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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 30 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

02.09.2008 23:10
Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten

Ich bin ein Klimagnostiker. Ich weiß nicht, ob die gegenwärtige Mehrheitsmeinung der Klimatologen richtig ist, daß wir uns in einer menschengemachten globalen Erwärmung befinden, oder ob die Minderheit der Klimaskeptiker am Ende Recht behält.

Nicht darum geht es in diesem Zitat des Tages. Sondern um ein Mißverständnis dessen, was mathematische Modelle grundsätzlich leisten können.

Sie sind nicht dazu da, Hellsehern ihren Job streitig zu machen. Sondern sie sind Forschungsinstrumente, mit denen sich bestimmte theoretische Annahmen untersuchen und an der Empirie prüfen lassen.

Friedel B. Offline




Beiträge: 49

03.09.2008 05:15
#2 RE: Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten

"Prognosen" werden offenbar immer dann zu bloßen "Szenarien", wenn sie nicht eingetroffen sind oder die Zweifel an ihrem Eintreffen wachsen. Bis dahin aber werden die "Szenarien" zumindest in Medien und Öffentlichkeit so gehandelt, als ob es tatsächlich Aussagen über die Zukunft mit Anspruch auf Gültigkeit seien.

Beim Lesen Ihres Blogeintrags, sehr verehrter Zettel, kam mir spontan der Aufmacher einer in den achtziger Jahren erschienenen Ausgabe der "Husumer Nachrichten" in den Sinn. Dort wurde der damals sehr prominente Gründer und seinerzeitige Leiter der Bochumer Volkssternwarte, Heinz Kaminski, mit den Worten zitiert, dass das Klima in Schleswig-Holstein im Jahre 2000 dem Neapels entsprechen werde. Ich muss gestehen, dass seit diesem Zeitpunkt der Glaube an die Seriosität der genannten Tageszeitung und an die des Herrn Kaminiski in ihren Grundfesten erschüttert sind. Infolge meiner Erinnerung habe ich mir soeben die Internetpräsenz der Bochumer Volkssternwarte (http://www.sternwarte-bochum.de) angesehen; tatsächlich ist dort erstaunlich viel Weltanschauliches zu finden. Unter dem Stichwort "Erde" kann man in einem (offenbar nicht mehr ganz aktuellen) Eintrag beispielsweise folgenden Satz lesen: "Das Thema Klimawandel ist aktuell in aller Munde – die Herausforderung besteht nun darin, es auch in die Köpfe der Menschen zu transportieren“, beschreibt Thilo Elsner, Leiter des Instituts für Umwelt- und Zukunftsforschung/ Sternwarte Bochum seinen Auftrag. "Die Bedeutung dieser Aufklärungsarbeit ist nicht zu unterschätzen." Für die Bochumer Bildungseinrichtung ist die aktuelle Diskussion Anlass, über die Prognosen der Klima- und Wirtschaftsforscher und somit auch die Grenzen des Wachstums kritisch nachzudenken." Dort spricht man also nicht nur von "Prognosen" statt von "Szenarien", sondern erinnert mit der Überschrift "Klimawandel als natürliche Grenze des Wachstums" ganz bewusst an den offenbar immer noch als Quelle abgründiger Weisheit angesehenen "Club of Rome". Zudem lassen Inhalt und Formulierung des Artikels nach meiner Ansicht darauf schließen, dass man sich mit dem Klimawandel keineswegs kritisch, sondern im Gegenteil ausgesprochen gläubig auseinandersetzen möchte.

Nebenbei noch eine kleine sprachliche Anmerkung (Sie wissen ja mittlerweile, verehrter Zettel, dass ich in dieser Hinsicht meine Marotten habe): Sie benutzen (leider ohne distanzierende Gänsefüßchen) die oft zu vernehmende Formulierung, das "Klima" werde sich "erwärmen". "Klima" bedeutet meines Wissens wörtlich so viel wie "Neigung" oder "Tendenz" und wird definiert als das über dreißig Jahre gemittelte Wettergeschehen (also Temperatur, Wind, Niederschlag, atmosphärischer Druck, Luftfeuchtigkeit etc.) in einer bestimmten Region. Eine Neigung bzw. Tendenz kann sich zwar verstärken oder abschwächen, aber nicht erwärmen. Nach meiner Ansicht hätte es daher "die mittlere Temperatur wird besonders in Süddeutschland ansteigen" heißen müssen.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

03.09.2008 07:03
#3 RE: Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten

Lieber Zettel,

'Prognose' unserer Regierung ist einzureihen in die 'Prognosen' zur wirtschaftlichen Entwicklung: 'Prognose' heißt: Die Korrekturen laufen der tatsächlichen Entwicklung im monatlichen Rhytmus hinterher. 'Mit nie erreichter Genauigkeit' kann sich wohl nur auf die Uhrzeit der Verkündigung beziehen.

Na ja, irgendwie wird doch nur ein tiefes Bedürfnis des Volkes bedient, das sich schwer mit eigenständigem Denken tut: Die Haruspexe kommen halt wieder, in etwas modernerem Gewand: Wie wäre es mit 'Compu(t)spex`?

Gruß, Martin


Wer als Werkzeug nur den Hammer kennt, sieht in jedem Problem einen Nagel.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.09.2008 07:25
#4 RE: Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten

Zitat von Friedel B.
"Prognosen" werden offenbar immer dann zu bloßen "Szenarien", wenn sie nicht eingetroffen sind oder die Zweifel an ihrem Eintreffen wachsen. Bis dahin aber werden die "Szenarien" zumindest in Medien und Öffentlichkeit so gehandelt, als ob es tatsächlich Aussagen über die Zukunft mit Anspruch auf Gültigkeit seien.

Genau so ist es, lieber Friedel B. Und die Klimatologen sind selbst schwammig in ihren Aussagen.

Sie wissen natürlich, daß solche Modelle Instrumente der Forschung sind und nicht deren Ergebnis. Sie wissen, daß ein solches Modell nur besagt: Gegeben diese und jene theoretischen Annahmen A, B und C und unter der Voraussetzung, daß empirische Parameter die Werte x,y und z haben, werden diese Paramter die Werte x',y' und z' annehmen.

Aber das ist es ja nicht, was die Öffentlichkeit von ihnen hören will. Und der Steuerzahler bezahlt schließlich die schönen Superrechner und die vielen Doktorandenstellen. Also geht man, sagen wir, an die Grenze dessen, was sich wissenschaftlich vertreten läßt. Kein seriöser Wissenschaftler wird sagen: So wird es kommen. Aber er wird sagen - was ja auch nicht falsch ist -: Das ist unsere Prognose.

