Es geht wieder los. Der Untote Marx scheint wieder aus seiner Gruft zu steigen.
Zeigt nicht die jetzige Krise augenfällig, wie recht Marx mit seiner Analyse der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus, mit seiner Vorhersage sich zunehmend verschärfender Krisen hatte? Zeigt also die jetzige Finanzkrise nicht, daß nur eine sozialistische Planwirtschaft auf Dauer stabil sein kann? - Nein.
Karl Marx lesen? Warum nicht, man kann daraus sicher einiges lernen. Genauso wie man aus der Bibel einiges lernen kann. Ich muss leider hier meinen Kommentar abbrechen, gehe zur Bibellesestunde ...
Zitat von ZettelEs geht wieder los. Der Untote Marx scheint wieder aus seiner Gruft zu steigen.
Zeigt nicht die jetzige Krise augenfällig, wie recht Marx mit seiner Analyse der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus, mit seiner Vorhersage sich zunehmend verschärfender Krisen hatte? Zeigt also die jetzige Finanzkrise nicht, daß nur eine sozialistische Planwirtschaft auf Dauer stabil sein kann? - Nein.
Zettel, Sie begehen hier einen Fehler. Nein, schlimmer noch - Sie gehen den Sozialisten auf den Leim. Wir haben weder in D. noch in USA einen 'freien Markt', denn die Banken unterstehen der Bankenaufsicht, die Telekommunikation der RegTP, die Milchpreise der EU-Landwirtschaftsbuerokratie. Ansonsten haben Sie natuerlich recht, es geht mal aufwaerts und es gibt mal korrektueren - allerdings wurde die Blase, die gerade geplatzt ist, von den Monopolzentralbanken selbst geschaffen, billiges Geld um dem "Sub-Prime' Kunden ohne rechte Sicherheit einen Kredit zu verschaffen, den diese nicht investierten, sondern konsumierten.
Wenn irgendwas schief ging, dann der egalitarismus und die annahme, dass alle menschen wirtschaftlich gleich sein muessen. 'Kapitalismus' ist zudem ein Begriff, der eigentlich nur von Linken verwendet wird - Freier Markt waere der passende, positiv konnotierte Begriff den ich als liberaler lieber verwende.
Zitat von DagnyWenn irgendwas schief ging, dann der egalitarismus und die annahme, dass alle menschen wirtschaftlich gleich sein muessen.
My message, dear Dagny.
Zitat von Dagny'Kapitalismus' ist zudem ein Begriff, der eigentlich nur von Linken verwendet wird - Freier Markt waere der passende, positiv konnotierte Begriff den ich als liberaler lieber verwende.
Da bin ich stur, liebe Dagny. Ich finde, daß nicht der Begriff "Kapitalismus" falsch ist, sondern seine negative Konnotation.
Max Weber zum Beispiel hat den Begriff noch ganz wertfrei verwendet ("Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" ist 1905 erschienen). Dann gelang es den Marxisten - wie so oft Meister darin, Begriffen in der öffentlichen Diskussion die von ihnen gewünschte Bedeutung zu verleihen; siehe aktuell "neoliberal" -, ihn mit negativen Konnotationen zu versehen.
Ich finde, das dürfen wir, die wir den Kapitalismus bejahen, nicht zulassen, uns nicht gefallen lassen.
Was die Faktoren angeht, die die jetzige Krise bewirkt haben - ich blicke da nicht genügend durch, um mir ein Urteil zuzutrauen. Offensichtlich ist, daß die Verpflichtung von Fannie Mae und Freddie Mac, Hypothekenkredite an sozial Schwache zu vergeben (sogar ein Schwarzen-Quote ist vorgesehen), eine wesentliche Ursache der Subprime-Krise war.
Aber wieso dann das ganze System der Investitionsbanken und allmählich der ganze Finanzsektor derart an den Rand des Kollapses geraten konnten - das ist mir vorerst nicht klar: offenkundig habe ich zu wenig darüber gelesen. Vielleicht ist es so, wie Sie sagen. Ich kann es nicht beurteilen.
