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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 9 Antworten
und wurde 960 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.12.2008 02:57
Helmut Schmidt - ein großer Kanzler Antworten

Eigentlich hatte ich mich nicht an den "Würdigungen" Helmut Schmidts beteiligen wollen; schon weil sie mir zu sehr nach verfrühten Nachrufen klangen.

Mir schien zunächst auch nichts da zu sein, was nicht in allen diesen Würdigungen wieder und wieder gesagt worden war. Als ich dann darüber nachgedacht habe, worin eigentlich die Bedeutung dieses Kanzlers bestanden hatte, ist doch noch ein (leicht verspäteter) Artikel entstanden.

PeterCoyote ( Gast )
Beiträge:

24.12.2008 09:37
#2 RE: Helmut Schmidt - ein großer Kanzler Antworten
wieder einmal ein sehr gelungener Beitrag, der alle innen-, aussen und wirtschaftspolitischen Aspekte betrachtet.

Noch einmal herausheben möchte ich nur noch, dass Helmut Schmidt im Rahmen der durch die SPD gesetzten Grenzen wirtschaftspolitisch das Maximum erreicht hat. Am Ende seiner Amtszeit war ihm sehr bewusst, dass sehr tiefgreifende sozialpolitische Reformen notwendig sind und das diese durchzusetzen mit den Genossen der SPD, in deren Händen sich der Sozialstaat längst zu Dogma und Fetisch entwickelt hatte, nicht möglich ist.

Dennoch blieb er in der Partei. Bei aller Sympathie gegenüber Helmut Schmidt und allem Respekt gegenüber seiner Entscheidung in der SPD zu bleiben, bleibt es unsere Pflicht den Bürger darüber aufzuklären, dass die heutige SPD nicht die Partei der Helmut Schmidts ist. Wer die SPD wählt, der marschiert mit grossen Schritten auch in eine bundesweite Koalition mit der Stasipartei. Wer die Botschaft Helmut Schmidts verstanden hat, der wählt die reformwillige gelbschwarze Koalition.
Llarian Offline



Beiträge: 7.127

24.12.2008 10:23
#3 RE: Helmut Schmidt - ein großer Kanzler Antworten

Lieber Zettel,

eine schöne Würdigung haben Sie da geschrieben. Und ich stimme dem fast vollständig zu. Mit vielleicht zwei Anmerkungen: Zum einen, ich glaube nicht, dass Schröder dem Amt nicht gewachsen war, er war nur characterlich ungeeignet, weil er käuflich war. In Bezug auf Durchsetzungsfähigkeit und Arroganz hatte er alles was ein Kanzler braucht.
Zum zweiten aber, und das ist mir das wichtigere: Es ist mir aufgefallen, dass alle großen Kanzler, die sie aufgezählt haben (bis auf Willy Brandt, bei dem weiss ich zu wenig dazu zu sagen), aussenpolitisch grosse Politiker waren, aber finanzpolitische Katastrophen. Den Zustand der heutigen Staatsfinanzen kann man auf nahezu jeden von diesen zurückführen. Von Adenauer angefangen, der die Rentenlüge einführte, von Schmidt, der in einer Zeit, wo die Lüge offensichtlich wurde, nicht das geringste daran tat, bis zu Kohl, bei dem es eigentlich offensichtlich war, der aber mit dem Verbrecher (es gibt einfach kein anderes Wort dafür) der damals sein Arbeitsminister war, vollkommen versagt hat in Bezug auf eine verantwortliche Finanzierung des Staatshaushaltes.
Wir sehen diese Kanzler als große Kanzler, was aussenpolitisch auch völlig korrekt ist, aber es ist ebenso richtig, dass sie auf anderem Gebiet völlig versagt haben. Der Kanzler, der eine solide Finanzpolitik macht, der fehlt bis heute. Und Angela Merkel ist es auch nicht.

hubersn Offline



Beiträge: 1.342

24.12.2008 11:44
#4 RE: Helmut Schmidt - ein großer Kanzler Antworten

Soweit ich mich noch erinnere, wurden doch die Pershing II sehr wohl in Deutschland stationiert und wurden erst zur Wendezeit im Rahmen irgendeines Abrüstungsvertrages wieder demontiert.

