"Zeit Online" bringt aktuell ein Dossier über "Jugend in Aufruhr" - oder eben nicht. Geordnet nach Ländern. Für Deutschland hat sich dazu ein gewisser Michael Schlieben den Kopf zerbrochen. Er fragt besorgt: "Erleben wir demnächst also einen neuen großen Jugendaufstand, vielleicht schon 2009?" und plaudert dann ein wenig über die Achtundsechziger, und überhaupt.
Ist das eine "Meckerecke" wert? Ja, ich finde schon. Weil Schlieben repräsentativ sein dürfte - für die Wahrnehmung von 1968, aber auch für die seltsame Vorstellung, daß Jugendliche Randale machen, weil sie perspektivlos usw. sind.
Lieber Zettel, wie Sie natürlich richtig andeuten, kann ein Artikel, der von nicht mit der realen Welt übereinstimmenden Klischees ausgeht, kaum ernst genommen werden. Aber solche Klischees werden immer wieder gerne propagiert.
Das Klischee von der kollektiven Perspektivlosigkeit. Ich war und bin der Ansicht, dass sich jeder Mensch seine Perspektiven, im Rahmen seiner Lebensumstände und Fähigkeiten, selbst schafft. Was soll ein Individuum mit einer "kollektiven" Perspektive auch anfangen, es muss sie sich, sozusagen als Ersatz seiner eigenen, individuellen Perspektive, erst aneignen. Das Individuum ist dann immer noch ohne eigene Perspektive und ist gezwungen, um die Illusion einer (kollektiven) Perspektive aufrechtzuerhalten, sich immer wieder von aussen anheizen lassen, weil sonst das Feuer ausgeht und die Perspektive weg ist. Als Individuum ist dieser Mensch immer noch perspektivlos, weil er auf andere angewiesen ist, um die Perspektive aufrechtzuerhalten. Ich bin in den letzten Kriegsjahren in Deutschland geboren und weiss von meinen Eltern, dass sie von einer Perspektive nicht einmal träumen konnten (zweimal ausgebombt und alles verloren, sogar ihre Eltern). Eine kollektive Perspektive hätte sie kaum trösten können. Sie haben sich die Perspektive selbst geschaffen und haben es geschafft, zwei Kindern das Studium zu ermöglichen und sich selbst ein erfülltes Leben zu ermöglichen.
In Antwort auf:Immer mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland wachsen in kümmerlichen Verhältnissen auf und haben immer weniger Chancen da rauszukommen.
Wirklich? Es gibt mehr Jugendliche als je zuvor, die sich eine gute Schulausbildung und sogar ein Studium (finanziell) leisten können. Mehr und mehr Kinder verfügen über Handys und Zugang zu PCs. Sind das Symbole für kümmerliche Verhältnisse?
In Antwort auf:Den letzten zitierten Satz habe ich leider überhaupt nicht verstanden: "Diese Mischung war es auch, die in Italien den 'Marsch auf Rom' erst ermöglichte". Schlieben meint doch nicht etwa Mussolini?
Hallo Zettel,
ich dacte dabei im ersten Moment eher an den "Marsch auf Rom" durch Garibaldi (was aber zeitlich noch weiter von den 68igern weg ist als Mussolini)
Zitat von F.AlfonzoFür nen Jugendaufstand braucht es Jugend. Ich sehe in naher Zukunft (wenn vielleicht auch noch nicht 2009) eher einen Rentneraufstand.
Also mangels (hinreichend zahlreicher) Jugend kein Jugendaufstand: vermutlich wahr. Aber Rentneraufstand? Welchen Grund hätten die bitte?
Der heutigen Rentnergeneration geht es überwiegend so gut wie keiner vor oder nach ihr. Diese Generation - durch einen komischen Zufall just die Altersgruppe der sog. "68er" - hat es geschafft, in wohl einzigartiger Weise gleich zwei andere Generationen auszubeuten, nämlich das von ihren Eltern geschaffene Kapital zu verfrühstücken, dabei zusätzlich noch munter auf Pump zu konsumieren und ihren Kindern (soweit vorhanden) Schulden zu hinterlassen, die bei realistischer Betrachtung niemals zurückgezahlt werden können. Jetzt gehen sie gut versorgt in den unverdienten Ruhestand mit der beruhigenden Aussicht, daß es für sie noch reichen wird, und nach ihnen die Sintflut.
Nein, wenn es eine Gruppe gibt, die schon moralisch zu einem "Aufstand" keinesfalls berechtigt ist, dann die heutigen Rentner. Notabene: das sind eben just nicht mehr die Angehörigen der Kriegsgeneration, die viel gelitten und im Wiederaufbau viel geleistet haben, sondern ihre faulen, undankbaren, verfressenen Kinder.
