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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 11 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.06.2008 02:47
Zitat des Tages: Die Stille nach Hillarys Rückzug Antworten

Fehlt sie Ihnen auch schon, die Hillary? Richard Cohen vermutet in der Washington Post, daß sie wohl vielen fehlen wird.

Ebenfalls in der aktuellen Post übrigens der Rat an Hillary, sich jetzt erst einmal zum Meditieren in eine religiöse Einrichtung zurückzuziehen und dann vielleicht nach Afrika oder Indien zu gehen, um Aidskranken zu helfen.

Das ist keine Satire, sondern es steht in der ernstgemeinten Kolumne "On Faith" von Sally Quinn und einem Koautor, gemeinsam angeboten von der Washington Post und Newsweek Magazine.

califax Offline




Beiträge: 1.502

11.06.2008 02:56
#2 RE: Zitat des Tages: Die Stille nach Hillarys Rückzug Antworten

Nuja, der Ratschlag passt zu einer religiös überschriebenen Kolumne. :)
Im Kern ist er aber auch aus atheistischer Sicht richtig. Nach solchen Endloskämpfen, speziell nach verlorenen, sollte man sich die Zeit nehmen und sich für eine Weile zurückziehen. Am besten irgendwohin, wo man abgeschottet ist. Ein Kloster bietet sich da an, wenn man keine abgelegene Waldhütte hat und nicht zu denen gehört, die ihr ganzes Leben an religiösen Grabenkämpfen ausrichten.
Ich glaube, daß das sehr sinnvoll sein kann.
Es hilft dabei, nicht verrückt zu werden.

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The Outside of the Asylum

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.06.2008 09:00
#3 RE: Zitat des Tages: Die Stille nach Hillarys Rückzug Antworten

Zitat von califax
Nuja, der Ratschlag passt zu einer religiös überschriebenen Kolumne. :)

Ich bin darüber gestolpert, lieber Califax, nicht weil ich es für falsch hielte, sich einmal zum Meditieren zurückzuziehen (in dem Artikel ist irgendeine buddhistisch klingende Einrichtung genannt, die die Autorin empfiehlt).

Sondern was ich aufspießen wollte, daß ist diese Art, wie man als public figure mit Ratschlägen eingedeckt wird. Was geht es die Washington Post an, was eine Senatorin mit ihrer jetzt zu einem Stück wiedergewonnenen Freiheit anfängt?

Kann sie das denn nicht selbst entscheiden? Muß sich denn das Publikum, muß sich als dessen Vormund die Presse denn in alles Persönliche reinhängen?
Zitat von califax
Im Kern ist er aber auch aus atheistischer Sicht richtig. Nach solchen Endloskämpfen, speziell nach verlorenen, sollte man sich die Zeit nehmen und sich für eine Weile zurückziehen. Am besten irgendwohin, wo man abgeschottet ist. Ein Kloster bietet sich da an, wenn man keine abgelegene Waldhütte hat.

Ja, warum nicht. Vielleicht macht sie auch eine Kreuzfahrt oder guckt sich Videos an.

Ich frage mich ohnehin, wie solche Leute es durchstehen, ihren Tag über Monate vom Aufstehen bis zum Schlafengehen durchplanen zu lassen. Sie funktionieren ja im Grunde wie ein Roboter.

Wenn Hillary Clinton jetzt so etwas wie einen Hauch von Selbstbestimmung hat - fein. Ich gönne es ihr.

Herzlich, Zettel

califax Offline




Beiträge: 1.502

11.06.2008 09:54
#4 RE: Zitat des Tages: Die Stille nach Hillarys Rückzug Antworten

Nee, bei 'ner Kreuzfahrt hätte sie dauernd Photographen dabei. Ich kann mir nicht vorstellen, daß man sich entspannen kann, wenn man immer so verkrampft ins Objektiv grinsen muss. :)
Ich glaube, ich bräuchte eine abgeschottete Shooting Range, wo man sich Bilder von Kolumnisten und Parteifreunden auf die Zielscheiben packen kann. Das wäre Entspannung!