Der Teil Ihres Beitrages scheint faktisch nicht korrekt zu sein, lieber Zettel. Dem Rest hingegen mag ich zustimmen und noch hinzufügen, dass Helmut Schmidt wohl der Kanzler in der Geschichte war, dem das Etikett "guter Mann, aber in der falschen Partei" am häufigsten angeheftet wurde.

Gruß,
hubersn

dirk Offline



Beiträge: 1.538

24.12.2008 13:29
#5 RE: Helmut Schmidt - ein großer Kanzler Antworten

Offenbar ist mit der SPD kein Staat zu machen. Übrigens hat Helmut SChmidt etwas von Dieter Bohlen (und das meine ich positiv). Er macht klare Ansagen und spricht aus, was er denkt. Da gibt es kein vorsichtiges Herumdrucksen und auch keine Rücksicht auf politische Korrektheit. Ich glaube, das kommt an.

Ich würde aber gerne etwas anderes Wissen. In dem von Ihnen verlinkten Spiegelartikel zur Investitionslenkung steht:

In Antwort auf:

Ein Gastredner aus dem SPD-Bezirk Hessen-Süd, der Professor für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Hochschule Aachen Karl Georg Zinn. nannte als Ursache der gegenwärtigen Wirtschaftskrise die falsche Verteilung der Einkommen: "Weil zu wenige zuviel Macht und Eigentum haben, sind viele unterversorgt und arbeitslos." Zinn, einer der führenden Nationalökonomen der sogenannten Neuen Linken, brachte seine Erkenntnisse auf den streng wissenschaftlichen Generalnenner: "Geld- und Besitzgier sind sozusagen die äußere Fratze der profitwirtschaftlichen Verhältnisse."
Hervorhebung von mir

Das ist doch Ironie oder? Ist das wirklich Ironie? Einerseits verstehe ich es so, andererseits kann ich mir zynische Kommentare dieser Art, vor dem Hintergrung der heutigen Spiegelartikel, auch nicht vorstellen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.12.2008 13:58
#6 RE: Helmut Schmidt - ein großer Kanzler Antworten
Zitat von hubersn
Soweit ich mich noch erinnere, wurden doch die Pershing II sehr wohl in Deutschland stationiert und wurden erst zur Wendezeit im Rahmen irgendeines Abrüstungsvertrages wieder demontiert.
Der Teil Ihres Beitrages scheint faktisch nicht korrekt zu sein, lieber Zettel.

Sie haben vollkommen Recht, lieber hubersn. Ich hatte mich da auf den zitierten Brief von Helmut Schmidt an das IISS vom Anfang diese Jahrs verlassen, obwohl ich es hätte besser wissen müssen (und auch wußte, aber nicht im richtigen Augenblick parat hatte).

Ich habe den Text entsprechend geändert und um eine Anmerkung ergänzt, mit Dank an Sie.

Herzlich, und ein schönes Fest!

Zettel
Dagny Offline



Beiträge: 1.096

25.12.2008 16:43
#7 RE: Helmut Schmidt - ein großer Kanzler Antworten

Warum kommt Schröder in der Liste der Bundeskanzler so schlecht weg?
Sie schreiben, Gerhard Schröder wäre seinem Amt nicht gewachsen gewesen?
Woran machen Sie das fest?

Vielen Dank für eine (kurze) Antwort
Dagny

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.12.2008 17:22
#8 RE: Helmut Schmidt - ein großer Kanzler Antworten
Zitat von Dagny
Warum kommt Schröder in der Liste der Bundeskanzler so schlecht weg?
Sie schreiben, Gerhard Schröder wäre seinem Amt nicht gewachsen gewesen?
Woran machen Sie das fest?
Vielen Dank für eine (kurze) Antwort

Liebe Dagny, Sie kennen mich ja. Mit "kurz" ist das bei mir immer so eine Sache.

