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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 33 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.12.2008 12:29
Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

In diesem Artikel kreuzen sich zwei Themen, die mich immer wieder beschäftigen: Die Verhältnisse in Frankreich im Vergleich mit denen in Deutschland und die Entwicklung der Sozialdemokratie in einer Zeit des erstarkenden Kommunismus.

Als wir im Sommer 1990 zum ersten Urlaub nach der Öffnung der Mauer, noch vor der Wiedervereinigung, in der DDR waren, herrschte bei uns Euphorie, was den Sturz der Kommunisten anging. Gelernte DDR-Bewohner sagten uns aber damals auf dem Zeltplatz: "Die kommen wieder".

Ich habe das damals für Angstphantasien gehalten. Heute, zwanzig Jahre später, nicht mehr.

C. Offline




Beiträge: 2.639

03.12.2008 13:09
#2 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

Zitat von zettel
CDU und FDP haben eine hauchdünne Mehrheit. Fast gleich stark ist das Volksfront- Lager aus SPD, Kommunisten und Grünen. Verschiebungen gibt es fast nur im Inneren dieser beider Lager - mal gewinnt die FDP ein wenig zugunsten der CDU, mal umgekehrt. Links verliert die SPD meist zugunsten der Grünen und/oder der Kommunisten.

Interessant im jetzigen Kontext ist die Binnenstruktur des linken Lagers. Dort ist die SPD inzwischen auf 23,5 Prozent geschrumpft. Was bedeutet, daß auf sie weniger Stimmen entfallen als auf die beiden Partner links von ihr zusammen (24,0 Prozent).


Dazu eine kritische Anmerkung in Bezug auf die Grünen.

Auch wenn ich den Grünen nicht grün bin, würde ich die Partei des Bildungsbürgertums weder zu einer Volksfront zählen noch sie links der SPD ansiedeln. Es gibtzwar ein paar dezidiert Linke in der Parteiführung (Trittin/Roth) und noch ein paar Hardcorelinke wie Ströbele, ansonsten sind die Grüne eine bürgerliche Lobbypartei, tätig in den Bereichen Energie, Bildung und Einwanderung. Mit grünen Ideen ist kein Arbeiter oder Hartz4 Empfänger zu begeistern, sondern Schüler, Studenten, Beamten und vielleicht noch die Unternehmersgattin zur Beruhigung des familiären Gewissens. Den Grünen ist es auch völlig schnurz mit wem sie koalieren, solange ihre Klientel versorgt wird und wenn Schäuble statt 2500 10.000 Iraker ansiedeln will, Merkel endlich wegen dem EU-Beitritt der Türkei einknickt und auf den Bau neuer Kernkraftwerke verzichtet, dann sind die Grünen sofort zu einer Koalition bereit. Es ist einfach für die Grünen eine relativ sichere Wahlprognose abzugeben, sie sind mit zehn pozent gesetzt, bei einem größeren Reaktorunfall haben sie etwas Luft nach oben.

Die Linke. hat neben Hartz4 und weiteren angehenden Arbeitslosen noch den Afghanistan-Joker in der Tasche (pro 50 Särge etwa ein Prozentpunkt nach oben) und den nicht zu unterschätzenden Blockflötenfaktor. Die CDU sollte sich in der Beziehung warm anziehen, die Demontage von Angela merkel hat bereits begonnen und noch lange ncht ihren Höhepunkt erreicht. gerade was merkel betrifft wird die Vereinigung von SPD und Linke. stattfinden und die dankbare Qualitätspresse unentwegt füttern. Es wird der SPD unmöglich sein, nochmals unter Merkel zu dienen, auch wenn es der Wunsch von Teilen des Führungspersonals sein sollte.



R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.12.2008 13:22
#3 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

Lieber Zettel,

eine schöne Analyse, der ich weitgehend zustimme.
Über den möglichen Zerfall der SPD hatten wir ja schon diskutiert - und ich habe immer mehr das Gefühlt, das wäre eine gute Sache.

Wobei ich einen entscheidenden Punkt anders sehe:

In Antwort auf:
Ich setzte jetzt voraus, daß die Wähler in etwa denselben Proportionen folgen werden


Genau das wird m. E. nicht geschehen.
Ein hauptsächliches Strukturproblem der SPD schon seit langem ist die Diskrepanz zwischen der mittleren Funktionärsschicht und der Basis/Wählerschaft.

Die Mehrzahl der die Partei dominierenden Funktionäre (mal definiert als die Leute, die mit Politik ihren Lebensunterhalt verdienen, als Abgeordnete, kommunale Amtsträger, Parteiangestellte oder Angestellte parteinaher Organisationen) sind deutlich weiter links in ihrer politischen Position als die SPD-Wählerschaft.

Die SPD kann üblicherweise Wahlerfolge eigentlich nur erzielen, wenn sie die eigentliche Mehrheitsmeinung der Partei nicht ins Schaufenster stellt, sondern sich moderat gibt, auch eher mittige Spitzenkandidaten nach vorne schickt.

Bei einer Parteispaltung wäre die Rechts-SPD m. E. deutlich stärker in den Wahlergebnissen als die Links-SPD.
Und wenn sich letztere dann mit den Kommunisten zusammentut, hätten diese neue Partei weniger Stimmen als die alten beiden getrennt.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.12.2008 13:47
#4 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

Zitat von R.A.
Bei einer Parteispaltung wäre die Rechts-SPD m. E. deutlich stärker in den Wahlergebnissen als die Links-SPD. Und wenn sich letztere dann mit den Kommunisten zusammentut, hätten diese neue Partei weniger Stimmen als die alten beiden getrennt.

