Wie die geschätzte Kollegin Dagny in ihrem Beitrag beim "Antibürokratieteam" habe ich an der jetzt beschlossenen Änderung des Personenstandsgesetzes, die eine religiöse Trauung auch ohne standesamtliche Eheschließung erlaubt, bisher nur eine erfreuliche Liberalisierung gesehen. Aber vielleicht - ich bin nicht sicher - gibt es einen Pferdefuß.
Nola
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07.07.2008 08:25
#2 RE: Marginalie: Pferdefuß beim Personenstandsgesetz?
In Antwort auf:Zitat Zettel: Gilt das bisherige Verbot auch für die Eheschließung von Moslems durch einen islamischen Geistlichen? Ich habe darüber keine zuverlässigen Informationen finden können, kenne aber aus unserem Bekanntenkreis Fälle, in denen Moslems sich ohne eine vorausgehende standesamtliche Trauung haben von einem Geistlichen trauen lassen. Zumindest geduldet scheint dies in Deutschland zu werden.
Eine Trauung vor dem Standesamt, ist immer verbunden mit dem kompletten Nachweis seiner persönlichen Identifikation. Fehlte ein persönliches Dokument, musste es erst erbracht werden. Mussten die Papiere ins Deutsche übersetzt werden, ging das nur über einen staatlich anerkannten Dolmetscher. Hier macht der ganz penible Akt der Bürokratie m. E. wirklich Sinn und besteht zu Recht.
Man kann nicht ein Personenkontrollsystem, wie es Herr Schäuble gern hätte, durch den Fingerabdruck auf den Ausweispapieren perfektionieren wollen und an anderer Stelle jeglichen verbrieften Herkunftsnachweis weglassen. Oder wird man zukünftig beispielsweise den Imam in unserer Gesetzgebung etwa der Position eines deutschen Staatsbeauftragten gleichstellen?
Außerdem sind bisher die staatlich und damit rechtlich anerkannten Trauungspapiere Basis für Ansprüche die sich aus der Ehe ableiten lassen. Also müsste nach einer kirchlichen Trauung in jedem Fall das Trauungsdokument beim Standesamt (wie auch die Angabe von Geburten) eingereicht werden.
In Antwort auf:Zitat Zettel: Ob die jetzige Aufhebung des Verbots der religiösen Voraustrauung nicht die Gefahr in sich birgt, daß Moslems ganz auf die standesamtliche Trauung verzichten? Und ob das nicht ein erster Schritt in Richtung auf eine eigene Rechtsordnung für Moslems, jedenfalls in bestimmten Bereichen, auch in Deutschland sein könnte?
Lieber Zettel, denkbar ist das wohl. Eine Aufweichung unseres Rechtssystems in der Urteilsfindung gegenüber moslemischen Straftätern hat ja schon stattgefunden. Auch eine Bigamie, die hier versicherungsrechtlich toleriert wird, ist mit unseren Gesetzen nicht konform.
Interessant wäre es, wie unsere Juristen hier das ganze bewerten?
♥liche Grüße Nola
str1977
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07.07.2008 10:19
#3 RE: Marginalie: Pferdefuß beim Personenstandsgesetz?
In Antwort auf:Ob die jetzige Aufhebung des Verbots der religiösen Voraustrauung nicht die Gefahr in sich birgt, daß Moslems ganz auf die standesamtliche Trauung verzichten?
Wo liegt denn die Gefahr? Es gibt Zehntausende die auch auf die standesamtliche Trauung verzichten, ganz problemlos.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
das Thema "Kriechen der deutschen Rechtsordnung vor migrierter Kultur" wäre ein ganz eigenes Thema wert und da wäre sicher der Verstoss gegen das "Heiratsgesetz" sicher nicht das hervorstehende Problem (denn leider ist das Hinnehmen von kleinen Rechtsbrüchen nur die Spitze eines Eisberges).