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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.06.2008 13:03
#5 RE: Zitat des Tages: Die Stille nach Hillarys Rückzug Antworten

Zitat von califax
Nee, bei 'ner Kreuzfahrt hätte sie dauernd Photographen dabei. Ich kann mir nicht vorstellen, daß man sich entspannen kann, wenn man immer so verkrampft ins Objektiv grinsen muss. :)

Dann vielleicht eine Einladung auf eine Privatyacht eines guten Freundes? Wie war das gleich bei Sarkozy?
Zitat von califax
Ich glaube, ich bräuchte eine abgeschottete Shooting Range, wo man sich Bilder von Kolumnisten und Parteifreunden auf die Zielscheiben packen kann. Das wäre Entspannung!

Nicht für Hillary, lieber Califax. So übersteuert, wie ich sie mir vorstelle, wird sie nicht mal auf dem Klo auf die fluchen.

Ich kannte mal eine so kontrollierte Frau, zu deren Selbstkontrolle auch gehörte, daß sie immer druckreif sprach. Als sie etwas mal sehr, sehr leid war, ließ sie sich zu der Bemerkung hinreißen, daß ihr das zum Hals raushänge.

Aber so sagte sie es so nicht, sondern: "Das hängt mir zum Halse hinaus".

Mit fein artikuliertem "e". Und mit korrektem "hinaus", denn sie sagte es ja aus ihrer Perspektive.

Herzlich, Zettel

PS: Wie ist das eigentlich mit diesem Dativ-e, lieber Califax? Gehört dessen Verschwinden auch zu den Tendenzen zum Abschleifen, über die wir mal gesprochen haben?

califax Offline




Beiträge: 1.502

11.06.2008 15:34
#6 RE: Zitat des Tages: Die Stille nach Hillarys Rückzug Antworten

Zitat von Zettel

Ich kannte mal eine so kontrollierte Frau, zu deren Selbstkontrolle auch gehörte, daß sie immer druckreif sprach. Als sie etwas mal sehr, sehr leid war, ließ sie sich zu der Bemerkung hinreißen, daß ihr das zum Hals raushänge.
Aber so sagte sie es so nicht, sondern: "Das hängt mir zum Halse hinaus".
Mit fein artikuliertem "e". Und mit korrektem "hinaus", denn sie sagte es ja aus ihrer Perspektive.
Herzlich, Zettel
PS: Wie ist das eigentlich mit diesem Dativ-e, lieber Califax? Gehört dessen Verschwinden auch zu den Tendenzen zum Abschleifen, über die wir mal gesprochen haben?


Schöner Griff ins falsche Sprachregister. Aber sicher nicht so nervig wie Becksteins betonte Aussprache aller unbetonten und selbst der lautlosen Silben. Der klingt immer wie eine Ziege für mich. :)

Das Dativ-e ist bei der Aussprache ein stinknormales e bzw. schwa. Außerdem ist Deutsch sehr redundant, und man kann den Dativ auch erkennen, wenn die Silbe fehlt.
Es kommt aber auf den Kontext an. In manchen Sprechsituationen wird ein bestimmter Rhythmus erzwungen, indem man notfalls sogar überflüssige Silben einfügt. ('Tue dasse nische jetze!' - da sieht man schon an der Syntax wie die Faust auf den Tisch knallt. :) )
In ihrem Falle erhob sich das Pathos aus dem Sumpfe der Verzweiflung empor zur bitteren Klage wider die Niederungen dieser Welt.
Es ist also nicht klar, ob das Dativ-e tatsächlich ausstirbt, aber es wird wohl seine syntaktische Funktion verlieren und nur noch das Sprachregister markieren. Wir haben viele solche Fälle in der Sprache. Man denke an bestimmte Konjunktivformen. (Oh, lasest Du nicht den Brief? - heute eindeutig als Bühnendeutsch markiert, aber, solange die deutsche Sprachgemeinschaft ihren Humor nicht verliert, ganz sicher nicht vom Aussterben bedroht)

Allgemein kann man noch sagen:
Manchmal will der Rhythmus, daß die Silbe mitmuß, willer nich unz eilt, wirdse abgefeilt.