Deshalb schreibe ich neutral immer, daß man die Randbedingungen ändern, daß man an den Stellschrauben drehen muß. Aber welche Randbedingungen wie, welche Stellschrauben wo - ich nehme an, daß weltweit jetzt die Ökonomen, daß in den Finanzministerien die Beamten zusammensitzen und sich darüber die Köpfe heiß reden bzw. diese zerbrechen.
À propos Finanzminister: Aus der Bewältigung der Erhard-Rezession erinnere ich mich noch gut daran (und habe kürzlich darauf hingewiesen), daß bei der Meisterung dieser Rezession in Deutschland nicht der Finanz- sondern der Wirtschaftsminister federführend war: Karl Schiller.
Wo ist jetzt eigentlich unser Wirtschaftsminister Glos? In den Meldungen über Krisensitzungen hört und sieht man nichts von ihm; dafür hat er offenbar Zeit für Talkshow-Auftritte.
In Antwort auf: Deshalb schreibe ich neutral immer, daß man die Randbedingungen ändern, daß man an den Stellschrauben drehen muß. Aber welche Randbedingungen wie, welche Stellschrauben wo - ich nehme an, daß weltweit jetzt die Ökonomen, daß in den Finanzministerien die Beamten zusammensitzen und sich darüber die Köpfe heiß reden bzw. diese zerbrechen.
Lieber Zettel, leider sind diese Ökonomen und Beamte, sowie die Finanzindustrie, nicht unvoreingenommen, sondern verfolgen in erster Linie eigene Interessen. Es führt kein Weg daran vorbei sich selbst mit dieser Materie vertraut zu machen. Gerade mit dem Gedanken des free banking`s sollte man sich als Alternative vertraut machen. Ich finde diese überzeugender als nach immer mehr Regulierung zu rufen. Zu Marx, auch ich habe letzte Woche begonnen mich mit dem auseinander zu setzen, allerdings nicht mit dem Kapital selbst. Dafür mich durch langes Geschwurbel zu quälen, ist mir meine Zeit zu schade. Daher halte ich mich an Michaels Heinrichs Kompendium 'Kritik der politischen Ökonomie'. Wie erwartet ist der Marxismus intellektuell ein Witz. Die Arbeitswertlehre beruht auf einem Begriff, 'Abstrakte Arbeit', der an alle Anomalien angepasst werden kann, so dass der Erklärungswert Null ist. Einzig Marx Gedanken zum Geld sind zum Teil plausibel.
Lieber Zettel, ich stelle das in meinem privaten Umfeld auch fest. Und Sie haben ja neulich auch ausgeführt, wie sehr Marx das Denken der Linken auch heute noch prägt. Aber ein wichtiger Bestandteil dieser Theorie ist doch wohl, dass sich mit der Entwicklung des Sozialismus die Produktivkräfte entfalten, jeder nur noch das arbeitet, was er möchte, eine neue sozialistische Moral entsteht (neuer Mensch) usw. Das werden die Kommunisten aber mE auf absehbare Zeit nicht schaffen, den Leuten weiszumachen. Ich glaube, dass nicht einmal mehr die allermeisten Mitglieder der PDS noch daran glauben. Kurz und gut: Die Kommunisten sind sehr erfolgreich darin, den Kapitalismus zu diskreditieren. Aber niemand nimmt ihnen ab, dass die Verstaatlichung der Produktionsmittel die Lösung ist. Deshalb bleibt es auch bei allgemeinen Floskeln, wie, man müsse den "Raubtierkapitalismus eindämmen". Herzlich, Chripa
Zitat von Chripaich stelle das in meinem privaten Umfeld auch fest. Und Sie haben ja neulich auch ausgeführt, wie sehr Marx das Denken der Linken auch heute noch prägt. Aber ein wichtiger Bestandteil dieser Theorie ist doch wohl, dass sich mit der Entwicklung des Sozialismus die Produktivkräfte entfalten, jeder nur noch das arbeitet, was er möchte, eine neue sozialistische Moral entsteht (neuer Mensch) usw. Das werden die Kommunisten aber mE auf absehbare Zeit nicht schaffen, den Leuten weiszumachen.