Aber eingeschränkt auf dieses sehe ich das Problem nicht. Soll der Imam halt Paar verheiraten, so what ? Meinetwegen soll er das Dutzendweise kreuz und quer durcheinander machen, solange das keinerlei Rechtsstaatus geniesst ist das ganze für den deutschen Staat vollkommen bedeutungslos. Das Problem besteht erst dann, wenn die deutsche Gesetzgebung anfängt diesen Ehen einen Rechtsstaatus zu verleihen und Rechte daraus abzuleiten. Solange das nicht der Fall ist, kann ich wirklich keinerlei Problem erkennen. Niemand ist an die Rechte und Pflichten gebunden, die ein Imam meint auf die Ehe aufbügeln zu können, solange die Rechtsordnung diese Ehe nicht als standesamtliche Ehe anerkennt.
____________________________________________________ ..., people ignored the fact that democracy cannot be permanently maintained when free enterprise, free trade, and economic freedom do not exist. Ludwig von Mises
Zitat von ZettelWie die geschätzte Kollegin Dagny in ihrem Beitrag beim "Antibürokratieteam" habe ich an der jetzt beschlossenen Änderung des Personenstandsgesetzes, die eine religiöse Trauung auch ohne standesamtliche Eheschließung erlaubt, bisher nur eine erfreuliche Liberalisierung gesehen. Aber vielleicht - ich bin nicht sicher - gibt es einen Pferdefuß.
Ob die Kirche auch für eine Trennung (zw. Kirche und Staat) ist, wenn ich eine Sekte gründe, die Trauungen zwischen Tieren und Menschen zuläßt?
____________________________________________________ ..., people ignored the fact that democracy cannot be permanently maintained when free enterprise, free trade, and economic freedom do not exist. Ludwig von Mises
Nicht mehr "staatlich heiraten" zu müssen ist für mich jedenfalls ein Gewinn. Die Ehe ist ursprünglich ja ohnehin eine Sache des Kirchenrechts. Und damit sind wir auch schon beim "Pferdefuß", der gar keiner ist: Das Geltenlassen verschiedener Rechtsordnungen. Dazu hatte ich mich hier schon einmal ausführlich geäußert: http://liberty.li/magazine/?id=4631&q=Re...che+Reformation Man mag zwar konkret beispielsweise die Scharia ablehnen, aber grundsätzlich ist die Sache hochinteressant und hochrechtmäßig, was man von der staatlich-monopolisierten territorialen Letztentscheidungsgewalt wohl kaum behaupten kann. Heutzutage muß man, um die Rechtsordnung zu wechseln, einen Riesenaufwand betreiben (Auswandern mit damit verbundenen Sprach- und Kulturwechsel, usw. usf.): hier wird ein Faß angekratzt, dessen Ausfluß das Potential hat, diese Kosten erheblich zu verringern. Und das ist ganz sicher ein enorm großer Freiheitsgewinn - und wirkt durch den Wettbewerb auch verbessernd auf die konkreten Rechtssystemangebote.
Zitat von § 67 PersonenstandsgesetzWer eine kirchliche Trauung oder die religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung vornimmt, ohne daß zuvor die Verlobten vor dem Standesamt erklärt haben, die Ehe miteinander eingehen zu wollen, begeht eine Ordnungswidrigkeit, es sei denn, daß einer der Verlobten lebensgefährlich erkrankt und ein Aufschub nicht möglich ist oder daß ein auf andere Weise nicht zu behebender schwerer sittlicher Notstand vorliegt, dessen Vorhandensein durch die zuständige Stelle der religiösen Körperschaft des öffentlichen Rechts bestätigt ist.
Dieser Paragraf bezieht sich auf reichlich veraltete gesellschaftliche Normen, nämlich einmal auf das Rechtsverhältnis der Verlöbnis, das heute kaum noch jemand eingeht, und zweitens auf die Möglichkeit eines "schweren sittlichen Notstandes", der bei Nichtverheiratung eintreten könnte. (Vermutlich ging es darum, daß eine kirchliche Nottrauung als gerechtfertigt galt, wenn durch sie eine uneheliche Geburt verhindert wurde.)
