Wieder einmal habe ich ein Thema für ZR einem Hinweis von Gorgasal zu verdanken.
Allensbach hat untersucht, was die Deutschen unter Bildung verstehen. Die FAZ hat darüber berichtet, was die Allensbacher herausgefunden haben. Und ich meckere über das, was sie untersucht und/oder herausgefunden haben.
Ich fange jetzt nicht an, zu Ihrer Analyse irgendwas zu schreiben, lieber Zettel, weil mir die Ignoranz den Naturwissenschaften und der Mathematik gegenueber seit langer Zeit schon ein Dorn im Auge ist.
Immerhin bruesten sich mittlerweile unsere Spitzenpolitiker nicht mehr damit, schlecht in der Schule gewesen zu sein; dies wurde vor rund 10 Jahren hier und da noch kolportiert um etwas mehr Volksverbundenheit auszudruecken.
Nach dem Humanistischen Gymnasium, Latein, Franzoesisch, Politik, Geschichte, Philosophie, folgt natuerlich ein Studium der Geisteswissenschaften, nicht unter 14 Semestern, welches mit einem schlecht bezahlten Job endet und in dessen man auch den Taxischein machen wird.
All das ist meines Erachtens Ausdruck einer Antikapitalistischen Haltung, der Kaufmann oder der Techniker werden nicht als Ideal angesehen, sondern der (arme) Philosoph in seiner genuegsamen Regentonne.
Mein persönlicher Schmerz ist die tiefe Ignoranz gegenüber Statistik und gegenüber all dem Unfug, der mit Statistik getrieben wird. Leider lernt man (noch immer?) selbst im Mathematik-Leistungskurs alles über Ableitungen und Lineare Algebra - was ja sinnvoll ist, wenn man mal zwei Ebenen im dreidimensionalen Raum zum Schnitt bringen muss - aber nichts, was mit dem Verständnis und der Interpretation von Messwerten zusammenhängt. Entsprechend lässt man sich in den verschiedensten Bereichen über den Tisch ziehen, seien es VWL, Reaktorsicherheit, Medizin etc. Beispiele bietet jede Zeitung.
Zitat von ZettelIch jedenfalls treffe immer wieder Menschen, die mir fröhlich versichern, sie hätten in Mathematik eine fünf gehabt; oder sie hätten keine Ahnung davon, wie weit die Erde von der Sonne entfernt ist...
Oh, das weiß ich noch! Ziemlich genau eine Astronomische Einheit!
Oder 8,3 Lichtminuten...
Und die kann man dann auch in Kilometer umrechnen.
Zitat von GorgasalMein persönlicher Schmerz ist die tiefe Ignoranz gegenüber Statistik und gegenüber all dem Unfug, der mit Statistik getrieben wird. Leider lernt man (noch immer?) selbst im Mathematik-Leistungskurs alles über Ableitungen und Lineare Algebra - was ja sinnvoll ist, wenn man mal zwei Ebenen im dreidimensionalen Raum zum Schnitt bringen muss - aber nichts, was mit dem Verständnis und der Interpretation von Messwerten zusammenhängt. Entsprechend lässt man sich in den verschiedensten Bereichen über den Tisch ziehen, seien es VWL, Reaktorsicherheit, Medizin etc. Beispiele bietet jede Zeitung.
Oh, das weiß ich noch! Ziemlich genau eine Astronomische Einheit!
Oder 8,3 Lichtminuten...
Und die kann man dann auch in Kilometer umrechnen.
In Bayern gab es auch Stochastik im Leistungskurs. Und auf die Frage nach dem Abstand Erde-Sonne muesste ich jetzt auch anfangen zu rechnen. 8 Lichtminuten? Ich hab 150 Millionen Kilometer im Kopf, kann das hinkommen? 300 000 km * 60 * 8 = 300 000 * 480 - kommt hin.
Zitat von GorgasalMein persönlicher Schmerz ist die tiefe Ignoranz gegenüber Statistik und gegenüber all dem Unfug, der mit Statistik getrieben wird. Leider lernt man (noch immer?) selbst im Mathematik-Leistungskurs alles über Ableitungen und Lineare Algebra - was ja sinnvoll ist, wenn man mal zwei Ebenen im dreidimensionalen Raum zum Schnitt bringen muss - aber nichts, was mit dem Verständnis und der Interpretation von Messwerten zusammenhängt.
Das sehe ich genauso. Fragen Sie irgendwen nach Statistik, und Sie werden - wenn er gebildet ist, nach deutschen Maßstäben - das angebliche Churchill-Zitat hören, er glaube keiner Statistik, die er nicht selbst gefälscht habe. Und die weniger Gebildeten wissen immer noch, daß man "mit Statistik alles beweisen" kann.
Nicht mal der Unterschied zwischen deskriptiver und Prüfstatistik gehört zum Bildungsgut, nicht die Logik des Schließens von einer Stichprobe auf die Grundgesamtheit.
Bei Untersuchungen über gängige Fehlschlüsse spielt das Nichtverstehen der Bayes'schen Statistik eine große Rolle, vor allem die Vernachlässigung der a-priori-Wahrscheinlichkeit (base rate fallacy). Aber daran, daß das verstanden wird, würde ich gar nicht denken. Ich würde mich ja schon freuen, wenn ein Studienanfänger als Wissen von der Schule verstehen würde, was eine bedingte Wahrscheinlichkeit ist oder warum es wahrscheinlicher ist, daß man bei hundertmaligem Münzwurf fünfzig Mal Zahl und Adler bekommt, statt hundert Mal Adler.