Ich kenne das Geschäft ja ein bisserl. Wenn jemand bei der DFG die Finanzierung eines Projekts beantragt, dann muß er am Ende auch über mögliche technologische Anwendungen, den möglichen gesellschaftlichen Nutzen usw. Auskunft geben. Da denkt man sich halt was Schönes aus, wenn man Geld für Grundlagenforschung haben will. Bei der MPG ist es nicht anders.
Zitat von Friedel B.
Beim Lesen Ihres Blogeintrags, sehr verehrter Zettel, kam mir spontan der Aufmacher einer in den achtziger Jahren erschienenen Ausgabe der "Husumer Nachrichten" in den Sinn. Dort wurde der damals sehr prominente Gründer und seinerzeitige Leiter der Bochumer Volkssternwarte, Heinz Kaminski, mit den Worten zitiert, dass das Klima in Schleswig-Holstein im Jahre 2000 dem Neapels entsprechen werde.

Dieser Heinz Kaminski war in der Tat damals prominent, weil er als einer der ersten mit einem kleinen Empfänger seiner "Volkssternwarte" die Signale der ersten Sputniks aufgefangen hatte. Mit Wissenschaft hatte das, was diese "Sternwarte" so trieb, nie viel zu tun. Die Astronomen an der Uni Bochum waren einigermaßen entsetzt, konnten aber diesem selbsternannten Experten und Hobby-Astronomen (er war gelernter Chemielaborant oder etwas ähnliches) auch nicht das Handwerk legen. Ich habe ihn damals in Diskussionen erlebt, in denen er hanebüchenen Unsinn von sich gegeben hat. Das Empfangen von Funksignalen hatte er als Funker beim Militär gelernt.

Die Uni-Astromen haben unverdrossen Aufklärung getrieben, und als die Stadt Bochum diese seltsame "Sternwarte" nicht länger finanzieren wollte, hatte Kaminski die Idee, auf die Umweltschiene zu wechseln.
Zitat von Friedel B.
Dort spricht man also nicht nur von "Prognosen" statt von "Szenarien", sondern erinnert mit der Überschrift "Klimawandel als natürliche Grenze des Wachstums" ganz bewusst an den offenbar immer noch als Quelle abgründiger Weisheit angesehenen "Club of Rome".

Ich wollte in dem Artikel eigentlich aus dem "Bericht des Club of Rome" zitieren, habe aber mein Exemplar nicht finden können. Dort wurde damals "vorhergesagt", daß im Jahr x (das eben hätte ich nachschlagen müssen) die Sowjetunion den Westen im BSP pro Kopf überholt haben werde.
Zitat von Friedel B.
Nebenbei noch eine kleine sprachliche Anmerkung (Sie wissen ja mittlerweile, verehrter Zettel, dass ich in dieser Hinsicht meine Marotten habe): Sie benutzen (leider ohne distanzierende Gänsefüßchen) die oft zu vernehmende Formulierung, das "Klima" werde sich "erwärmen". "Klima" bedeutet meines Wissens wörtlich so viel wie "Neigung" oder "Tendenz" und wird definiert als das über dreißig Jahre gemittelte Wettergeschehen (also Temperatur, Wind, Niederschlag, atmosphärischer Druck, Luftfeuchtigkeit etc.) in einer bestimmten Region. Eine Neigung bzw. Tendenz kann sich zwar verstärken oder abschwächen, aber nicht erwärmen. Nach meiner Ansicht hätte es daher "die mittlere Temperatur wird besonders in Süddeutschland ansteigen" heißen müssen.

Sie haben vollkommen recht. Als ich das geschrieben hatte, habe ich auch einen Augenblick gezögert, es stehenzulassen. Aber dann dachte ich: Das ist nun mal der übliche Ausdruck. Übrigens auch im Englischen (climate warming), obwohl "global warming" wohl noch häufiger ist. Aber das wirft ein Übersetzungsproblem auf. "Globale Erwärmung" ist falsch. Die Erwärmung ist ja nicht global, sondern der Globaus erwärmt sich. Also "Erderwärmung"? Ja, vermutlich wäre das das richtige Wort.

Ich bin für solche Anmerkungen immer dankbar, lieber Friedel B., weil ich Ihr Marotte ja a bisserl teile.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.09.2008 07:43
#5 RE: Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten
Zitat von Martin
\'Mit nie erreichter Genauigkeit\' kann sich wohl nur auf die Uhrzeit der Verkündigung beziehen.

*lol*

Das mit der Genauigkeit stimmt ja in gewisser Weise; nur nicht in der Weise, in der es von Laien verstanden wird.

Eine Vorhersage kann "genau" sein in dem Sinn, daß sie spezifisch ist. In diesem Sinn ist zum Beispiel die Vorhersage einer Weltuntergangsekte, daß am 3. September 2009 die Welt untergeht, sehr genau.

Mit "genau" kann aber auch gemeint sein, daß die Vorhersage gut mit der Realität übereinstimmt. In diesem Sinn ist die oben genannte vermutlich nicht unbedingt genau.

Das jetztige Modell ist offenbar das "genaueste" im ersten Sinn. Man hat viele Faktoren berücksichtigt, man hat ein sehr engmaschiges Raster gewählt.

Das erfordert einen immensen Rechenaufwand. Nur - "genauer" im zweiten Sinn wird die Vorsage damit nicht unbedingt. Das hängt allein davon ab, ob die richtigen Faktoren, die richtigen Interaktionen zwischen ihnen, die richtigen Ausgangsdaten, vor allem auch die richtigen geschätzten noch gar nicht bekannten, weil zukünftigen Daten (zum Beispiel über die Entwicklung der CO2-Emissionen) eingegeben wurden. Wenn die Klimaskeptiker recht haben, die eher natürliche Faktoren (Sonnenaktivität, Präzession) verantwortlich machen, dann kann die "Genauigkeit" in diesem zweiten Sinn auch miserabel sein.

Was würde einer der an diesem Simulationsprojekt beteiligten Wissenschaftler wohl sagen, wenn man ihn fragt, ob er sich wirklich die Aussage zutraut, daß im Schnitt der Jahre 2070 bis 2100 die Erwärmung im südwestlichen Teil Sachsens um ein Grad höher sein wird als im restlichen Sachsen?

Er würde vermutlich antworten: Das hat unser Modell halt so berechnet. It's our best guess. Natürlich würde er keinen Cent darauf wetten, daß es wirklich so kommt.