Im Rahmen einer Neufassung des Personenstandsgesetzes hat man diese alten Zöpfe eben abgeschnitten. Es gab ja wohl nicht einmal mehr eine Bußgeldandrohung für die Ordnungswidrigkeit.
Sodann bezieht sich der Paragraf auf "religiöse Körperschaften des öffentlichen Rechts". Für Religionsgemeinschaften, die das nicht sind, wie die islamischen Gemeinschaften, war der Paragraf (denke ich mal als Nichtjurist) ohnehin nicht anwendbar. Dem hätte die Religionsfreiheit entgegengestanden.
Nun möchte man wohl irgendwie muslimische Organisationen als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkennen wg. staatlicher Aufsicht über den Religionsunterricht usw., und da mochte man nicht punkto Ehe einen Kulturkampf um längst veraltete Vorschriften ausfechten, vermute ich mal.
Ihren Artikel habe ich mit Gewinn, allerdings nicht mit Zustimmung gelesen.
Sie schreiben darin "Die ersten Lüftchen eines nachdemokratischen Windes wehen bereits". Das mag ja sein; nur muß man sich dann halt entscheiden, ob man das gut findet. Ich bin Demokrat und empfinde diesen Wind als einen sehr unangenehmen kalten Luftzug.
Zitat von Stefan SedlaczekHeutzutage muß man, um die Rechtsordnung zu wechseln, einen Riesenaufwand betreiben (Auswandern mit damit verbundenen Sprach- und Kulturwechsel, usw. usf.): hier wird ein Faß angekratzt, dessen Ausfluß das Potential hat, diese Kosten erheblich zu verringern. Und das ist ganz sicher ein enorm großer Freiheitsgewinn - und wirkt durch den Wettbewerb auch verbessernd auf die konkreten Rechtssystemangebote.
Wäre es, lieber Stefan Sedlaczek, ein großer Freiheitsgewinn, dann hätte es auch meine Zustimmung. Nur fürchte ich, daß es das genaue Gegenteil ist.
Sie schreiben: "Und auch heute noch kennen der Sport und die Kirche zumindest Sondergerichtsbarkeiten". Das stimmt; und es stimmt auch, daß so etwas vor der Aufklärung die Regel gewesen ist - eigene Rechtssysteme, Gerichte, ja eine eigene Polizei beispielsweise für die Juden in ihrem Ghetto oder die Studenten als "akademische Bürger", die der allgemeinen Gerichtsbarkeit entzogen waren.
Heute werden diese Sondergerichtsbarkeiten aber erstens überwölbt durch die allgemeinen Gesetze und die allgemeine Gerichtsbarkeit; jeder kann zB eine sportgerichtliche Entscheidung anfechten, wenn er der Meinung ist, daß sie einen Verstoß gegen ein allgemeines Gesetz beinhaltet.
Und zweitens kann man sich einer solchen Gerichtsbarkeit jederzeit entziehen, indem man die betreffende Gemeinschaft verläßt.
Der Islam erlaubt bekanntlich keinem Moslem, diese Gemeinschaft zu verlassen. Die Scharia sieht dafür die Todesstrafe vor.
Ich bin, wie Sie wissen, wenn Sie ZR lesen, wahrlich kein Etatist. Aber die allgemeine staatliche Rechtsordnung ist eine Errungenschaft der Aufklärung, hinter die gerade wir Liberalen nicht zurückfallen sollten. Sie sollte schon deshalb nicht in Frage gestellt werden, weil das ja zwangsläufig zu einem Zerfall der Gesellschaft führen würde. Jede Rechtsgemeinschaft wird dann versuchen, sich von den anderen abzuschotten; denn sonst gäbe es ja ständig Konflikte zwischen konkurrierenden Rechtssystemen.