Da haben Sie Recht, lieber Chripa. Und davon redet ja auch kaum noch jemand; noch nicht mal Chávez.
Was man den Leuten verspricht, das ist eine glückliche Gesellschaft light - alle haben Arbeit, der Staat sorgt für ihre Gesundheit, ihre Rente, alle ihre Bedürfnisse.
Nicht morgens jagen, abends fischen. Keine Explosion der Produktivkräfte (daß die sich im Kapitalismus besser entfalten, haben inzwischen auch die dümmsten Kommunisten gemerkt). Kein neuer Mensch.
Also nicht mehr die kommunistische Utopie. Sondern die kleinbürgerliche Gesellschaft, die es ja in der DDR tatsächlich gegeben hatte.
Nur daß eben "Arbeit für alle" nur bedeutete, daß ohne Rücksicht auf die Produktivität jedem irgendwas zu tun zugewiesen wurde. Nur daß der Staat zwar für alle sorgte, aber auf dem denkbar niedrigsten Niveau; auf dem Niveau allgemeiner Armut. Nur daß dieses "Sorgen" auch einschloß, daß jeder nicht zur Anpassung Bereite verfolgt, benachteiligt, weggesperrt wurde.
Die heutigen Kommunisten wollen uns weismachen, das seien eben alles "Fehlentwicklungen" gewesen. Es waren aber zentrale, unweigerliche Merkmale des Sozialismus. Wenn der Staat alle Kompetenzen für sich beansprucht, dann wird der Einzelne zwangsläufig bevormundet und infantilisiert. Dann leistet er logischereise nur noch das, wozu man ihn zwingen kann. Dann lebt man ergo in allgemeiner Armut. (Von allen anderen Gründen für die Armut abgesehen, wie die Ineffizienz der Planwirtschaft, die eben eine einzige Krise ist).
Vor ein paar Minuten habe ich in Sat1 eine Sendung über die letzten Tage der DDR gesehen. Darin einer der letzten Auftritte von Karl-Eduard von Schnitzler, dem Sudel-Ede. Der warf den "Ausreisern" (er sprach es "Ausreißer" aus) vor, sie würden "stehlen". Nämlich die Ausbildung, das Wissen "mitnehmen", das der Staat ihnen gewährt habe.
So sehen sie das, die Marxisten: Du bist nichts, dein Staat ist alles. So einfach ist es, und so kann man es, denke ich, auch denen erklären, die jetzt wieder mit dem Marxismus liebäugeln.
Das ist vielleicht der wichtigste Punkt bei der Formulierung ökonomischer Theorien: Wenn einem Individuum ein der Theorie zuträgliches Verhalten unterstellt wird, wird die Theorie automatisch zum Witz. Als die sozialistische Theorie dann umgesetzt wurde (Start des Menschenexperiments), haben sich die Probleme relativ schnell gezeigt, nämlich dann, sobald kein Leben von der Substanz mehr möglich war. Stasi und Mauerbau waren dann die unausweichliche Folge.
Es wird heute von Linken immer so getan, als wären Überwachung und Unterdrückung so eine Art "freiwillige Option" der Regierenden ("nicht alles war schlecht in der DDR"), dabei ist es doch ziemlich offensichtlich, dass diese Methoden nötig waren, um das System vor dem Kollaps zu bewahren (oder, wie man heute weiss: Den Kollaps hinauszuzögern).