Sie haben recht, lieber R.A. Mir ist das beim Schreiben auch durch den Kopf gegangen, deshalb habe ich eine Anmerkung in Klammern hinzugefügt. (Ich dachte mir schon, daß klugen Lesern diese Schwäche in meiner Argumentation nicht entgehen würde ).

Das taktische Problem bei der ganzen Operation von Lafontaine und Genossen, in Frankreich wie in Deutschland, ist es, sich den Kommunisten gerade so weit zu nähern, daß die Wähler noch mitgehen.

In Deutschland ist das hervorragend gelungen. Vor der Zusammenarbeit und dann Vereinigung mit der WASG lag die PDS bundesweit bei 6 oder sieben Prozent, jetzt beim fast Doppelten.

Wenn ich mich recht erinnere, hat die Vereinigung sogar zu einem Schub im Osten geführt. Offenbar, weil sozusagen die Reputation der PDS dadurch zugenommen hat, daß Leute wie Lafontaine zu ihr stießen.

Zurück zu meinem Artikel: Die These, daß als Ergebnis eines solchen Prozesses die Kommunisten die stärkste Partei auf der Linken werden könnten, würde ich dennoch beibebhalten. Das Verhältnis SPD : Kommunisten ist bereits jetzt ungefähr 24 : 12. Wenn nur ein Viertel der SPD-Wähler dann, wenn der linke Flügel zu den Kommunisten wechselt, mitgeht, dann stünde es 18 : 18. Wenn ein Drittel, dann wären die Kommunisten schon stärker.

Das sind sicherlich Rechnereien, die auf wackligen Beinen stehen. Aber sie zeigen doch, daß jedenfalls eine ewige Dominanz der SPD auf der Linken nicht gottgegeben ist.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.12.2008 14:02
#5 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

Zitat von C.
Auch wenn ich den Grünen nicht grün bin, würde ich die Partei des Bildungsbürgertums weder zu einer Volksfront zählen noch sie links der SPD ansiedeln. Es gibtzwar ein paar dezidiert Linke in der Parteiführung (Trittin/Roth) und noch ein paar Hardcorelinke wie Ströbele, ansonsten sind die Grüne eine bürgerliche Lobbypartei, tätig in den Bereichen Energie, Bildung und Einwanderung.

Als ich den Artikel geschrieben habe, dear C., dachte ich, daß er an zwei Stellen angreifbar ist. Die eine hat R.A. sofort erkannt, die andere du.

Ich habe diese Formulierung, die du kritisierst, eingefügt, weil mir durch den Kopf ging, daß in Hessen kein einziger Abgeordneter der Partei auch nur die leistesten Probleme mit den Kommunisten hat, die immer noch "Bündnis 90" in ihrem Namen führt.

Die Grünen sind eine Volksfront-Partei, und zwar viel eindeutiger als die SPD. Du hast vollkommen recht - ihre Klientel ist überwiegend bürgerlich. In den Städten hat sie meistens die höchsten Werte in den Wahlbezirken, in denen auch CDU und FDP stark sind (Pappi wählt CDU oder FDP, weil er das Geld heranschaffen muß; Mami und Kinder wählen die Grünen, damit sie es ökologisch korrekt ausgeben können).

Aber, dear C., just das sind immer die Steigbügelhalter der Kommunisten gewesen. Du schreibst "Den Grünen ist es auch völlig schnurz mit wem sie koalieren, solange ihre Klientel versorgt wird". Das spielt sicher eine Rolle. Aber viele haben eben, gerade weil sie bürgerlich sind, viel Sympathie für die Kommunisten. Sie selbst würden nie die Kommunisten wählen, das tut man nicht. Aber sie unterstützen, das ja. Fellow Travellers. In Frankreich gab es (gibt es in kleinen Restbeständen noch) eine Partei, die das geradezu verköpert hat: Die Radikalsozialisten, eine durch und durch bürgerliche Partei (trotz des Namens), die Partei der Lehrer und Dorfapotheker; immer gute Verbündete der Kommunisten.

Ansonsten Zustimmung zu deinen wie immer erhellenden Analysen.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.12.2008 14:33
#6 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

Zitat von Zettel
Das taktische Problem bei der ganzen Operation von Lafontaine und Genossen, in Frankreich wie in Deutschland, ist es, sich den Kommunisten gerade so weit zu nähern, daß die Wähler noch mitgehen.

Was doch immerhin zeigt, daß der Kommunismus selber ziemlich gründlich diskreditiert ist.
Und trotz der PDS-Stärke im Osten ist er das in Deutschland noch viel gründlicher als in Frankreich.

Die Kommunisten machen die größten Verrenkungen um zu verbergen, daß sie welche sind. Und müssen immer herbe Rückschläge einstecken, wenn unter der Propagandaschicht mit den netten Sozialsprüchen echte linke Positionen sichtbar werden.

Das macht mir Hoffnung, daß sie letztlich erfolglos bleiben werden.

In Antwort auf:
Das Verhältnis SPD : Kommunisten ist bereits jetzt ungefähr 24 : 12

In aktuellen Umfragen (nicht bei Wahlergebnissen), und während einer speziellen Schwächephase der SPD.
Und diese Schwäche hat eben weitgehend etwas mit den ungeklärten inneren Konflikten zu tun, die gerade die moderaten SPD-Wähler abschrecken.
Eine klare Trennung vom linken Flügel würde der verbleibenden demokratischen SPD mittelfristig deutlich höhere Wahlergebnisse ermöglichen (die Turbulenzen der Trennungsphase würden natürlich einige Jahre nachwirken).

In Antwort auf:
Aber sie zeigen doch, daß jedenfalls eine ewige Dominanz der SPD auf der Linken nicht gottgegeben ist.

