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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 38 Antworten
und wurde 2.924 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.06.2008 17:08
Gedanken zu Frankreich (24): Abitur Antworten

Wenn Abitur ist, dann ist ganz Frankreich aufgeregt und gespannt. Alle Informationen darüber stehen in der Presse. Zum Beispiel auch die Themen für den Philosophie-Aufsatz.

Über manche davon könnte man glatt hier im Forum diskutieren.

Omni Offline



Beiträge: 255

25.06.2008 17:12
#2 RE: Gedanken zu Frankreich (24): Abitur Antworten

Beeindruckende Themen, keine Frage. Aber wie hoch ist bei solchen Abituraufgaben der Grad an Reproduktion? Ich weiß ja nicht ob im Unterricht davor nicht bereits diese Fragen behandelt wurden? Und wie sieht nun die eigentliche Aufgabenstellung aus zu einem solchen Rahmenthema wie "Gibt es andere Mittel als die experimentelle Demonstration, um eine Wahrheit zu beweisen?" ?

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

25.06.2008 17:12
#3 RE: Gedanken zu Frankreich (24): Abitur Antworten

Zitat von Zettel
Wenn Abitur ist, dann ist ganz Frankreich aufgeregt und gespannt. Alle Informationen darüber stehen in der Presse. Zum Beispiel auch die Themen für den Philosophie-Aufsatz.

Über manche davon könnte man glatt hier im Forum diskutieren.


Bei den Themen muss ich sagen: Respekt. (und ich hab bayrisches Abitur genossen).

Aendert aber nichts daran, dass die Franzosen kaum etas positives uber die freie marktwirtschaftl in der Schule lernen. Noch weniger sogar, als die Deutschen.

Ketzerische Frage: Was ist der Sinn solcher Aufsaetze? Was zeigt der Schueler damit? Dass er die Dialektik beherrscht? (Ein schreckliches Konzept fuer einen Naturwissenschafter).

Feynman ( gelöscht )
Beiträge:

25.06.2008 17:25
#4 RE: Gedanken zu Frankreich (24): Abitur Antworten

Mich würden mehr die Aufgaben in Mathe interessieren. Das gibt es doch?

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..., people ignored the fact that democracy cannot be permanently maintained when free enterprise, free trade, and economic freedom do not exist. Ludwig von Mises

califax Offline




Beiträge: 1.502

25.06.2008 17:54
#5 RE: Gedanken zu Frankreich (24): Abitur Antworten

Der Delinquent muss zunächst einmal die Frage verstehen und relevante Texte verstanden haben.
Er muss eine These aufstellen, die sich wenigstens halbwegs begründen lässt.
Anschließend muss er die Sache klug begründen, dazu gehört auch die Erörterung und Entkräftung von Argumenten, die gegen seine These sprechen.
Das alles in einer orthographisch und stilistisch dem Thema angemessenen Qualität.
Es wird also ein eigenständiges philosophisches Essay erwartet, indem der Schüler alle Kenntnisse, die er während seiner Schulzeit erlernt hat, entsprechend ihrer Relevanz für's Thema ins Feld führt.
Die Frage zur Beweisführung und dem Experiment ist Wissenschaftstheorie. Da kann man schön weit ausholen und den Dauerstreit zwischen Empirikern und Denkern von der Antike bis ins Heute referieren.

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The Outside of the Asylum

califax Offline




Beiträge: 1.502

25.06.2008 17:58
#6 RE: Gedanken zu Frankreich (24): Abitur Antworten

Zitat von Omni
Aber wie hoch ist bei solchen Abituraufgaben der Grad an Reproduktion?



Es sid Aufsatzthemen. Ausgesuchte Literatur zu diesen Themen wurde sicherlich im Unterricht vorgestellt und diskutiert.

Zitat von Omni

Und wie sieht nun die eigentliche Aufgabenstellung aus zu einem solchen Rahmenthema wie "Gibt es andere Mittel als die experimentelle Demonstration, um eine Wahrheit zu beweisen?" ?


Das ist die Aufgabenstellung. Der Schüler muss sich eben in der Wissenschaftstheorie auskennen und einen philosophischen Aufsatz schreiben, der seiner Meinung nach die Frage korrekt und umfassend beantwortet.
Dafür hat er ja vorher die Schule besucht.
Interessant wäre die geforderte Länge der Antwort.

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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.06.2008 18:02
#7 Welche Themen heute? Antworten

Zitat von Dagny
Bei den Themen muss ich sagen: Respekt. (und ich hab bayrisches Abitur genossen).

Mich würde, liebe Dagny - die Frage geht an alle, die etwas jünger sind als ich - interessieren, welche Themen heute im deutschen Abitur gestellt werden.

Das Fach Philosophie, das in Frankreich zu den absoluten Kernfächern in der Oberstufe gehört, hat ja bei uns einen traditionell geringen Rang (mir wurde es, Ende der fünfziger Jahre, überhaupt nur als Wahlfach angeboten).

Meist werden solche Fragen also wohl Gegenstand von "Besinnungsaufsätzen" (so hieß das jedenfalls damals) in Deutsch sein.

Was übrigesn auffällt, ist, daß in Frankreich politische Themen - auch im weiteren Sinn - vermieden werden. Ist das auch in Deutschland so?