Sie haben durchaus recht, dass Spiele, bei denen grenzenlose Kooperation der Teilnehmer angenommen wird, selten den erwünschten Ausgang haben. Aber daraus unmittelbar den Untergang sozialistischer Staaten wie der DDR zu schlussfolgern, klingt für mich viel zu vereinfachend - es hat etwas von einer Geschichtstheorie, die alle historischen Wendungen auf einige simple Prinzipien zu verkürzen sucht. Überhaupt stört mich, dass der vage Begriff "Sozialismus" von vielen Liberalen genauso pauschal benutzt wird wie der vage Begriff "Kapitalismus" von vielen Linken. Ich habe häufig die Erfahrung gemacht, dass "der Kapitalismus" als rein kompetitives Spiel dargestellt wird und dies in Opposition gesetzt wird zum Marxismus. Mein Geschichtslehrer behauptete sinngemäß "Der Marxismus appelliert an die Vernunft des Menschen, der Kapitalismus an seine Gier und deshalb hat der Kapitalismus gewonnen.". Ich finde diese Sicht unterschlägt das ungemein wichtige Detail, dass auch unsere Gesellschaft fundamental auf viel gutem Willen und Kooperation beruht. Wenn unsere Richter nicht mehr das Gesetz schützen wollen, dann geht dieser Staat unter. Wenn die Mehrheit der Politiker die Demokratie nicht erhalten will, dann geht dieser Staat unter. Wenn nicht landauf- landab Menschen sich ehrenamtlich in Sportvereinen, NGOs und Parteien engagieren, dann geht dieser Staat unter. Und wenn Korruption in Behörden und bei der Polizei nicht moralisch abgelehnt wird, dann geht dieser Staat unter. Selbst Checks and Balances funktioniert nur, wenn die Mehrheit der beteiligten Parteien dieses Prinzip erhalten will. Kurz und gut: Unser Staat funktioniert nur deshalb, weil die Mehrheit der Menschen immer noch sehr wohl ein "dem Gemeinwesen zuträgliches Verhalten" an den Tag legt. Die DDR hatte eine demokratische, liberale Verfassung, sie hatte eine Justiz und eine Parteienlandschaft. Die DDR hatte Bürger, die sich sicher nicht weniger ehrenamtlich für das Gemeinwohl einsetzen wollten als Bürger der Bundesrepublik. Und doch war die DDR eine Ein-Parteien-Diktatur mit Blockparteien, Stasi und Oppositionellen in Gefängissen, mit Selbstschussanlagen an der Mauer und dem Tatbestand der Republikflucht. Glauben Sie ernsthaft, dass das nun einzig und allein an dem Detail lag, dass die meisten Betriebe verstaatlicht waren und nicht privat verwaltet? Zwischen 1989 und 1990 waren sie immer noch in Staatsbesitz und trotzdem war die DDR in diesem Jahr um einiges demokratischer, als in den 40 Jahren davor. Wie passt das in diese Theorie vom durch Sozialusmus determinierten Untergang?
auch wenn Sie F. Alfonzo geantwortet haben, möchte ich mich gern einschalten, weil ich Ihren Beitrag sehr interessant und nachdenkenswert finde.
Zitat von OmniSie haben durchaus recht, dass Spiele, bei denen grenzenlose Kooperation der Teilnehmer angenommen wird, selten den erwünschten Ausgang haben. Aber daraus unmittelbar den Untergang sozialistischer Staaten wie der DDR zu schlussfolgern, klingt für mich viel zu vereinfachend - es hat etwas von einer Geschichtstheorie, die alle historischen Wendungen auf einige simple Prinzipien zu verkürzen sucht.
Ich stimme zu: Geschichtliche Prozesse werden (trivialerweise) immer durch viele Faktoren bestimmt. Vor allem auch durch die notorisch unterschätzten Zufälle. (Wie wäre wohl die europäische Geschichte des 19. Jahrhunderts verlaufen, wenn Blücher das Schlachtfeld von Waterloo nicht rechtzeitig erreicht hätte und wenn dafür der unglückliche Marschall Grouchy eingetroffen wäre, statt bei Gembloux stehenzubleiben?)
Aber man kann doch versuchen, gewisse zentrale Faktoren aus diesem Beziehungsgeflecht herauszuschälen. Beim Scheitern des Sozialismus sehe ich als solche Faktoren seine Unvereinbarkeit mit a) Freiheit und b) Wohlstand.
Er ist mit Freiheit unvereinbar, weil in einem freiheitlichen System notwendig das entsteht, was Marx antagonistische Widersprüche nennt - die einen wollen etwas anderes als die anderen. Das ist im Sozialismus nicht vorgesehen; und wenn man es zuläßt, gibt man den Sozialismus auf.
