Nur ein kleiner Scherz, aber doch Anlaß zu einer Frage: Warum eigentlich sind konservative Politiker, von Churchill und Adenauer über Ronald Reagan bis zu Bush und McCain, oft witzige, selbstironische Leute? Und warum reicht es bei Linken allenfalls, wie notorisch bei Johannes Rau und heute Kurt Beck, zum Witzeerzählen?
Erster Versuch: linke Politiker glauben an die Möglichkeit, die gesellschaftlichen Verhältnisse rational zu erklären und daraufhin zweckmäßig zu gestalten. Da ist wenig Platz für Selbstironie. Konservative glauben eher, daß die Welt chaotisch ist, ein Narrenhaus voller Absurditäten, dem man mühsam etwas Ordnung abringen kann, wenn es gut geht.
Zweiter Versuch: Konservative glauben häufig an Transzendenz, und wenn sie das nicht mehr ausdrücklich tun, dann ist als Rest der früheren Religiosität immer noch ein distanziertes Weltverhältnis übrig, welches das eigene Handeln in der Welt in ein komisches Licht rückt.
Dritter Versuch: Linke halten sich für gut, weil sie für das Gute sind. ("Wer für das Recht ist, hat immer Recht" usw.) Konservative halten das Leben für widersprüchlich, und glauben, daß niemand außer Jesus jemals durch und durch gut gewesen ist. Von den fünf witzigen Konservativen, die Sie erwähnt haben, lieber Zettel, waren alle bis auf einen Kriegsmänner, die wohl wußten, daß Kriegshandlungen niemals gut sind, sondern bestenfalls richtig, und damit sie selber auch nicht gut, sondern allenfalls gerechtfertigt.
Ihre Beobachtung übrigens, lieber Zettel, mag auf Politiker zutreffen, auf das Fußvolk weniger. Die grüne Bewegung z.B. ist ab Mitte der 80er Jahre in Selbstironie fast ertrunken, man konnte es kaum noch hören. (Seyfried z.B.)
Zitat von Kallias Von den fünf witzigen Konservativen, die Sie erwähnt haben, lieber Zettel, waren alle bis auf einen Kriegsmänner, die wohl wußten, daß Kriegshandlungen niemals gut sind, sondern bestenfalls richtig, und damit sie selber auch nicht gut, sondern allenfalls gerechtfertigt.
Stimmt; das war mir gar nicht aufgefallen. Allerdings war nur Churchill ein wirklicher, wie Sebastian Haffner in seiner Biographie schreibt, "Krieger". McCain ist Berufssoldat, freilich wohl mehr in der Tradition seiner Familie als aus Berufung. Es ist ja sicher kein Zufall, daß er die politische Karriere der militärischen vorgezogen hat. Bush war als Wehrpflichtiger in der National Guard. Reagan hatte sich zwar freiwillig zum Militär gemeldet, hat dort aber Filme gedreht.
Ansonsten finde ich Ihre drei Ansätze alle interessant und einleuchtend.
Zitat von Kallias Ihre Beobachtung übrigens, lieber Zettel, mag auf Politiker zutreffen, auf das Fußvolk weniger. Die grüne Bewegung z.B. ist ab Mitte der 80er Jahre in Selbstironie fast ertrunken, man konnte es kaum noch hören. (Seyfried z.B.)
Das bringt mich auf etwas, liebe Kallias, das mir schon lange durch den Kopf geht: Wie sich bei Konservativen und Linken die, sagen wir es vereinfacht, Oberen und das Fußvolk unterscheiden.
Das linke Fußvolk - das sind oft differenziert denkende, intelligente und auch witzige Leute. Je weiter man in linken Parteien und Organisationen nach oben geht, umso bornierter, humorloser und verbissener werden die Leute.
Bei den Konservativen ist es genau umgekehrt. Da gibt es unten zumindest auch den Typus des Stammtisch-Scheuklapplers. Je weiter es nach oben geht, umso mehr trifft man - auch und gerade unter sehr Konservativen - auf intelligente, differenziert denkende Leute.
Geht es Ihnen nicht auch so? Von der heutigen Führungsriege der SPD und der Grünen, von den Kommunisten ganz zu schweigen, wüßte ich keinen einzigen, den ich mir als interessanten Gesprächspartner vorstellen kann. Bei der CDU viele.
Bei der FDP, der heutigen, allerdings fällt mir auch keiner ein.
Außer Hildegard Hamm-Brücher, aber die ist ja ausgetreten.
Zitat von ZettelDas linke Fußvolk - das sind oft differenziert denkende, intelligente und auch witzige Leute. Je weiter man in linken Parteien und Organisationen nach oben geht, umso bornierter, humorloser und verbissener werden die Leute. Bei den Konservativen ist es genau umgekehrt. Da gibt es unten zumindest auch den Typus des Stammtisch-Scheuklapplers. Je weiter es nach oben geht, umso mehr trifft man - auch und gerade unter sehr Konservativen - auf intelligente, differenziert denkende Leute. Geht es Ihnen nicht auch so?