Aber ich will mir Mühe geben. Entonces:

1. Ein Kanzler muß die Interessen des Landes über die seiner Partei stellen, und beide über seine eigenen, egoistischen Interessen. Helmut Schmidt repräsentiert das exemplarisch, aber auch alle anderen Kanzler haben gezeigt - die Kanzlerin zeigt es -, daß diese ihre Schachtelung der Verantwortungshorizonte ist.

Gerhard Schröder hat seine egoistischen Interessen über die seiner Partei gestellt; am deutlichsten, als er nach dem Scheitern seines Versuchs, nach den Wahlen 2005 doch Kanzler zu bleiben, die Brocken hingeschmissen hat. Gerade da hätte die SPD ihn am dringendsten gebraucht. Zugleich hat er seine egoistischen Interessen damals wieder einmal über die seines Landes gestellt, indem er in die Dienste eines von einer ausländischen Macht dominierten Unternehmens getreten ist.

2. Ein Kanzler muß erkennen, welche Aufgaben die jeweilige Zeit stellt. Schröder hat darin 1998 eklatant versagt. Deutschland stand vor der dringlichen Aufgabe, die neoliberalen Reformen nachzuholen, die weltweit im Gang waren. Kohl hatte das in seinen letzten Jahren als Kanzler zaghaft versucht und war an der Blockade durch Lafontaine gescheitert. Das bißchen, was ihm gelungen war, machte Schröders Regierung sofort wieder rückgängig. Stattdessen machte man das exakte Gegenteil von dem, was erforderlichn war: Ausdehnung der Mitbestimmung, Abschaffung der Steuer- und Abgabenbefreiung von Minijobs, Verbot der "Scheinselbständigkeit" usw. Nie in der Geschichte der Bundesrepublik hat ein Kanzler so vollkommen die Erfordernisse der Zeit ignoriert wie Schröder 1998.

3. Als ihm das Wasser bis zum Hals stand, hat er mit der Agenda 2010 das Ruder herumgerissen. Alles, was er zuvor verdammt hatte ("unanständig gegenüber den Rentnern" usw.) wollte er jetzt hauruck durchsetzen. Ohne eine Diskussion in seiner Partei, ohne ein öffentliche Diskussion. Durch Diktat des Kanzlers, als sei der Sozialismus bereits Wirklichkeit. Damit hat Schröder die SPD ruiniert; sie hat sich bis heute nicht davon erholt.

4. Kein Kanzler hat so unverfroren die Außenpolitik für seine egoistischen Interessen instrumentalisiert wie Schröder. Er hatte George W. Bush im Sommer 2002 zugesagt, daß Deutschland sich an einem eventuellen Krieg gegen den Irak zwar nicht beteiligen, daß es diesem aber auch keinen Stein in den Weg legen würde. Diese Zusage hat Schröder gebrochen, als er im Herbst 2002 vor einer nahezu sicheren Wahlniederlage stand. Indem er antiamerikanische Ressentiments schürte, hat er die Wahl gewonnen.

5. Auch in der Wirtschaftspolitik hat er 2002 einen Wahlkampf der Lüge geführt. Wenn er schon eine Agenda 2010 für erforderlich hielt, dann hätte er diese beabsichtigte Kehrtwende im Wahlkampf zur Diskussion stellen müssen. Stattdessen hat er den Wählern ein "weiter so" versprochen und dann das genaue Gegenteil getan. Niemals in der Geschichte der Bundesrepublik hat ein Kanzler seine Wähler auch nur annähernd so dreist betrogen.

Dieser Mann, liebe Dagny, ist ein Schaumschläger. Ein Egoist, den allein die eigene Karriere interessiert hat und der sein Land und seine Partei 2005 sofort im Stich gelassen hat, als er die Macht verlor. Ein Mann ohne Rückgrat, ohne Verantwortungsgefühl.

Ein genialer Verkäufer allerdings; sich verkaufen - das war und ist das einzige, was er kann.

Herzlich, Zettel

PS: Ist Ihnen aufgefallen, liebe Dagny, daß international niemand, wirklich niemand, Schröder eine Träne nachgeweint hat? Daß er wenige Jahre nach Ende seiner Kanzlerschaft von niemandem mehr als Ratgeber verlangt wird, während Helmut Schmidt nach fast dreißig Jahren immer noch gefragt ist?