Herzlich, Zettel
Rainer Offline



Beiträge: 69

03.09.2008 09:27
#6 RE: Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten

Lieber Zettel,
wieder ein sehr schöner Beitrag, der sich mit meiner Ansicht ziemlich genau deckt. Diese Ansicht speist sich aus jahrzehntelanger Erfahrung meinerseits. Ich kann mich spontan an keine einzige (!) spezifische (also abseits von "es wird auch in x Jahren Kriege geben") Prognose, egal, von welcher Seite her - Wissenschaft, Politik, Esoterik, etc. - erinnern, die tatsächlich zu hundert Prozent eingetroffen wäre. Und ich darf Ihnen versichern, dass ich auch früher mit offenen Augen durch die Welt ging und viel gelesen oder aufgeschnappt habe. Das grundsätzliche Problem dieser Modelle, um auf eine wissenschaftliche Ebene zurückzukommen, ist, dass nicht Ordnung, sondern vielmehr Chaos die Geschicke des Universums bestimmt. Das heißt, ein Modell zeichnet möglicherweise ein höchst akkurates Bild eines gegenständlichen Themas zum Zeitpunkt X, eignet sich aber nicht, es 1:1 auf den Zeitpunkt Y zu übertragen.
Genau dies geschieht aber, aus einem groben Missverständnis dem Gefüge der Welt gegenüber, die keine streng lineare Entwicklung kennt. Der Beispiele gibt es fast unendlich viele. Sehr berühmt ist jene Prognose die aufzeigte, wann New York im Pferdeäpfelmist ersticken würde. Ich liebe dieses Beispiel, weil es höchst anschaulich das ganze Dilemma von Modellen versinnbildlicht. Die Prognose war absolut korrekt - allerdings nur, wenn man die Prämissen unverändert ließ. Das gleiche geschah und geschieht seither unzählige Male.
Alleine der Zusammenbruch des Kommunismus veränderte die Welt in jeglicher Hinsicht dermaßen dramatisch, dass jede vorhergegangene Prognose schlichtweg falsch sein musste.

Um aber Ihrem Beitrag noch etwas halbwegs Sinnvolles hinzuzufügen, möchte ich Ihnen und anderen Lesern meine simple, aber wie sich gezeigt hat höchst zutreffende, Faustregel präsentieren, wie man die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens einer Prognose bemessen kann.
Das funktioniert folgendermaßen: Zählen Sie, wie oft im Text folgende Wörter vorkommen:

"könnte", "möglicherweise", "würde", "vielleicht", "glauben / schätzen / befürchten Wissenschaftler", "wahrscheinlich"

Je mehr dieser Wörter vorkommen, umso unwahrscheinlicher ist das Eintreffen der Prognose. Testen Sie es einfach einmal, mit irgendeinem beliebigen "Klimakatastrophe"-Text! Sie werden verblüfft sein.

PS: Meine Wette steht ja immer noch, dass wir in spätestens fünf Jahren mit der katastrophalen Gefahr des "Global Coolings" zugedröhnt werden.

http://rainer.over-blog.de/

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

03.09.2008 09:33
#7 RE: Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten
Lieber Zettel,

dieser Zug "Klimamodelle" ist ja wohl nur noch in Fahrt, weil er so ein großes finanzielles Eigengewicht erworben hat. Einer meiner Lieblingsblogger läßt kaum eine gutes Haar an diesen modernen Kristallkugeln. Für den Einstieg mal ein paar Schmankerln:

http://wmbriggs.com/blog/2008/04/08/why-...-that-exciting/
http://wmbriggs.com/blog/2008/09/02/wishcasting/

Herzlich, Thomas
Friedel B. Offline




Beiträge: 49

03.09.2008 10:36
#8 RE: Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten

Lieber Zettel,

herzlichen Dank für Ihre freundliche und überaus rasche Antwort! Mit besonders großem Interesse habe ich die für mich völlige Neuigkeit zur Kenntnis genommen, dass Heinz Kaminski weder Fachmann noch Wissenschaftler war; damals wurde nach meiner Erinnerung in den Medien der Anschein erweckt, als sei er ein ausgewiesener und hoch qualifizierter Experte.

Damit ich nicht der "Bloggeritis" verfalle, halte ich ansonsten getreulich meinen Vorsatz ein, nicht nach 06.00 Uhr und nicht vor 18.00 Uhr in meinen Lieblingsblogs zu stöbern. Ich mache jetzt eine Ausnahme, weil ich gerade mit dem Fahrrad in die nächstgelegene größere Ortschaft zum Einkaufen gefahren bin und mir dabei allerlei durch den Kopf ging. Zunächst kann ich aus erster Hand berichten, dass auf meiner insgesamt etwa fünfzehn Kilometer langen Tour von neapolitanischen Verhältnissen weit und breit nichts zu spüren war. Zur Zeit weht ein fast stürmischer Wind; die Temperatur beträgt, wie mir mein Außenthermometer soeben mitteilt, fünfzehn Grad Celsius; der Himmel ist von tiefhängenden grauen Wolken bedeckt - also im Grunde ist alles so, wie es sich in Nordfriesland wenn auch nicht für den Spätsommer, so doch für den beginnenden Herbst gehört. In der Unterschrift zu der bedrohlich rotglühenden Deutschladkarte bei SPON, auf die Sie hinweisen, heißt es: "Glücklich, wer sich rechtzeitig ein Ferienhaus an Nord- oder Ostsee gekauft hat. Denn nicht nur die Wassertemperaturen, auch die Grundstückspreise in der Region könnten bis dahin deutlich gestiegen sein". Meiner Frau und mir käme das durchaus zupass, jedoch hält sich unsere freudige Erwartung in Grenzen, weil die nämlichen Katastrophiker gleichzeitig verkünden, dass besagte Häuser und Grundstücke dann allesamt unter Wasser stehen.

Meine Assoziationskette auf dem Fahrrad spann sich dann weiter bis zu den beiden "grooten Mandränken" von 1362 und 1634, die die Karte Nordfrieslands gewaltig verändert haben; beide entsetzlichen Katastrophen fanden übrigens mitten in der sogenannten "Kleinen Eiszeit" sowie im Winter beziehungsweise späten Herbst statt, hatten also mit globaler Erwärmung offenbar wenig zu tun. Sicher kennen Sie Detlev von Liliencrons Ballade "Trutz, blanke Hans", die mir auch dann, wenn ich sie nur im Kopf und aus dem Gedächtnis rezitiere, immer wieder Schauer über den Rücken jagt und die mit der Strophe beginnt

Heut bin ich über Rungholt gefahren,
die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.
Noch schlagen die Wellen da wild und empört
wie damals, als sie die Marschen zerstört.
Die Maschine des Dampfers schütterte, stöhnte,
aus den Wassern rief es unheimlich und höhnte:
Trutz, Blanke Hans!

