
"Soziale Gerechtigkeit" war ja allerdings immer ein zentrales Thema der SPD. Einen "gerechten Lohn" forderten die Lassallianer auf dem Gothaer Kongreß 1875; und der alte Zyniker Karl Marx hat sich darüber lustig gemacht.
Für Kommunisten gibt es keine "soziale Gerechtigkeit"; dh es gibt das für sie nur in der Agitprop. Sie wollen soziale Gleicheit, was ja etwas ganz anderes ist. Sie wollen die soziale Gleichheit aller Untertanen, regiert von einer kleinen Herrschenden Klasse, die lögischerweise diesem Gleichheitsgrundsatz entzogen ist.
Die SPD aber ist spätestens seit dem Síeg der Revisionisten diesen Weg nicht mitgegangen; sondern sie ist für "sozialer Gerechtigkeit" in dem Sinn eingetreten, daß sie für einen möglichst großen Anteil der Arbeitnehmer im Verteilungskampf eingetreten ist. Was ja ebenso legitim ist, wie daß andere für einen möglichst gro0en Anteil der Leistungsträger und der Kapitaleigner eintreten. Das muß eben ständig neu ausgehandelt und ausgependelt werden.
Was aber - und da gebe ich Ihnen völlig recht - den Linken in der SPD gelungen ist (nicht erst in den neunziger, sondern schon seit den siebziger Jahren), das ist die Durchsetzung des kommunistischen Begriffs von sozialer Gerechtigkeit: Die Ungleichheit von Einkommen als solche wird als Übel angeprangert. Und damit wird der Kapitalismus, wird die soziale Marktwirtschaft in Zweifel gezogen.
Zitat von LlarianWas ich damit sagen will, ist, dass das meiste was in der SPD läuft, vom klassischen SPD Wähler gar nicht wahrgenommen wird, weil der sich weit weniger für Politik interessiert, als beispielsweise ein Wähler der FDP. Das aber diese tolle, "soziale Gerechtigkeit" nicht kommt, wenn man dann die Roten wählt, das merkt der Wähler schon. Und dann probiert er es noch weiter links, denn die versprechen das ja noch viel, viel mehr. Das schlimme daran ist, die SPD kann tun und lassen was sie will, sie wird die Geister, die sie rief, nicht mehr los. Will sagen, das, was die Sozialpoltiker die letzten 20 Jahre gepredigt haben, hat die Gesellschaft massiv verändert, ein Anspruchsdenken installiert, das jetzt nicht befriedigt werden kann.
So ist es, und Sie haben es ausgezeichnet formuliert.
SPD und PDS sind programatisch kaum zu unterscheiden. Die Grünen ähnlich links-staatstragend. Die CDU ist da, wo früher die SPD war und die FDP glaubt auch an den Staat.
Zitat von DagnyDie CDU ist da, wo früher die SPD war und die FDP glaubt auch an den Staat.
Die FDP, liebe Dagny, wird bald besser werden.
Denn diejenigen, die den Neoliberalismus verstanden haben, die die Freiheit wollen und die gegen den Etatismus sind, - die sind jetzt in einer ähnlichen Situation gegenüber der SPD wie die Jusos in den siebziger Jahren gegenüber der SPD: Auf dem Sprung in die Funktionen, zu den Mandaten.
Das Bloggen, liebe Dagny, macht mir auch deshalb Freude, weil ich in der Blogokugelzone die Vielen (naja, die doch recht Vielen) sehe, die ähnlich denken wie ich, die aber zu Ihrer Generation gehören: Da bahnt sich doch ein Wechsel an.
Ein Wechsel, gegen den das nichts ist, was Obama als "change" verspricht".
Darauf erscheint mir eine Antwort sehr wichtig: Weil eine Regierung von Gnaden der SED schlimmer werden wird, als alles, was die etablierten Parteien bisher verbrochen haben. Um es simpel zu sagen: Schlimmer geht immer. Und es kann noch sehr viel schlimmer kommen.