Wo das doch auch "möglich wäre". Und auf diesem Argument - "Aber es könnte doch sein" - basiert ja so ziemlich die gesamte Pseudowissenschaft, die Esoterik und andere Albernheiten.
Ich merke, lieber Gorgasal, wie ich mich in Rage schreibe.
Also wieder ruhig Blut: Wie kommt eigentlich der Kanon des heutigen Mathematik-Unterrichts in der Schule zustande? Warum gehört Analysis dazu, aber nicht Wahrscheinlichkeitsrechnung? Oder gehört die inzwischen dazu? Ich hatte Mathematik bis zum Abitur; da kam sie nicht vor. Allenfalls berührte man sie im Zusammenhang mit dem Pascal'schen Dreieck. Ansonsten: Differential- und Integralrechnung, Analytische Geometrie.
Zitat von DagnyIn Bayern gab es auch Stochastik im Leistungskurs.
In Ba-Wü auch. Wahrscheinlichkeiten bei Würfel- oder Kartenspielen und Urnenmodellen. Von Statistik im Sinne einer Auswertung von Messdaten meilenweit entfernt. Um die Mogelei bei einer medizinischen Studie zu erkennen, braucht man all diesen diskreten Pofel überhaupt nicht - das ist eine nette Spielerei und eignet sich gut für Mathematikklausuren, aber am Ziel einer Übertragbarkeit über den Unterricht hinaus weit vorbei.
Zitat von DagnyUnd auf die Frage nach dem Abstand Erde-Sonne muesste ich jetzt auch anfangen zu rechnen. 8 Lichtminuten? Ich hab 150 Millionen Kilometer im Kopf, kann das hinkommen? 300 000 km * 60 * 8 = 300 000 * 480 - kommt hin.
Beruhigend. Entweder machen wir komplementäre Fehler, oder wir haben recht.
Zitat von DagnyUnd auf die Frage nach dem Abstand Erde-Sonne muesste ich jetzt auch anfangen zu rechnen. 8 Lichtminuten? Ich hab 150 Millionen Kilometer im Kopf, kann das hinkommen? 300 000 km * 60 * 8 = 300 000 * 480 - kommt hin.
Ja, so ist es. Aber die Antwort von Gorgasal - "eine AE" - war auch nicht schlecht.
Aber im Ernst: Es ging mir um die Größenordnung.
Zahlen auswendig zu lernen, die man bei Bedarf nachschlagen oder ausrechnen kann, ist albern. (Ich habe allerdings mal Pi auf ziemlich viele Stellen auswendig gelernt, aber nur aus Daffke).
Aber was glauben Sie, was rauskäme, wenn Sie Germanistik-Studienanfänger fragen würden, ob die Sonne vier mal, vierzig mal oder vierhundert mal weiter von der Erde entfernt ist als der Mond? Oder wie lange es ungefähr dauert, bis ein Funksignal vom Mars die Erde erreicht hat? Oder wie lange Aliens unterwegs wären, wenn sie aus der allernächsten Galaxie kämen und mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs wären?
Und wer von denen würde Sie dann auslachen und sagen, daß sie dann allerdings eine ziemlich große Masse hätten?
Zitat von DagnyUnd auf die Frage nach dem Abstand Erde-Sonne muesste ich jetzt auch anfangen zu rechnen. 8 Lichtminuten? Ich hab 150 Millionen Kilometer im Kopf, kann das hinkommen? 300 000 km * 60 * 8 = 300 000 * 480 - kommt hin.
Ja, so ist es. Aber die Antwort von Gorgasal - "eine AE" - war auch nicht schlecht.
Aber im Ernst: Es ging mir um die Größenordnung.
Zahlen auswendig zu lernen, die man bei Bedarf nachschlagen oder ausrechnen kann, ist albern. (Ich habe allerdings mal Pi auf ziemlich viele Stellen auswendig gelernt, aber nur aus Daffke).
Wir Physiker lernen sowas nicht auswendig, lieber Zettel. Wir wissen, dass es wohl 8 Lichtminuten sind und wir kennen die Groessenordnung der Lichgeschwindigkeit und schaetzen das dann ab. Ich weiss auch nicht, wie weit der Mond von der Erde weg ist (in km) aber es sind sowas 1.6 Lichtsekunden fuer Hin und Zurueck.
Um das Thema weiterzuspinnen: Mathematik kommt in Schwanitz' Buch 'Was man wissen muss' nicht vor und meine Mathematikerfreunde waren zutiefst gekraenkt als bei 'Wer wird Millionaer' eine einfache Frage aus Algebra mit 64 000 Euro bewertet wurde.
In Antwort auf:Aber was glauben Sie, was rauskäme, wenn Sie Germanistik-Studienanfänger fragen würden, ob die Sonne vier mal, vierzig mal oder vierhundert mal weiter von der Erde entfernt ist als der Mond? Oder wie lange es ungefähr dauert, bis ein Funksignal vom Mars die Erde erreicht hat? Oder wie lange Aliens unterwegs wären, wenn sie aus der allernächsten Galaxie kämen und mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs wären?