Eine ganz andere Frage ist die der Subsidiarität. In den USA kann jede Gemeinde entscheiden, wie sie es zB mit dem Rauchverbot, mit Sexbars usw. hält. Dagegen ist nichts einzuwenden; denn innerhalb eines bestimmten Gebiets gilt stets nur eine Rechtsordnung.
Herzlich, Zettel
PS: Willkommen im "kleinen Zimmer"! Als ich Ihren Namen las, kam er mir bekannt vor. Als ich dann den Link sah, fiel mir ein, daß wir uns aus Liberty.li kennen.
Sie schreiben darin "Die ersten Lüftchen eines nachdemokratischen Windes we-hen bereits". Das mag ja sein; nur muß man sich dann halt entscheiden, ob man das gut findet. Ich bin Demokrat und empfinde diesen Wind als einen sehr unangenehmen kalten Luftzug.
So sehe ich es auch. Es war eine ausgesprochen nervige Grundhaltung dieses Forums liberty.li die Demokratie zu einer Diktatur hoch zu stilisieren. Es war einer von einer Reihe von Gründen, die mich damals bewogen haben, diesem Forum den Rücken zu kehren.
Sie kennen meine Grundhaltung, und wenn es darum geht die Freiheit hoch zu halten, bin ich unter Garantie an vorderster Front dabei, aber die Forderung kann nicht lauten die Demokratie abzuschaffen nur weil bei bestimmten Entscheidungsprozessen man auch Kritik üben könnte, sondern die Forderung kann allenfalls lauten, es sollte nur einen Minimalstaat geben.
Aber über dieses Ziel ging der Grundtenor in diesem liberty.li Forum weit hinaus, das hat aber dann weder etwas mit Freiheit noch mit Liberalität zu tun, sondern folgt wohl eher den Vorstellungen eines Anarchisten.
Das Forum ist übrigens heute nur noch ein kleiner Abklatsch dessen was es mal war. Bezeichnend war in diesem Forum die Grundhaltung zu haben, Demokratie sei schon diktatorisch, umgekehrt dann aber mit einem lächerlichen Minuspunktesystem jeden zu diskreditieren der diese Meinung nicht vertrat, übrigens durch den Leiter des Forums selber.
Das könnte man milde ausgedrückt anachronistisch nennen, hart ausgedrückt demagogischer Massenzwang.
Jeder der das Forum mal kennen gelernt hat, möge das für sich selber entscheiden.
Zitat von M.SchneiderDas Forum ist übrigens heute nur noch ein kleiner Abklatsch dessen was es mal war. Bezeichnend war in diesem Forum die Grundhaltung zu haben, Demokratie sei schon diktatorisch, umgekehrt dann aber mit einem lächerlichen Minuspunktesystem jeden zu diskreditieren der diese Meinung nicht vertrat, übrigens durch den Leiter des Forums selber.
Das Forum gibt es nicht mehr. Das Belohnungssystem wurde schon vorher abgestellt.
In Antwort auf:Es war eine ausgesprochen nervige Grundhaltung dieses Forums liberty.li die Demokratie zu einer Diktatur hoch zu stilisieren.
Wohl auch weil dadurch äußerst unangenehme Zeitgenossen angezogen wurden. (Die genauen Gründe für die Stilllegung des Forums kenne ich nicht.)
In Antwort auf:sondern folgt wohl eher den Vorstellungen eines Anarchisten.
Aber Anarchisten sind die Betreiber nicht.
Herzlich, Feynman
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Zitat von § 67 PersonenstandsgesetzWer eine kirchliche Trauung oder die religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung vornimmt, ohne daß zuvor die Verlobten vor dem Standesamt erklärt haben, die Ehe miteinander eingehen zu wollen, begeht eine Ordnungswidrigkeit, es sei denn, daß einer der Verlobten lebensgefährlich erkrankt und ein Aufschub nicht möglich ist oder daß ein auf andere Weise nicht zu behebender schwerer sittlicher Notstand vorliegt, dessen Vorhandensein durch die zuständige Stelle der religiösen Körperschaft des öffentlichen Rechts bestätigt ist.