Herzlich, Zettel

califax Offline




Beiträge: 1.502

25.06.2008 18:37
#8 RE: Welche Themen heute? Antworten

Ich hab im Abitur überhaupt keinen Aufsatz geschrieben: Mathe (LK), Englisch (LK), Deutsch (GK), Geschichte (GK mündlich) waren meine Prüfungen. Gemischte Aufgabenstellung dem Fach entsprechend.
Das ich nie gelernt habe, Essays zu schreiben oder Referate zu halten, verfolgt mich bis heute.

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Feynman ( gelöscht )
Beiträge:

25.06.2008 19:15
#9 RE: Welche Themen heute? Antworten

In Antwort auf:
- die Frage geht an alle, die etwas jünger sind als ich - interessieren, welche Themen heute im deutschen Abitur gestellt werden.


Abi habe ich keines, aber die österreichische Matura ist wohl ziemlich ähnlich.

Ich war in einer HTL für Elektrotechnik.

Pflicht waren:

In Deutsch kamen schriftlich einige Aufsatzthemen, genaues weiß ich nicht mehr, meine Wahl hatte etwas mit dem space-race zu tun. Mögliche Themen waren vorher bekannt.
Englisch war als Alternative zu Deutsch möglich.

Mathe: Unter anderem war eine einfache Diff-Gleichung war zu lösen, die unter anderem numerisch mittels Exel(!) gelöst werden konnte.

Regelungstechnik: Der Haupteil der schriftlichen Matura, konnte aber durch ein Maturaprojekt umgangen werden.
Komplizierte Aufgabenstellung, die aber 1:1 vorher durchgemacht wurde.

Mündlich wurde entweder das Projekt vorgestellt, oder man hat in einem technischen Schwerpunktsfach eine Präsentation ausgearbeitet, dazu gab es ein Koplementärfach mit umfangreichen Fragenkatalog.

Daneben wurden noch "unwichige" Gegenstände mündlich geprüft: z.B. Deutsch (wenige Fragen vorgegeben) , Geschichte (mehrere Themen konnte sich der Prüfling vorher selbst aussuchen, eines wurde geprüft), Wirtschaft, Englisch, Religion.


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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.06.2008 19:21
#10 RE: Gedanken zu Frankreich (24): Abitur Antworten

Zitat von Omni
Aber wie hoch ist bei solchen Abituraufgaben der Grad an Reproduktion? Ich weiß ja nicht ob im Unterricht davor nicht bereits diese Fragen behandelt wurden?

Das, lieber Omni, ist bei einem Zentralabitur nahezu ausgeschlossen. Die Themen bleiben bis zu dem Tag, an dem - gleichzeitig überall in Frankreich und im DOM-TOM - die jeweilige Épreuve geschrieben wird, streng unter Verschluß.

Übrigens sind für das Baccalauréat die Universitäten zuständig; der Vorsitzende des jeweiligen lokalen Prüfungsausschusses ist ein Universitätsprofessor, und die im Fall von Betrug zuständige Disiziplinarkommission ist die einer Universität. Das Bachot ist formal die erste Universitätsprüfung und berechtigt somit ohne weitere Zulassungsverfahren zum Studium.

Ich meine vor Jahren einmal gelesen zu haben, daß gewisse Tendenzen "durchsickern"; daß also zB. gemunkelt wird, in einem bestimmten Jahr könnten bestimmte Themenbereiche eher drankommen als andere.

Das ist aber alles. Kein Lehrer weiß sicher, aus welchem Bereich die Themen vorkommen werden; geschweige denn, daß er sie kennt. Was er seinen Schülern beibringt, das ist - Califax hat es hier im Thread schon genannt - , wie man einen Text analysiert, wie man eine Argumentation aufbaut usw.

Ansonsten sind die Abiturienten auf sich selbst gestellt.
Zitat von Omni
Und wie sieht nun die eigentliche Aufgabenstellung aus zu einem solchen Rahmenthema wie "Gibt es andere Mittel als die experimentelle Demonstration, um eine Wahrheit zu beweisen?" ?

Es gibt keine weitere Aufgabenstellung. Der Kandidat muß sich halt überlegen, wie er die Frage beantwortet, und dann eine überzeugende Argumentation schreiben.

Überzeugend und sprachlich gut. Denn bewertet wird natürlich auch die einwandfreie Orthographie und der Stil.