Zitat von Zettel Aber im Ernst: Es ging mir um die Größenordnung.
Zahlen auswendig zu lernen, die man bei Bedarf nachschlagen oder ausrechnen kann, ist albern. (Ich habe allerdings mal Pi auf ziemlich viele Stellen auswendig gelernt, aber nur aus Daffke).
Die hier angesprochene Fähigkeit zur Abschätzung von Größenordnungen, die sich auch auf die Verortung von Fakten ebenso wie aktuellen Vorgängen in einen größeren Kontext umlegen lässt, ist fundamental; dies gilt, meiner bescheidenen Meinung nach, für jeden Bildungsgegenstand. Um bei einem Beispiel zu bleiben, das sich in die Diskussion einfügt: Wer nix von Statistik im Allgemeinen versteht, tut sich mit der Errechnung eines Konfidenzintervalls anhand von Stichprobengröße und Signifikanzniveau schwer. Die notwendige Formel mag schnell auswendig gelernt sein; aber Auswendiglernen hat noch niemandem zur nachhaltigen Bildung verholfen.
Das schreibe ich unter dem starken Eindruck meiner bescheidenen Erfahrung: Überall dort, wo mir die Grundlage fehlt, um etwas Wissenswertes einzuordnen, gilt zumeist: Beim einen Ohr rein, beim anderen wieder raus. Meine Mathematiklehrerin am Gymnasium war keine mittlere, sondern eine totale Katastrophe. Und ich war damals zwar phasenweise einsichtig, doch im Endeffekt zu träge, dies rechtzeitig zu durchschauen und eigenständig gegenzusteuern. Dies vor allem deshalb, weil man erst im Nachhinein in vollem Ausmaß versteht, was man eigentlich versäumt und verabsäumt hat. Dieser Umstand meiner mathematischen Schulunbildung erwächst im Zuge meines Studiums immer mal wieder zum Problem: Um Verpasstes nachzuholen, muss zumindest eine große Menge an zusätzlicher Zeit investiert werden.
Ich verfolge die Bildungsdiskussionen in diesem Forum stets sehr aufmerksam. Und weil ich mich in meiner Lernpause schon dazu durchgerungen habe, an dieser Stelle meinen Senf abzugeben, möchte ich auch noch einen allgemeinen Gedanken über die Bildungsmisere los werden.
Dass im Zuge der Veröffentlichung sogenannter Bildungstests darüber lamentiert wird, deutsche wie österreichische Schüler wüssten in Mathematik und sonstigen Fächern im internationalen Vergleich weniger als andere, was zu wenig sei, ist ja schön und gut. Was mir in der Diskussion völlig fehlt, ist die Feststellung, dass, wer Heranwachsenden Bildung vermitteln möchte, zuallerst darauf abzielen sollte, die Schülerinnen und Schüler für Bildung zugänglich zu machen. Ich kann noch so lange auf eine Wand einreden: Das wird eher nix bringen.
Was ich damit sagen will: Die oberste Aufgabe des Bildungssystems ist meiner Meinung nach eine Erziehung zur Mündigkeit in einem sehr praktischen Sinn. Die Schülerinnen und Schüler müssen verstehen lernen, für wen und wozu sie lernen. Damit meine ich kein Verständnis in dem Sinn, dass in die geistige wie materielle Verwahrlosung abrutschen wird, wer nicht lernt. Vielmehr gälte es zu verstehen, welchen Beitrag Bildung im Zuge der persönlichen Entwicklung leistet.
Ein ausgewachsenes Problem sind Schülerinnen und Schüler, die sich rein gar nichts sagen lassen. Die problematische Mehrheit bilden jene Schüler, die sich von einem Lehrer irgendeine Formel in die Birne hämmern oder Fakten zu einem historisch bedeutsamen Ereignis an die Stirn nageln lasen, sodass das solchermaßen "Erlernte" spätestens nach der nächsten Prüfung wieder vergessen sein möge. Der ideale Schüler hingegen hat Freude daran, zu lernen, zu verstehen und Zusammenhängendes aus unterschiedlichen Fächern in einen größeren Bildungskontext einzuordnen. Die verachtende Behauptung, dieses Ideal sei einem großen Teil der Auszubildenden gewissermaßen naturbedingt, jedenfalls aber notwendigerweise nicht zugänglich, kann, will und werde ich nicht gelten lassen. Auch wenn mir der tägliche Umgang mit so manchen Studienkollegen das Schreiben dieser Zeilen nicht leicht macht.
