Präsident Bush wird in vielen Ländern nicht geschätzt; in islamischen wird er natürlich oft gehaßt. Aber woher rührt die nachgerade absurde affektive Ablehnung, die ihm in Deutschland entgegenschlägt?
Das beschäftigt mich schon lange; und einige Überlegungen dazu stehen in dem Artikel.
Zitat von ZettelPräsident Bush wird in vielen Ländern nicht geschätzt; in islamischen wird er natürlich oft gehaßt. Aber woher rührt die nachgerade absurde affektive Ablehnung, die ihm in Deutschland entgegenschlägt?
Das beschäftigt mich schon lange; und einige Überlegungen dazu stehen in dem Artikel.
Hab eine andere Idee: Am deutschen Wesen soll die Welt genesen. Wer nicht wie die coolen Jungs aus der Gang mitspielen darf, neigt dazu, alles nachholen zu wollen und es den anderen zeigen zu wollen - aehnlich wie vielleicht bei der Diskussion ueber die Nummer 2, die einfach keine gute Nummer 1 ist.
Woher das historisch kommt, weiss ich aber auch nicht: Im 19jhrdt wollte D. umbedingt Kolonien, waehrend die coolen Jungs (Frankreich, Holland, Spanien, UK, ...) schon welche hatten.
Heute ist die Spielwiese eine andere: Da wird Muell getrennt und das Klima gerettet, auch in Afganistan ist man endlich wieder dabei (ich schreibe die Tage mal an anderer Stelle, wie im UK mit den Gefallenen umgegangen wird) und immer natuerlich der moralische Sieger.
Echte tiefliegende gruende fallen mir nicht ein. Vielleicht ein geographischer: Deutschland ist keine Kuestennation, wie die anderen Ex-Kolonialmaechte, aber auch kein Binnenimperium, wie etwa Russland?
Zitat von DagnyHab eine andere Idee: Am deutschen Wesen soll die Welt genesen. Wer nicht wie die coolen Jungs aus der Gang mitspielen darf, neigt dazu, alles nachholen zu wollen und es den anderen zeigen zu wollen - aehnlich wie vielleicht bei der Diskussion ueber die Nummer 2, die einfach keine gute Nummer 1 ist.
Ich denke, liebe Dagny, daß das richtig einen Teil des deutschen Nationalbewußtseins (bzw. sein Fehlen) beschreibt.
Übrigens ist eine der besten Quellen dafür Karl May, aus dessen Büchern man ja überhaupt (außer daß es vergnüglich ist, sie zu lesen) viel über die Wilhelminische Zeit lernen kann. Da sind die Deutschen immer die aufrechten Edlen, die nur leider von den hinterhältigen Welschen, Yankees usw. aufs Kreuz gelegt werden. Bis Old Shatterhand bzw. Kara ben Nemsi kommt!
Aber das spezifische Verhältnis zu Bush läßt sich m.E. daraus weniger ableiten. Da sehe ich mehr das, was Freud Projektion nennt: Ein Teil des eigenen Wesens wird auf einen anderen projiziert; je kriegslüsterner Bush gezeichnet wird, umso friedfertiger können wir uns selbst sehen.
Zitat von DagnyWoher das historisch kommt, weiss ich aber auch nicht: Im 19jhrdt wollte D. umbedingt Kolonien, waehrend die coolen Jungs (Frankreich, Holland, Spanien, UK, ...) schon welche hatten.
Mit der Folge, daß diesen zu spät kommenden Kolonialismus eine seltsame Romantik umgab. Ich habe als Kind noch solche Bücher gehabt, in denen Nachtigal, Peters, Wissmann usw. verherrlicht wurden. Und ich erinnere mich an ein Buch von Hans Schomburgk, das mein Afrika-Bild lange geprägt hat.
Übrigens fällt mir gerade auf, daß Karl May - meines Wissens - keinen seiner Romane in einer deutschen Kolonie hat spielen lassen. Eigentlich seltsam, wo doch sonst seine Helden rund um den Globus unterwegs sind, und wo die Gründung der Kolonien hauptsächlich in den achtziger Jahren in die Zeit der größten Produktivität von May fällt.