Dazu, welche Bedeutung die Franzosen dem Bachot beimessen, ein Beispiel: In der französischen Wikipédia kann man lesen, wer in den letzten Jahren die besten Abiturienten waren:
Zitat von Wikipédia
* En 2004, un élève au lycée Berthollet d'Annecy (académie de Grenoble), âgé de 17 ans, a totalisé 762 points, correspondant à 20,32/20 de moyenne générale, à son bac ES. Il y est parvenu en obtenant un 20 dans les cinq matières au coefficient le plus élevé (économie, anglais, allemand, mathématiques et philosophie) et 18 ou 19 partout ailleurs excepté en EPS où il a obtenu 11/20. Ses options étaient Latin, Histoire de l'art et TPE. Sa performance lui a valu les félicitations du recteur.
* En 2005, un élève réunionnais, Sanjay Ramassamy, obtient son baccalauréat en série scientifique avec la note de 20,3/20. Il reçoit la médaille de la ville de Saint-Denis et celle de l’académie de la Réunion.
* En 2007, plusieurs lycéens ont obtenu leur baccalauréat avec une moyenne supérieure ou égale à 20/20. Un élève du lycée Jean Bart de Dunkerque, Victor Margelidon, et un candidat de 16 ans et demi scolarisé au lycée Marceau de Chartres sont parvenus à la note finale de 20,23 avec un bac scientifique. Une lycéenne, Laurence Boivin,[19] a quant à elle, obtenu son baccalauréat économique et social avec une moyenne de 20,27/20 à Coutances (Manche). Mais le record actuel est détenu par une creusoise de filière scientifique. Marie Duchez, ancienne élève du lycée Pierre Bourdan de Guéret, qui, avec cinq 20, trois 19, un 18 et un 16 a atteint le meilleur résultat jamais obtenu auparavant 20,6/20.

Im Jahr 2004 hat also am einem Gymnasium in Annecy ein siebzehnjähriger Abiturient 762 Punkte erreicht und damit eine "eins plus" (20 ist eine glatte eins; er erreichte 20,32). Dafür erhielt er eine besondere Belobigung des Rektors der zuständigen Universität.

2005 erreicht auf der Insel Réunion der Kandidat Sanjay Ramassamy 20,30 Punkte. Er erhielt dafür nicht nur eine Belobigung, sondern die Medaille der Stadt St. Denis und der Akademie der Wissenschaften von Réunion.

2007 hat in Chartres ein Kandidat im Alter von sechzehneinhalb Jahren 20,23 Punkte erreicht; im selben Jahr hat Marie Duchez, in Guéret mit 20,6 Punkten das beste Abi gemacht, das jemals jemand in Frankreich hinbekommen hat.

Und das steht in der Wikipédia! Und wenn alles Ende dieses Monats vorbei ist, wird quer durch Frankreich ein großes Feiern anheben, werden die Erfolgreichen in der Lokalpresse gefeiert, werden in den überregionalen Zeitungen wie Le Monde lange Listen mit den Namen der Erfolgreichsten aus ganz Frankreich erscheinen.

In dieser Hochschätzung des Wissens, der Bildung, überhaupt geistiger Leistungen liegt, liebe Omni, einer der Gründe dafür, daß Frankreich trotz seiner vielen Schwächen (zu wenig Liberalismus, eine verkrustete Bürokratie, eine immer noch rückwärtsgewandte Linke, das Fehlen einer starken politischen Mitte, ein aufgeblähter und skandalös privilegierter Öffentlicher Dienst, eine schwache mittelständische Industrie, die 35-Stunden-Woche, zu starke Gewerkschaften) mit den in diesen Hinsichten fortschrittlichern Staaten, wie GB und Deutschland, mithalten kann.

Herzlich, Zettel

Feynman ( gelöscht )
Beiträge:

25.06.2008 19:29
#11 RE: Gedanken zu Frankreich (24): Abitur Antworten

Zitat von Zettel
Und das steht in der Wikipédia! Und wenn alles Ende dieses Monats vorbei ist, wird quer durch Frankreich ein großes Feiern anheben, werden die Erfolgreichen in der Lokalpresse gefeiert, werden in den überregionalen Zeitungen wie Le Monde lange Listen mit den Namen der Erfolgreichsten aus ganz Frankreich erscheinen.



Bei uns werden maximal Volksschüler mit lauter Einsen liebevoll im Lokalblatt abgebildet, ausgezeichnete Maturanten finden sich in diesen Seiten eher nicht.

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Chripa Offline



Beiträge: 132

25.06.2008 19:32
#12 RE: Gedanken zu Frankreich (24): Abitur Antworten

Lieber Zettel,
bei uns im Abi konnte man, wenn ich das noch richtig in
Erinnerung habe, immer zwischen zwei Vorschlägen wählen.
In Französisch waren die Themen glaube ich "Deutsch-Frz.
Freundschaft" und "Der Fremde" von Camus, beides hatten wir
vorher schon im Unterricht behandelt. Bei Englisch hatten
wir relativ ausführlich den Nordirland-Konflikt, meine Abitur-
Aufgabe war zum Thema der Auswirkungen von Internet usw. auf das
menschliche Zusammenleben. In Deutsch wurde ich nicht im Abi selber
geprüft, aber die letzte Klausur ging glaube ich um die Tagebücher
von Viktor Klemperer, die Alternative wäre irgendein Gedicht gewesen.
Meine mündliche Prüfung war in Geschichte, der Schwerpunkt dabei
war die NS-Außenpolitik.
Insgesamt war es zwar nicht gerade Arkadia, aber ich habe trotzdem alles
in guter Erinnerung. Wir haben Camus auf Französisch, Cicero auf Lateinisch,
Goethe auf Deutsch und Shakespeare auf Englisch gelesen. Was Naturwissenschaften
angeht, habe ich mich eher zurückgehalten... ,worauf ich heute nicht stolz bin.
Was aber wirklich gut war, ganz im Gegensatz zu meinem Jura-Studium,
war, dass die Lehrer einen wirklich neugierig auf das Leben gemacht haben
und einem das Gefühl gaben, dass man über das rein fachliche Wissen hinaus
vom profotieren kann.
Herzlich,
Chripa

Diskus Offline



Beiträge: 206

26.06.2008 16:14
#13 RE: Gedanken zu Frankreich (24): Abitur Antworten
In Antwort auf:
Das, lieber Omni, ist bei einem Zentralabitur nahezu ausgeschlossen. Die Themen bleiben bis zu dem Tag, an dem - gleichzeitig überall in Frankreich und im DOM-TOM - die jeweilige Épreuve geschrieben wird, streng unter Verschluß.