Interessanterweise führt Detlev von Liliencron den Untergang Rungholts zum Teil ebenso wie Dennis Meadows auf Wirtschaftwachstum (und ein ganz kleines bisschen auch auf Multikulti ;-) ) zurück:

Rungholt ist reich und wird immer reicher,
kein Korn mehr faßt selbst der größeste Speicher.
Wie zur Blütezeit im alten Rom
staut hier alltäglich der Menschenstrom.
Die Sänften tragen Syrer und Mohren
mit Goldblech und Flitter in Nasen und Ohren.

Doch der Hauptschuldige war und ist ein anderer:

Mitten im Ozean schläft bis zur Stunde
ein Ungeheuer tief auf dem Grunde.
Sein Haupt ruht dicht vor Englands Strand,
die Schwanzflosse spielt in Brasiliens Sand.
Es zieht sechs Stunden den Atem nach innen
und treibt ihn sechs Stunden wieder von hinnen.
Trutz, Blanke Hans!

Das war seit Jahrhunderten so, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Siegmar Gabriel, das IPCC oder gar ich auf meinem Fahrrad daran viel ändern werden,

Llarian Offline



Beiträge: 6.920

03.09.2008 10:55
#9 RE: Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten

Das interessante an dem Begriff der "nie erreichten Genauigkeit" ist, dass dieser Begriff ausgesprochen beliebig verwendet werden kann. Nehmen wir folgendes Beispiel:

Ein Forscher untersuche eine Grösse, die im zeitlichen Verlauf einer einfachen Exponentialfunktion entspräche. Durch Fehler in seinen Modellannahmen sind seine Meßungen dahingehend verfälscht, dass sie immer einen 25% zu hohen Wert ermitteln. Zur Berechnung verwendet er dann ein Sieb, dass 100 Meßwerte über 100 Sekunden ermittelt und trägt die resultierende Funktion auf. Der Fehler des Modells ist, das wissen wir als externe, allwissende Beobachter, 25%. Jetzt geht ein anderer Forscher hin und diskretisiert weiter und ermittelt 1000 Meßwerte aus diesen 100 Sekunden. Die Untersuchung entspricht nun einer "nie erreichten Genauigkeit". Der Fehler ist aber nicht ein bischen kleiner geworden.

Bei den Klimamodellen kann man den selben Mumpitz beobachten. Weil man über die Genauigkeit von Modellannahmen fast nichts aussagen kann, erhöht man die Diskretisierung der Simulation, wobei vollkommen unklar ist, ob dieser Diskretisierungsfehler überhaupt ins Gewicht fällt. Wenn er so sehr ins Gewicht fällt, dann waren die Prognosen der Vergangenheit bereits totaler Blödsinn. Wenn er nicht ins Gewicht fällt, dann liegt auch keine höhere Genauigkeit vor. Das ist schlichte Scharlatanerie auf hohem Niveau.

Wenn man wirklich von Genauigkeit sprechen wollte, dann müsste man die Genauigkeit der Prognose überprüfen. Jede wissenschaftliche Theorie ist nur so nützlich, wie sie die Zukunft korrekt vorhersagen kann. Wenn mir die ganzen Erwärmungsfraggels endlich mal das Wetter vom nächsten Jahr korrekt vorhersagen können, dann kann man über Genauigkeit reden. Es gibt einen einfachen Beleg dafür, dass solche Leute nicht an ihre eigenen Prognosen glauben: Versuchen Sie mal mit einem Klimaüberzeugten eine teure Wette auf die Zukunft abzuschliessen. Wenn die Prognosen alle mit "hoher Sicherheit" stimmen, dann sollte eine 20:1 Wette mit einem Einsatz von 10.000 Euro kein Problem sein.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.09.2008 11:15
#10 RE: Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten

In Antwort auf:
Ich bin ein Klimagnostiker.

Lieber Zettel, das glaube ich nicht.
Bzw. nach meinen bescheidenen Griechischkenntnissen sind Sie eher das Gegenteil ;-)

Ansonsten finde ich es interessant, daß Sie noch einen "Club of Rome"-Bericht haben. Im Internet ist der leider nicht verfügbar.

Mich würde wirklich mal interessieren, ob von den vielen hundert Voraussagen dieses Berichts überhaupt nur eine einzige eingetroffen ist.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.261

03.09.2008 13:35
#11 RE: Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten
Zitat von R.A.
Ansonsten finde ich es interessant, daß Sie noch einen "Club of Rome"-Bericht haben. Im Internet ist der leider nicht verfügbar.



Ja, das ist mir auch aufgefallen. Nun kann man dafür natürlich immer irgendwelche formalen Gründe erfinden. Copyright und so.
Aber wenn die Autoren sich auch heute noch sicher wären, dass eine digitale Veröffentlichung dieses... Dings... ihren Ruhm mehren würde, dann würden sie das tun.
Folglich wissen die Autoren, dass eine Veröffentlichung des Werkes ihnen schaden würde.

Sozusagen die umgekehrte Version des Prinzips "Abstimmung mit den Füßen". In diesem Fall eine "Abstimmung durch nicht-Veröffentlichen".
MfG Frank
dirk Offline



Beiträge: 1.538

03.09.2008 14:07
#12 RE: Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten

Wie gut, dass Schulbücher seltenst erneuert werden. In denen finden sich die Aussagen nämlich noch.

Was mich aber immer wieder wundert sind die "formalen Mängel" bei vielen "Wissenschaftlern". Zum Beispiel das DKFZ verquickt seine Studie über das Passivrauchen mit politischen Forderungen. Oder die Klimawissenschaftler rechnen die Erwärmung bis auf zwei Nachkommastellen aus und täuscht damit Genauigkeit vor. Oder ein Klimaforschungszentrum (PIK) fordert mal eben eine "Kulturrevolution".

Das wäre in der Schule, bei einer simplen Facharbeit, nie möglich gewesen. Da hätte es definitiv eine fünf für gegeben. Kann man nicht wenigstens äußerlich die wissenschaftliche Methode beibehalten?

jana Offline




Beiträge: 348

03.09.2008 20:25
#13 RE: Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten

Zitat von Friedel B.