Gibt es diese Dominanz?
Wenn man nur äußerlich nach Prozenten geht, schon.
Aber de facto ist es doch fast schon umgekehrt: Weil die SPD-linke so fixiert ist auf die Kommunisten, so sehr bemüht ist, deren Themen nachzuäffen, haben Gysi und Genossen doch derzeit die Lufthoheit über den linken Stammtischen.
Die SPD ist nur theoretisch stärker, faktisch aber arbeitet die halbe Partei dem Gegner zu.

Eine klare Trennung hätte da eine Reihe von interessanten Effekten zur Folge.

Ich hatte ja schon davon gesprochen, daß die Linken bei den Leuten dominieren, die von der Politik leben. Vielen dieser Leute würde der Lebensunterhalt wegbrechen, wenn sie nur noch mit den Ressourcen einer Parteihälfte auskommen müßten. Von Strukturen und Finanzen wäre das linke Lager deutlich geschwächt, wenn sie nicht mehr über die Möglichkeiten des demokratischen SPD-Flügels verfügen könnten.
Trotz der veruntreuten SED-Gelder hat die Linke nicht die Möglichkeit, diesen Verlust auszugleichen.

Ich würde eine solche Entwicklung mit großer Gelassenheit sehen ...

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

03.12.2008 14:44
#7 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

Zitat von Zettel
In Frankreich gab es (gibt es in kleinen Restbeständen noch) eine Partei, die das geradezu verköpert hat: Die Radikalsozialisten, eine durch und durch bürgerliche Partei (trotz des Namens), die Partei der Lehrer und Dorfapotheker; immer gute Verbündete der Kommunisten.

Sie haben sich vertippt: statt "gute Verbündete" wollten Sie "nützliche Idioten" schreiben. Aber wir verstehen Sie trotzdem.

Meine spontane Assoziation: Ayn Rands Vater war Apotheker (die englische Wikipedia schreibt "pharmaceutical entrepreneur"). Was nach der Machtübernahme der Kommunisten passierte, hat sie sehr beklemmend in ihrem Roman We the Living verarbeitet.

Ich werde nie verstehen, dass so viele Kleinbürger aktiv an ihrer eigenen wirtschaftlichen Vernichtung mitarbeiten.

--

El cristiano no tiene nada que perder en una catástrofe. - Nicolás Gómez Dávila

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.12.2008 15:27
#8 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

Zitat von Gorgasal
Zitat von Zettel
In Frankreich gab es (gibt es in kleinen Restbeständen noch) eine Partei, die das geradezu verköpert hat: Die Radikalsozialisten, eine durch und durch bürgerliche Partei (trotz des Namens), die Partei der Lehrer und Dorfapotheker; immer gute Verbündete der Kommunisten.

Sie haben sich vertippt: statt "gute Verbündete" wollten Sie "nützliche Idioten" schreiben. Aber wir verstehen Sie trotzdem.

Dachte ich mir, lieber Gorgasal.

Aber nein, vertippt habe ich mich nicht. Ich werde doch nicht eine Einschätzuung Lenins übernehmen!

Zitat von Gorgasal
Ich werde nie verstehen, dass so viele Kleinbürger aktiv an ihrer eigenen wirtschaftlichen Vernichtung mitarbeiten.

Es gibt viele Untersuchungen über die Rolle des Kleinbürgertums beim Aufstieg der Nazis. Es wird argumentiert - vermutlich stimmt es im Kern -, daß sie sich in der Weltwirtschaftskrise von zwei Seiten bedroht sahen: Vom Großkapital, das sie wirtschaftlich an die Wand zu drücken drohte, und von den Kommunisten, die ihnen ihren Laden wegnehmen wollten. Also haben sie die Partei gewählt, die erstens gegen den Marxismus war und zweitens - vor allem in Gestalt des Antisemitismus - gegen das Kapital.

Meines Wissens ist die Neigung des Kleinbürgerums zum Sozialismus viel weniger untersucht. Aber ich vermute, daß es ähnlich ist: Man sieht sich vom großen Kapital bedroht und hofft, daß einem die Kommunisten schon eine Nische lassen würden. Das versprechen sie ja auch; zu Stamokap-Zeiten wurde immer wieder betont, daß man nur dem Monopolkapital ans Leder wollte und das Eigentum der kleinen Handwerker, Händler usw. respektieren würde. (Natürlich war das gelogen).

Ein Wirtschaft, in der die Großindustrie verstaatlicht ist und also den Kleinen keine Konkurren macht, und in der diese kleinen Épiciers und Patrons durch eine Flut von Gesetzen und Verordnungen zusätzlich vor Konkurrenz geschützt sind - davon träumt dieses Kleinbürgertum; drum wählt man kommunistisch.

Die Franzosen sind in ihrer Mehrheit weit defensiver eingestellt als die Deutschen oder gar die Angelsachsen; deshalb ist "liberal" für die meisten ein Schimpfwort. Freiheit heißt für sie, meckern und demonstrieren und vor allem streiken dürfen; nicht sich frei betätigen dürfen.

Beim Dorfapotheker und Dorflehrer kommt, vor allem in Frankreich, noch das Intellektuelle dazu. Dort spielt ja überhaupt Intelligenz und Bildung eine viel größere Rolle als bei uns; und viele sind Linke, weil sie von Marx fasziniert sind. Vermittelt über alle die Maîtres Penseurs, von Politzer über Sartre bis zu Jean Baudrillard und Pierre Bourdieu.

Das führt dann zu dem seltsamen Phänomen der Leute, die im Alltag einem gesunden Kapitalismus huldigen und sich am Feierabend in Marxisten verwandeln.

Herzlich, Zettel

Der Brüsseler Offline



Beiträge: 2

03.12.2008 16:12
#9 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

Werter R.A.