Ganz so unvorhersehbar kann es nicht sein, lieber Zettel. Wie mir scheint, scheinen diese Brüder hier so falsch nicht gelegen zu haben.
http://www.france-examen.com/...o-s-331927.html

Ich hab nicht komplett durchgelesen, sondern nur überflogen. Schien mir aber auf den ersten Blick die Richtung gut zu erfassen.
Diskus Offline



Beiträge: 206

26.06.2008 16:33
#14 RE: Gedanken zu Frankreich (24): Abitur Antworten

Das sind auf den ersten Blick ja beeindruckende Aufgaben, lieber Zettel. Auf den zweiten Blick bin ich schon nicht mehr so beeindruckt, denn über diese Dinge kann man sich ja endlos auslassen und doch nichts sagen. Ich jedenfalls haben mich über derlei Aufgaben in der Schule immer gefreut. Ratzfatz waren 10 Seiten vollgekritzelt und man war fertig.

Und noch etwas fällt mir beim französischen Bac auf. Die Hochklassigkeit des Bac verblaßt recht schnell, wenn man sich mal andere Fächer anschaut. Physik und Chemie: "Serie S PHYSIQUE-CHIMIE Spécialité" - Diese Aufgaben sind nicht wirklich schwer. http://www2.ac-toulouse.fr/lyc-francais-...hysique_spe.pdf

Das hier ist schon komplexer. http://www.isb.bayern.de/isb/download.as...9e016ad0f610537

Stimmen Sie mir zu?

Ich denke nicht, daß das französische Bac so viel besser ist als das durchschnittliche deutsche Abitur. Ich hatte auch nicht den Eindruck, daß Franzosen, mit denen ich bisher verkehrte, deutlich cleverer waren als Deutsche. Sie haben nur auffällig lieber geredet.

In Frankreich ist der Anteil derer, die das Bac schaffen (dank Mitterand) etwa 70-80%. Die Abiquote ist selbst in Hamburg nicht höher als 40% - und Hamburger Abiaufgaben haben wir in MV schon in der 10. unschwer bearbeitet. Sie wollen mir wohl bitte nicht erzählen, daß 70% aller Franzosen in irgendeiner Form gebildeter sind als 10-30% aller Deutschen. Oder? Irgendwie glaube ich, daß Sie mit ja antworten werden.

Herzliche Grüße,
Diskus

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.06.2008 16:46
#15 RE: Gedanken zu Frankreich (24): Abitur Antworten

Zitat von Diskus
Ganz so unvorhersehbar kann es nicht sein, lieber Zettel. Wie mir scheint, scheinen diese Brüder hier so falsch nicht gelegen zu haben.
http://www.france-examen.com/...o-s-331927.html
Ich hab nicht komplett durchgelesen, sondern nur überflogen. Schien mir aber auf den ersten Blick die Richtung gut zu erfassen.

Interessante Site, lieber Diskus, danke!

Die mir aber eher zu bestätigen scheint, wie wenig vorher bekannt ist. Kein Vergleich jedenfalls damit, wie an deutschen Gymnasien die Lehrer im allgemeinen auf die Themen vorbereiten, die sie einreichen (es sei denn, es gibt wie in Bayrn und neuerdings in NRW Zentralabitur).

Ich habe mir mal das angegeguckt, was die Autoren konkret für dieses Jahr prognostiziert haben. Auszug;
Zitat von France-Examen
* Si on rapporte la notion de Vérité à celle d’Inconscient, on peut se demander : "Une connaissance rigoureuse de l’inconscient est-elle possible ?"
* Si on rapporte la notion de Vérité à celle de Religion, on peut se demander : "Les vérités de la science et les vérités de la foi sont-elles à mettre sur le même plan ?"
* Si on rapporte la notion de Vérité à un contexte socio-politique, on peut se demander : "Peut-on haïr la vérité ?"
* Si on rapporte la notion de Vérité à la Morale, on peut se demander : "Tout ce qui est techniquement possible est-il moralement souhaitable "


Und hier die tatsächlichen Themen, aus meinem Artikel kopiert:
Zitat von Baccalauréat 2008

(Natur-)wissenschaftlicher Zweig (Série S):

# L'art transforme-t-il notre conscience du réel?
Verändert die Kunst unser Bewußtsein von der Wirklichkeit?

# Y a-t-il d'autres moyens que la démonstration pour établir une vérité?
Gibt es andere Mittel als die experimentelle Demonstration, um eine Wahrheit zu beweisen?