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The Outside of the Asylum

Reader Offline



Beiträge: 803

11.06.2008 16:44
#7 How Sally Met Hillary Antworten

-

Lieber Zettel,
du hast einen Artikel mit hohem Verschüttpotential ausgegraben!
Als ich den Namen der Autorin las, kam mein Nachmittagstee in Seenot ..., naja, Tastatur mit einem Rechtsschwenker gerade noch gerettet.
Erheitert grüßt
R.Reader


http://en.wikipedia.org/wiki/Sally_Quinn

-

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.06.2008 16:58
#8 RE: Zitat des Tages: Die Stille nach Hillarys Rückzug Antworten

Zitat von califax
Aber sicher nicht so nervig wie Becksteins betonte Aussprache aller unbetonten und selbst der lautlosen Silben. Der klingt immer wie eine Ziege für mich. :)

Stimmt. Er sieht ja auch so aus.
Zitat von califax
Das Dativ-e ist bei der Aussprache ein stinknormales e bzw. schwa.

So schwach habe ich "schwach" noch nie geschrieben gesehen.
Zitat von califax
Außerdem ist Deutsch sehr redundant, und man kann den Dativ auch erkennen, wenn die Silbe fehlt.

Hm, was würde denn übrigbleiben, wenn man alles wegfallen läßt, was redundant ist?

Während andererseits im Deutschen oft dort, wo es dringend nötig wäre, Markierungen fehlen. "Seine eigene Großmutter ließ das Mädchen verhungern".
Zitat von califax
Es kommt aber auf den Kontext an. In manchen Sprechsituationen wird ein bestimmter Rhythmus erzwungen, indem man notfalls sogar überflüssige Silben einfügt. ('Tue dasse nische jetze!' - da sieht man schon an der Syntax wie die Faust auf den Tisch knallt. :) )

Das ist dann aber eine sächsische Faust.

Ja, der Sprachrhythmus spielt sicher eine Rolle. "Gerne hülf' ich dem Freund, doch tu ich es leider aus Neigung" heißt es (so ungefähr jedenfalls) bei Schiller in seinem Distichon zu Kants Ethik. Nicht dem "Freunde", und kein "tue". Während in der "Bürgschaft" natürlich der Tyrann sich nicht rühmen können soll, "daß der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht".

Aher gibt es das auch in der gesprochenen Sprache? Ich habe den Eindruck, daß dort das Dativ-e ganz verschwunden ist.
Zitat von califax
In ihrem Falle erhob sich das Pathos aus dem Sumpfe der Verzweiflung empor zur bitteren Klage wider die Niederungen dieser Welt.

Schön gesagt. Die betreffende Kollegin hatte übrigens zuvor ein paar Jahre in den USA gelebt; es könnte sein, daß ihr supergenaues Deutsch auch der Versuch war, sich keine Amerikanismsen zu leisten.
Zitat von califax
Es ist also nicht klar, ob das Dativ-e tatsächlich ausstirbt, aber es wird wohl seine syntaktische Funktion verlieren und nur noch das Sprachregister markieren. Wir haben viele solche Fälle in der Sprache. Man denke an bestimmte Konjunktivformen. (Oh, lasest Du nicht den Brief? - heute eindeutig als Bühnendeutsch markiert, aber, solange die deutsche Sprachgemeinschaft ihren Humor nicht verliert, ganz sicher nicht vom Aussterben bedroht).


Ach Bühnensprache, lieber Califax! "Verpiß dich, du Wichser" - das ist heute Bühnensprache.
Zitat von califax
Allgemein kann man noch sagen:
Manchmal will der Rhythmus, daß die Silbe mitmuß, willer nich unz eilt, wirdse abgefeilt.