Zitat von R.A.
Ein hauptsächliches Strukturproblem der SPD schon seit langem ist die Diskrepanz zwischen der mittleren Funktionärsschicht und der Basis/Wählerschaft.

Die Mehrzahl der die Partei dominierenden Funktionäre (mal definiert als die Leute, die mit Politik ihren Lebensunterhalt verdienen, als Abgeordnete, kommunale Amtsträger, Parteiangestellte oder Angestellte parteinaher Organisationen) sind deutlich weiter links in ihrer politischen Position als die SPD-Wählerschaft.


Dasselbe trifft im Grunde auch auf die Union zu, es besteht eine Diskrepanz zwischen Funktionären, Basis und auch der Wählerschaft. Ein Großteil der unteren und mittleren Führungsebene steht ebenso wie Teile der Mitglieder stehen rechts der Parteiführung und anderen Teilen der Wählerschaft. Die einen bemängeln, dass die Partei "zu links" sei, wieder andere bemängeln die "zu liberale" Politik und letztendlich ist vielen die Union nicht mehr konservativ genug.

Insofern finde ich die Analyse von Zettel sehr interessant, denn auch hier könnte Frankreich gewisse parteipolitische Tendenzen aufzeigen, wie z.B. bzgl. UMP (aus der politischen Rechten und der Mitte hervorgegangen) und UDF (bürgerlich-liberale Partei der Mitte mit christlich-demokratischen Wurzeln). Eine ähnliche Spaltung der Union wäre genauso möglich.

Wenn nun der bürgerliche Flügel der SPD, die FDP und der bürgerlich-liberale-christdemokratische Flügel der Union - rein hypothetisch natürlich - sich politisch zusammen schließen würden, dann wäre ein solches Bündnis die politisch dominante Mitte und keiner dieser drei politischen Gruppen hätte eine Mehrheit. Links die Kommunisten und Sozialisten mit vielleicht 25 bis 30 %, in der Mitte das bürgerliche Spektrum mit ca. 40 % und rechts eine neokonservative Partei mit ca. 20 bis 25 %. Der Rest wären wie üblich die übrigen Kleinparteien etc.

PeterCoyote ( Gast )
Beiträge:

03.12.2008 16:15
#10 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

In Antwort auf:
Die These, daß als Ergebnis eines solchen Prozesses die Kommunisten die stärkste Partei auf der Linken werden könnten, würde ich dennoch beibebhalten. Das Verhältnis SPD : Kommunisten ist bereits jetzt ungefähr 24 : 12.


zuerst einmal verbietet es sich die BRD und Frankreich in einem Topf zu schmeissen, denn der hohe Anteil an Stimmen für die Kommunisten kommt in der BRD nur durch die Wiedervereinigung zustande. Für den Osten trifft obige These in gewisser Weise schon jetzt zu. Für den Westen jedoch nicht und dieser ist deutlich stimmenstärker.

Zum zweiten machen im Zusammenhang mit Hessen durch Wählerbefragung gewonnene Studien sehr deutlich, dass der sozia ldemokratische Teil im Fall des Zusammengehend mit den Kommunisten exorbitant geschwächt wird. Die Wähler wollen ein zusammengehen mit den Kommunisten nun einmal nicht.

Damit leite ich zum nächsten Thema über, nämlich die Möglichkeit die heutige Sozialdemokratie dauerhaft zu schwächen, indem man die von anderer Seite bereits erwähnte Diskrepanz zwischen der (mittleren?) Funktionärsschicht und der Basis/Wählerschaft, wobei die Funktionäre(deutlich weiter links in ihrer politischen Position als die SPD-Wählerschaft stehen, lautstark themtisert. Der Wähler soll und muss erfahren, was da gut versteckt hinter Müntefering, Steinmeier&Co momentan in Wirklichkeit als "Sozialdemokratie" fungiert.

Der Fall Ypsilanti machte nicht allein mir sehr deutlich, dass die SPD, besser gesagt was aus ihr geworden ist, nicht koalitionsfähig, geschweige denn wählbar ist. In früheren zeiten verhielt es sich anders, doch das ist lange her.








Der Brüsseler Offline



Beiträge: 2

03.12.2008 16:22
#11 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

Zitat von PeterCoyote
Zum zweiten machen im Zusammenhang mit Hessen durch Wählerbefragung gewonnene Studien sehr deutlich, dass der sozia ldemokratische Teil im Fall des Zusammengehend mit den Kommunisten exorbitant geschwächt wird. Die Wähler wollen ein zusammengehen mit den Kommunisten nun einmal nicht.


Nur gibt es bei der SPD-Basis eine recht starke Gruppe von Mitgliedern (ob diese die Mehrheit stellen ist mir nicht bekannt), die eine Zusammenarbeit mit Der Linken - allen Wählerumfragen zum Trotz - befürworten. Die SPD-Linke träumt von der linken Mehrheit und will diese - ohne Rücksicht auf Verluste wie Hessen sehr deutlich zeigt - mit aller Gewalt durchsetzen.

Und was die Wähler "wollen" ist doch den Parteien meist egal, wenn es darum geht eine politische Mehrheit zu finden um die Regierung zu stellen.

Ansonsten wird das Saarland zeigen wie der Wähler über eine rot-roten Koalition denkt, denn darauf wird es wohl hinauslaufen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.12.2008 16:45
#12 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

Zitat von PeterCoyote
In Antwort auf:
Die These, daß als Ergebnis eines solchen Prozesses die Kommunisten die stärkste Partei auf der Linken werden könnten, würde ich dennoch beibebhalten. Das Verhältnis SPD : Kommunisten ist bereits jetzt ungefähr 24 : 12.

zuerst einmal verbietet es sich die BRD und Frankreich in einem Topf zu schmeissen, denn der hohe Anteil an Stimmen für die Kommunisten kommt in der BRD nur durch die Wiedervereinigung zustande. Für den Osten trifft obige These in gewisser Weise schon jetzt zu. Für den Westen jedoch nicht und dieser ist deutlich stimmenstärker.