Kein Kanzler, noch nicht einmal Erhard und Kiesinger, hatte international eine so schlechte Reputation wie Schröder. Außer bei seinem Männerfreund Putin; da wuchs zusammen, was zusammengehörte.
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.12.2008 17:38
#9 RE: Helmut Schmidt - ein großer Kanzler Antworten

Zitat von dirk
In dem von Ihnen verlinkten Spiegelartikel zur Investitionslenkung steht:
In Antwort auf:

Ein Gastredner aus dem SPD-Bezirk Hessen-Süd, der Professor für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Hochschule Aachen Karl Georg Zinn. nannte als Ursache der gegenwärtigen Wirtschaftskrise die falsche Verteilung der Einkommen: "Weil zu wenige zuviel Macht und Eigentum haben, sind viele unterversorgt und arbeitslos." Zinn, einer der führenden Nationalökonomen der sogenannten Neuen Linken, brachte seine Erkenntnisse auf den streng wissenschaftlichen Generalnenner: "Geld- und Besitzgier sind sozusagen die äußere Fratze der profitwirtschaftlichen Verhältnisse."
Hervorhebung von mir
Das ist doch Ironie oder? Ist das wirklich Ironie? Einerseits verstehe ich es so, andererseits kann ich mir zynische Kommentare dieser Art, vor dem Hintergrung der heutigen Spiegelartikel, auch nicht vorstellen.

Es war ganz sicher ironisch gemeint, lieber Dirk.

Der "Spiegel" war damals gerade in der Wirtschaftsredaktion überwiegend liberal orientiert. Ich müßte jetzt nachsehen, ob sie in dem Jahr, in dem dieser Artikel erschien, zur Redaktion gehörte: Jedenfalls war Renate Merklein eine der führenden Journalistinnen in der Wirtschaftsredaktion; eine ausgewiesen Liberale, promovierte Volkswirtin. Sie hat zB eine glänzende Serie über die Eurosklerose geschrieben und trat für neoliberale Reformen ein, noch bevor es dieses Wort gab.

Es gab in der Wirtschaftsredaktion allerdings auch den einen oder anderen Linken; vor allem Dr. Alexander von Hoffmann, der linkssozialistische bis kommunistische Positionen vertrat, später dann an einem Putschversuch gegen Augstein beteiligt war und den "Spiegel" verlassen mußte. Er war ursprünglich keine Wirtschaftsjournalist gewesen, zeitweise sogar, wenn ich mich recht erinnere, Leiter des Deutschland-Ressorts, in dem auch sein Gesinnungsgenossen Hermann L. Gremliza wirkte. Dann (oder zuvor?) tauchte er im Impressum als zuständig für "Verbraucherwirtschaft" auf. Was immer das ist.

Aber das waren linke Einzelkämpfer. Der "Spiegel" war, alles in allem, bis in die späten siebziger Jahre hinein ein liberales Blatt.

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

25.12.2008 17:53
#10 RE: Helmut Schmidt - ein großer Kanzler Antworten

Zitat von Zettel
Zitat von Dagny
Warum kommt Schröder in der Liste der Bundeskanzler so schlecht weg?
Sie schreiben, Gerhard Schröder wäre seinem Amt nicht gewachsen gewesen?
Woran machen Sie das fest?
Vielen Dank für eine (kurze) Antwort

Liebe Dagny, Sie kennen mich ja. Mit "kurz" ist das bei mir immer so eine Sache.

Aber ich will mir Mühe geben.

...

Dieser Mann, liebe Dagny, ist ein Schaumschläger. Ein Egoist, den allein die eigene Karriere interessiert hat und der sein Land und seine Partei 2005 sofort im Stich gelassen hat, als er die Macht verlor. Ein Mann ohne Rückgrat, ohne Verantwortungsgefühl.

Vielen Dank, werter Zettel, für diese kurze und prägnante Zusammenfassung!

--
El reaccionario, hoy, es meramente un pasajero que naufraga con dignidad. - Nicolás Gómez Dávila

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