# Expliquer un extrait de "Le monde comme volonté et comme représentation" de Schopenhauer
Kommentierung eines Auszugs aus "Die Welt als Wille und Vorstellung" von Schopenhauer

Jedenfalls ist der allgemeine Rat offenbar gut gewesen:
Zitat von France-Examen
Passer d’une partie du programme à une autre, apprendre à entrer dans une notion à partir d’une autre notion est la meilleure garantie de ne pas se perdre en philosophie. Ainsi, sans vous disperser, vous éviterez de faire des impasses préjudiciables.

Wie auch immer - ich würde mir wünschen, deutsche Abiturienten könnten auch nur nach thematischer Vorbereitung eine lesbare Abhandlung über eines dieser Themen schreiben.

Herzlich, Zettel

Diskus Offline



Beiträge: 206

26.06.2008 16:54
#16 RE: Gedanken zu Frankreich (24): Abitur Antworten

In Antwort auf:
(es sei denn, es gibt wie in Bayrn und neuerdings in NRW Zentralabitur)

Und in BW, Saarland, Thüringen, Sachsen, MV, Sachsen-Anhalt auch schon lange.

In Antwort auf:
Wie auch immer - ich würde mir wünschen, deutsche Abiturienten könnten auch nur nach thematischer Vorbereitung eine lesbare Abhandlung über eines dieser Themen schreiben.

Da würde ich mir keine großen Sorgen machen. Ich habe einen recht guten Überblick über die Qualität der jetzigen Abiturienten. Mein Bruder war letztes Jahr dran. Es gibt doch eine nicht zu verachtende Anzahl sehr heller Köpfe (neben der obligatorischen Anzahl von Dummköpfen, die es nicht oder nur mit viel Fleiß oder gar nicht schaffen) in der Riege. Kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.06.2008 17:08
#17 RE: Gedanken zu Frankreich (24): Abitur Antworten

Zitat von Diskus
Es gibt doch eine nicht zu verachtende Anzahl sehr heller Köpfe

Davon bin ich auch überzeugt, lieber Diskus. Nur sollte man sie auch fordern, diese hellen Köpfe, damit sie leuchten können.
Zitat von Diskus
Kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen.

Keine Angst. Solange es noch Ziele gibt und ich die Flinte halten kann, wandert sie nicht ins Korn.

Herzlich, Zettel

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

26.06.2008 17:13
#18 RE: Gedanken zu Frankreich (24): Abitur Antworten

Diese Abituraufgaben erscheinen mir doch arg problematisch und erinnern mich an die Besinnungsaufsätze, die man in Deutschland vor längerer Zeit abgeschafft hat.

Eine wirkliche Bewertung dieser Themen würde voraussetzen, dass man die unterrichtlichen Voraussetzungen kennt (auf welcher Basis sollen die Schüler schreiben? ist die Basis für alle gleich?), die Bewertungskriterien und auch die Ergebnisse, die produziert werden.

Ich sehe doch erhebliche Schwierigkeiten bei der Bewertung, bei der fairen und gleichen Bewertung über das ganze Land hinweg. Was sind die Kriterien, wie sind sie gewichtet? Minimal ist zu erwarten, dass der Kandidat (s)eine These aufstellt (ja/nein/sowohl als auch) und diese begründet. Aber: Wieviele Argumente sind für eine ausreichende / befriedigende / gute Leistung zu erwarten? Welche Argumente werden erwartet? Problem unterschiedlich guter Argumente und deren Gewichtung? Bezug auf Literatur / bestimmte Werke bestimmter Philosophen? Kennen alle Schüler dieselben Werke als Bezugstexte? Schließlich: Sprachliche Richtigkeit als Teilkriterium.

Besser operationalisierbar sind Aufgaben, die sich auf bestimmte Texte beziehen, eine Textanalyse verlangen (zeigt Textverständnis), eine Einordnung des Textes in den sachlichen Kontext (Bezugnahme auf Lernstoff), kritische Auseinandersetzung (eigene Problemlösung). Nach diesem Schema sind (auf die Schnelle hingeschrieben) Aufgaben in NRW konzipiert (in Deutsch und Geschichte).

Gansguoter

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.06.2008 17:39
#19 Besinnungsaufsätze Antworten

Zitat von Gansguoter
Diese Abituraufgaben erscheinen mir doch arg problematisch und erinnern mich an die Besinnungsaufsätze, die man in Deutschland vor längerer Zeit abgeschafft hat.

Ja, leider, lieber Gansguoter. Ich habe solche Besinnungsaufsätze in der Oberstufe regelmäßig schreiben müssen und auch zum Abitur einen als Thema gewählt ("Si vis pacem, para bellum" - diese Aussage sollte diskutiert werden).

Ich habe in diesem Unterricht sehr viel gelernt; meine kleinen Artikel in ZR zeigen noch heute die Spuren davon.

Man lernte, zu einem Thema Stoff zu sammeln, seine Gedanken dazu zu ordnen ("Gliederung" war eine eigene Form der Klassenarbeit; da brauchte man nur zu gliedern, nicht auch zu schreiben). Damals, in den fünfziger Jahren in einer allerdings sehr guten Schule in Baden-Württemberg, wurde auch viel Wert auf guten Stil gelegt. Daß die Rechtschreibung einwandfrei war, setzte man voraus.

Es war in der ehemaligen französischen Besatzungszone; und die Anfordernungen waren französisch beeinflußt. Zeitweise wurde sogar nach dem französischen 20-Punkte-System statt nach dem deutschen sechs-Noten-System benotet.