Dieser Paragraf bezieht sich auf reichlich veraltete gesellschaftliche Normen, nämlich einmal auf das Rechtsverhältnis der Verlöbnis, das heute kaum noch jemand eingeht,
Mit "Verlobten" sind hier, denke ich, einfach nur die Ehewilligen gemeint. Meines Wissens hatte mit wenigen Ausnahmen ("Kranzgeld") das Verlöbnis auch früher keine rechtliche Bedeutung.
Zitat von Kalliasund zweitens auf die Möglichkeit eines "schweren sittlichen Notstandes", der bei Nichtverheiratung eintreten könnte. (Vermutlich ging es darum, daß eine kirchliche Nottrauung als gerechtfertigt galt, wenn durch sie eine uneheliche Geburt verhindert wurde.)
Ja, vermutlich. Aber das bezieht sich ja auf eine Ausnahme von der Bestimmung dieses Paragraphen, die man auch hätte aufheben können, ohne gleich den Paragraphen zu streichen.
Zitat von KalliasSodann bezieht sich der Paragraf auf "religiöse Körperschaften des öffentlichen Rechts". Für Religionsgemeinschaften, die das nicht sind, wie die islamischen Gemeinschaften, war der Paragraf (denke ich mal als Nichtjurist) ohnehin nicht anwendbar. Dem hätte die Religionsfreiheit entgegengestanden.
Das ist der Punkt, der mir unklar war, und den ich auch nicht auf die Schnelle hatte klären können. Von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ja erst bei der genannten Ausnahme die Rede; in der Hauptbestimmung des Paragraphen wird nur von den "religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung" gesprochen. Ich warte auf die Juristen, die hier im Forum schreiben.
Zitat von KalliasNun möchte man wohl irgendwie muslimische Organisationen als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkennen wg. staatlicher Aufsicht über den Religionsunterricht usw., und da mochte man nicht punkto Ehe einen Kulturkampf um längst veraltete Vorschriften ausfechten, vermute ich mal.
Diesen Hintergrund halte ich auch für möglich. Nur - es ist mal wieder ein Fall für meinen liberalkonservativen Vermittlungsausschuß - bin ich nicht sicher, daß die Zivilehe wirklich veraltet ist; oder jedenfalls die Vorschrift des Paragraphen 67 des Personenstandsgesetzes.
Das GG stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Welche Ehe, welche Familie? Wenn man die Ehe zur Privatsache macht - müßte man dann nicht diesen Schutz konsequenterweise aufheben?
Homosexuelle kämpfen um die Homo-Ehe. Welchen Sinn macht das, wenn die Ehe ohnehin eine private Angelegenheit zwischen den Beteiligten innerhalb ihrer jeweiligen Religionsgemeinschaft ist?
Indem der Staat es ab dem 1. Januar 2009 jedem Paar anheimstellt, sich trauen zu lassen und als verheiratetes Paar aufzutreten, ohne daß die beiden Personen standesamtlich verheiratet sind, wird die Zivilehe zu einer Option neben anderen. Wenn der Staat die obligatorische Zivilehe aufgibt, dann wäre es also konsequent, überhaupt die Zivilehe aufzugeben.
Erbangelegenheiten usw. kann man auch per Ehevertrag regeln. So, wie das auch Homosexuelle können, die ein Ehe schließen wollen - was geht das dann den Staat an?
Daß er die Zivilehe anbietet, hat sich bisher allein daraus gerechtfertigt, daß sie für alle, die heiraten wollen, verbindlich war. Als ein Anbieter unter anderen hat der Staat kein Recht mehr, unsere Steuern für das Trauen von Paaren zu verwenden.
lassen Sie mich hier einige Stellen aus dem Entwurf des Personenstandsrechtsreformgesetzes zitieren, die ich unvorgreiflich juristischer Bewertung für einschlägig und aufschlußreich halte.