ein wenig überschneiden sich die Gebiete unseres Jammmerns, aber komischerweise sind sie fachspezifisch
Ich würde es z.B. für wesentlich wichtiger halten, dass jemand Grundkenntnisse in Finanzmathematik hat, als dass er Schlaues über die Entfernung von Mond oder Sonne zur Erde zu sagen wüsste. Wobei ich natürlich einen Menschen, der letzteres beherrscht, ersteres aber nicht, durchaus als gebildet bezeichnen würde, nur vielleicht auch noch zusätzlich als Fachidioten
Aber die Grundlage ist, und da sind wir uns wohl wirklich einig, das richtige (Ab-)Schätzen, das Umgehen mit Größenordnungen und Wahrscheinlichkeiten. Ersteres wird übrigens von Mathelehrern, die in ihrem Fach auf dem neuesten Stand sind, auch gelehrt, zumindest an baden-württembergischen Hauptschulen, was ich von meiner Liebsten weiß, die da bundeslandesweit als Expertin gilt und das auch selbst so praktiziert. Es gab da mal ein tolles Buch als Taschenbuch, dessen Autor und Titel ich leider vergessen habe, wo genau das drin vorkam: Größenordnungen und Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Die Wahrscheinlichkeitsrechnung ist allerdings weiter ein Stiefkind. Vielleicht sollte man Pokern zum Pflichtfach machen
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zitat von RaysonLieber Zettel, Die Wahrscheinlichkeitsrechnung ist allerdings weiter ein Stiefkind. Vielleicht sollte man Pokern zum Pflichtfach machen
Das ist ein garnicht mal schlechter Punkt. Man merkt sich etwas, wenn es einen interessiert und wenn die Kinder ueber die Frage 'Wie gewinne ich beim Pokern' zur Wahrscheinlichkeitsrechnung finden, dann kann sich doch niemand beschweren, oder?
str1977
(
gelöscht
)
Beiträge:
21.11.2008 18:29
#13 RE: Zettels Meckerecke: Felix Krull als Bildungsideal
Der Anteil der Naturwissenschaften, der zur Bildung gehört ist eher begrenzt. Das liegt an der Natur der Sache.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Der Anteil der Naturwissenschaften, der zur Bildung gehört ist eher begrenzt. Das liegt an der Natur der Sache.
Wenn man die klassische Gymansialbildung als bewussten Gegensatz des Buergertums gegenueber dem Adel, den Ingenieuren / Technikern, Kaufleuten und nicht zuletzt Arbeitern auffasst, dann ist es natuerlich verstaendlich, dass das verbeamtete Lehrer-Bildungsbuergertum sich mit moeglichst unnuetzem Wissen schmueckt.
Am besten bringt es Dietrich Schwanitz auf den Punkt:
In Antwort auf: ... weil die Bildung auch ein soziales Phänomen ist, bei dem es Insider und Outsider gibt... stellen wir fest, dass Bildung nicht nur ein Ideal, ein Prozeß und ein Zustand, sondern auch ein soziales Spiel ist.
In Antwort auf: ... unterliegt die Bildung einem Thematisierungstabu... dieses Tabu schafft einen breiten Sumpfgürtel der Unklarheit darüber, was man als gebildeter Mensch wissen und was man nicht wissen muss.
und der beste Satz, ganz am Ende seines Buches nach 618 Seiten "alles was man Wissen muss":
In Antwort auf: So bedauerlich es manchem scheinen mag: Naturwissenschaftliche Kenntnisse müssen zwar nicht versteckt werden, aber zur Bildung gehören sie nicht
In Antwort auf: dann ist es natuerlich verstaendlich, dass das verbeamtete Lehrer-Bildungsbuergertum sich mit moeglichst unnuetzem Wissen schmueckt.
Sehr schön wurde diese "demonstrative Nutzlosigkeit" als Abgrenzungsmerkmal höherer sozialer Kasten von Thorstein Veblen in seiner "Theorie der feinen Leute" beschrieben.
"In längst vergangenen Gesellschaften - bei den Sklavenhaltern im alten Rom oder den Feudalherren im Mittelalter - tun reiche Leute demonstrativ nichts. Wer es sich leisten kann, lässt auch noch andere für sich nichts tun: Ehefrauen, Sklaven, Bedienstete. Veblen nennt das "stellvertretende Muße" im Dienste eines Höheren. Das krasseste Beispiel: die Kaste der Priester. In die Kategorie "demonstrative Verschwendung" ordnet Veblen auch gute Manieren und hohe Bildung ein, denn die Aneignung von beidem kostet Zeit und habe keinen wirklichen Nutzen.
Sehr schön wurde diese "demonstrative Nutzlosigkeit" als Abgrenzungsmerkmal höherer sozialer Kasten von Thorstein Veblen in seiner "Theorie der feinen Leute" beschrieben.
Solange diese feinen Leute ihre ostentative Nutzlosigkeit aus vorhandenem, privaten Reichtum begleichen ist dem nichts abträgliches. Es ist vielleicht sogar das beste, was gesellschaftlich passieren kann. Superreiche geben sich nur dem Konsum hin und bringen auch anderen (Ehefrauen, Sklaven, Clowns, Alleinunterhalter...) dazu, zu konsumieren.
Gleichzeitig koennen "Emporkömlinge" in Marktlücken vorstossen, neue, produktive Dinge entwickeln, erfinden und sozial aufsteigen.
Heute ist das insofern anders, als dass Beamte von anderer Leute arbeit (=Nettosteuerzahler) leben.
Zitat von RaysonIch würde es z.B. für wesentlich wichtiger halten, dass jemand Grundkenntnisse in Finanzmathematik hat, als dass er Schlaues über die Entfernung von Mond oder Sonne zur Erde zu sagen wüsste. Wobei ich natürlich einen Menschen, der letzteres beherrscht, ersteres aber nicht, durchaus als gebildet bezeichnen würde, nur vielleicht auch noch zusätzlich als Fachidioten
Ehrlich, lieber Rayson? Was würde man von jemandem halten, der nicht in der Raum-, sondern in der Zeitdimension ohne Orientierung ist? Der also zum Beispiel (mir ist das in der Sexta passiert, und ich werde es nie vergessen) die Krönung Karls des Großen auf Weihnachten 1600 legt? (Der Idiot von Lehrer hat mir dafür einen von zwei möglichen Punkten gegeben, weil Weihnachten stimmte ).