Interessanterweise führt Detlev von Liliencron den Untergang Rungholts zum Teil ebenso wie Dennis Meadows auf Wirtschaftwachstum (und ein ganz kleines bisschen auch auf Multikulti ;-) ) zurück:

Rungholt ist reich und wird immer reicher,



Hallo Friedel,

dieses uralte, wohlstandspessimistische, Muster begegnet mir immer wieder und regt mich jedes Mal schrecklich auf. Das erwähnte Gedicht hab ich mir übrigens, unter Kopfhörern, in eim norddeutschen Museum (wo war das noch? in Husum?) angehört und es hat mir die ganze Ausstellung verleidet. :-(

Zitat von Friedel B.

Doch der Hauptschuldige war und ist ein anderer:

Mitten im Ozean schläft bis zur Stunde
ein Ungeheuer tief auf dem Grunde.
Sein Haupt ruht dicht vor Englands Strand,
die Schwanzflosse spielt in Brasiliens Sand. ...

Das war seit Jahrhunderten so, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Siegmar Gabriel, das IPCC oder gar ich auf meinem Fahrrad daran viel ändern werden,


Das hábmse aber falsch ferstanden - ähem - valsch verstanden, lieber Friedel: Das Ungeheuer ist nix anderes als die Globalisierung selbst, gégn die Sie, ja, gégn die wir alle, sehr wohl was unternehmen können, ja, unternehmen müssen! - & dann - alles wird gut. Woll? (Abtrétn) ;-)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.09.2008 23:32
#14 RE: Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten

Zitat von Friedel B.
herzlichen Dank für Ihre freundliche und überaus rasche Antwort! Mit besonders großem Interesse habe ich die für mich völlige Neuigkeit zur Kenntnis genommen, dass Heinz Kaminski weder Fachmann noch Wissenschaftler war; damals wurde nach meiner Erinnerung in den Medien der Anschein erweckt, als sei er ein ausgewiesener und hoch qualifizierter Experte.

Ich habe ihn, als ich von Bochum wegging, a bisserl aus den Augen verloren, auch in den Medien war es stiller um ihn geworden. Jetzt habe ich in der Wikipedia nachgesehen:

Er war von Beruf nicht, wie ich in Erinnerung gehabt hatte, Chemielaborant, sondern Chemieingenieur; da habe ich ihm Unrecht getan.

Und er brachte es 1972 gar zum Honorarprofessor (dazu kann man ernannt werden, auch ohne eine Stelle an einer Uni zu haben, ja ohne habilitiert zu sein; man muß - wie Kaminski - noch nicht einmal promoviert sein). Und zwar zum Honorarprofessor für "Didaktik der Physik". Er sollte also nicht Physik lehren, sondern lehren, wie man Physik lehrt.

Diese Ehre tat ihm eine damals frisch geschaffene Universität Essen an, deren "Gründung" ich damals, 1972 hautnahm miterlebt habe: Die SPD-Regierung, die unbedingt NRW mit neuen Unis zieren wollte, nahm ein vorhandenes Klinikum und eine vorhandene Pädagogische Hochschule, legte sie zusammen und nannte das Ganze Universität.
Zitat von Friedel B.
Ich mache jetzt eine Ausnahme, weil ich gerade mit dem Fahrrad in die nächstgelegene größere Ortschaft zum Einkaufen gefahren bin ...

Solche besinnlich-farbig-ironischen Reflexionen von Ihnen lese ich immer mit einem Extravergnügen, lieber Friedel B.
Zitat von Friedel B.
Heut bin ich über Rungholt gefahren,
die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.
Noch schlagen die Wellen da wild und empört
wie damals, als sie die Marschen zerstört.
Die Maschine des Dampfers schütterte, stöhnte,
aus den Wassern rief es unheimlich und höhnte:
Trutz, Blanke Hans!

Bisher kannte ich nur den Refrain und wußte gar nicht, von wem das war.

Als Kind habe ich mal eine Geschichte über die untergegangene Stadt Vineta gelesen; da sollen ja die Glocken manchmal noch geläutet haben!!

Und als ich das erste Mal auf Sylt war, ungefähr 1960, habe ich mit Schaudern eine Karte gesehen, die zeigte, wie die nordfriesische Inselwelt im Mittelalter ausgesehen hatte.

Das hat mich darauf vorbereitet, wie ich dann später immer mal wieder um die Südspitze bei Hörnum herumgewandert bin und gesehen habe, wie wieder ganze Brocken Land verlorengegangen waren. So richtig eifrig Aufspülen tut man ja anscheinend nur im Bereich Kampen/Westerland.
Also, panta rhei.

Und um das zum Schluß noch ins Bedeutend-Allgemeine zu heben, lieber Friedel B.:

Das Klima, die Küstenlinie, Flora und Fauna haben sich immer verändert. Was unsere heutigen Ökos wollen, das ist eine Welt, deren Dynamik gestoppt, der Kräfte der Veränderung eingesperrt werden sollen, so wie man den Geist gern in der Flasche hätte.

Es ist der infantile Wunsch vom Paradies.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.09.2008 23:41
#15 RE: Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten

Zitat von Llarian
Ein Forscher untersuche eine Grösse, die im zeitlichen Verlauf einer einfachen Exponentialfunktion entspräche. Durch Fehler in seinen Modellannahmen sind seine Meßungen dahingehend verfälscht, dass sie immer einen 25% zu hohen Wert ermitteln. Zur Berechnung verwendet er dann ein Sieb, dass 100 Meßwerte über 100 Sekunden ermittelt und trägt die resultierende Funktion auf. Der Fehler des Modells ist, das wissen wir als externe, allwissende Beobachter, 25%. Jetzt geht ein anderer Forscher hin und diskretisiert weiter und ermittelt 1000 Meßwerte aus diesen 100 Sekunden. Die Untersuchung entspricht nun einer "nie erreichten Genauigkeit". Der Fehler ist aber nicht ein bischen kleiner geworden.

So ist es. Und mit diesen beiden ganz verschiedenen Bedeutungen von "Genauigkeit" wird gespielt, wenn man diese jetzigen Modellrechnung als "von unerreichter Genauigkeit" bezeichnet, weil ein sehr kleines Raster gewählt wurde. (Übrigens nur ein kleines räumliches; beim Zeitraster war man sogar sehr großzügig, indem man Zeiträume von je 30 Jahren zusammenfaßte).
Zitat von Llarian
Versuchen Sie mal mit einem Klimaüberzeugten eine teure Wette auf die Zukunft abzuschliessen. Wenn die Prognosen alle mit "hoher Sicherheit" stimmen, dann sollte eine 20:1 Wette mit einem Einsatz von 10.000 Euro kein Problem sein.