Naja, lieber PeterCoyote, man kann ja auch Verschiedenes "in einen Topf schmeißen". Zum Beispiel Kartoffeln, Sellerie und Frankfurter Würstchen; ein Lieblingseintopf meiner Großmutter.

Das Verhältnis 24 : 12 gilt für Gesamtdeutschland. Für die neuen Länder sehen die Daten im Augenblick so aus (SPD : "Linke"; jeweils die letzte Forsa-Umfrage): Berlin 24 : 20; Brandenburg: 26 : 32; MeckPomm: 31 : 17; Sachsen: 16 : 28; Thüringen: 21 : 32. Für Sachsen-Anhalt liegen keine Umfragedaten vor.

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

03.12.2008 16:52
#13 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

Zitat von Zettel
Für die neuen Länder sehen die Daten im Augenblick so aus (SPD : "Linke"; jeweils die letzte Forsa-Umfrage): Berlin 24 : 20; Brandenburg: 26 : 32; MeckPomm: 31 : 17; Sachsen: 16 : 28; Thüringen: 21 : 32. Für Sachsen-Anhalt liegen keine Umfragedaten vor.

Will meinen, genau in den zwei Ländern, die wirtschaftlich am besten dastehen (Sachsen und Thüringen), hat die SED die SPD am weitesten hinter sich gelassen. Wie passt das zu Ihrer These eines Zusammenhangs zwischen wirtschaftlichem Erfolg und bürgerlichen Tugenden?

--

El cristiano no tiene nada que perder en una catástrofe. - Nicolás Gómez Dávila

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.12.2008 17:10
#14 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

Zitat von Der Brüsseler
Insofern finde ich die Analyse von Zettel sehr interessant, denn auch hier könnte Frankreich gewisse parteipolitische Tendenzen aufzeigen, wie z.B. bzgl. UMP (aus der politischen Rechten und der Mitte hervorgegangen) und UDF (bürgerlich-liberale Partei der Mitte mit christlich-demokratischen Wurzeln). Eine ähnliche Spaltung der Union wäre genauso möglich.

Ein sehr interessanter Gesichtspunkt, lieber Brüsseler!

In Frankreich ist ja das Parteiensystem viel "volatiler" als in Deutschland, vor allem auf der Rechten. Da entstehen ständig neue "Unions" und "Rassemblements".

Die UMP ist ja solch eine Union, hervorgegangen aus dem überraschenden Wahlerfolg Le Pens. Die ganze Rechte sollte als (so der ursprüngliche Name) "Union pour la Majorité Présidentielle" für den Kampf gegen le Pen und einen möglichst überzeugenden Sieg in Stellung gebracht werden; also die Gaullisten und auch die alte UDF, die ihrerseits ja schon eine Union gewesen war, aus den liberalen Républicains Indépendents von Giscard und den Zentristen von, glaube ich, vor allem Lecanuet und (wenn ich mich recht erinnere) auch dem rechten Flügel der Radicaux.

Aber es blieb eine Rest-UDF, die sich nicht in diese UMP einfügen wollte. Eine kleine, aber feine liberale Partei, die von François Bayrou.

Und diese hat sich nun ihrerseits wieder gespalten, weil viele nicht den Kurs der "Offenheit nach beiden Seiten" von Bayrou mitmachen, sondern weiter der rechten Mehrheit angehören wollten (der sie ihre Mandate verdankten).

So daß Bayrou mit seinem MoDem nun ein wenig wie ein Häuptling ohne Indianer dasteht. Aber wer weiß, vielleicht ist sein Kurs der Mitte am Ende doch der erfolgreichste.

Ich erwähne das, um deutlich zu machen, wie im französischen Parteiensystem ständig etwas in Bewegung ist. Während sich bei uns ja, sieht man von den Grünen und vom Auftreten der PDS nach der Wiedervereinigung und jetzt ihre Verwandlung in "Die Linke" ab, fast noch exakt dasselbe System findet wie 1950! Nur ein paar kleine Parteien wie die DP und der BHE sind verschwunden.
Zitat von Der Brüsseler
Wenn nun der bürgerliche Flügel der SPD, die FDP und der bürgerlich-liberale-christdemokratische Flügel der Union - rein hypothetisch natürlich - sich politisch zusammen schließen würden, dann wäre ein solches Bündnis die politisch dominante Mitte und keiner dieser drei politischen Gruppen hätte eine Mehrheit. Links die Kommunisten und Sozialisten mit vielleicht 25 bis 30 %, in der Mitte das bürgerliche Spektrum mit ca. 40 % und rechts eine neokonservative Partei mit ca. 20 bis 25 %. Der Rest wären wie üblich die übrigen Kleinparteien etc.

Wie, lieber Brüsseler, würden Sie das auf das momentane französische Parteiensystem abbilden? Von der ideologischen Ausrichtung her würde die neokonservative Partei der UMP entsprechen, vor allem ihrer gaullistischen Komponente, also dem früheren RPR. Die Partei der Mitte wäre ideologisch dem MoDem vergleichbar, nur ungleich stärker als dieses. Oder wie würden Sie das sehen?

Herzlich, Zettel

PS: Willkommen im "kleinen Zimmer"!

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.12.2008 17:20
#15 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

Zitat von Gorgasal
Will meinen, genau in den zwei Ländern, die wirtschaftlich am besten dastehen (Sachsen und Thüringen), hat die SED die SPD am weitesten hinter sich gelassen. Wie passt das zu Ihrer These eines Zusammenhangs zwischen wirtschaftlichem Erfolg und bürgerlichen Tugenden?