Hmm. Ich habe mich die meiste Zeit in Kreisen des linken Fußvolkes bewegt, weil ich die Linken meist weniger kalt und arrogant empfunden habe als die Konservativen. Die differenziert denkenden, intelligenten und witzigen Linken kenne und schätze ich sehr wohl, vor allem die von meinem Anarcho-Stammtisch. Bei jungen Linken gibt es andererseits auch viele Scheuklappler, die sich in ein einzelnes Thema und eine einzige Halbwahrheit darüber verbeißen, die sie hartnäckig mit vertrackt-verdrehten Argumenten verfechten. Bei älteren kenne ich den Typ des müden Muffkopfes und des herablassenden Phrasendreschers und auch einige arg Verwirrte - in den 70er Jahren muß wirklich allerhand Zeugs geraucht worden sein. Nur gut, daß ich niemals jung war!
Zitat von ZettelBei der FDP, der heutigen, allerdings fällt mir auch keiner ein.
Otto Graf Lambsdorff?
Genscher hat wohl auch etwas Witz und Selbstironie, und noch mehr hatte der verstorbene Jürgen W. Möllemann. Ähnelte der nicht übrigens ein wenig George W. Bush? Könnte der Bush-Haß der Deutschen nicht auch zum Teil von einer Übertragung von dem verhassten Möllemann herrühren?
Hübsche Beschreibung des linken Völkleins, lieber Kallias.
Zitat von KalliasOtto Graf Lambsdorff?
Stimmt. An den hatte ich gar nicht mehr gedacht; er ist für mich wohl schon zur Geschichtlichen Gestalt geworden.
Zitat von KalliasGenscher hat wohl auch etwas Witz und Selbstironie, und noch mehr hatte der verstorbene Jürgen W. Möllemann.
Von dem habe ich niemals ein Bild bekommen. Sozusagen immer nur unscharfe Momentaufnahmen.
Anfangs habe ich ihn als schneidigen Karrieremacher gesehen. Als wir Anfang der achtziger Jahre einmal nach Fuerteventura geflogen sind, war er im Flieger und hatte es (so schien es uns jedenfalls) so arrangiert, daß es ständig durchs Flugzeug erschallte: "Herr Minister Möllemann bitte zum Telefon". Damals war er Staatsminister im Auswärtigen Amt und Zöglich Genschers. Das paßte zu ihm, wie das "W." und das schneidige Auftreten.
Später fand ich, daß er seine Sache als Wissenschafts- und als Wirtschaftsminister eigentlich nicht schlecht machte; diese "Briefbogen-Affäre" war eine Albernheit, deretwegen er nicht hätte das Handtuch werfen sollen. Sein Humor, den man hier und da mal kennenlernte, gefiel mir auch.
Was dann vor seinem Tod sich zutrug und wieso er diese seltsame Flugblatt-Aktion mit ihrer noch seltsameren Finanzierung veranstaltete - sehr mysteriös. Der Mann schien irgendwie aus dem Ruder zu laufen.
Zitat von ZettelWas dann vor seinem Tod sich zutrug und wieso er diese seltsame Flugblatt-Aktion mit ihrer noch seltsameren Finanzierung veranstaltete - sehr mysteriös. Der Mann schien irgendwie aus dem Ruder zu laufen.
Mini-Möllemann-Theorie: Nachdem er in der Öffentlichkeit abgeschossen wurde, dachte er vermutlich, er sei jetzt der Outlaw, der nur noch durch kühne Taten siegen könnte - oder er hätte rückwärts kriechen und sich verstecken müssen. Zu dem ersten riet ihm dann sein Größenwahn, während die Eitelkeit das zweite ausschloß. Wahrscheinlich war ihm schon vor der Flugblatt-Aktion klar, daß er so oder so kaum noch eine Chance hatte.
Zumindest geht aus diesen Artikeln hervor, daß der Mossad völlig bescheuert gewesen sein müsste, um Möllemann nicht intensiv zu überwachen. Das kann über die Jahre schon eine gewisse Paranoia erzeugen. Einige seiner regelmäßigen Gesprächspartner in Nahost gehören/gehörten ja auch nicht zu den klarsten Köpfen, wenn es um Isarel geht. Wenn dann noch psychische Problemchen dazukommen, hat der Wahn eigentlich freie Bahn.
Klug und fleißig - Illusion Dumm und faul - das eher schon Klug und faul - der meisten Laster Dumm und fleißig - ein Desaster The Outside of the Asylum
Zitat von califaxHinzu kommt, daß es immer wieder Gerüchte über Verstrickungen in unappetitliche Waffengeschäfte gegeben hat. Ich konnte jetzt nichts finden, meine mich aber an Gerüchte im Zusammenhang mit Arafat, Iran und Irak zu erinnern.
Inwiefern könnte die Existenz solcher Gerüchte Möllemann zu seiner Flugblattaktion veranlasst haben?
Zitat von califaxHinzu kommt, daß es immer wieder Gerüchte über Verstrickungen in unappetitliche Waffengeschäfte gegeben hat. Ich konnte jetzt nichts finden, meine mich aber an Gerüchte im Zusammenhang mit Arafat, Iran und Irak zu erinnern.
Inwiefern könnte die Existenz solcher Gerüchte Möllemann zu seiner Flugblattaktion veranlasst haben?
Sollte an den Gerüchten etwas dran sein, was zu seiner über die Medien kolportierten Enstellung zum Waffenhandel in Nahost (und zu eher draufgängerischen Methoden) passen würde, hätte das seine Paranoia gegenüber Israel mit Sicherheit noch verstärkt.
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