In Antwort auf:Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Personenstandsrechts (Personenstandsrechtsreformgesetz – PStRG) vom 15. 06. 2006
Begründung
Eine Vorschrift zur Konkurrenz von staatlicher Eheschließung und religiöser Trauung, wie sie nach geltendem Recht in den §§ 67 und 67a PStG getroffen ist, wird für entbehrlich gehalten und ist daher im Entwurf nicht mehr vorgesehen. Die ursprünglich zur Durchsetzung der 1876 eingeführten obligatorischen Zivilehe und zur Sicherung ihres zeitlichen Vorrangs gegenüber der kirchlichen Trauung mit einer Strafvorschrift (heute: Ordnungswidrigkeit) versehene Regelung hat heute – zumindest im Verhältnis zu den beiden großen Kirchen – keine praktische Bedeutung mehr. Die eindeutige Aussage der Eheschließungsvorschrift in § 1310 BGB lässt keinen Zweifel daran, dass nur die standesamtliche Eheschließung eine Ehe im Rechtssinne begründen kann und damit Vorrang vor einer kirchlichen Trauung oder sonstigen religiösen Eheschließungsfeierlichkeiten hat. (S. 33)
Stellungnahme des Bundesrates Der Bundesrat hat in seiner 815. Sitzung am 14. Oktober 2005 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
30. Zu Artikel 1 (§ 70 Abs. 1a – neu – PStG) In Artikel 1 ist in § 70 nach Absatz 1 folgender Absatz 1a einzufügen: „(1a) Ordnungswidrig handelt auch, wer die religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung vornimmt, ohne dass zuvor die Eheschließenden vor dem Standesamt erklärt haben, die Ehe miteinander eingehen zu wollen.“
Begründung Der derzeitige Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 67 PStG wird nicht für entbehrlich gehalten. Die Sicherung des zeitlichen Vorrangs der obligatorischen Zivilehe sollte auch weiterhin im Personenstandsrecht zum Ausdruck kommen, auch wenn die Vorschrift gegenwärtig keine große praktische Bedeutung haben mag. Zwar ist im Verhältnis zu den beiden großen Kirchen nicht zu erwarten, dass sie eine solche wieder erlangen könnte. Entsprechendes kann jedoch für die – tendenziell an Bedeutung gewinnenden – anderen zwischenzeitlich in Deutschland verbreiteten Religionsgemeinschaften nicht festgestellt werden. (S. 66)
Gegenäußerung der Bundesregierung
Zu Nummer 30 (Artikel 1; § 70 Abs. 1a – neu – PStG) Dem Vorschlag wird nicht zugestimmt Die Erfahrungen haben gezeigt, dass „andere in Deutschland vertretene Religionsgemeinschaften“ trotz wiederholten Hinweises durch verschiedene deutsche Stellen nicht dazu bewegt werden konnten, ihre Eheschließungspraxis nach den §§ 67, 67a PStG auszurichten. Es sollte daher bei dem Wegfall der im Verhältnis zu den beiden großen Kirchen nicht erforderlichen und sonst offenbar wirkungslosen Vorschrift verbleiben. (S. 76)
Mit anderen Worten: da die Muslime machen, was sie wollen, stellen wir es auch den Christen frei; rechtlich von Bedeutung sind diese Eheschließungsfeierlichkeiten ohnehin nicht.
Das klingt in der Tat ein wenig nach der "Lust am Einknicken" von der Broder schreibt.
Gruß, Kallias
Nola
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07.07.2008 20:04
#17 RE: Marginalie: Pferdefuß beim Personenstandsgesetz?