Werd' ich mir merken.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.06.2008 17:53
#9 RE: How Sally Met Hillary Antworten

Zitat von Reader
du hast einen Artikel mit hohem Verschüttpotential ausgegraben!
Als ich den Namen der Autorin las, kam mein Nachmittagstee in Seenot ..., naja, Tastatur mit einem Rechtsschwenker gerade noch gerettet.

Bevor ich weitergelesen habe, dachte ich erst, du meinst, ich hätte einen Artikel ausgegraben, der sonst in Gefahr gewesen wäre, verschütt zu gehen.

Danke für den Link! Mrs Quinn war mir bisher, obwohl ich eigentlich eifrig in der Post lese, entgangen. Aber jetzt habe ich mich sachkundig gemacht und erfahren, daß sie das unsterbliche Verdienst hat, über den offenen Hosenstall von Zbigniew Brzezinski berichtet zu haben.

Das war gemein gewesen! Und deshalb, dear Reader, bin ich jetzt nicht sicher, ob der Rat an Hillary, ins Kloster zu gehen, nicht auch eine versteckte Gemeinheit war. ("Go to a nunnery!", wie hat das doch der Hamlet gleich gemeint?).

Herzlich, Zettel

califax Offline




Beiträge: 1.502

11.06.2008 18:10
#10 RE: Zitat des Tages: Die Stille nach Hillarys Rückzug Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von califax
Das Dativ-e ist bei der Aussprache ein stinknormales e bzw. schwa.

So schwach habe ich "schwach" noch nie geschrieben gesehen.



Das Ding heißt so. Die Alternative "Murmelvokal" passt mir nicht so recht, weil es dabei nicht ums Murmeln sondern um den Sprachrhythmus geht.

Zitat von Zettel

Zitat von califax
Außerdem ist Deutsch sehr redundant, und man kann den Dativ auch erkennen, wenn die Silbe fehlt.

Hm, was würde denn übrigbleiben, wenn man alles wegfallen läßt, was redundant ist?



Das will man eigentlich nicht wissen. Es wäre eine tote Kunstsprache. Natürliche Sprachen leben von der Redundanz. Sie macht die Sprache leichter verständlich, weil wichtige Informationen nicht so leicht wegfallen können. Besser doppelt gemoppelt.

Zitat von Zettel

Während andererseits im Deutschen oft dort, wo es dringend nötig wäre, Markierungen fehlen. "Seine eigene Großmutter ließ das Mädchen verhungern".



Interessanterweise spielt hier aber die Wortstellung in der Praxis eine große Rolle. Je nach gewähltem Sprachregister scheint es eine klare Dominanz für je eine Interpretation zu geben. Im pathetischen Register, das für so eine Information oft benutzt wird, ist klar, das zuerst das Opfer genannt wird. Auch das einleitende 'seine' legt ein starkes Gewicht auf diese Interpretation. Stünde da ein 'die', oder gäbe es einen vorgehenden Satz mit einem Mann, auf den sich das 'seine' beziehen könnte, wäre die Mehrdeutigkeit stärker ausgeprägt.
Aber so glaube ich, daß wir bei einer Umfrage ein klares Übergewicht für eine Interpretation bekommen würden.

Zitat von Zettel

Zitat von califax
Es kommt aber auf den Kontext an. In manchen Sprechsituationen wird ein bestimmter Rhythmus erzwungen, indem man notfalls sogar überflüssige Silben einfügt. ("Tue dasse nische jetze!" - da sieht man schon an der Syntax wie die Faust auf den Tisch knallt. :) )

Das ist dann aber eine sächsische Faust.



Allgemein Oberdeutsch. Es gibt aber auch noch andere Regionen, die passen würden. (Schwabeländle zum Beispiel)

Zitat von Zettel

Aher gibt es das auch in der gesprochenen Sprache? Ich habe den Eindruck, daß dort das Dativ-e ganz verschwunden ist.