Ich habe nie verstanden, wieso Astronomie nicht ein Schulfach ist. Aber wenn das schon der Physik untergejubelt wird (das ist ungefähr so, als würde man Musik als Teil der Geschichte lehren; sie hat ja eine) - dann sollte man sie doch wenigstens lehren. Sie ist schließlich eine der ältesten, eine der wichtigsten Wissenschaften.
Was die Finanzmathematik angeht, lieber Rayson - ein wenig mehr Angewandte Mathematik fände ich auch gut. Eigentlich müßte man doch seit der Einführung erst des Taschenrechners und dann des Computers Platz im Lehrplan haben. Ich habe noch schätzungsweise alles in allem ein Jahr, vielleicht mehr, in Mathe damit verbracht, den Gebrauch des Rechenschiebers, von Logarithmentafeln, die Zinseszinsrechnung, das Wurzelziehen usw. zu erlernen.
Zitat von RaysonAber die Grundlage ist, und da sind wir uns wohl wirklich einig, das richtige (Ab-)Schätzen, das Umgehen mit Größenordnungen und Wahrscheinlichkeiten. Ersteres wird übrigens von Mathelehrern, die in ihrem Fach auf dem neuesten Stand sind, auch gelehrt, zumindest an baden-württembergischen Hauptschulen, was ich von meiner Liebsten weiß, die da bundeslandesweit als Expertin gilt und das auch selbst so praktiziert.
Und das Verstehen von Beweisen, statt daß man sie nur mechanisch reproduzieren kann. Einen Beweis hat jemand erst verstanden, wenn er ihn gewissermaßen hierarchisch beschreiben kann: Also, die Grundidee ist diese ... und dazu müssen wir jetzt erst einmal ... usw.
Und das Verstehen des Aufbaus eines axiomatischen Systems. Die euklidische Geometrie, die Differential- und Integralrechnung sind doch Gebilde von einer architektonischen Schönheit. Aber das wird zerhackt, in Portiönchen gelehrt, und kaum ein Schüler kann vor lauter Bäumen noch den Wald sehen.
Zitat von RaysonVielleicht sollte man Pokern zum Pflichtfach machen
Das ist ein garnicht mal schlechter Punkt. Man merkt sich etwas, wenn es einen interessiert und wenn die Kinder ueber die Frage 'Wie gewinne ich beim Pokern' zur Wahrscheinlichkeitsrechnung finden, dann kann sich doch niemand beschweren, oder?
Ich habe keine Ahnung vom Pokern. Wie kommt denn da die Wahrscheinlichkeitsrechnung ins Spiel? Ich dachte bisher, der Witz an der Sache ist, daß man dem anderen suggeriert, man hätte mehr in der Hand, als es der Fall ist, und ihn dadurch zu einem für ihn unteroptimalen Entscheidungsverhalten bestimmt.
Aber wie gesagt, ich habe keine Ahnung. Die obige Weisheit stammt aus dem Kino.
Zitat von str1977Ja, so ist es nunmal. Der Anteil der Naturwissenschaften, der zur Bildung gehört ist eher begrenzt. Das liegt an der Natur der Sache.
Wenn man die klassische Gymansialbildung als bewussten Gegensatz des Buergertums gegenueber dem Adel, den Ingenieuren / Technikern, Kaufleuten und nicht zuletzt Arbeitern auffasst, dann ist es natuerlich verstaendlich, dass das verbeamtete Lehrer-Bildungsbuergertum sich mit moeglichst unnuetzem Wissen schmueckt.
Ja, so sehe ich das auch, liebe Dagny. Denn in der Natur der Sache liegt es ja eben nicht. Es gibt keinen sachlichen Grund dafür, es als Teil der Allgemeinbildung zu betrachten, daß jemand weiß, wann Cäsar gelebt hat, aber nicht, wieso Sterne leuchten.
Das Bildungsideal drückt immer auch die Herrschaftsverhältnisse in einer Gesellschaft aus. Der Feudalherr war (nur nannte man es nicht so) gebildet, wenn er reiten und fechten konnte, vielleicht die Falknerei beherrschte. "Ein ritter so geleret was / daz er an den buochen las" - das war ein skurriler Kauz.
Für den Adel im Spätfeudalismus waren die Wissenschaften ein Zeitvertreib, ein Spaß. Im 18. Jahrhundert delektierte man sich an tierischem Magnetismus, an Vorführungen der Elektrizität. Lichtenberg hatte mit solchen Kunststückchen große Erfolge, allerdings mehr an der Uni. Immerhin gehörten die Naturwissenschaften durchaus zur Allgemeinbildung. Wieland zum Beispiel hat sich sehr für sie interessiert; dazu für Technik. Er hat mehrere Aufsätze über das Ballonfahren geschrieben!
Auch noch bis ins 19. und 20. Jahrhundert hinein. Meine erst Begeisterung für die Astronomie geht auf einen entfernten Onkel zurück, der evangelischer Pfarrer war. Umgekehrt hatte ich einen Urgroßvater, der Ingenieur war und von dem erzählt wird, daß er die Illias auf Griechisch las und Teile daraus deklamieren konnte. Meine Großmutter lernte von ihm als kleines Mädchen griechische und lateinische Sprichwörter, zB "Ho mè dareis anthropos ou paideuetai". Das war meine erste Begegnung mit dem Griechischen.