Er ist mit Wohlstand unvereinbar, weil er diesen nicht schaffen kann und er ihn, wenn er ihn vorfindet, zerstören muß. Er kann ihn nicht schaffen, weil Wohlstand nur im Wettbewerb entsteht. Er kann ihn nicht zulassen, weil nur die Kontrolle des Staats über knappe Güter ihm die Kontrolle über die Menschen ermöglicht. Gibt er diese aber auf, dann entsteht Freiheit, und ... siehe oben.
Weil der Sozialismus mit Freiheit und Wohlstand unvereinbar ist, kann er nur auf zwei Arten aufrechterhalten werden: Durch eine Weltrevolution, die keine kapitalistischen, demokratischen Länder mehr bestehen läßt. Oder durch totale Abschottung, wie das Kim-Regime sie versucht.
Zitat von OmniÜberhaupt stört mich, dass der vage Begriff "Sozialismus" von vielen Liberalen genauso pauschal benutzt wird wie der vage Begriff "Kapitalismus" von vielen Linken.
Aber ja, lieber Omni, auch von allen Sozialisten!
Zitat von OmniIch finde diese Sicht unterschlägt das ungemein wichtige Detail, dass auch unsere Gesellschaft fundamental auf viel gutem Willen und Kooperation beruht. Wenn unsere Richter nicht mehr das Gesetz schützen wollen, dann geht dieser Staat unter. Wenn die Mehrheit der Politiker die Demokratie nicht erhalten will, dann geht dieser Staat unter. Wenn nicht landauf- landab Menschen sich ehrenamtlich in Sportvereinen, NGOs und Parteien engagieren, dann geht dieser Staat unter. Und wenn Korruption in Behörden und bei der Polizei nicht moralisch abgelehnt wird, dann geht dieser Staat unter. Selbst Checks and Balances funktioniert nur, wenn die Mehrheit der beteiligten Parteien dieses Prinzip erhalten will. Kurz und gut: Unser Staat funktioniert nur deshalb, weil die Mehrheit der Menschen immer noch sehr wohl ein "dem Gemeinwesen zuträgliches Verhalten" an den Tag legt.
Si ist es, lieber Omni. Und Sie haben das sehr schön beschrieben.
Der liberale Staat ist ja kein Staat von Egoisten. Er ist - Kant hat das vor allem betont - ein Staat von autonomen, eigenverantwortlichen Menschen, die sich aus dieser Verantwortung heraus ethisch verhalten.
Zitat von OmniDie DDR hatte eine demokratische, liberale Verfassung, sie hatte eine Justiz und eine Parteienlandschaft. Die DDR hatte Bürger, die sich sicher nicht weniger ehrenamtlich für das Gemeinwohl einsetzen wollten als Bürger der Bundesrepublik. Und doch war die DDR eine Ein-Parteien-Diktatur mit Blockparteien, Stasi und Oppositionellen in Gefängissen, mit Selbstschussanlagen an der Mauer und dem Tatbestand der Republikflucht. Glauben Sie ernsthaft, dass das nun einzig und allein an dem Detail lag, dass die meisten Betriebe verstaatlicht waren und nicht privat verwaltet?
Das, was Sie anfangs aufzählen, das waren ja nur Hülsen der Verfassung von, glaube ich, 1949, die für den Fall gedacht war, daß man nicht sofort den Sozialismus einführen würde. Das war damals ja Stalins Plan B gewesen - erst einmal ein "antifaschistisches", "demokratisches" Deutschland. In die Tat umgesetzt wurde diese Verfassung niemals.
Warum, lieber Omni, eine staatlich kontrollierte Planwirtschaft nicht mit Freiheit und Wohlstand zusammengehen kann, das habe ich ja oben schon skizziert.
Sie denken vielleicht an einen demokratischen Sozialismus à la "Jugoslawisches Modell" ("Selbstverwalungssozialismus") oder "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" à la Prag 1968?
In Jugoslawien herrschten Diktatur und Armut ebenso wie sonst im Sozialismus. Und vom Prager Modell haben meines Wissens sogar seine Väter (Eduard Goldstücker, Jiri Pelikan) nichts mehr gehalten.