Zu Nummer 30 (Artikel 1; § 70 Abs. 1a – neu – PStG) Dem Vorschlag wird nicht zugestimmt Die Erfahrungen haben gezeigt, dass „andere in Deutschland vertretene Religionsgemeinschaften“ trotz wiederholten Hinweises durch verschiedene deutsche Stellen nicht dazu bewegt werden konnten, ihre Eheschließungspraxis nach den §§ 67, 67a PStG auszurichten. Es sollte daher bei dem Wegfall der im Verhältnis zu den beiden großen Kirchen nicht erforderlichen und sonst offenbar wirkungslosen Vorschrift verbleiben. (S. 76) --------------------------------------------------------------------------------
Zitat Kallias: Mit anderen Worten: da die Muslime machen, was sie wollen, stellen wir es auch den Christen frei; rechtlich von Bedeutung sind diese Eheschließungsfeierlichkeiten ohnehin nicht.
Das klingt in der Tat ein wenig nach der "Lust am Einknicken" von der Broder schreibt.
Und trotzdem kann und darf es nicht sein, lieber Kallias, das von einer Minderheit, egal mit welcher Begründung, eigene Gesetzmäßigkeiten paktiziert werden. Das ein bestehendes Gesetz, welches aus vielerlei Gründen schon auch von Bedeutung ist, einfach ignoriert wird und der Gesetzgeber dann eben einknickt und sein Entgegenkommen dahingehend zeigt. Das lädt doch geradezu ein, auch weitere Gesetze zu ignorieren. Und das hier der längere Atem zur Erzwingung manch anderer Gesetze nicht auf Seiten unserer Gesetzgebung vorhanden ist, wissen wir jetzt auch.
♥liche Grüße Nola
Pelle
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07.07.2008 20:35
#18 RE: Marginalie: Pferdefuß beim Personenstandsgesetz?
Was dir da wieder als erstes einfällt... So weit ist es schon gekommen, dass die richtige Wahl eines Artikels keinen mehr interessiert. Ich bin erschüttert.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Ich bin mir überhaupt nicht sicher. Ich kenne nur einen Kerl, der sich im Internet so nennt. Muss ja nicht derselbe sein. Da Dagny auch behauptet er/sie/es heiße Dagny, maße ich der eigenen Wahl des Genus keine gesteigerte Bedeutung zu
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
str1977
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09.07.2008 09:41
#23 RE: Kein Pferdefuß und schon gar nicht marginal
In Antwort auf:So sehe ich es auch. Es war eine ausgesprochen nervige Grundhaltung dieses Forums liberty.li die Demokratie zu einer Diktatur hoch zu stilisieren. Es war einer von einer Reihe von Gründen, die mich damals bewogen haben, diesem Forum den Rücken zu kehren.
Das ist sicherlich nervig. Ich kann dazu nur sagen, daß ich die ganze Diskussion nervig finde. "Demokratie" und "Diktatur" sind nicht die einzigen Optionen. Auch eine Demokratie kann unterdrücken.
PS. Aus gegebenem Anlaß füge ich hinzu, daß Ihnen nichts vorzuwerfen ist.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
str1977
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09.07.2008 09:48
#24 RE: Kein Pferdefuß und schon gar nicht marginal
Zitat von ZettelHeute werden diese Sondergerichtsbarkeiten aber erstens überwölbt durch die allgemeinen Gesetze und die allgemeine Gerichtsbarkeit; jeder kann zB eine sportgerichtliche Entscheidung anfechten, wenn er der Meinung ist, daß sie einen Verstoß gegen ein allgemeines Gesetz beinhaltet.
Und zweitens kann man sich einer solchen Gerichtsbarkeit jederzeit entziehen, indem man die betreffende Gemeinschaft verläßt.
Der Islam erlaubt bekanntlich keinem Moslem, diese Gemeinschaft zu verlassen. Die Scharia sieht dafür die Todesstrafe vor.
Ja, da messen Sie aber nun mit zweierlei Maß und in keiner Weise rational.
In Deutschland kann man sich völlig legal vom Islam verabschieden.
Und auch die Kirche erlaubt keinen "Austritt aus der Kirche". Man einen solchen natürlich standesamtlich erklären und sich um die kirchlichen Konsequenzen nicht scheren. Das ist jedem unbenommen.
Das Judentum sieht es sogar noch strenger, denn Jude ist man durch Geburt und es gibt nichts, was man daran ändern könnte.