Darauf erscheint mir eine Antwort sehr wichtig: Weil eine Regierung von Gnaden der SED schlimmer werden wird, als alles, was die etablierten Parteien bisher verbrochen haben. Um es simpel zu sagen: Schlimmer geht immer. Und es kann noch sehr viel schlimmer kommen.
Zitat von RexCramerWas genau ist es denn, was wir brauchen? Eine starke SPD, wie Sie sagen? Oder ist es die Sozialdemokratie, die wir benötigen? Oder ist es generell eine starke linke Volkspartei?
Das Letztere. Eine Demokratie kann nur dann funktionieren, wenn als Alternative zur jeweiligen Regierung eine regierungsfähige Opposition bereitsteht. Regierungsfähig: Das heißt, daß sie erstens stark genug ist, um zu regieren. Es heißt zweitens, daß sie die Verwaltung der Regierungsgeschäfte übernehmen, aber nicht die Gesellschaft umkrempeln wird, wenn sie an die Macht kommt.
Mit aller Vorsicht für transnationale Vergleiche etc. pp. möchte ich doch am Rande anmerken, dass Polen bspw. eine funktionierende Demokratie ohne "starke linke Volkspartei" im klassischen Sinne des Wortes ist. Dort liegen die gesellschaftlichen Konfliktlinien anders als bei uns. "Eine" Demokratie braucht somit keine "starke linke Volkspartei", "unsere" hingegen schon.
Zitat von FTTMit aller Vorsicht für transnationale Vergleiche etc. pp. möchte ich doch am Rande anmerken, dass Polen bspw. eine funktionierende Demokratie ohne "starke linke Volkspartei" im klassischen Sinne des Wortes ist. Dort liegen die gesellschaftlichen Konfliktlinien anders als bei uns. "Eine" Demokratie braucht somit keine "starke linke Volkspartei", "unsere" hingegen schon. http://www.parties-and-elections.de/poland.html Ähnliches gilt für Irland. http://www.parties-and-elections.de/ireland.html
Danke, lieber FTT, für diesen bedenkenswerten Hinweis. (Ich habe erst einmal "Parties and Elections" unter "Wissenswertes" verlinkt; denn das scheint mir eine sehr nützliche WebSite zu sein).
Die politischen Verhältnisse in beiden Ländern sind mir nicht geläufig. Wie kommt es, daß dort in der Tat die beiden großen Volksparteien eine rechtskonservative und eine liberalkonservative sind?
Die offensichtliche Gemeinsamkeit der beiden Länder ist natürlich, daß sie stockkatholisch sind. Und insofern, bei aller wirtschaftlicher Dynamik, vielleicht noch in der Situation, in der die meisten europäischen Länder bis nach dem Ersten Weltkrieg waren.
Denn damals war ein solches Parteiensystem ja weit verbreitet; im UK zum Beispiel in Gestalt der Whigs und Tories.
Bei den Polen dürfte die Erfahrung des Kommunismus hinzukommen und vor allem die schlechten Erfahrungen, die sie mit Wendekommunisten an der Macht gemacht haben.
Das gilt vermutlich für alle exkommunistischen Länder: Solange die mehr oder weniger gewendeten Kommunisten noch da sind, haben sie kein normales Parteiensystem. Es ist dort so, wie es vielleicht demnächst bei uns wird - die einzige große linke Partei sind die Kommunisten. (Das "Post" schenke ich mir; denn ich kann mir keine Kommunisten vorstellen, die keine mehr sind und doch als eigene Partei weitermachen; dh ich kann sie mir nur als eine Mogelpackung wie die Kommunisten heute bei uns vorstellen).
Herzlich, Zettel
RexCramer
(
gelöscht
)
Beiträge:
31.07.2008 07:53
#14 RE: Zitat des Tages: Warum noch die SPD wählen
bitte sehen Sie es mir nach, daß ich eine "alte" Diskussion ausgrabe - die aber an Aktualität nichts eingebüßt hat. Ich wollte darauf schon lange antworten, nun hole ich es nach.