Also, im deutschen Bildungsbürgertum wurden die Naturwissenschaften keineswegs geringgeschätzt, so wie umgekehrt die Naturwissenschaftler und Ingenieure die klassische Bildung schätzten.
Mir scheint, daß das erst im Lauf des 20. Jahrhunderts anders geworden ist. Und eine regelrechte Mißachtung der Naturwissenschaften kann ich - ceterum censeo - eigentlich erst seit den späten sechziger Jahren feststellen.
Zitat von RaysonVielleicht sollte man Pokern zum Pflichtfach machen
Das ist ein garnicht mal schlechter Punkt. Man merkt sich etwas, wenn es einen interessiert und wenn die Kinder ueber die Frage \\\\\'Wie gewinne ich beim Pokern\\\\\' zur Wahrscheinlichkeitsrechnung finden, dann kann sich doch niemand beschweren, oder?
Ich habe keine Ahnung vom Pokern. Wie kommt denn da die Wahrscheinlichkeitsrechnung ins Spiel? Ich dachte bisher, der Witz an der Sache ist, daß man dem anderen suggeriert, man hätte mehr in der Hand, als es der Fall ist, und ihn dadurch zu einem für ihn unteroptimalen Entscheidungsverhalten bestimmt.
Aber wie gesagt, ich habe keine Ahnung. Die obige Weisheit stammt aus dem Kino.
Herzlich, Zettel
Das Bild vom Bluffen als allesüberstrahlendes Element des Pokern, welches die Medien verbreiten, ist ein Zerrbild. Es beruht zum Teil auf Unverständnis des Spiels, zum Teil wohl auch auf bewusster Fehldarstellung. Mit dem Pokern ist es auch in anderer Hinsicht wie mit der Bildung: Jemand, der von Mathematik nichts versteht, ist nicht gut beraten, mit dem Differentieren oder Integrieren einzusteigen. Wer vom Pokern nichts versteht, sollte sich nicht sogleich dem Cadillac of Poker, No limit Hold 'Em, widmen - es sei denn, man gedenkt, zu zocken und dementsprechend sicher Geld zu verlieren. Die wenigsten, die sich enthusiastisch dem Pokerboom der letzten Jahre angeschlossen haben, können mit anderen Spielvarianten wie Seven Card Stud, Omaha, Razz oder Draw Poker-Varianten etwas anfangen. Welcher Pokervariante man schlussendlich frönt, ist gleichgültig. Denn sie alle haben eine Grundlage: die statistische Logik des Spiels.
Die wirklich guten Pokerspieler bauen ihr Spiel auf einer tiefergehenden Logik auf, die ihrerseits auf einfachen mathematischen Überlegungen fußt. Ein Deck hat 52 Karten (Bei den meisten Pokervarianten jedenfalls; im Anschluss spreche ich über Hold 'Em.). Für einen Flush brauche ich five of one suit. Von jedem der vier suits, also Pik, Treff, Karo und Herz, gibt es jeweils 13 Karten. Nehmen wir an, die ersten drei Karten (der Flop) sind aufgedeckt. Jeder Spieler hält zwei Karten (die Starthände). Ich halte das Pik-Ass und den Pik-König. Der Flop enthält zwei Pik. Ich weiß also von fünf Karten genau, wie es sich mit ihnen verhält. Um einen Flush zu komplettieren, müssen Turn (4. Karte) oder River (5. Karte) noch ein Pik bringen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Ereignis eintritt, beträgt (9/47)*(9/46); als praxisbezogenen Wert nimmt man 35% an, weil es in der Spielsituation ja in erster Linie um Überschlagsrechnung geht. Offeriert der Pot (als die Gesamtheit des Geldes, welches die Spieler bereits gesetzt haben) Pot Odds, die größer sind als die erwähnte Wahrscheinlichkeit, dass die nächsten zwei Karten noch meinen Flush bringen, sollte ich bezahlen; widrigenfalls wäre, rein mathematisch betrachtet, das Passen, also ein Fold, zu präferieren. Davon abgesehen, dass es dann etwa noch so Konzepte wie die sogenannten Implied Odds gibt - aber ich will ja nicht langweilen.
Auf die beschriebene Art und Weise kann man sich eigentlich in so ziemlich jeder Situation ein Bild darüber machen, ob man sich in einer profitablen Lage befindet, oder against the odds agiert; ein Spielzug ist vorteilhaft, wenn er Expected Value hat, das heißt: wenn er, statistisch betrachtet, in der langen Sicht einen Profit einbringt. Man ahnt schon, dass Pokern für diejenigen, die es professionell betreiben, mitunter nicht immer nur ein Spiel ist, bei dem man die anderen mit theatralischem Übermut aus dem Pot zu bluffen sucht.
Hypothese 1: Die Relativitätstheorie ist die Ursache für diese Abneigung. Sie wird bewundert aber nicht verstanden und die wenigsten trauen sich zu sie auch nur teilweise nachzuvollziehen. Das müsste man aber, wenn man mit seiner Bildung kokettieren und als oder gar als allwissender Sozialingenieur überall mitreden möchte. Kurz: Die Naturwissenschaft darf nicht zur Bildung gehören. Alles andere stört das Selbstwertgefühl zu vieler Menschen empfindlich.