Zitat von DagnyEchte tiefliegende gruende fallen mir nicht ein. Vielleicht ein geographischer: Deutschland ist keine Kuestennation, wie die anderen Ex-Kolonialmaechte, aber auch kein Binnenimperium, wie etwa Russland? Ist aber nur so ein Gedanke.
Ein interessanter. Jedenfalls stimmt es, daß Deutschland weder eine klassische Seemacht war, wie einst Griechenland, später Spanien, Portugal und England - noch eine klassische Landmacht wie Rußland oder das Osmanische Reich.
Daß Deutschland keine Kolonien hatte, lag allerdings schlicht daran, daß es kein Deutschland gab, als die Welt aufgeteilt wurde. Und als es ab 1871 wieder ein Deutschland gab, waren die besten Stücke schon weg.
ich denke ihrer Gleichung fehlt ein überaus entscheidender Faktor. Sie gehen davon aus, dass das deutsche Volk von heute das selbe ist, wie das, was seinerzeit Kenndey zujubelte. Und genau das ist absolut nicht gegeben. Ich denke auch, dass Bush und Kennedy sehr viel gemeinsam haben, ich denke aber ebenso, dass man George Bush 1963 in Berlin genauso zugejubelt hätte, wie man heute Kennedy in der deutschen Kampfpresse vernichten würde. Der Horizont meiner persönlichen Erfahrung ist sicher geringer als ihrer, aber wenn ich die Entwicklung seit meiner Jugend betrachte, wo man noch sehr deutlich zu den Amerikanern stand, hat sich seitdem sehr viel im Verhältnis der Deutschen zur restlichen Welt verändert. Das ist nicht nur im Verhältnis zu Amerika so. Man erinnere sich an die Schlagzeilen der Bildzeitung im Sechstagekrieg und der eindeutigen Positionierung der Deutschen. Man gratulierte einem Verbündeten zu einem überragenden militärischen Sieg. Geradezu begeistert erscheinen die damaligen Artikel. Sieht man es sich heute an, können wir eine 100% Kehrtwende erleben, es scheint eher so, als würde die deutsche Öffentlichkeit bedauern, wer 1967 den Krieg gewann.
Ich glaube nicht, dass der deutsche Schuldkomplex für die heutige deutsche Jugend noch eine grosse Rolle spielt. Aber sie wachsen in einer Gesellschaft auf, die zunehmend kollektiv argumentiert, die Freiheit mehr und mehr ablehnt, die ihre ursprünglichen Werte nicht mehr vertritt und immer mehr in sich selbst implodiert. Damit bildet sie einen exakten Gegenpol zu den Ideen, für die Amerika steht. Nein, ich glaube John F. Kennedy würde in der heutigen, deutschen Gesellschaft genauso vor die Wand laufen, wie es George Bush tut.
Übrigens ein schönes Bild mit Siegfried und von Tronje. Ich finde die Figur des Hagen erheblich interessanter im Verhältnis zu dem so strahlenden Siegfried. Denn wo Siegfried immer als der Gute erscheint, fällt auf von Tronje die Rolle des finsteren (?), treuen Vasallen, der tut, was aus seiner Sicht notwendig ist.
Antiamerikanismus ist nicht nur ein deutsches Problem, eher ein europäisches. A. Markovits hat das ganz gut in seinem Buch "Amerika, dich haßt sich's besser: Antiamerikanismus und Antisemitismus in Europa" aufgearbeitet. Das spezifisch "deutsche Wesen" verstärkt dies sicher und bildet andere Ausprägungen aus, als in anderen europäischen Ländern. Das fehlende Nationalbewusstsein, besser vielleicht "nationales Selbstbewusstsein" in Deutschland dürfte sicher eines der Hauptgründe für die besondere Antipathie sein. Die Vorgänger von GWB hatten da noch einen Bonus. Sein Vater George H.W. Bush war Präsident während der Wiedervereinigung und an ihr massgeblich beteiligt. Man würdigt ihn deswegen zwar nicht unbedingt in Deutschland aber es verhinderte zumindest weitere Ablehnung. clinton genoss als Demokrat von vorneherein eine Bonus. Das hängt vermutlich mit Kennedy zusammen, als dessen Nachfolger er ja auch gehandelt wurde. Seine Affären mögen ihn in Amerika geschadet haben, hier in Europa sicher weniger. Da Amerikaner eh als prüde gelten, half ihm das eher als europäisch gesehen zu werden. GWB hatte von Anfang an einen schlechteren Stand. Der "texanische Cowboy" besiegte auf denkbar knappe Weise und chaotischen Umständen den europäischen Wunschkandidaten Al Gore. Auch seine Parteizugehörigkeit standen im Gegensatz zum europäischen Trend, der nach links ging. Seine politisches Programm und die Wahl seiner Minister und Berater bekam den Stempel Neoliberalismus. Der Börsencrash und die folgende Wirtschaftskrise tat ein übriges um ihm sämtliche Amerikaklischees und Vorurteile anzuhängen. Amerika war Schuld daran und damit deren Präsident. Seine rhetorischen Fehler und sein scheinbar wenig intellektuelles Auftreten machten ihn dazu noch zum leichten Opfer für Späße und Verarschungen, was sich bis heute ungebrochen fortsetzt, in allen gesellschaftlichen Schichten.