Was allerdings fehlte, das war Philosophie als Pflichtfach, wie in Frankreich.

Die Besinnungsaufsätze wurden im Deutschunterricht geschrieben, wo sie eigentlich nichts verloren haben. Und inhaltlich wurden die betreffenden Themen überhaupt nicht vorbereitet. Wie hätte man auch im Deutschunerricht - in meinem Beispiel - über Rüstung und Kriegsverhinderung diskutieren sollen? Die Folge war, daß diese Besinnungsaufsätze in der Tat oft, wie Diskus geschrieben hat, Dahergerede waren. Man lernte das Formale, ja. Aber man wurde nicht inhaltlich trainiert.

In Frankreich ist es aber eben nicht so, daß die Schüler sich die Abhandlungen zu solchen Themen aus den Fingern saugen müssen. Sondern sie haben ja jahrelang Texte von Bergson und Sartre, von Descartes und Montesquieu, aber auch von Aristoteles und Hume, von Kant und Schopenhauer gelesen.

Sie haben solche Aufsätze oft geschrieben; sie haben nicht nur das Argumentieren gelernt, sondern auch Grundthemen wie Wahrheit, Erkenntnis, Wirklichkeit, Bewußtsein, Moral, Freiheit sind ihnen aus der philosophischen Lektüre geläufig. Sie können also ernsthafte Abhandlungen schreiben, statt Laberei.

Folglich kann man, lieber Gansguoter, ihre Aufsätze so beurteilen, wie man es auch bei Textanalysen tut, oder bei Arbeiten in einer anderen geisteswissenschaftlichen Disziplin: Nach Faktenkenntnis (hier also zB der philosophischen Literatur), nach Schlüssigkeit und Differenziertheit der Argumentation, nach Klarheit und sprachlicher Qualität der Formulierungen.

Herzlich, Zettel

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

26.06.2008 19:54
#20 RE: Besinnungsaufsätze Antworten
Lieber Zettel,

aber ist es wirklich so, dass die Schüler "jahrelang Texte von Bergson und Sartre, von Descartes und Montesquieu, aber auch von Aristoteles und Hume, von Kant und Schopenhauer gelesen" haben? Alle gleichermaßen? - Wie ich schon schrieb, ist eine Bewertung der Themen nur möglich bei Kenntnis u.a. des vorangegangenen Unterrichts. Mir fehlen anscheinend die Vokabeln, um auf die Schnelle die Lehrpläne für die Oberstufe in Frankreich, ggf. auch Abiturvorgaben zu finden. Das würde mich schon interessieren, auch für meine Fächer (D, Ge). - An der Schule meiner Frau kann man neben dem Abitur auch das frz. Bac nach den frz. Bedingungen erwerben. Inhaltlich unterscheidet sich der Unterricht zur Vorbereitung auf das Bac nicht so wahnsinnig vom deutschen Lehrplan (NRW)! Der Hauptunterschied ist, dass der Unterricht auch in den Sachfächern auf Frz. stattfindet.

Gruß,
Gasnguoter
ak Offline



Beiträge: 7

26.06.2008 20:41
#21 RE: Gedanken zu Frankreich (24): Abitur Antworten

Zitat von Zettel
Wenn Abitur ist, dann ist ganz Frankreich aufgeregt und gespannt. Alle Informationen darüber stehen in der Presse. Zum Beispiel auch die Themen für den Philosophie-Aufsatz.


Ich frage mich, worum ich die franzoesischen Abiturienten mehr beneiden soll: die interessanten Fragen, oder die Faehigkeit, sie halbwegs konsistent beantworten zu koennen. Denn in der Schule habe ich, wenigstens soweit ich mich erinnere, nichts von den dafuer noetigen Grundlagen in den Kognitionswissenschaften und der Wissenschaftstheorie gelernt. - Zumindest scheint es mir so, dass diese noetig seien, aber andererseits kennen wir ja alle die Witze, die mit "treffen sich ein Physiker, ein Mathematiker, ein Philosoph und ein Theologe" anfangen.

Jedenfalls waere es interessant, mal einige der Antworten zu sehen.

Zitat von Zettel
Über manche davon könnte man glatt hier im Forum diskutieren.


Oder vielleicht darueber. Ich denke, der Artikel zeigt, dass die Abiturfragen eine erstaunliche Relevanz im Hinblick auf gegenwaertige technische Entwicklungen aufweisen, das Trivium mithin alles andere als trivial ist.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.06.2008 23:55
#22 RE: Gedanken zu Frankreich (24): Abitur Antworten

Zitat von Diskus
Die Hochklassigkeit des Bac verblaßt recht schnell, wenn man sich mal andere Fächer anschaut. Physik und Chemie: "Serie S PHYSIQUE-CHIMIE Spécialité" - Diese Aufgaben sind nicht wirklich schwer.

Daß der naturwissenschaftliche Unterricht in Frankreich besser ist als in Deutschland, glaube ich auch nicht; jedenfalls habe ich keinen Anhaltspunkt dafür.