Hypothese 2: Naturwissenschaften erschliessen sich nur neugierigen Menschen. Solche, die wissen wollen warum etwas wie zusammenhängt. Die meisten Menschen sind aber, warum auch immer, dazu geboren, Befehlen zu folgen. Sie brauchen Kochrezepte, die sie befolgen und Formeln, die sie auswendig lernen. Solche Leute interessieren sich natürlich mehr für Wissenschaften mit normativen Resultaten.
Hypothese 3: Die Menschen werden durch die Geisteswissenschaften in den Schulen "verdorben". Und zwar in dem Sinne, dass sie ihren Sinn dafür verlernen, welche Information relevant ist und welche nicht.
In den naturwissenschaftlichen Fächern ist immer klar, was gerade das Lernziel ist und wann man es verstanden hat. In den Geisteswissenschaften ist dies selten der Fall. Im Deutschunterricht (Stichwort Gedichte Interpretieren) habe ich nie verstanden, was gelernt werden soll und wann etwas "gut" gemacht wurde. Es fehlt der Maßstab um die erhaltene Information zu strukturieren.
Bis heute habe ich nicht verstanden, wie warum und wozu man ein Gedicht interpretiert. Ich weiss nur, dass man am Anfang die Strophen zählt irgendwelche Reime aufzählt und dann fort fährt. Der Sinn dieser Aktion bleibt mir unbekannt.
Und noch schlimmer sind die dem Autor unterstellten Motive ("Wollte den Nazizeit kritisieren", "Prangert die Armut im Kapitalismus an"...).
Zitat von dirk Hypothese 3: Die Menschen werden durch die Geisteswissenschaften in den Schulen "verdorben". Und zwar in dem Sinne, dass sie ihren Sinn dafür verlernen, welche Information relevant ist und welche nicht. In den naturwissenschaftlichen Fächern ist immer klar, was gerade das Lernziel ist und wann man es verstanden hat. In den Geisteswissenschaften ist dies selten der Fall. Im Deutschunterricht (Stichwort Gedichte Interpretieren) habe ich nie verstanden, was gelernt werden soll und wann etwas "gut" gemacht wurde. Es fehlt der Maßstab um die erhaltene Information zu strukturieren. Bis heute habe ich nicht verstanden, wie warum und wozu man ein Gedicht interpretiert. Ich weiss nur, dass man am Anfang die Strophen zählt irgendwelche Reime aufzählt und dann fort fährt. Der Sinn dieser Aktion bleibt mir unbekannt. Und noch schlimmer sind die dem Autor unterstellten Motive ("Wollte den Nazizeit kritisieren", "Prangert die Armut im Kapitalismus an"...).
Klingt nach schlechten Lehrern. Klingt nach Normalität. :(
Bei meinem Deutsch-Geschichte-Lehrer in der Abiturstufe gab es sehr klare Lernziele, und es wurde sehr viel Wert darauf gelegt, genau zu lesen, in die geschichtlichen Zusammenhänge einzuordnen und zwischen Rhetorik als Werkzeug und Inhalt als relevanter Information zu selektieren. Damals habe ich erst richtig lesen gelernt. Natürlich habe ich vorher auch viel gelesen. Aber Sachtexte auszuwerten habe ich erst da gelernt.
Was die Textinterpretation betrifft: Der Begriff ist eigentlich veraltet und gehört samt dem dazugehörigen Lehrkonzept endlich auf den Müll. Wichtig ist nach wie vor die Analyse. Wer sich für Literatur interessiert, möchte ja manchmal auch gern dem Author auf die Spur kommen oder eines Tages selbst etwas schreiben, wofür ihm das Handwerkszeug erfolgreicher Schreiber zunutze kommen könnte.
Die alte Frage "Was will uns der Author damit sagen" löst eigentlich bei den mir bekannten Literaturwissenschaftlern nur noch Brechreiz aus. Wenn man das wissen will, und es nicht direkt aus dem Text hervorgeht, kann man ja den Author einfach fragen. In der Regel verkündet er es sowieso bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit von selbst. Authoren, deren Ansichten man wegen des zeitlichen Abstands nicht mehr durch Hintergrundrecherche herausbekommt, sind uns gleichzeitig meist so fremd, daß die Frage nicht mehr zu beantworten ist. Schon gar nicht aus einem Text, dessen kulturelle und soziale Vernetzung nur noch mühsam und bruchstückhaft rekonstruiert werden kann.
Das Problem bei der Analyse ist natürlich, daß man zunächst einmal mit der Bestandsaufnahme beginnt: Wieviele Strophen, Versmaß, etc. Das ist langweilig, gehört aber zu einer seriösen Herangehensweise dazu.
Eine sagen wir mal in 500 Jahren geschriebene Analyse mit dem Beginn "Der vorliegende Text des Deutschlandliedes besteht aus einer Strophe, die mit der Zeile '3. Vers' beginnt." müßte anders gelesen und bewertet werden, als eine mit dem Beginn "Das vorliegende 'Deutschlandlied' hat drei Strophen[...]".
Das ist fundamentale wissenschaftliche Herangehensweise.