So gesehen ist GWB das ideale Hassobjekt: An allem Schlechten Schuld und man kann ihn noch der Lächerlichkeit preisgeben. Der perfekte Nährboden um ein ramponiertes deutsches Selbstwertgefühl aufzuwerten.
Zitat von Llarianich denke ihrer Gleichung fehlt ein überaus entscheidender Faktor. Sie gehen davon aus, dass das deutsche Volk von heute das selbe ist, wie das, was seinerzeit Kenndey zujubelte. Und genau das ist absolut nicht gegeben.
Sie haben das zentrale Problem meiner These getroffen, lieber Llarian. Ich habe mir diese Frage auch gestellt, nur bin ich nicht zu Ihrer Antwort gekommen.
Mir fällt immer wieder auf, wie lange sich Mentalitäten, Vorurteile, Denkweisen noch behaupten, auch wenn die historischen Ereignisse, auf die sie sich beziehen, längst im Orkus (!) verschwunden sind.
In den USA gibt es fast einheinhalb Jahrhunderte nach dem Sezessionskrieg immer noch die Vorbhalte des Nordens gegen den Süden und umgekehrt. Die gegenseitige Wahrnehmung von Franzosen und Deutschen hat sich erst rund ein Jahrhundert nach dem Krieg von 1870/71 normalisiert. Die Briten fühlen sich immer noch als Weltmacht, mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Abwicklung des Empire.
Und so ist es, denke ich, auch mit der Nazizeit. Jedenfalls unter den Älteren ist sie immer noch bestimmend für das Nationalgefühl bzw. dessen Fehlen. Jedenfalls sehe ich keine andere Erklärung dafür, warum wir Deutsche nicht wie die anderen auch einen Nationalfeiertag feiern können, an dem wir unsere Geschichte feiern, unsere nationale Größe. Warum geht uns schon das Wort "deutsche Nation" so schwer über die Lippen, warum ist schon der Gedanke an nationale Größe ein Tabubruch?
Zitat von LlarianIch denke auch, dass Bush und Kennedy sehr viel gemeinsam haben, ich denke aber ebenso, dass man George Bush 1963 in Berlin genauso zugejubelt hätte, wie man heute Kennedy in der deutschen Kampfpresse vernichten würde.
Gut möglich; aber ich sehe darin eher eine Bestätigung meiner These. Das eine wie das andere war und ist eine Projektion; insofern sind die Personen austauschbar.
Zitat von LlarianMan erinnere sich an die Schlagzeilen der Bildzeitung im Sechstagekrieg und der eindeutigen Positionierung der Deutschen. Man gratulierte einem Verbündeten zu einem überragenden militärischen Sieg. Geradezu begeistert erscheinen die damaligen Artikel.
Was sich allerdings auch in meine These integrieren läßt. Die Israelis wurden damals für einen "Blitzkrieg" gelobt, also genau das, wofür man die Deutschen verdammte.
Zitat von LlarianIch glaube nicht, dass der deutsche Schuldkomplex für die heutige deutsche Jugend noch eine grosse Rolle spielt.