Er würde, wenn er Wissenschaftler ist, antworten: Ja haben Sie denn nicht verstanden, daß es sich nur um ein Szenario handelt?

Der jetzige Artikel in "Spiegel- Online" ist ja noch vergleichsweise seriös (er stammt aus dem Wissenschaftsressort) und informiert den Leser, der sich durch fünf Teile hindurchgeklickt hat, am Ende darüber, daß es sich um ein Szenario handelt und keine Vorhersage.

Aber die Medien, die Öffentlichkeit verstehen den Unterschied gar nicht. So wenig, wie sie zwischen Genauigkeit im Sinn von Feinheit des Rasters und Genauigkeit im Sinn von Übereinstimmung mit empirischen Daten unterschieden können.

Und die Klimatologen lassen sie ganz gern im Unklaren. Weil eben niemand Milliarden für die Erforschung von Szenarien ausgeben würde, deren "Genauigkeit" nur darin besteht, daß sie das Nichtwissen im Detail kartieren.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

04.09.2008 00:00
#16 RE: Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten

Zitat von R.A.
In Antwort auf:
Ich bin ein Klimagnostiker.

Lieber Zettel, das glaube ich nicht.
Bzw. nach meinen bescheidenen Griechischkenntnissen sind Sie eher das Gegenteil ;-)

Sie meinen, ich bin ein Klimaagnostiker?

Ja, da haben Sie mit dem Griechischen freilich recht. Aber ich habe dem Auslaut von "Klima" einfach zugleich die Funktion des Alpha Privativum aufgebürdet.

D.h. nicht eigentlich ich, sondern ich habe das Wort ja von Wullenwever geklaut (übrigens schade, daß er hier anscheinend nicht mehr schreibt; ist ein scharfsinniger und hellsichtiger Mann).

Also, liebe R.A. - "Klimaagnostiker" nenne ich mich erst, wenn aus der Obamania eine Obamamania geworden ist.
Zitat von R.A.
Ansonsten finde ich es interessant, daß Sie noch einen "Club of Rome"-Bericht haben. Im Internet ist der leider nicht verfügbar.

Ja ich habe ihn, habe ihn aber nicht.

Ich habe ihn vor Jahren aus der "Futurologie"-Ecke meiner Bibliothek entnommen, als ich etwas zitieren wollte, und dann ist er offenbar sonstwohin zurügestellt worden. Da das Haus mit Büchern vollsteht, bedeutet das, daß er verschollen ist.

Aber wenn ich ihn finden sollte - das Haus verliert ja nichts! - melde ich mich nochmal dazu.
Zitat von R.A.
Mich würde wirklich mal interessieren, ob von den vielen hundert Voraussagen dieses Berichts überhaupt nur eine einzige eingetroffen ist.

Ich glaube nicht. Was ich mir damals, als ich das Buch aus seiner gewohnten Umgebung gerissen hatte, angesehen habe, war alles krass daneben.

Man muß freilich auch sehen, daß man damals mit Computern arbeitete, deren Kapazität weit unter der eines heutigen Handys lag; das waren die "Großrechner" wie der "Zilog", der mal bei uns im Institut stand - in einem klimatisierten Raum; betreut von einem Diplom-Physiker, der eigens dafür engagiert war. (Wir nannten ihn "den Zilog", weil in ihm ein Z80-Prozessor steckte).

Das war alles fürchterlich primitiv, und entsprechend waren die "Modelle", vom Matrixdrucker als Kurven aus XXXen, ***en usw. ausgedruckt; was ASCII halt hergab.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

04.09.2008 00:09
#17 Parteiliche Wissenschaft Antworten

Zitat von dirk
Oder ein Klimaforschungszentrum (PIK) fordert mal eben eine "Kulturrevolution".
Das wäre in der Schule, bei einer simplen Facharbeit, nie möglich gewesen. Da hätte es definitiv eine fünf für gegeben. Kann man nicht wenigstens äußerlich die wissenschaftliche Methode beibehalten?

Das ist ein interessanter Punkt, lieber Dirk.

Zu den weniger beachteten Aspekten der 68er Kulturrevolution gehörte der Kampf der Linken gegen die "bürgerliche Wissenschaft". Darunter wurde eine voraussetzungslose Wissenschaft verstanden, die wertneutral und ergebnisoffen Grundlagenforschung betreibt, ohne auf Anwendungen zu schielen und ohne der Öffentlichkeit ihre Erkenntnisse in Form von Handlungsanweisungen aufzudrängen.

Diese scheinbar wertneutrale Wissenschaft stehe in Wahrheit im Dienst des Kapitals. Wissenschaft müsse aber im Dienst des Volks und des Fortschritts stehen.

Damals ist dieser Virus in die Universitäten eingedrungen (mehr bei den Geistes- , vor allem bei den Sozial-, am wenigsten bei den Naturwissenschaften), daß Forschung "gesellschaftlich relevant" sein müsse.

Heute hat sich das in vielen Uni-Bereichen eingenistet; ganze Departments ("Gender-Forschung" zum Beispiel) forschen ungefähr so wertneutral, wie ein Ayatollah den Koran wertneutral liest.

Und am schlimmsten ist es natürlich bei allem, was an angeblicher Forschung innerhalb der Öko-Bewegung stattfindet. Da weiß man immer schon, was hinten herauskommt.

Herzlich, Zettel

Thomas Pauli Offline




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04.09.2008 07:30
#18 RE: Parteiliche Wissenschaft Antworten

Ja, Lieber Zettel,

und wir Physikstudenten sollten dauernd über unsere Verantwortung diskutieren, bestimmte Forschungen nicht zu betreiben, als ob wir besser als alle anderen wüßten, was für die Menschheit gut ist! Dieses ekelhafte Patronalisieren, anderen ihre Entscheidungsmöglichkeiten zu entziehen, hat sich als das wirkliche Merkmal grün-linker Politik herausgestellt.

Herzlich, Thomas

P.S. Hast Du mal bei Briggs vorbeigeschaut?

Zettel Offline




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04.09.2008 09:27
#19 RE: Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten

Zitat von Thomas Pauli
http://wmbriggs.com/blog/2008/04/08/why-...-that-exciting/

Lieber Thomas, ich fand diesen Artikel interessant, weil er eigentlich offene Türen einrennt, wenn man an die Benutzung von mathematischen Modellen in anderen Disziplinen als der Klimatologie denkt.

Interessant, daß man das den Klimatologen offenbar sagen muß.

Ja, natürlich sind Modelle nie unabhängig voneinander. Aus allen den Gründen, die Briggs aufführt: Man kennt einander, jeder begutachtet die Arbeiten der anderen, man diskutiert auf den Kongressen und vor allem abends nach den Sitzungen. (Dort breiten sich die meisten Meme aus, nach meiner Erfahrung).