Was die Wissenschaften selbst angeht, war Frankreich nach meinem Eindruck lange Zeit dadurch im Nachteil, daß man sich mit dem Englischen schwer tat. Es gab sogar eine Verordnung - ich weiß nicht, ob sie noch in Kraft ist -, wonach bei Konferenzen in Frankreich Französisch Konferenzsprache sein muß. Die beste Art natürlich, internationale Konferenzen aus Frankreich fernzuhalten.
Zitat von Diskus
Ich denke nicht, daß das französische Bac so viel besser ist als das durchschnittliche deutsche Abitur.

Generell glaube ich das auch nicht; nicht in den Sprachen, nicht in den Naturwissenschaften. Wohl aber in Philosophie, Literatur (französischer), Geschichte (französischer).
Zitat von Diskus
Ich hatte auch nicht den Eindruck, daß Franzosen, mit denen ich bisher verkehrte, deutlich cleverer waren als Deutsche. Sie haben nur auffällig lieber geredet.

Naja, genetisch dürfte es zwischen Galliern plus Römern und Germanen plus Römern in der Tat keinen Unterschied geben. Sogar die Hunnen sind ja bis zu den Katalaunischen Feldern gekommen.

Aber es hat - trotz des vorgeblich egalitären Charakters der pensée républicaine - immer eine Eltiteförderung gegeben. Die besten, sagen wir, fünf Prozent der französichen Abiturienten entsprechen in ihrem IQ vermutlich ihren deutschen Kollegen; aber sie wissen vermutlich erheblich mehr. Mit Sicherheit kann man sagen, daß die Angehörigen eines Jahrgangs auf der ENA oder der École Normale Supérieure weitaus mehr wissen als ihre Jahrgangskollegen irgendwo auf einer deutschen Uni.
Zitat von Diskus
In Frankreich ist der Anteil derer, die das Bac schaffen (dank Mitterand) etwa 70-80%. Die Abiquote ist selbst in Hamburg nicht höher als 40% - und Hamburger Abiaufgaben haben wir in MV schon in der 10. unschwer bearbeitet.

Ich glaube, da vermischen Sie zwei verschiedene Kennwerte, lieber Diskus.

Bei 70 bis 80 Prozent liegt die Erfolgsquote derer, die zum Abitur zugelassen werden. (In den vergangenen beiden Jahren ist sie sogar über 80 Prozent gestiegen, was zu einer großen Diskussion geführt hat, ob die Aufgaben nicht zu leicht oder die Benotung zu lasch war; vermutlich wird sich das dieses Jahr wieder einpendeln).

Also, bestehen tun ungefähr 80 Prozent von denen, die das Abitur erreichen. Und das sind inzwischen fast 60 bis 65 Prozent eines Geburtsjahrgangs. Somit liegt die Quote der Abiturienten eines Jahrgangs bei ungefähr 50 Prozent; vielleicht etwas höher, weil einige der Gescheiterten es erneut versuchen. Ich vermute, daß sie in Deutschland im selben Bereich liegt. In der deutschen Wikipedia konnte ich das auf die Schnelle nicht herausfinden, weil zu den Suchbegriffen "Prozentsatz Abiturienten" bezeichnenderweise nur ein Artikel über Bildungsbenachteiligung angeboten wird!

Mit dem Hinweis auf Mitterand haben Sie Recht. Als er 1981 an die Macht kam, wurde nur ein Viertel eines Geburtsjahrgangs zum Bac zugelassen. 1995 war die jetzige Quote von zwischen 60 und 65 Prozent erreicht. Frankreich holte damit die Expansion nach, die in Deutschland schon in den siebziger Jahren begonnen hatte.
Zitat von Diskus
Sie wollen mir wohl bitte nicht erzählen, daß 70% aller Franzosen in irgendeiner Form gebildeter sind als 10-30% aller Deutschen. Oder? Irgendwie glaube ich, daß Sie mit ja antworten werden.

Hm, lieber Diskus, wie antwortet man auf das Statement "Sie wollen mir bitte nicht erzählen, daß p", wenn man p verneinen möchte? Ich will es Ihnen nicht erzählen. Also muß ich wohl mit "ja" antworten.

Wie Sie richtig vorhergesagt haben. Gratuliere!

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.06.2008 00:09
#23 RE: Besinnungsaufsätze Antworten

Zitat von Gansguoter
aber ist es wirklich so, dass die Schüler "jahrelang Texte von Bergson und Sartre, von Descartes und Montesquieu, aber auch von Aristoteles und Hume, von Kant und Schopenhauer gelesen" haben? Alle gleichermaßen?

Meines Wissens ist Philosophie Pflichtfach in allen drei Zweigen des lycée, vergleichbar unserer gymnasialen Oberstufe. - Natürlich waren die genannten Philosophen nur Beispiele.
Zitat von Gansguoter
- Wie ich schon schrieb, ist eine Bewertung der Themen nur möglich bei Kenntnis u.a. des vorangegangenen Unterrichts. Mir fehlen anscheinend die Vokabeln, um auf die Schnelle die Lehrpläne für die Oberstufe in Frankreich, ggf. auch Abiturvorgaben zu finden.

Wenn ich Zeit und Lust habe, werde ich mal nachschauen.
Zitat von Gansguoter
Inhaltlich unterscheidet sich der Unterricht zur Vorbereitung auf das Bac nicht so wahnsinnig vom deutschen Lehrplan (NRW)!