Das sehe ich auch so. Erstmals bei dieser Explosion eines unbeschwerten deutschen Nationalgefühls 2006 hatte ich den Eindruck, daß sie in der jungen Generation etwas ändert. Ich könnte mir gut denken, daß diese Generation auch die USA wieder viel unbeschwerter sieht.
Zitat von LlarianAber sie wachsen in einer Gesellschaft auf, die zunehmend kollektiv argumentiert, die Freiheit mehr und mehr ablehnt, die ihre ursprünglichen Werte nicht mehr vertritt und immer mehr in sich selbst implodiert. Damit bildet sie einen exakten Gegenpol zu den Ideen, für die Amerika steht. Nein, ich glaube John F. Kennedy würde in der heutigen, deutschen Gesellschaft genauso vor die Wand laufen, wie es George Bush tut.
Ich sehe diese Tendenzen auch und schreibe ja oft darüber. Aber ich bin noch nicht überzeugt, daß es sich wirklich um einen tiefgreifenden Wandel handelt und nicht nur ein, sagen wir, Kräuseln an der Oberfläche.
Was mir bei heutigen Studenten immer wieder auffällt, das ist hohe Leistungsmotivation, eine nüchterne Weltsicht, eine realistische Einschätzung der eigenen Chancen. Eine im Grunde liberale Haltung.
Diese kollektivistischen Tendenzen sehe ich eher bei den heutigen Meinungsführern und natürlich im Osten, dessen Mentalität in einem Maß auch in den Westen eingesickert ist, wie ich das nie für möglich gehalten hätte.
Unfreundliches Personal, Schlamperei, Denken im Kollektiv, Neid, Antiamerikanismus - das gab es natürlich auch vor der Wiedervereinigung im Westen, aber sozusagen pandemisch ist es erst geworden, seit ja nicht nur junge Arbeitssuchende, sondern auch Journalisten, Hochschullehrer, Multiplikatoren der verschiedensten Art, aus dem Osten in den Westen gekommen sind. (Was natürlich, nur zur Sicherheit gesagt, kein kollektives Urteil über alle Ossis ist. Da gibt es auch ganz andere!).
1. Wir brauchen Konsens, nicht zuletzt in internationalen Belangen. Siehe KSZE: das war was. Da kommt dieser Bush und lehnt das Kyotoprotokoll ab, den Menschenrechtsgerichtshof, was soll denn das? 2. Dabei vergriff er sich an unseren edelsten Werten: die Ökologie, die Menschenrechte. Die US-Autofahrer sollen offenbar unser Weltklima kaputtmachen, während die US-Soldaten ungestraft Verbrechen begehen: darum geht es also diesem Bush. 3. Der abenteuerliche Krieg natürlich, der ins Desaster führt. Wir haben ihm das gesagt und er brach ihn dennoch vom Zaun. Krieg ist überhaupt das Schlimmste, da sind wir Deutschen uns seit 1918 einig. 4. Kränkte uns die Bush-Administration, als sie uns zum Old-Europe-Gerümpel warf, und vielleicht noch mehr, indem sie bei der Gelegenheit die Polen uns vorzog. Ausgerechnet diese Marienanbeter und Kaczinski-Wähler! Wenigstens haben wir es denen mit der Ostseepipeline heimgezahlt. 5. Und schließlich passt Dabbeljuh auch gut zu den älteren konservativen antiamerikanischen Klischees von den kaugummikauenden, Füße auf den Tisch legenden, Kola trinkenden, in Comicschund blätternden Halbbarbaren. Ach, tut er alles gar nicht? Aber zuzutrauen wär's ihm schon.
Ob man einen einzigen tieferen Grund für all diese Vorwürfe finden kann, ist mir nicht so klar. Da stecken historische Erfahrungen drin, Überlegenheitsgefühl, Zurücksetzungsschmerz, Ideologie, Tagespolitik, was weiß ich.