Der einzige Unterschied besteht nun, daß manche Moslems zuweilen Apostaten töten. Aber ich frage Sie: wie oft passiert das in Deutschland?
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
str1977
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09.07.2008 10:06
#25 RE: Marginalie: Pferdefuß beim Personenstandsgesetz?
Ich schweige mal zu angeblich "veraltenden Rechtsnormen" und zu Rechtsinstituten, die angeblich "keine rechtliche Bedeutung" haben.
Zitat von ZettelJa, vermutlich. Aber das bezieht sich ja auf eine Ausnahme von der Bestimmung dieses Paragraphen, die man auch hätte aufheben können, ohne gleich den Paragraphen zu streichen.
Aber wozu. Niemand hat(te) ein Interesse daran, die Ausnahme abzuschaffen.
Zitat von Zettel
Zitat von KalliasSodann bezieht sich der Paragraf auf "religiöse Körperschaften des öffentlichen Rechts". Für Religionsgemeinschaften, die das nicht sind, wie die islamischen Gemeinschaften, war der Paragraf (denke ich mal als Nichtjurist) ohnehin nicht anwendbar. Dem hätte die Religionsfreiheit entgegengestanden.
Das ist der Punkt, der mir unklar war, und den ich auch nicht auf die Schnelle hatte klären können. Von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ja erst bei der genannten Ausnahme die Rede; in der Hauptbestimmung des Paragraphen wird nur von den "religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung" gesprochen. Ich warte auf die Juristen, die hier im Forum schreiben.
Das kann auch nicht stimmen. Das alte Personenstandsrecht schrieb zwingend (wenn auch zuletzt nur als Ordnungswidrigkeit) die Zivilehe vor jeder anderen Eheform vor. Das galt auch für Moslems.
Der Verweis auf die Religionsfreiheit kann ja auch nicht greifen. Denn auch Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, genießen Religionsfreiheit und zwar ungeschmälert. Alles andere wäre wirklich ein Skandal.
Zitat von ZettelDas GG stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Welche Ehe, welche Familie? Wenn man die Ehe zur Privatsache macht - müßte man dann nicht diesen Schutz konsequenterweise aufheben?
Natürlich jene Ehe, die zum Wissen des Staates geschlossen wurde, sprich die Zivilehe. Diese wird ja eben auch keineswegs abgeschafft.
Zitat von ZettelHomosexuelle kämpfen um die Homo-Ehe. Welchen Sinn macht das, wenn die Ehe ohnehin eine private Angelegenheit zwischen den Beteiligten innerhalb ihrer jeweiligen Religionsgemeinschaft ist?
Das ist ohnehin ein anderes Thema. Eine Homo-Ehe gibt es in Deutschland (und den meisten anderen Orten) nicht.
Zitat von ZettelIndem der Staat es ab dem 1. Januar 2009 jedem Paar anheimstellt, sich trauen zu lassen und als verheiratetes Paar aufzutreten, ohne daß die beiden Personen standesamtlich verheiratet sind, wird die Zivilehe zu einer Option neben anderen. Wenn der Staat die obligatorische Zivilehe aufgibt, dann wäre es also konsequent, überhaupt die Zivilehe aufzugeben.
"Wenn ..." - Das tut er aber nicht. Er erlaubt auch nicht jedem "als verheiratetes Paar aufzutreten" - zumindest nicht mehr, als es ohnehin schon erlaubt ist. Nur vor Ämtern dürfte das nicht gehen - vorher und nachher.
Zitat von ZettelErbangelegenheiten usw. ... - was geht das dann den Staat an?
Natürlich geht es den Staat etwas an und liegt kein Testament vor, greifen staatliche Vorgaben. Wie wollen Sie es sonst regeln? Alle möglichen Erben treten in einem Tischtennisturnier an?
Der Staat ist kein Anbieter und wozu er ein Recht hat entscheiden Verfassung und Gesetz. Und nein, es geht nicht immer nur um Geld.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
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