Daz habe ich gerade in meiner Antwort an Diskus etwas geschrieben. Intensiver ist, soweit ich das beurteilen kann, der Unterricht in Literatur, nationaler Geschichte und eben vor allem Philosophie. Sonst sehe ich auch keine Unterschiede.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.06.2008 00:44
#24 RE: Gedanken zu Frankreich (24): Abitur Antworten

Zitat von ak
Oder vielleicht darueber. Ich denke, der Artikel zeigt, dass die Abiturfragen eine erstaunliche Relevanz im Hinblick auf gegenwaertige technische Entwicklungen aufweisen, das Trivium mithin alles andere als trivial ist.

Ja, das ist ineressant, lieber ak. Hier ist eine etwas ausführlichere Darstellung dieser Idee.

So ganz neu ist sie allerdings nicht. Es ist, in den Humanwissenschaften, die Grundidee des Behaviorismus; vor allem von B.F. Skinner vehement vertreten. Aber auch Hull hatte diese Idee, daß man nicht in die Black Box zu gucken, daß man über die Vorgänge darin keine Theorien zu entwerfen braucht, sondern nur Input-Output-Korrelationen analysieren.

Allerdings bestand bei ihm die Analyse, anders als bei Skinner, in der Reduktion der Vielzahl von empirischen Korrelationen auf einfachere Beziehungen, mittels Intervenierender Variabler. Diese - H, D usw. - waren aber eben keine theoretischen Konstrukte, sondern im Grunde nur Kürzel zur Vereinfachung des Rechnens.

Auch J.J. Gibson hat, vor einem ganz anderen theoretischen Hintergrund (er war Schüler des Gestaltpsychologen Koffka) solche Überlegungen angstellt und stets munter erklärt, er habe keine Theorie und entwerfe keine Modelle. Genau wie Skinner.

Aktuell sind solche Überlegungen wieder, seit man mit lernfähigen konnektionistischen Modellen Gehirn- und kognitive Leistungen zu simulieren versucht. Wenn man ein solches Modell lange genug trainiert, erbringt es die gewünschte Leistung (zB das Erkennen gesprochenen Textes - M. Schneider hat mir dazu gerade einen Tip gegeben). Aber man weiß nicht genau, wie es das eigentlich macht. Man kann es, wenn es gelernt hat, gewissermaßen einer Autopsie unterziehen und nachsehen, welche Kanten zwischen welchen Knoten welche Gewichte (welche Synapsen welche Konnektivität) haben usw.

Herzlich Zettel

califax Offline




Beiträge: 1.502

27.06.2008 01:23
#25 RE: Gedanken zu Frankreich (24): Abitur Antworten

Zitat von Zettel

Aktuell sind solche Überlegungen wieder, seit man mit lernfähigen konnektionistischen Modellen Gehirn- und kognitive Leistungen zu simulieren versucht. Wenn man ein solches Modell lange genug trainiert, erbringt es die gewünschte Leistung (zB das Erkennen gesprochenen Textes - M. Schneider hat mir dazu gerade einen Tip gegeben). Aber man weiß nicht genau, wie es das eigentlich macht. Man kann es, wenn es gelernt hat, gewissermaßen einer Autopsie unterziehen und nachsehen, welche Kanten zwischen welchen Knoten welche Gewichte (welche Synapsen welche Konnektivität) haben usw.



Der Vergleich zwischen den Knoten des Modells und Synapsen ist gewagt.
Diese statistischen Erkennungsmethoden (alles, was ich selbst bisher gesehen habe, waren Hidden Markov Models) sind im Grunde ein mutiges und ehrliches Armutszeugnis, daß man sich als Forscher selbst ausstellt.
Das ist besser als haltlose Spekulationen a la Chompsky, aber...
Die Ergebnisse sind irgendwie dann doch nie so berauschend, wie sie gerne dargestellt werden.
Generell ist die Blackbox-Methode aber eine gute Idee.
Wenn man nicht weiß, was drinsteckt, oder die eigene Objektivität überprüfen will, lohnt es sich oft, eine In-Out-Statistik aufzustellen und zu analysieren. Das kann peinlich werden, wenn der fiese Kollege das Innere der Box austauscht und man es anhand der Ergebnisse nicht bemerkt...
Siehe ELIZA.

Es gab da übrigens mal ein lustiges Ergebnis bei der Kognitionsforschung mit neuralen Netzen, von dem ich hoffe, daß ich irgendwann mal einen wissenschaftlichen Bericht dazu in die Finger kriege:
Da hatte man ein neuronales Netz trainiert, auf Satellitenfotos Panzer zu erkennen.
Man bekam auch scheinbar gute Erkennungsraten, bis die Tests ausgebaut wurden.
Dann stellte sich heraus, daß das Netz gelernt hatte, Fotos mit Wolkenschatten von Fotos ohne zu unterscheiden.

Langer Rede, kurzer Sinn: Man kann die Blackboxmethode benutzen, um Vermutungen anzustellen und zu überprüfen. Ganz praktisch. Aber es bleiben Vermutungen.

Klug und fleißig - Illusion
Dumm und faul - das eher schon
Klug und faul - der meisten Laster
Dumm und fleißig - ein Desaster

The Outside of the Asylum

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