Lieber Zettel, sie haben Recht. Ein Grund für diese Entwicklung ist noch, dass viele Leute meinen, dass sich die Amerikaner seit Kennedy moralisch so diskreditiert haben, dass es ihnen nicht mehr zusteht, so pathetisch daherzureden. Das stimmt aber deshalb nicht, weil die USA natürlich nie perfekt waren, aber immer besser, als andere Großmächte. Zur Zeit von Kennedy gab es im Süden ja zB auch immer noch die Rassentrennung. Bush wird auch deshalb so gehasst, weil er das Ende des "Endes der Geschichte" symbolisiert, wie man es in den 1990ern erlebt hatte. Und dann hat es sicher auch noch mit Sozialneid zu tun. Es war glaube ich Flaubert, der bemerkt hat, dass die Welt von Leuten am laufen gehalten wird, die eben gerade keine kontemplativen Typen sind und immer ein Lyrik-Zitat auf den Lippen haben. Für diesen hemdsärmeligen Stil wird auch Bush von unseren echten und vermeintlichen Intellektuellen gehasst. Mittlerweile hat sich das Maß der Propaganda mE etwas gelegt. Das liegt aber daran, dass die Intelligentsia glaubt, dass die Debatte sich erledigt hat, weil niemand mehr ernsthaft ein Anhänger von Bush sein könne... Was die Frage nach der Vorherrschaft in Deutschland angeht, muss man nach den einzelnen Themen unterscheiden. Im Bereich der Immigration hat bspw. eine Verschiebung nach rechts statt- gefunde, bei Umwelt- und Sozialpolitik hat man sich mehr nach links bewegt. Nach meinem Eindruck sind die Leute was ihre private Lebensgestaltung angeht viel pragmatischer und vernünftiger als bei ihren politischen Ansichten. Das ist in sich schon wieder ein Grund mehr, liberal zu sein. Herzlich, Chripa
Zitat von ChripaEin Grund für diese Entwicklung ist noch, dass viele Leute meinen, dass sich die Amerikaner seit Kennedy moralisch so diskreditiert haben, dass es ihnen nicht mehr zusteht, so pathetisch daherzureden. Das stimmt aber deshalb nicht, weil die USA natürlich nie perfekt waren, aber immer besser, als andere Großmächte.
Es dürfte selten in der Weltgeschichte eine Hegemonialmacht gegeben haben, die von ihrer absoluten Vorrangstellung mit soviel self restraint Gebrauch gemacht hat wie die USA.
Das haben wir ja 1945 am eigenen Leib gespürt. Nicht nur die Nazis rechneten mit einer Rache der Sieger, wie sie von den Russen ja auch zT praktiziert wurde. Stattdessen haben sich die Amis um uns gekümmert und Hilfe beim Aufbau der Demokratie geleistet. Die Schlaumeier wenden ein, das sei alles dem Ost-West-Konflikt geschuldet. Aber das stimmt ja nicht; denn diese Politik begann schon mit dem Tag der Kapitulation.
Zitat von ChripaBush wird auch deshalb so gehasst, weil er das Ende des "Endes der Geschichte" symbolisiert, wie man es in den 1990ern erlebt hatte.
In einem bestimmten Sinn (ich weiß nicht, ob Sie es so gemeint haben) stimmt das sicherlich: 1989 war für die Linken auch im Westen ein Desaster, weil auf einmal sie, die ständig den Finger gegen andere erheben, zu erklären hatten, wie denn der Sozialismus sich zu einem so erbärmlichen System hatte entwickeln können, wie es nun vor aller Augen lag.
Die neunziger Jahre markierten einen vorübergehenden Verlust der angemaßten moralischen Überlegenheit der Linken. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten war sie in der Defensive.
Als Bush als Kriegstreiber dargestellt werden konnte, war das für die Linke ein wahrer Jungbrunnen. Man saß endlich wieder auf dem moralischen Hohen Roß.
Das erklärt meines Erachtens auch alle diese Aufblähungen, wie sie Habermas, Michael Naumann und viele andere ab der zweiten Hälfte 2002 dargeboten haben: Wir mit unserer alten, humanistischen blablabla europäischen Kultur gegen die Cowboy-Mentalität der Amis.
Zitat von ChripaEs war glaube ich Flaubert, der bemerkt hat, dass die Welt von Leuten am laufen gehalten wird, die eben gerade keine kontemplativen Typen sind und immer ein Lyrik-Zitat auf den Lippen haben. Für diesen hemdsärmeligen Stil wird auch Bush von unseren echten und vermeintlichen Intellektuellen gehasst.