Ebenso liegt auf der Hand, daß alle Modelle denselben Randbedingungen Rechnung tragen müssen. Wenn jemand, sagen wir, ein konnektionistisches Modell zur Simulation der Übetragung von Graphemen in Phoneme bastelt, dann muß er die Phonologie der betreffenden Sprache berücksichtigen.



Und bei allen komplexen Modellen (ob sie nun lernfähig sind oder ob man nur an den Stellschrauben dreht, wie Briggs es beschreibt) ist es so, daß die Parameter, unter Umständen die Modellannahmen überhaupt, so lange getrimmt werden, bis sie auf die Daten passen, die das Modell erklären soll.

Nach klassischer Forschungsmethodik ist das der reine Wahnwitz. Wenn ich Hypothesen testen will, dann muß ich das klassischerweise eine nach der anderen tun; denn sonst weiß ich ja nicht, welche Hypothese denn nun falsifiziert wurde, wenn eine Vorhersage nicht eintrifft.

Solche komplexen Modelle implementieren aber zugleich eine riesige Anzahl von Hypothesen. Ich habe mal eine Diskussion zwischen einem Modellbauer und einem Skeptiker erlebt. Der Modellbauer hatte gezeigt, wie schön sein Modell auf die Daten paßt. Darauf fragte der Skeptiker, wieviele freie Paramter das Modell denn hätte. Vier oder fünf, war die Antwort.

Es stellte sich dann aber heraus, daß damit nur Klassen von Paramtern gmeinet waren (in dem betreffenden konnektionistischen Modell also z.B. die Schwelle für die Aktivierung eines Knotens). Für jeden einzelnen Knoten konnten aber die Werte für diese Parameter frei gewählt werden - in Wahrheit hatte das Modell also viele Dutzende Freie Parameter.

Ich habe keine Ahnung, wieviele es in einem Klimamodell sind. Da aber für jeden Bereich (Sonneinstrahlung, Luftbewegung, Bodenreflektion usw.) viele Parameter festzulegen sind, dürften es wohl hunderte sein. Und jeden davon kann man so lange verändern, bis das Modell auf die Daten paßt!



Und so fort, lieber Thomas. Das ist alles überall so; und deshalb wissen die Kollegen überall ja auch, wie begrenzt der Nutzen solcher Modelle ist. Sie sind keineswegs nutzlos; ich habe in dem Artikel ja auf den einen oder anderen Nutzen hingewiesen. Aber sie sind eben nur Forschungsinstrmente, keine Forschungsergebnisse.

Nur in der Klimatologie scheint vieles anders zu sein. Irgendwie eine wissenschaftliche Welt für sich, scheint mir.

Die Idee, daß man aus dem Grad der Konvergenz zwischen Modellen auf die Zuverlässigkeit einer gewissermaßen modalen Vorhersage schließen könne, ist putzig. Wenn zehn Astrologen dem Löwe-Geborenen übereinstimmend Wagemut bescheinigen - dann zeigt diese Übereinstimmung, daß sie Recht haben?

Da kann ich nur sagen:

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

04.09.2008 09:35
#20 RE: Parteiliche Wissenschaft Antworten

Zitat von Thomas Pauli
und wir Physikstudenten sollten dauernd über unsere Verantwortung diskutieren, bestimmte Forschungen nicht zu betreiben, als ob wir besser als alle anderen wüßten, was für die Menschheit gut ist! Dieses ekelhafte Patronalisieren, anderen ihre Entscheidungsmöglichkeiten zu entziehen, hat sich als das wirkliche Merkmal grün-linker Politik herausgestellt.

Und das ist nicht ferne Achtundsechziger Vergangenheit.

Es ist noch keine zehn Jahre her, daß bei der Neufassung einer Studienordnung versucht wurde, die Bestimmung aufzunehmen, daß in jedem Seminar sich mindestens eine Sitzung pro Semester mit frauenspezifischen Aspekten des betreffenden Themas beschäftigen müsse.

Ich habe das damals nach sehr heftigen Diskussionen mit dem Hinweis darauf gerade noch verhindern können, daß gar nicht gehe, weil es gegen die Freiheit der Lehre verstößt. Das Risiko, daß die ganze schöne Studienordnung gleich wieder gerichtlich gekipppt wird, wollte man dann doch nicht eingehen.
Zitat von Thomas Pauli
P.S. Hast Du mal bei Briggs vorbeigeschaut?

s.o.

Herzlich, Zettel

Pentas ( gelöscht )
Beiträge:

04.09.2008 09:44
#21 RE: Parteiliche Wissenschaft Antworten

In Antwort auf:
und wir Physikstudenten sollten dauernd über unsere Verantwortung diskutieren, bestimmte Forschungen nicht zu betreiben, als ob wir besser als alle anderen wüßten, was für die Menschheit gut ist!


Wie sich die Zeiten ändern, im Lehrplan steht heute davon nichts. Heutige Physikstudenten sind eher in studivz-Gruppen wie "Atomkraft, ja bitte" zu finden.
Sich als Fan von KKWs zu outen, hält einem auch die lästigen Werber diverser Umweltschutzgruppen vom Leibe.
Eigentlich schade, eine Ethiklehrveranstalltung, falls sie nicht ideologisch missbraucht wird, stelle ich mir als eine willkommene Abwechslung im Studium vor.

Herzlich, Pentas

whatever2

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

04.09.2008 10:18
#22 RE: Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten
Ja, lieber Zettel,

der Wert der Klimamodelle liegt für die Öffentlichkeit darin, verläßliche Vorhersagen zu machen, und da liegen sie alle seit über zehn Jahren daneben. Wieso ich glauben soll, daß ein Modell, das darauf getrimmt wurde, die vergangenen Entwickungen sauber wiederzugeben, aber schon für das nächste Jahr von der Realität abweichende Vorhersagen gemacht hat, dies für die fernere Zukunft besser können soll, ist mir nach wie vor schleierhaft.
Aber die wahre Perfidie dieser Meldungen liegt, wie Du ja bemerkt hast, im zweideutigen Gebrauch des Wortes "Präzision". Das sind eindeutig Praktiken von Snake Doctors, denen seriöse Wissenschaftler eigentlich entgegentreten müßten. Aber mir scheint, es hat sich, abgesehen vom normalmenschlichen Opportunismus, die Auffassung durchgesetzt, daß man lieber übertreiben solle als zu wenig zu tun. Das beraubt aber alle anderen Zeitgenossen ihrer Wahlmöglichkeiten und es ist das, was ich mit "ekelhaftem Patronisieren" meinte. Klimaforscher und alles, was sich dafür hält (überraschend wenig Meteorologen), bestimmen über meine Präferenzen.
Kann man sie eigentlich auch für Schäden verantwortlich machen?