Sie meinen, lieber Gorgasal, das Zettel'sche Gesetz? Das "besagt" ja nur, daß es einem Land umso besser geht, je länger es von je weiter rechts stehenden Parteien regiert wurde.

Warum gerade in Sachsen und Thüringen die Kommunisten relativ zur SPD so stark sind (oder die SPD relativ zu den Kommunisten so schwach) - keine Ahnung.

Vielleicht liegt es daran, daß dort gut verdient wird und die Kommunisten ja die Partei der Besserverdienenden sind. Vielleicht auch daran, daß in diesen beiden Ländern die SPD nie die führende Regierungspartei war. Oder vielleicht hat es auch ganz andere Gründe.

Ratlos, aber wie immer herzlich,

Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.12.2008 18:04
#16 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

Zitat von Der Brüsseler
Dasselbe trifft im Grunde auch auf die Union zu, es besteht eine Diskrepanz zwischen Funktionären, Basis und auch der Wählerschaft.

Ja, eine gewisse Diskrepanz zwischen den "Profis" und dem Rest ist wohl auch unvermeidlich.

In Antwort auf:
Ein Großteil der unteren und mittleren Führungsebene steht ebenso wie Teile der Mitglieder stehen rechts der Parteiführung und anderen Teilen der Wählerschaft.

Das kann ich aus meinen Erfahrungen nicht bestätigen - eher im Gegenteil.
Mein Eindruck ist eher, daß die Unions-Funktionäre in diversen typischen Unions-Schwerpunkten (Ausländer, Innenpolitik, ...) eher gemäßigter sind als die Bürger.

Nur bei den "sozialdemokratischen" Themen sind sie eher rechts von diesen und müssen im Kampf um die Mittewähler dann mehr Gießkanne versprechen, als sie eigentlich für vernünftig halten.

Auch halte ich die Union für deutlich weniger "Flügel"-geprägt als die SPD, es gibt eigentlich keine politisch durchgehenden Lager, sondern eher Personen-Seilschaften.

H.C. ( gelöscht )
Beiträge:

03.12.2008 18:33
#17 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

"Ich setzte jetzt voraus, daß die Wähler in etwa denselben Proportionen folgen werden; es handelt sich ja nur um eine überschlägige Rechnung"

Das ist schon das ganze Problem an deiner Überlegung.

"Zahlenspielereien? Unrealistisch?"

Allerdings... übrigens hab ich an dem Punkt auch aufgehört zu lesen.

Grüße
H.C.

C. Offline




Beiträge: 2.639

03.12.2008 18:41
#18 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten
Zitat von Der Brüsseler
Links die Kommunisten und Sozialisten mit vielleicht 25 bis 30 %, in der Mitte das bürgerliche Spektrum mit ca. 40 % und rechts eine neokonservative Partei mit ca. 20 bis 25 %. Der Rest wären wie üblich die übrigen Kleinparteien etc.


Mit was sollte eine "neo"konservative Partei 25% der Wahlwilligen bewegen, sie zu wählen? Ich kann mir beim besten Willen kein umfassendes Wahlprogramm vorstellen, sondern lediglich eine (maximal) Drei-Themen-Partei für dauerbeleidigte Herrmann-Hohmann-Möllemann-Fans aus dem Pro-Köln-Umfeld, aber selbst da käme ich nur auf maximal 18 %, womit die Mitte bei realistischen 55-60% anzusiedeln wäre.
PeterCoyote ( Gast )
Beiträge:

03.12.2008 20:27
#19 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

bei den letzten Bundestagswahlen erhielten die Kommunisten im Osten mehr als 25% der Stimmen und im Westen scheiterten sie an der 5% Klausel. Gemäss jüngeren Umfragen würden die Kommunisten im Osten mehr als 30% der Stimmenerhalten und damit in Ostdeutschland mit Abstand stärkste Partei werden. Zum Vergleich: in Hessen erhielten die Kommunisten 5,1% und konnten sie das Scheitern an der 5% Klausel nur knapp verhindern. Solche Zahlen sprechen für sich und wir sollten nicht den Teufel an die Wand malen, zumindest was den Westen betrifft. Die Kommunisten waren und sind primär ein Problem des totalitären Erbes des Ostens und deren dortige Erfolge sagen viel über die dortigen bedauerlichen Zustände aus und weniger etwas über die BRD.

PeterCoyote ( Gast )
Beiträge:

03.12.2008 20:40
#20 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

sollen sie doch von der linken Mehrheit träumen, besser noch eine solche offen und ehrlich anstreben. Je offener und ehrlicher die SPD das Zusammengehen mit den Kommunisten vertritt, desto mehr macht sie sich angreifbar. Mauer und Todesschützen sind nicht und werden niemals vergessen sein und den Rest erledigen die Kommunisten mit ihrem Geschwätz selber. Wir profitieren davon, denn der Wähler will die "linke Mehrheit" mehrheitlich nicht in der Regierung sehen. Der Wähler will auch mehrheitlich nicht Leute wie Ooyen, Metz, Paech, Schneider, Lafontaine, Gysi &Co in der Regierung sehen.