Gerade jetzt ist zu besichtigen, wie mal wieder ein "Demokratischer Sozialismus", nämlich der in Venezuela von so vielen gutwilligen Linken erhoffte, in eine kommunistische Diktatur mündet.
Ich habe oben nicht in erster Linie als Liberaler argumentiert, sondern als Ökonom; schließlich haben sich ja m.W. alle kommunistischen Länder auf die Theorie von Marx berufen (und nebenbei: Historiker bin ich bei Gott nicht, aber ich lerne gerne von Zettel :-)
Es war also weniger eine Argumentation eines Liberalen gegen den Sozialismus, sondern eher jene eines Ökonomen gegen die Planwirtschaft. Und hier zeigt sich der Unterschied: Marx hat eine ökonomische Theorie verfasst (oder, wie Zettel mit klargemacht hat: Eine Pseudowissenschaft), die so starke Annahmen an die beteiligten Menschen stellt, dass sie automatisch nicht funktionieren kann, außer die Staatsführung erzwingt dieses Verhalten unter Strafandrohung; btw: selbst dann funktioniert Marx noch nicht, weil er auch konzeptionelle Fehler gemacht hat.
Die Ökonomie der Marktwirtschaft geht nicht davon aus, dass Gier einen Menschen leitet, sondern der Nutzen seines individuellen Verhaltens. Das kann durchaus mit einer Solidargemeinschaft und staatlichen Institutionen einhergehen, muss aber nicht. Ein heroinabhängiger Obdachloser hat sicher andere Präferenzen in seinem Leben als ein spießiger Familienvater. Jeder hat seinen Freundeskreis (soziales Umfeld), eigene Moralvorstellungen, was auch immer... Der Unterschied ist, dass die "Ökonomie der Marktwirtschaft" nicht richtiges und falsches Verhalten definiert, sondern analysiert. Es ist nicht Aufgabe eines Wirtschaftswissenschaftlers, eine ideale Lebensführung vorzuschreiben.
Die Konsequenzen beider Weltanschauungen hat Zettel bereits genannt: Zwang und Freiheit.
...und als Liberaler würde ich noch hinzufügen: Es ist nicht Aufgabe des Staates, ideale Lebensführung vorzuschreiben.
Zitat von F.Alfonzo Der Unterschied ist, dass die "Ökonomie der Marktwirtschaft" nicht richtiges und falsches Verhalten definiert, sondern analysiert. Es ist nicht Aufgabe eines Wirtschaftswissenschaftlers, eine ideale Lebensführung vorzuschreiben.
Das ist, lieber F. Alfonzo, auch aus meiner Sicht der springende Punkt.
Manchmal sind Vereinfachungen eben erhellend.
Man kann der Meinung sein, daß Solidarität, daß prosoziales Verhalten wünschenswert ist, und man kann nach Kräften versuchen, es selbst zu praktizieren. Das ist mit Liberalismus nicht nur vereinbar, sondern es ist die Überzeugung vieler großer Liberaler gewesen, von Hume und Kant bis zu Ludwig Erhard.
Oder aber man ist der Meinung, daß der Mensch aus eigener Kraft unfähig zur Solidarität und zum prozialen Verhalten ist und daß dieses ihm folglich vom Staat vorgechrieben und oktroyiert werden muß.
Vom Staat dann, wenn diejenigen, die sich zum Sachwalter aller Bürger aufschwingen, an der Macht sind. Das ist die sozialistische Position.
Ich sehe nicht, wie das miteinander vereinbar sein könnte oder wie Zwischenformen à la "Dritter Weg" aussehen sollten.
"Freiheit oder Sozialismus", das war einmal ein umstrittener Wahlkampf-Slogan. Er traf, denke ich, die Sache.
Zitat von Zettel"Freiheit oder Sozialismus", das war einmal ein umstrittener Wahlkampf-Slogan. Er traf, denke ich, die Sache.
Aus meiner Sicht ja, aber man kann den Slogan auch umformulieren:
"Kapitalismus oder Gerechtigkeit?"