Herzlich, Thomas
R.A. Offline



Beiträge: 8.171

04.09.2008 12:35
#23 RE: Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten

Lieber Zettel,

In Antwort auf:
Sie meinen, ich bin ein Klimaagnostiker

Wenn ich Ihre Ausführungen richtig verstanden habe, wohl schon.
Wobei sich hier vielleicht sogar ein Bindestrich empfiehlt, also "Klima-Agnostiker", damit man es besser lesen kann.
Ich bin sowieso ein Freund solcher Bindestriche, und da wir "Klima" hier sowiewo nicht im griechischer Bedeutung, sondern als Fremdwort einsetzen, wäre der wohl auch passend.

In Antwort auf:
Aber ich habe dem Auslaut von "Klima" einfach zugleich die Funktion des Alpha Privativum aufgebürdet.

Das geht im Griechischen? Da fehlen mir die Kenntnisse.
Aber die Griechen werden in solchen Fällen doch irgendwo eine Möglichkeit gehabt haben, zwischen dem Gesagten und seinem Gegenteil zu unterscheiden. Und wenn das entscheidende "a" wegfällt, wird das doch schwierig.

In Antwort auf:
Da das Haus mit Büchern vollsteht, bedeutet das, daß er verschollen ist.

Oh ja, das Problem kenne ich.

In Antwort auf:
Man muß freilich auch sehen, daß man damals mit Computern arbeitete, deren Kapazität weit unter der eines heutigen Handys lag

Das war aber nicht das Problem.
Da die Grundannahmen und Methoden des Club of Rome falsch waren, hätten sie auch mit einem modernen Supercomputer nur Mist prognostiziert.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.261

04.09.2008 12:42
#24 RE: Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten

Zitat von R.A.

Das war aber nicht das Problem.
Da die Grundannahmen und Methoden des Club of Rome falsch waren, hätten sie auch mit einem modernen Supercomputer nur Mist prognostiziert.


Werte Teilnehmer,
etwa zur gleichen Zeit wurde mit ähnlich miesen Computern eine bemannte Rakete zum Mond geschickt. Die kam an - und sogar wieder zurück. An der Hardware allein kann es also nicht gelegen haben. ;-) MfG Frank

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

04.09.2008 14:04
#25 RE: Zitat des Tages: Prognose bis ins Jahr 2100 Antworten

Zitat von R.A.
In Antwort auf:
Aber ich habe dem Auslaut von "Klima" einfach zugleich die Funktion des Alpha Privativum aufgebürdet.

Das geht im Griechischen? Da fehlen mir die Kenntnisse.

Ob im Griechischen, weiß ich auch nicht, lieber R.A. (jedenfalls fällt mir kein Beispiel ein). Aber im Englischen und auch im Deutschen wird das gern gemacht und hat sogar einen gewissen Witz, wie eben bei Obamania statt Obamamania. Oder Reaganomics statt Reagannomics.

Wenn Califax aus den Flitterwochen zurück ist, müssen wir ihn mal fragen. Er kennt sich ja bei solchen sprachlichen Dingen bewundernswert gut aus.

Ich nur a bisserl, weiß aber zum Beispiel, daß es dasselbe Phänomen auf der Ebene der Artikulation gibt; da heißt es Koartikulation. Dieselbe Koordination von Artikulationsbewegungen dient zur Bildung eines Lautes und seines Nachfolgers.

Ich glaube, ich hatte das Problem, auf das Sie aufmerksam machen, gar nicht bemerkt, weil das Wort "Agnostiker" heute so viel häufiger ist als "Gnostiker". Ich glaube, das wird überhaupt nur noch für die Anhänger de Gnosis verwendet.
Zitat von R.A.
Aber die Griechen werden in solchen Fällen doch irgendwo eine Möglichkeit gehabt haben, zwischen dem Gesagten und seinem Gegenteil zu unterscheiden. Und wenn das entscheidende "a" wegfällt, wird das doch schwierig.

Hier schon. Aber sowohl das Latein als auch das Griechische haben nicht immer zwischen dem Gesagten und seinem Gegenteil unterschieden. "Altus" kann zB "hoch" oder auch "tief" heißen, "Fatum" kann Glück oder Unglück bedeuten, im Griechischen ist der Xenos der Gastfreund, aber auch der feindliche Fremdling.

Freud ist das aufgefallen; er hat vom "Gegensinn der Urworte" gesprochen und daran allerlei Spekulationen über Ambivalenz geknüpft. Ich glaube, man kann es auch anders erklären, aber das ist eine eigene Geschichte.
Zitat von R.A.
In Antwort auf:
Man muß freilich auch sehen, daß man damals mit Computern arbeitete, deren Kapazität weit unter der eines heutigen Handys lag

Das war aber nicht das Problem. Da die Grundannahmen und Methoden des Club of Rome falsch waren, hätten sie auch mit einem modernen Supercomputer nur Mist prognostiziert.

Ich gehe nicht so ganz hart mit dem Buch ins Gericht. Es war wissenschaftsgeschichtlich interessant, weil es als eines der ersten die Möglichkeit genutzt hat, überhaupt den Zusammenhang zwischen mehreren Variablen in einem dynamischen System zu simulieren. Das kann man ohne Rechner ja kaum.

Bis zum Einsatz von Computern war bereits das Dreikörperproblem nur unter bestimmten vereinfachenden Annahmen lösbar. Das Mehrkörperproblem konnte man überhaupt erst lösen - und damit Raumsonden exakt steuern - als man die Bahnverläufe auf Rechnern simulieren und iterativ zu einer Lösung kommen konnte. (Grob gesagt: Man probiert alle Bahnen aus, bis man eine findet, die die Sonde zum gewünschten Ort bringt).

Und so war es auch in anderen Bereichen. Der Denkpsychologie Dörner hat sich dafür interessiert, daß Menschen unheimlich schlecht darin sind, das Verhalten solcher komplexer dynamischer Systeme vorherzusagen. Und das war eben auch eine - eine vernünftige - Botschaft des Buchs von Meadows. (Der Club of Rome war ja nur der Auftraggeber).

Heute ist uns das Denken in dynamischen Systemen viel selbstverständlicher; damals war das weitgehend Neuland.

Herzlich, Zettel

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