Die SPD Führung weiss das auch sehr genau. Die werden im kommenden Budestagswahlkampf scharf gegen die Kommunisten schiessen und alles für die trügerische Idylle tun, als ob die heutige SPD die Partei Müntes und Steinmeiers wäre.

califax Offline




Beiträge: 1.502

04.12.2008 01:56
#21 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

Mit den Nazis und den Kommunisten in der Vergangenheit Deutschlands ist das möglicherweise noch eine spezielle Sache. Es waren ja auch Bildungsbürger, oder, wie ich das gern nenne, Einbildungsbürger.
Sollte es Sie einmal in die Universität Erlangen verschlagen, sollten Sie in die Bibliothek der Anglistik gehen.
Beim Eintritt werden Sie sehen, daß nach rechts in die eigentliche Bibliothek geht.
Links werden Sie ein großes stetig ignorierte Regal sehen.
Unten stehen zerfledderte Zeitungen und Magazine, die von den Doktoren und Professoren freigegeben wurden.
Darüber sehen Sie etwas, daß Bücherfreunde eigentlich begeistern muß.
Reihen über Reihen sorgsam in Leder gebundener Bücher.
Doktorarbeiten. Diejenigen, die ich durchgeblättert habe, waren alle summa cum laude. Manche mit lobpreisenden Kommentaren von Professor Soundso versehen.
Was ich gelesen habe, war vor '33 gedruckt. Teilweise vor dem 1.Weltkrieg.
Und es war grauenvoll hanebüchnes völkisch-rassistisches Zeug.
Der einzige Unterschied zu NS-Sachen, den ich ausmachen konnte, war, daß in den "wissenschaftlichen" Meisterwerken nicht die hervorragende Rolle der Nationalsozialistischen Idee gefeiert wurde.

Die Nazis waren eine moderne Partei, als sie an die Macht drängten. Die zugrundeliegende Völker-und-Rassen-Theorie war wissenschaftlicher Status Quo an deutschen Universitäten. Sie standen für den Fortschritt. Zeppelin und Flugzeug inklusive.
Und sie boten eine Umwälzung, bei der fast jeder hoffen konnte, seine gesellschaftliche Stellung zu verbessern oder wenigstens ungeliebten Leuten zu schaden.
Und sie waren gegen die Juden.

Klug und fleißig - Illusion
Dumm und faul - das eher schon
Klug und faul - der meisten Laster
Dumm und fleißig - ein Desaster

The Outside of the Asylum

califax Offline




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04.12.2008 02:06
#22 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

Die SED ist im Osten als Volkspartei verankert und kann auf alle zurückgreifen, die von der Diktatur profitiert oder in der Wende vermeintlich verloren haben.
Außerdem bestand die SED schon zu DDR-Zeiten ja nicht nur aus strammen Kommunisten sondern auch aus pragmatischen und volksnahen Karrieristen.
Die sind bei denen, die ihnen den einen oder anderen Gefallen verdanken, nach wie vor beliebt.
Hinzu kommt bei den älteren Semestern die gemeinsame Sprache, Mentalität und Vergangenheit.
Wenn SPD- oder CDU-Funktionäre mit Sakko in die Oper gehen und auf den Treppenstufe vielleicht noch versuchen, eine im Westen einstudierte Floskel abzuleiern, sitzen SED-Leute im Schrebergarten bei den Menschen, reißen Witze und schmeißen Roster auf den Grill.

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califax Offline




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04.12.2008 02:26
#23 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten
Zitat von R.A.

Das kann ich aus meinen Erfahrungen nicht bestätigen - eher im Gegenteil.
Mein Eindruck ist eher, daß die Unions-Funktionäre in diversen typischen Unions-Schwerpunkten (Ausländer, Innenpolitik, ...) eher gemäßigter sind als die Bürger.



Wie verträgt sich das mit Kochs Wahlkatastrophe?
In anbetracht des SPD-Ergebnisses hätte die Hessen-Union doch ein phänomenales Ergebnis erzielen müssen.
Er hat mit seinem Wahlkampf nach rechts geschielt und als Medienprofi nicht hinreichend genug getan, um das Medienecho in Richtung Kinderknast und Ausländerfeindlichkeit zu kontern.
Er hat diese Fehler selbst auch so inzwischen zugegeben.
Ich bezweifle aber, daß er blind da durchgerannt ist.
Er hat die Mehrheit rechts gesucht und verloren.
Und diese Wähler sind nicht links gelandet.
Die Unionsmehrheit steht inzwischen woanders. In der Mitte. Bei Integration, bei Moderation, bei Verfassungspatriotismus und nicht mehr bei Ausländerfeindbildern und Blutsabstammung.

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Zettel Offline




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04.12.2008 08:01
#24 Die Basis der Nazis Antworten

Zitat von califax
Mit den Nazis und den Kommunisten in der Vergangenheit Deutschlands ist das möglicherweise noch eine spezielle Sache. Es waren ja auch Bildungsbürger, oder, wie ich das gern nenne, Einbildungsbürger. (...)

Was ich gelesen habe, war vor '33 gedruckt. Teilweise vor dem 1.Weltkrieg. Und es war grauenvoll hanebüchnes völkisch-rassistisches Zeug.

Stimmt, die Nazis hatten ihre Basis nicht nur im Kleinbürgertum. Vieles kann man bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen; bis zum Antisemitismus von Richard Wagner, von Nietzsches Schwester Elisabeth, dem "Lama". Houston Stewart Chamberlain wurde nicht von Kleinbürgern gelesen, sondern vom Bildungsbürgertum.

Das spielten Elemente aus der Romantik hinein. Das Treudeutsche, die Germanische Kultur als Gegenpol zur Welschen Unkultur (oder "nur Zivilisation"), die man im britischen Liberalismus und in der französischen Aufklärung verköpert sah. Und natürlich in der Freimaurerei.

Der treue, naive, fleißige deutsche Michel auf der einen Seite. Bodenständig, familientreu, grundehrlich. Und auf der anderen Seite der Liberale, der Jude, der Dekadente. Der den deutschen Michel betrügen will (der "perfide Albion"), dessen Ehrlichkeit ausnutzt.