Schade daran ist, dass sich viele Leute von Bergiffen vereinnahmen lassen; irgendwie ist das ja die selbe Medaille... je nach politischem Kalül zeigt man halt entweder die eine oder die andere Seite...
Ach ja, was ich ja witzig finde: Ich kann mich erinnern, dass Sie, Zettel, mal einen Beitrag gebrachte haben, in dem es darum ging, woher sich Populisten ihren Stoff holen (Lafontaine zitiert nach Belieben Bücher, daher der Kontext zu Marx)... fand ich extrem gut. Da gibt's einen Lafontaine, der möchte das Schulsystem von Land A, das Steuersystem von Land B, die Außenpolitik von Land C, usw... ...ob diese Forderungen überhaupt miteinander vereinbar sind, interessiert einen Dummschwätzer natürlich nicht (wer sich an Lafo's Finanzminister-Zeit erinnern kann, weiss aber, dass man damit früher oder später auffliegt:-)
EDIT: Oder an Gysi's Zeit als (was zum Geier war der eigentlich?)-Minister in Berlin...
Witzig, dass die Gallionsfiguren der Linkspartei 2 Leute sind, die schon mal hohe politische Ämter hatten und gnadenlos versagt haben... dann doch lieber den Beckstein, ganz ehrlich :-)
Zitat von F.AlfonzoEDIT: Oder an Gysi's Zeit als (was zum Geier war der eigentlich?)-Minister in Berlin...
Er wäre es wahrscheinlich geworden, oder Mitglied des Politbüros, wenn die DDR nicht untergegangen wäre.
Das war sein Vater gewesen, auch Minister (für Religionsangelegenheiten), auch Botschafter in Italien.
Diese Karriere stand auch Gregor Gysi offen, aber beim Ende der DDR war er ja noch keine vierzig und hatte es immerhin schon zum Vorsitzenden der Rechtsanwaltskammern der DDR gebracht, war also in diesem System (in dem die Anwälte ja nicht frei waren, sondern Staatsorgane) Chef aller Rechtsanwälte der DDR und damit nach dem Justizminister und vielleicht einem zuständigen Mitglied des Politbüros der wichtigste Mann in der Justiz der DDR.
Betraut mit der heiklen Aufgabe, Dissidenten zu "verteidigen". Im Bundestag hat er ja kürzlich gesagt, daß er zu diesem Zweck in Kontakt mit dem ZK der SED stand. Man stelle sich das mal vor - jemand arbeitet als Verteidiger in der Bundesrepublik und tut das in ständigem Kontakt zum Parteivorstand der CDU!
Zitat von F.AlfonzoEDIT: Oder an Gysi\'s Zeit als (was zum Geier war der eigentlich?)-Minister in Berlin...
Er wäre es wahrscheinlich geworden, oder Mitglied des Politbüros, wenn die DDR nicht untergegangen wäre.
Gysi war 2002 ein halbes Jahr lang Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen in Berlin. Wenn man diese Episode als "wenig glanzvoll" bezeichnet, wird man hoffentlich nicht von ihm verklagt...
gratuliere - mir wird von solchem Gesabbel immer speiübel! Wann, zur Hölle, hat es denn in den letzten 40 Jahren neoliberale Politik gegeben?? Und etwas, das "vor eine Wand" fährt, bleibt, im Gegensatz zu dem, das gegen eine Wand fährt, vermutlich unbeschädigt. Diese total unnötigen Manierismen allein gehen mir schon auf den Zünder! Und zwar vor Ort!
alle, die ich kannte, die damals in den Kapitalkurs gegangen sind, haben ihn nicht zu Ende gebracht oder gar gleich zu Anfang aufgegeben. Diejenigen, die glaubhaft versichern konnten, sie hätten ihn absolviert, wurden mit großen Wunderaugen bestaunt. Dabei ist er doch mathematikfrei, oder? Das sollten dann doch auch Soziologen schaffen...
Herzlich, Thomas
P.S.: Anwesende natürlich ausgenommen... oder etwa nicht?
Zitat von Thomas Pauligratuliere - mir wird von solchem Gesabbel immer speiübel!