Zitat von ZettelDas Letztere. Eine Demokratie kann nur dann funktionieren, wenn als Alternative zur jeweiligen Regierung eine regierungsfähige Opposition bereitsteht. Regierungsfähig: Das heißt, daß sie erstens stark genug ist, um zu regieren. Es heißt zweitens, daß sie die Verwaltung der Regierungsgeschäfte übernehmen, aber nicht die Gesellschaft umkrempeln wird, wenn sie an die Macht kommt.
Selbstverständlich - aber das bedeutet weder, daß das die SPD sein muß, noch überhaupt eine sozialdemokratische Partei.
"Demokratischer Sozialismus" u. ä. Unfug ist so überflüssig wie ein Kropf.
Zitat von ZettelJetzt droht uns die schlechteste aller überhaupt denkbarer Konstellationen: Eine SPD, die so schwach ist (und personell so am Ende), daß sie gar nicht regieren kann. Und die, falls sie das mit Hilfe der Kommunisten dennoch tun wird, von diesen in das Abenteuer einer Veränderung der Gesellschaft gestürzt werden wird.
Auch Deutschland, lieber RexCramer, ist ja nicht vor einem Niedergang sicher, wie ihn auch Demokratien immer wieder erleben. 1998 bis 2005 war ein Vorgeschmack. Die Volksfront wird, falls sie es an die Macht schafft, unser Land in die schlimmste Krise seit 1949 führen.
Ja, das droht uns. Demokratie bedeutet aber nicht, daß solcher Wahnsinn ausgeschlossen ist. Wenn die Bevölkerung so dumm sein sollte und es in der Mehrheit so möchte, muß sie mit den Konsequenzen leben. Natürlich sind wir nicht vorm Niedergang sicher. Allerdings - ein schwacher Trost - sollte man hierbei erwähnen, daß diejenigen, die Deutschland zum Schlechten umbauen wollen, genauso im Sumpf steckenbleiben und Schwierigkeiten haben werden, ihre Vorhaben umzusetzen, wie echte Reformer. Was uns von positiven Veränderungen abhält, schützt uns auf der anderern Seite vor Schwachsinn. Es ist genauso schwer, einem Papageien einen richtigen wie einen falschen Satz beizubringen.
Abgesehen davon befindet sich Deutschland auch so im Niedergang, ganz ohne Kommunisten. Das Volk ist bereits reformmüde, obwohl noch gar keine wirklichen Reformen stattgefunden haben. Seit ich denken kann, sind es immer die selben Kritikpunkte: ein zu starrer Arbeitsmarkt, ein irrsinniges "Steuersystem", zuviel Bürokratie usw. Und das wird nicht nur von irgendwelchen Leuten so gesehen, denen man vorwerfen mag, es sei immer dieselbe Leier, sondern dafür brauche ich nur einen nahezu beliebigen Artikel aus dem Ausland über Deutschland zu lesen, es ist immer gleich: Deutschland hat hier große Probleme, die dringend gelöst werden müssen. Es passiert in dieser Hinsicht aber seit Jahrzehnten nichts.
Ich bin es leid, daß keinerlei sinnvolle Strukturreformen stattfinden, ich den bürokratischen Wahnsinn aber weiterhin großzügig alimentieren darf. Das ganze bekomme ich dann noch per zwangsfinanziertem öffentlich-rechtlichen Rundfunk serviert.
Wenn die SPD untergeht, dann ist das sicherlich gut für die Kommunisten, keine Frage. Aber es bietet auch die Chance, daß die Stimmen eben nicht bloß innerhalb des linken Lagers wandern, sondern zumindest einige ins bürgerliche wechseln. Somit stellt das Absaufen der SPD sowohl Risiko als auch Chance dar. Bei der Reformunfähigkeit Deutschlands zögere ich keine Sekunde, diesen Tanz auf der Rasierklinge einzugehen. Diese Lethargie muß aufhören.