Auch die grüne Bewegung hat ihre Wurzel in diesem manichäischen Denken. Dieses Weltbild hat heute aber vor allem in rechtsextremen Kreisen überlebt: Wir armen Deutschen als die "Zahlmeister Europas", denen man ein "schlechtes Gewissen einredet", um sie nach Kräften ausnutzen zu können. Das steckt tief.

Die das am Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts glaubten und verbreiteten, das waren konservative Leute; gebildete, wie Sie schreiben, lieber Califax.

Sie hatten ein ideologisches Weltbild, das dumm war, freilich auch nicht dümmer als das der heutigen Gegner des Liberalismus und der Aufklärung; nur sind diese jetzt meist links zu finden.

Viele wurden nach 1933 zu Nazis. Manchen freilich waren die Nazis zu sehr Proleten. Vor allem unter den Intellektuellen gab es diejenigen, die kurz mit den Nazis flirteten und dann wieder auf Distanz gingen - Leute wie Heidegger, Benn, Ernst Jünger.
Zitat von califax
Die Nazis waren eine moderne Partei, als sie an die Macht drängten. Die zugrundeliegende Völker-und-Rassen-Theorie war wissenschaftlicher Status Quo an deutschen Universitäten. Sie standen für den Fortschritt. Zeppelin und Flugzeug inklusive.

Hitler war der erste Parteiführer, der das Flugzeug für seine Wahlkampfreisen einsetzte. Viele Nazis waren geradezu technikbesessen. Wie die Kommunisten sahen sie ihre Ideologie als das einzige wissenschaftliche Weltbild.

Man kann das auch in "Mein Kampf" nachlesen. Hitler war alles andere als wissenschaftsfeindlich. Er glaubte aus der Biologie die "ehernen Gesetze" beziehen zu können, die ihm die Geschichte erklärten. Es war im Grunde ein marxistisches Weltbild, nur daß an die Stelle der Klassen die Rassen traten. Ansonsten dieselbe Vorstellung von der Geschichte als einem einzigen Kampf zwischen Gut und Böse. Mit einem Helden, der bei Marx das Proletariat und bei Hitler die arische Rasse war.

Ich habe mit Angehörigen meiner Eltern- und Großelterngeneration gesprochen, die in der Nazizeit wissenschaftlich arbeiteten. Sie sahen damals im Dritten Reich einmalige Chancen, daß sich ein "wissenschaftliches Weltbild" unter staatlicher Förderung durchsetzten würde.

Die Blut- und Boden- Ideologie, die Spinnereien von Himmler und Rosenberg nahmen sie nicht ernst. Das seien halt Kinderkrankheiten der "Bewegung". Das würde alles verschwinden, wenn erst einmal der akademisch gebildete Nachwuchs in der NSDAP das Ruder übernehmen würde. Auch da gibt es Parallelen zum Denken kommunistischer Intellektueller, die sich von den Dummheiten ihrer Proll-Genossen distanzieren.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



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04.12.2008 12:30
#25 RE: Kommunisten bald stärker als Sozialdemokraten? Antworten

Zitat von califax
Wie verträgt sich das mit Kochs Wahlkatastrophe?

Erst einmal darf man nicht vergessen, daß das Ergebnis zwar unterdurchschnittlich war, aber "Katastrophe" nur optisch im Vergleich zum völlig überdurchschnittlichen Ergebnis vorher mit der absoluten Mehrheit.

Und es gilt zu bedenken, daß die Schulpolitik eine sehr große Rolle gespielt hat. Das ist in Hessen traditionell ein wichtiges Thema, da hat die alte Regierung massive Fehler gemacht, und damit breite Wählerschichten in die Opposition getrieben.

Daß man mit einer taktisch richtig aufgestellten Kampagne zu Ausländer-Vorbehalten punkten kann, hat Koch ja bereits bewiesen.
Aber 2008 hat er es komplett falsch angestellt: Er hat hier die anklagende Attitude einer Oppositionspartei eingenommen, obwohl er seit neun Jahren regiert und für etwaige Mißstände selber verantwortlich wäre.
So etwas nehmen die Leute sehr übel, weil es durchschaubar nur eine Wahlkampfnummer war.

Wo nun die Bevölkerung wirklich steht, läßt sich dem Wahlergebnis kaum entnehmen.
Und noch viel weniger sagt es über die Einstellung der CDU-Funktionärsschicht aus - die haben einfach nur gehorsam Kochs Vorgaben umgesetzt.

In Antwort auf:
Die Unionsmehrheit steht inzwischen woanders. In der Mitte. Bei Integration, bei Moderation, bei Verfassungspatriotismus und nicht mehr bei Ausländerfeindbildern und Blutsabstammung.

Jein.
Pro Integration bedeutet noch nicht die Abwesenheit von Ausländerfeindbildern.
Es sind ja oft gerade bestens integrierte Einwanderer, die hartes Vorgehen gegen jugendliche Kriminelle fordern ...
Einen nennenswerten Verfassungspatriotismus gibt es in Deutschland m. E. nicht, das ist Wunschdenken weniger Intellektueller.
Es gibt einen Regionalpatriotismus und einen an Einzelpunkten festgemachten Nationalismus (Exporterfolge, Fußball, deutsche Tugenden).

Der Hauptpunkt ist wohl, daß man weder die Bevölkerung noch die CDU sauber in rechts oder links sortieren kann - je nach Thema sieht das sehr unterschiedlich aus.

Während in der SPD - eigentlich ganz erstaunlich - eine sehr deutliche Unterscheidung zwischen links und rechts existiert, in ziemlich allen politischen Bereichen finden sich dieselben Leute immer wieder auf demselben Flügel wieder.

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