Darf ich Ihnen mein Geheimrezept mitteilen? Im Augenblick die Flötensonate E-Dur, H. 506, von Carl Philipp Emmanuel Bach via http://www.1.fm
Das beruhigt ungemein. Und hilft dabei, Frau Drohsels Ansichten in einen großzügigen historischen Kontext einzuordnen. Da wird sie gleich sehr gartenzwergig.
Zitat von KalliasGysi war 2002 ein halbes Jahr lang Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen in Berlin. Wenn man diese Episode als "wenig glanzvoll" bezeichnet, wird man hoffentlich nicht von ihm verklagt...
Man weiß nie, lieber Kallias.
Zur Sicherheit sollten wir Ihrer Charakterisierung vielleicht ein "ein" voranstellen.
Auf Iher Anregung lese ich das Buch auch gerade. Mein erster Gedanke war, gut dass ich nicht Soziologie studieren wollte. Die vorbeugenden Entschuldigen und Erklärungen des Autors wie z.B. dass Marx sich auf Besitzverhältnisse als Herrschaftsverhältnisse konzentriere, bedeute nicht, dass etwa Geschlechterverhältnisse irrelevant seien.
Marx Theorie beruht zu 100 $% auf der Theorie, dass der Wert einer Ware, die zu ihrer Produktion erforderliche Arbeit ist. So weit so gut, nur nimmt er ad hoc an, dass dies für jede Ware gelte, bis auf für die Ware "Arbeitskraft". Damit kommt er dann zum "Mehrwert des Kapitalisten" usf.
Die falsche Annahme will ich ihm nicht zum Vorwurf machen, denn auch Ricardo ging davon aus, dass der Preis der Arbeit niedriger ist als deren Wert. Das mag auch richtig sein in einer Welt, in der es sehr viele Arbeiter gibt aber wenig Kapital (richtig in dem Sinne, dass der Kapitalist Monopolpreise für die Arbeit setzen kann). Übrigens, ist es interessat, dass es in England Mitte des 19 Jhdt einen steuerfinanzierten Kombilohn im Rahmen Armengesetzgebung gab wie man bei Ricardo nachlesen kann.
Das unlogische an seiner Argumentation ist, dass es immer so bleiben müsse, da immer mehr Arbeiter arbeitslos würden. Marx Argument nach würden Arbeitskräfte durch neue Maschinen überflüssig und damit arbeitslos. Und das obwohl jeglicher Mehrwert, den die Kapitalisten akkumulieren, sofort in neue Maschinen umgesetzt wird. Die Zirkulation und der Produktionskreislauf sind zu keiner Zeit unterbrochen.
Zitat von KalliasGysi war 2002 ein halbes Jahr lang Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen in Berlin. Wenn man diese Episode als "wenig glanzvoll" bezeichnet, wird man hoffentlich nicht von ihm verklagt...
Man weiß nie, lieber Kallias. Zur Sicherheit sollten wir Ihrer Charakterisierung vielleicht ein "ein" voranstellen.
Danke, lieber Zettel, mit einem Wort am richtigen Platz haben Sie mir den Tag gerettet.
Lieber Zettel, vorweg möchte Ich ihnen meine Bewunderung für diesen Blog ausprechen. Sie stechen aus der Masse der unzähligen Blogs (welche sich leider nur allzu oft in Schwarz-Weiss denken verfangen) hervor.
Zum Thema: Marx-Lese-Zirkel exestierten (zumindest an den beiden Universitäten an denen ich studierte, bzw. immer noch studiere) schon lange bevor die PDS den Großangriff auf die deutschen Studenten startete. Das Kapital im Bücherregal stehen zu haben, gilt bei vielen als schick. Das wirklich traurige an den ganzen jungen Marx-Lesern ist jedoch, dass nahezu alle es nicht für nötig halten sich andersweitig über die Funktionsweise unseres Wirtschaftssystems zu informieren. Sie begnügen sich mit der Marx Lektüre und meinen "Wirtschaft" verstanden zu haben. Das geht sogar soweit, dass viele keinen blassen Schimmer von Angebot und Nachfrage haben. Und auch nicht haben wollen. Sad World....
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