Ein gewagtes Spiel, aber sollte die Bevölkerung den Untergang wählen bzw. die schlimmste Krise seit 1949, wie Sie es sagen, wäre das kein Problem für mich, denn dann bleibt immer noch die Option, auszuwandern und sich das bunte Treiben aus sicherer Entfernung anzuschauen.
Zitat von ZettelWie soll dann der demokratische Wechsel funktionieren?
Bspw. könnte die CDU etwas weiter nach links rücken und abwechselnd mit den Grünen und der FDP regieren, konkret auf Deutschland bezogen. Generell könnte ein Wechsel zwischen konservativen und liberalen Parteien erfolgen, der hier aber wohl aussichtslos ist. Abgesehen davon sprach ich nicht davon, es solle keine starke Opposition geben, die die Regierung übernehmen kann, sondern davon, daß ich mit dieser SPD absolut nichts anfangen kann.
Zitat von ZettelWer sonst, lieber Rex Cramer? Es ist doch offensichtlich, daß allein die Kommunisten die Lücke füllen werden.
Das sehe ich eben anders, denn quasi einen Automatismus, daß alle ehemaligen SPD-Wähler zu den Kommunisten gehen, kann ich nicht entdecken. Es besteht mehr als berechtigte Hoffnung, daß das nicht so ist und auch die anderen Parteien im Bundestag davon profitieren. Auch Grüne und FDP stehen in den Umfragen gut da.
Zitat von ZettelGenauso sehe ich das auch. Wir brauchen 2009 dringend eine Koalition von CDU und FDP. Deutschland ist in Gefahr, das wieder zu verspielen, was die Agenda 2010 erbracht hat, nämlich ein partielles Aufholen in der globalen Konkurrenz.
Was Sie mal in der SPD gemacht haben, bleibt für mich das größte Geheimnis von ZR!
Zitat von ZettelMehr noch: Das ist der Normalzustand parlamentarischer Demokratien mit Verhältniswahlrecht, dem wir uns jetzt nähern könnten. Sowohl im Frankreich der Vierten Republik als auch in der italienischen Nachkriegsrepublik gab es zugleich ein Chaos auf der Regierungsebene und eine wuchernde Verwaltung.
Volle Zustimmung. M. E. wird es ohne eine Änderung des Wahlrechtes ohnehin nicht gehen. Leider scheint mir das ein frommer Wunsch zu bleiben.
Zitat von ZettelUnd das hat eine sozialdemokratische Regierung gemacht; "Rogernomics". So, wie anderswo - in Holland, in Finnland zum Beispiel - an erfolgreichen neoliberalen Reformen die Sozialdemokraten zumindest beteiligt waren.
Wenn unsere Leute nur mal auf die Idee kämen, sich daran ein Beispiel zu nehmen. Letzteres ist aber offenbar nur möglich, wenn damit neue Regulierung und/oder Steuererhöhungen verkauft werden sollen.
Zitat von RexCramerbitte sehen Sie es mir nach, daß ich eine "alte" Diskussion ausgrabe - die aber an Aktualität nichts eingebüßt hat.
Ich sehe es nicht nur nach, lieber RexCramer, sondern ich sehe es so vor.
Ich freue mich immer darüber, wenn alte Threads wieder nach oben geholt werden, die weiter aktuell sind. Es ist ein Vorteil eines Forums, daß das geht, anders als bei Kommentaren zu Blogeinträgen.
Zitat von RexCramer
Zitat von ZettelEine Demokratie kann nur dann funktionieren, wenn als Alternative zur jeweiligen Regierung eine regierungsfähige Opposition bereitsteht. Regierungsfähig: Das heißt, daß sie erstens stark genug ist, um zu regieren. Es heißt zweitens, daß sie die Verwaltung der Regierungsgeschäfte übernehmen, aber nicht die Gesellschaft umkrempeln wird, wenn sie an die Macht kommt.