Gehaßt und verachtet, die übliche Mischung. Beispiel: Diese albernen Sammlungen von Versprechern usw., die eine Zeitlang kursierten (natürlich ging das von den USA aus, wie ja überhaupt Leute wie Michael Moore das hiesige Bush-Bild stark beeinflußt haben). Als ob man so etwas nicht mit jedem machen könnte, der viel frei zu sprechen hat.
Zitat von Chripa Mittlerweile hat sich das Maß der Propaganda mE etwas gelegt. Das liegt aber daran, dass die Intelligentsia glaubt, dass die Debatte sich erledigt hat, weil niemand mehr ernsthaft ein Anhänger von Bush sein könne...
Und weil er eine lame duck ist. Man wird sich demnächst auf McCain einschießen.
Zitat von ChripaWas die Frage nach der Vorherrschaft in Deutschland angeht, muss man nach den einzelnen Themen unterscheiden. Im Bereich der Immigration hat bspw. eine Verschiebung nach rechts statt- gefunde, bei Umwelt- und Sozialpolitik hat man sich mehr nach links bewegt.
Interessante Beobachtung. Stimmt, aber das war mir noch gar nicht aufgefallen.
Daß nicht automatisch jeder als Nazi gebrandmarkt wird, der Ehrenmorde nicht als einen authentischen Zug der islamischen Kultur ansieht, ist in der Tat eine bemerkenswerte Entwicklung.
An ihr haben Autoren wie Broder und Giordano ganz wesentlichen Anteil, die man, weil sie Juden sind, nicht des Nazismus verdächtigen kann. Sie konnten eine Bresche schlagen; wie auch Alice Schwarzer, deren offene Worte über den Islam schwer angreifbar waren, weil sie ja aus der PC Ecke des Feminismus kamen.
Zitat von ChripaNach meinem Eindruck sind die Leute was ihre private Lebensgestaltung angeht viel pragmatischer und vernünftiger als bei ihren politischen Ansichten.
Diese Ansichten sind ja oft auch gar nicht so ernst gemeint. Man haut auf den Putz, man vereinfacht und spitzt zu.
Zitat von KalliasDa kommt dieser Bush und lehnt das Kyotoprotokoll ab, den Menschenrechtsgerichtshof, was soll denn das?
Das wirklich Ärgerliche war und ist meines Erachtens nicht, daß man die US-Position angreift, sondern daß man sie als deppert und unmoralisch zugleich hinstellt.
Daß die USA gute Gründe haben, beides nicht zu wollen, weiß der durchschnittliche Medienkonsument ja gar nicht. Ihm wird eingeredet, da würden vernünftige internationale Vereinbarungen von "Großmachtinteressen" oder gleich "den Interessen des Kapitals" hintertrieben werden.
Zitat von KalliasUnd schließlich passt Dabbeljuh auch gut zu den älteren konservativen antiamerikanischen Klischees von den kaugummikauenden, Füße auf den Tisch legenden, Kola trinkenden, in Comicschund blätternden Halbbarbaren.
Das ist ein interessanter Punkt. Im Populismus treffen sich die extreme Rechte und die extreme Linke. Im Antiamerikanismus treffen sich aber darüber hinaus die gemäßigte Linke und die gemäßigte Rechte.
Und zwar nicht nur im Urteilstenor, sondern auch in der Urteilsbegründung. Wie meine Eltern immer sagten, wir haben Kultur, die Amis haben nur Zivilisation. Das sagen auch - ich habe gerade in der Antwort auf Chripa auf sie verwiesen - Habermas und Naumann und ihre "linksliberalen" Weggenossen.
mir fällt gerade auf, dass ich schon lange keinen off-topic Kommentar mehr geschrieben habe, deshalb zwinge ich Ihnen jetzt mal einen auf:
Nun, die Ursache des Phänomens ist mir unbekannt (und ich habe viel darüber nachgedacht), allerdings kann ich etwas zum Thema "Verbreitung der Anti-Bush-Propaganda" beitragen:
Wie der Teufel so will, habe ich in dem Jahr des Wahlkampfes und des Amtsantritts von Bush (2001) Abitur gemacht und meine Zeit u.A. im Englisch Leistungskurs abgesessen. In so einer Veranstaltung kommt man um die Politik der USA (vor allem in Zeiten des Wahlkampfes) natürlich nicht rum.