Wenn man poetisch, ete petete oder pathetisch klingen möchte, schon. Bestimmte Redewendungen setzen es auch voraus: Der Herr im Hause ist nicht immer der Herr im Haus, nicht wahr? ;-) Und ein feierliches "Dies sei dem Weibe gewidmet" wird sicher anders aufgenommen als "Das ist für die Weiber."
Es ist aber ganz sicher markiert, also nicht mehr der uninteressante Normalfall, sondern zieht beim Hörer Aufmerksamkeit auf sich. Die syntaktische Funktion ist verloren und bei den meisten Muttersprachlern wohl höchstens aus der Schule bekannt. Es signalisiert aber das verwendete Sprachregister und erfüllt damit auch wieder eine wichtige Funktion.

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The Outside of the Asylum

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.06.2008 23:47
#11 Ist dem Dativ sein "e" bald tot? Antworten

Zitat von califax
Zitat von Zettel
Zitat von califax
Das Dativ-e ist bei der Aussprache ein stinknormales e bzw. schwa.

So schwach habe ich "schwach" noch nie geschrieben gesehen.

Das Ding heißt so. Die Alternative "Murmelvokal" passt mir nicht so recht, weil es dabei nicht ums Murmeln sondern um den Sprachrhythmus geht.

Tatsächlich - habe es natürlich gleich nachprüfen müssen. Interessant, lieber Califax, was ich von Ihnen alles lerne.
Zitat von califax
Zitat von Zettel
Während andererseits im Deutschen oft dort, wo es dringend nötig wäre, Markierungen fehlen. "Seine eigene Großmutter ließ das Mädchen verhungern".

Interessanterweise spielt hier aber die Wortstellung in der Praxis eine große Rolle. Je nach gewähltem Sprachregister scheint es eine klare Dominanz für je eine Interpretation zu geben. Im pathetischen Register, das für so eine Information oft benutzt wird, ist klar, das zuerst das Opfer genannt wird. Auch das einleitende \\\'seine\\\' legt ein starkes Gewicht auf diese Interpretation. Stünde da ein \\\'die\\\', oder gäbe es einen vorgehenden Satz mit einem Mann, auf den sich das \\\'seine\\\' beziehen könnte, wäre die Mehrdeutigkeit stärker ausgeprägt.

Leuchtet ein. Oder eine vorausgehende Frage z.B. "Wen, hast du da gerade behauptet, hat das Mädchen verhungern lassen?" würde den Satz natürlich auch disambiguieren. ("entzweideutigen"? oder wie kann man das verdeutschen?).

Im Englischen gibt es das ja auch. Ich erinnere mich an ein Beispiel, das Donald McKay mal verwendet hat: "The shooting of the hunters was terrible".
Zitat von califax
Zitat von Zettel
Aher gibt es das auch in der gesprochenen Sprache? Ich habe den Eindruck, daß dort das Dativ-e ganz verschwunden ist.

Wenn man poetisch, ete petete oder pathetisch klingen möchte, schon. Bestimmte Redewendungen setzen es auch voraus: Der Herr im Hause ist nicht immer der Herr im Haus, nicht wahr? ;-) Und ein feierliches "Dies sei dem Weibe gewidmet" wird sicher anders aufgenommen als "Das ist für die Weiber."

Gut dem Dinge!
Zitat von califax
Es ist aber ganz sicher markiert, also nicht mehr der uninteressante Normalfall, sondern zieht beim Hörer Aufmerksamkeit auf sich. Die syntaktische Funktion ist verloren und bei den meisten Muttersprachlern wohl höchstens aus der Schule bekannt. Es signalisiert aber das verwendete Sprachregister und erfüllt damit auch wieder eine wichtige Funktion.

Interessant. Gibt es das sonst noch, daß etwas ursprünglich Syntaktisches in dieser Weise umfunktioniert wird?

Der Genitiv vielleicht statt des "von"-Dativs? Der Konjunktiv?

Der Konjunktiv, dessen Formen und die Reihenfolge, in der sie zu verwenden sind (immer die schwächste, die nicht als Indikativ mißverstanden werden kann), ich noch im Deutschunterricht genau gelernt habe, ist ja so gut wie aus der gesprochenen Sprache verschwunden und durch "würde-" Konstruktionen ersetzt worden.