Selbstverständlich - aber das bedeutet weder, daß das die SPD sein muß, noch überhaupt eine sozialdemokratische Partei.
Vielleicht irgendwann einmal nicht mehr. Auch ich habe in der vergangenen Nacht einen alten Artikel ausgegraben, weil mir jemand eine Mail mit einer ihn betreffenden Anfrage geschrieben hatte: Den über das politische Koordinatenkreuz.
Also, langfristig kann es vielleicht an Stelle von Links-Rechts die Grunddimension etatistisch-liberal geben. In dem damaligen Artikel hatte ich den Gedanken zu entwickeln versucht, daß es so kommen könnte.
Aber faktisch ist es halt immer noch so, daß es in allen funktionierenden Demokratien - von Skandinavien bis Japan, von den USA bis Australien und Neuseeland - eine große rechte und eine große linke Volkspartei gibt.
Daß es in Deutschland auch so war, machte die Stabilität der Bundesrepublik aus. Wir sind dabei, sie zu verlieren, mit und ohne die Desintegration der SPD. Aber mit dieser wird sich der Marsch in Richtung Weimarer Verhältnisse erheblich beschleunigen.
Es ist, lieber RexCramer, nicht in unserer Verfassung angelegt, daß wir stabile und handlungsfähige Regierungen haben. Das war zum Glück so, aber es hätte - ohne die Leistungen erst Adenauers, später Willy Brandts und Helmut Schmidts - auch anders kommen können.
Es hätte auch passieren können, daß wir schon in der Bundesrepublik mehr als ein halbes Dutzend Parteien im Bundestag haben; einige mehr als später gab es ja anfangs. Es hätte rechts außer der CDU und der CSU eine konservative Partei (DP, später REP) weiterbestehen und es hätte eine nationalistische (SRP, später DRP, noch später NPD) hinzukommen können. Es hätte links schon in den fünfziger Jahren neben der SPD eine Partei wie die heutige "Die Linke" geben können; genug Sozialisten gab es in der SPD. Die KPD bzw. DKP hätte vor und nach dem Verbot im Bundestag sein können. Dann die Grünen. Das macht ein Achtparteiensystem, wenn man die CSU getrennt rechnet, sonst sieben; so ziemlich wie in der Weimarer Republik.
Auf so etwas steuern wir jetzt zu. Und es bedeutet, das schreibe ich immer wieder, Verhältnisse wie in Weimar, wie in der italienischen Nachkriegsrepublik, wie in der französischen Vierten Republik.
Diese beiden sind gerade den umgekehrten Weg gegangen: Mitte der neunziger Jahre hat man es in Italien mit einer "zweiten Republik" mit einem Wahlrecht versucht, das auf stabile Mehrheiten angelegt sein sollte. Schon 1958 entstand in Frankreich die Fünfte Republik, deren ganze Verfassung ebenfalls auf Stabilität angelegt war.
Das Frankreich zwischen 1945 und 1958 war der Kranke Mann Europas - ein schwaches, rückständiges Land, das immer weiter zurückfiel, das immer noch als "Agrarland" bezeichnet wurde. Erst mit de Gaulle begann der Aufstieg zu dem Frankreich, wie wir es heute kennen. So, wie erst mit Margaret Thatcher der Aufstieg zu dem heutigen UK begann.
Müssen wir jetzt in Deutschland durch Dasjenige hindurch, was Italien und Frankreich hinter sich haben, um dann irgendwann durch eine Wahlrechts- , vielleicht eine Verfassungsreform wieder das zu erreichen, was wir in der alten Bundesrepublik hatten?
Es könnte darauf hinauslaufen. Und es wird darauf hinauslaufen, wenn die SPD so weitermacht wie seit dem Mannheimer Parteitag. Denn da begannen die beiden Putschisten Lafontaine und dann Schröder das Heft in die Hand zu nehmen. Da begann die Entwicklung hin zu einer Partei, in der Intrigantinnen wie Nahles und Ypsilanti ganz nach oben kommen konnten.
Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.