Der Unterricht läuft folgendermaßen ab: Man liest etwas (bspw. einen Artikel aus dem Time Magazine oder Newsweek) und diskutiert anschließend darüber, so weit, so gut. Das Problem an der Sache ist m.E. in der Retrospektive, dass man amerikanische Schriften liest, und anschließend "deutsch" darüber diskutiert. Das ist meiner Meinung nach die hauptsächliche Ursache des Antiamerikanismus der deutschen Intellektuellen, in der Schule wurde das auf die Spitze getrieben. Und die Lehrer haben, aus Unwissen oder Ideologie den Antrieb gegeben: "Was halten Sie davon, dass Reiche weniger Steuern zahlen müssen (kein Schüler hat fundierten ökonomischen Background)? Was halten Sie von der Todesstrafe (Kein Deutscher kann auch nur annähernd nachvollziehen, warum viele US-Amerikaner die Todesstrafe befürworten)? Gibt es eine amerikanische Kultur (gemeint sind BigMacs, keiner denkt darüber nach, dass er nur amerikanische Musik hört)?
Nun kam der Bush mit einem Hardliner-Wahlprogramm, welches junge deutsche (unausgereifte) Intellektuelle nicht verstehen, weil es alle Stereotypen bedient, und weil sie die amerikanische Gesellschaft nicht verstehen, und die 13te Klasse war gelaufen: Bush-ranting, 5 Stunden/Woche, wiederum mit freundlicher Unterstützung des Lehrers. Der Höhepunkt: Als Bush Präsident wurde, haben wir im Englisch LK die "inauguration speech" von Bush, kopiert und moderiert vom Englischlehrer auseinandergenommen; Konsens: Der Typ ist geisteskrank. Übrigens: Das war für mich als (damals völlig ungebildeter, ebenfalls antiamerikanischer und Bush-hassender) Linksliberaler der Punkt, an dem ich mich gefragt habe, ob ich hier nicht nur noch Agitprop-Parolen von mir gebe, und ob es vielleicht sinnvoll wäre, sich mit den USA auseinanderzusetzen, bevor ich als Außenstehender ein anderes Volk aufgrund dessen Wahlentscheidung für ein Volk von Idioten halte... auf der anderen Seite stand die Überlegung, ob die deutsche Politik wirklich so viel besser ist. Im Nachhinein habe ich mich meiner Meinung nach zu großen Teilen aus dieser Überlegung heraus vom Affen (der die Banane der Gesellschaft sucht) zum Menschen (der selbst nachdenkt; sich nicht von Trends irritieren lässt und natürlich keine Banane, sondern nur verbale Dresche bekommt) entwickelt.
Fazit: Der Antiamerikanismus ist latent vorhanden (vielleicht einfach eine kulturelle Sache), und Bush war/ist ein Mann, der genau jene Gegensätze zu den Vorstellungen der Europäer in seiner Politik hervorgehoben hat; aus europäischer Sicht auf die Spitze getrieben hat. Alle anderen Präsidenten waren aus europäisch-moralischer Sicht mal hier gut und da schlecht, Bush war/ist aber von Grund auf schlecht.
Wohlgemerkt: Das war meine Erfahrung _vor_ 911, als es noch keinen internationalen Terrorismus und den Kampf gegen selbigen gab.
Eben läuft (noch bis 17.50 Uhr; leider erst eben entdeckt) auf Phoenix die damalige TV-Berichterstattung über den Besuch Kennedys.
Gerade spricht der Präsident des Bundestags Eugen Gerstenmaier in der Paulskirche; Kennedy sitzt als Ehrengast in der ersten Reihe.
Gerstenmaiers Thema ist die deutsche Nazi-Vergangenheit und die Wandlung der Deutschen. Eben hat er über das Deutsche Volk gesagt: "Es leidet unter der Last seiner Vergangenheit und Teilung mehr, als es zu sagen vermag".
Der Kennedy-Besuch ist übrigens genau 45 Jahre her. Die Rede in der Paulskirche fand am 25.6. 1963 statt; und anschließend fuhr Kennedy nach Berlin.
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