Verwendete ich ihn, den Konjunktiv, in ZR so, wie ich das einmal in der Obertertia gelernt habe, dann würde das nachgerade als schlechter Stil wahrgenommen werden.

Herzlich, Zettel


califax Offline




Beiträge: 1.502

12.06.2008 00:33
#12 RE: Ist dem Dativ sein "e" bald tot? Antworten

Zitat von Zettel

[disambiguieren] ("entzweideutigen"? oder wie kann man das verdeutschen?).



Das ist eine harte Nuss. Es gibt je nach Kontext Synonyme wie 'definieren' oder 'klären', aber denen fehlt die Präzision. Man kann es eigentlich nur umschreiben ("die Mehrdeutigkeit auflösen"), aber vielleicht bin ich da auch einfach nur zu einfallslos.

Zitat von Zettel

Im Englischen gibt es das ja auch. Ich erinnere mich an ein Beispiel, das Donald McKay mal verwendet hat: "The shooting of the hunters was terrible".



"He saw the girl on the hill with the telescope" ist ein gern genommenes Lehrbeispiel. (Und ziemlich fies für automatische Analyse.)

Zitat von Zettel

Interessant. Gibt es das sonst noch, daß etwas ursprünglich Syntaktisches in dieser Weise umfunktioniert wird?



Mit Sicherheit. Das wäre vermutlich auch ein Thema für eine Magisterarbeit, bei der man sich ordentlich durch Etymologie, Syntax und Semantikstudien wühlen müsste.
Der umgedrehte Weg sind ja unsere Endungen -heit, -lich, etc., bei denen Substantive zu gebundenen syntaktischen Morphemen umgebogen wurden.

Zitat von Zettel

Der Genitiv vielleicht statt des "von"-Dativs? Der Konjunktiv?
Der Konjunktiv, dessen Formen und die Reihenfolge, in der sie zu verwenden sind (immer die schwächste, die nicht als Indikativ mißverstanden werden kann), ich noch im Deutschunterricht genau gelernt habe, ist ja so gut wie aus der gesprochenen Sprache verschwunden und durch "würde-" Konstruktionen ersetzt worden.
Verwendete ich ihn, den Konjunktiv, in ZR so, wie ich das einmal in der Obertertia gelernt habe, dann würde das nachgerade als schlechter Stil wahrgenommen werden.



Ja, das sind auf jeden Fall gute Kandidaten dafür. Der Genitiv wird ja sicher nicht vollständig verschwinden. Er wird aber vermutlich in vielen Kontexten idiomatisisert und ist heute schon in vielen Kontexten klar auf ein bestimmtes Sprachregister festgelegt. Einigen Konjunktivformen geht es genauso, wie Sie da selbst aufzeigen.
Andere Beispiele sind die Anrede 'Er' und der Majestätsplural. Im Englischen hat es ganz prominent das 'thou' erwischt.
Es gibt in diesem Bereich sicher sehr viele interessante Phänomene, sobald man sich etwas umschaut.
Nehmen wir mal den nicht unüblichen Satz: "Wir reden aneinander vorbei."
Dieses "aneinander vorbei"! Man sieht doch sofort, daß es bei einer sklavischen Anwendung der eigentlich zwingenden syntaktischen Kongruenz in der 1. Person Plural "an uns vorbei" lauten müsste. Aber so wäre der Satz ganz offensichtlich falsch.
Warum? 'Aneinander' ist bei der Verschmelzung zum Wort syntaktisch erstarrt und drückt jetzt Gegenseitigkeit aus, was man auch als syntaktische Funktion auffassen kann (aber nicht muss).
Und dabei steckt die Gegenseitigkeit ursprünglich vielleicht nur in dem Bestandteil 'ander'. Davon sind ansonsten aber nur "gebeugte Formen" übriggeblieben: anders, andere, anderer, anderes, etc.

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