Erst einmal beschreibt man, was man da überhaupt auf dem Tisch liegen hat. Dann erst beginnt die eigentliche Arbeit, bei der es dann darauf ankommt, was man eigentlich herausfinden will.
Vielleicht will man ja anhand des Textes demonstrieren, wie und warum eigentlich Humor funktioniert. Oder man will aufzeigen, wie ein Text zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich verstanden werden kann. Oder, ganz klassisch, man analysiert, wie der Author seine Meinug rhetorisch unterstützt?
Ein sehr plattes Beispiel: Er ist ja ein kluger und ehrenwerter Mensch, und ich will ihm nichts unterstellen. Es wäre sogar sehr verfehlt, ihm etwas zu unterstellen. Und sicher hat sein Engagement zu diesem ungewöhnlichen Zeitpunkt nur ehrenwerte und über jeden Korruptionsverdacht erhabene Motive. Nie würde er das Geld der Nutznießer seines seltsamen Auftritts akzeptieren. Ich staune nur über seine Argumente und möchte gleichzeitig all denen energisch entgegentreten, die ihm jetzt vorhalten, er hätte sein Haus nicht selbst bezahlt. Dies ist unterste Schublade. Er würde sich niemals kaufen lassen, nicht einmal dann, wenn wie jetzt, es ihm so gelegen käme! Aber ich bin verwundert.
Die interessanten Texte sind viel besser aufgebaut. Da wird manchmal das ganze Register gezogen. Aber es wirkt nicht immer. Man kann sprachliche Mittel wie jedes andere Werkzeug auch erfolgreich oder falsch einsetzen.
Es gibt halt Leute, die wissen wollen, wie alt irgendein blöder Stern am anderen Ende des Universums ist. Und manche wollen wissen, wie Literatur und Sprache funktioniert. :)
Klug und fleißig - Illusion Dumm und faul - das eher schon Klug und faul - der meisten Laster Dumm und fleißig - ein Desaster The Outside of the Asylum
Danke, lieber Philipp, jetzt bin ich schon nicht mehr ganz so ahnungslos.
Bedeutet das, was Sie beschreiben, daß es im Prinzip ziemlich einfach ist, für jede Spielsituation das optimale Verhalten auszurechnen? Gibt es also Programme, die das für den Spieler erledigen?
Ich vermute (weiß es aber nicht), daß die Zahl der möglichen Situationen sehr viel kleiner ist als beim Schach, daß die Zahl der Züge, die man vorausberechnen muß ("Tiefe") viel geringer ist und daß deshalb ein Pokercomputer eine leichtere Sache sein sollte als ein Schachcomputer. Ist das so?
Und noch eine Frage: Wenn man sich strikt nach den Wahrscheinlichkeiten verhält, wird man langfristig vermutlich am besten abschneiden. Aber die Chance, kurzfristig viel zu gewinnen, ist doch vermutlich mit einer Risiko-Strategie größer?
Und wo liegt eigentlich noch der Reiz des Spiels, wenn man jeden Zug im Grunde ausrechnen kann?
Bin zwar nur ein Laienpokerer, aber, lieber Zettel, das ist so wie mit den guten Manieren, die man brechen kann, wenn man sie beherrscht. Angenommen, mein Gegenüber kennt seine Wahrscheinlichkeiten und handelt danach. Dann kann ich ihn durch bluffen zum Aufgeben bringen. Wenn der andere das aber bereits antizipiert......
Zu den Hypothesen: Hypothese 1: Die Relativitätstheorie ist die Ursache für diese Abneigung. Sie wird bewundert aber nicht verstanden und die wenigsten trauen sich zu sie auch nur teilweise nachzuvollziehen. Das müsste man aber, wenn man mit seiner Bildung kokettieren und als oder gar als allwissender Sozialingenieur überall mitreden möchte. Kurz: Die Naturwissenschaft darf nicht zur Bildung gehören. Alles andere stört das Selbstwertgefühl zu vieler Menschen empfindlich.
Ach, wer nur die (spezielle) Relativitätsthorie versteht, dem fehlt ja noch die Allgeine und die Quantenmechanik. Für ein Stammtischgesrpäch ist ein enormes Hintergrundwissen nötig, aber das wird in der klassischen Bildung ja auch erwartet. Und so schwer ist die SRT nicht, auch wenn sich die Konsequenzen nicht mit unserem Alltagsweltbild vertragen. Aber das tut die Newtonsche Physik bereits nicht.
Hypothese 2: Naturwissenschaften erschliessen sich nur neugierigen Menschen. Solche, die wissen wollen warum etwas wie zusammenhängt. Die meisten Menschen sind aber, warum auch immer, dazu geboren, Befehlen zu folgen. Sie brauchen Kochrezepte, die sie befolgen und Formeln, die sie auswendig lernen. Solche Leute interessieren sich natürlich mehr für Wissenschaften mit normativen Resultaten.
Warum sollte das so sein? (rhetorische Antwort)
Hypothese 3: Die Menschen werden durch die Geisteswissenschaften in den Schulen "verdorben". Und zwar in dem Sinne, dass sie ihren Sinn dafür verlernen, welche Information relevant ist und welche nicht.
Meine Vermutung wäre ja, dass der analytisch-logische Zugang zu den Naturwissenschaften mit der sozialistischen Dialektik unverträglich ist.
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