[Caveat: natürlich, solches Über-einen-Leisten-schlagen einer ganzen Generation ist ungerecht, weil es in jeder Generation solche und solche gibt. Mancher dieser Altersgruppe hat 40 Jahre gearbeitet, immer Steuern und Beiträge gezahlt und dabei zwei oder mehr Kinder großgezogen; der wird sich hier ungerecht angegriffen fühlen. Er ist - als Individuum - aber auch nicht gemeint; seine Rente sei ihm herzlich gegönnt. Sondern gemeint ist das Nettoergebnis des Wirtschaftens seiner Generation insgesamt. Das aber stellt sich aus Sicht der "Generation Schrottpresse" als pure Unverschämtheit dar.]
sie haben recht, denn natürlich konnten die damaligen Revoluzzer "1968" den ein oder anderen Arbeiter beeinflussen, Streiks anzetteln und sich insbesondere solche "Erfolge" einbilden, es änderte nichts daran, daß die breite Masse der Arbeitnehmer gegenüber den Revoluzzern ein ablehnendes bis offen feindliches Verhältnis zeigte. Das ist auch der Grund für den massenhaften Abschied der Linken vom Proletariat, welcher recht bald nach der Selbstauflösung des SDS einsetzte. Wer da von "die 68er waren einzigartig stark" schwadroniert, strickt Mythen, welche nichts über die Wirklichkeit aussagen.
Die nennenswerte Solidarisierung von Arbeitnehmern mit Studenten und Schüler fand nicht statt und das Umgekehrte auch nicht, denn die Studenten und Schüler solidarisierten sich nicht mit den real existierenden Arbeitnehmern, sondern dem faktisch nicht existenten Proletariat der realitätsverlustigen marxistischen Ideologie.
Ähnlich gelagertes politisches Handeln findet sich heute bei der Stasipartei wieder, aber auch bei Parteilinken der SPD und den im Niedergang befindlichen Gewerkschaften. Anders als 1968 stossen die irrigen Ansichten über soziale Gerechtigkeit, Ausbeutung und dergleichen allerdings kaum noch auf Widerspruch. Einen Karl Popper, der die unwissenschaftliche Grundlage solcher Ideologien mit wenigen, aber mächtigen Schwerthieben zerschlägt, gibt es nicht mehr. Die Massenbasis ist zumindest im Marxistisch geschulten Osten wesentlich grösser als damals, und der Einfluss der (Partei-)linken in der SPD/Gewerkschaften ebenso wesentlich grösser als damals. Was damals Ausgangspunkt künftiger verkrachter Existenzen war, könnte heute im Angesicht der Rezession zu einem ernsten Problem werden. So betrachtet waren nicht die 68er einzigartig stark, sondenern es ist die heutige Linke, welche sich zur ernsten Bedrohung unserer Freiheit und Demokratie entwickelt hat.
Zitat von PeterCoyotesie haben recht, denn natürlich konnten die damaligen Revoluzzer "1968" den ein oder anderen Arbeiter beeinflussen, Streiks anzetteln und sich insbesondere solche "Erfolge" einbilden, es änderte nichts daran, daß die breite Masse der Arbeitnehmer gegenüber den Revoluzzern ein ablehnendes bis offen feindliches Verhältnis zeigte.
Ich war damals an der Ruhr-Uni Bochum, die noch im Bau war. An Baugerüsten hatten Arbeiter Plakate gegen die Studentenproteste angebracht. Ich weiß nicht mehr genau, was draufstand, aber der Tenor war: Studiert lieber, statt zu protestieren.
Die damaligen Versuche, "die Arbeiter zu agitieren", waren skurril. Ich bin einmal mitgefahren, als Agitatoren mit ein paar PKWs vor eine Fabrik fuhren und dort die Arbeiter, die im Hof zu sehen waren, via Lautsprecher aufforderten, sich den "Protesten" anzuschließen. Die haben nur den Vogel gezeigt.
In den Ruhrgebiets-Kneipen war die Stimmung durchgängig so: Die machen sich jetzt einen schönen Lenz und hauen auf den Putz. Dann studieren sie weiter und werden unsere Vorgestzten.
Dieses völlige Scheitern bei dem Versuch (der aber, wie geschrieben, nicht schon 1968 begann, sondern erst Anfang der siebziger Jahre), die Arbeiter zu agitieren, dürfte übrigens ein wesentliches Motiv für den Terrorismus gewesen sein. Wenn die Arbeiter nicht freiwillig mitmachen wollten, dann mußte man den Sozialismus eben herbeibomben.
Zitat von PeterCoyoteDie nennenswerte Solidarisierung von Arbeitnehmern mit Studenten und Schüler fand nicht statt und das Umgekehrte auch nicht, denn die Studenten und Schüler solidarisierten sich nicht mit den real existierenden Arbeitnehmern, sondern dem faktisch nicht existenten Proletariat der realitätsverlustigen marxistischen Ideologie.
So ist es. Unter den Jusos zum Beispiel gab es so gut wie keine Arbeiter. Wer sich dort um ein Mandat bewarb, der braucht bloß zu sagen, daß er Arbeiter ist, und er war automatisch gewählt.
Zitat von PeterCoyoteDie Massenbasis ist zumindest im Marxistisch geschulten Osten wesentlich grösser als damals, und der Einfluss der (Partei-)linken in der SPD/Gewerkschaften ebenso wesentlich grösser als damals. Was damals Ausgangspunkt künftiger verkrachter Existenzen war, könnte heute im Angesicht der Rezession zu einem ernsten Problem werden. So betrachtet waren nicht die 68er einzigartig stark, sondenern es ist die heutige Linke, welche sich zur ernsten Bedrohung unserer Freiheit und Demokratie entwickelt hat.
Ich fürchte, auch da haben Sie Recht, lieber Peter Coyote. Es fehlt die breite Abwehrhaltung, die es damals gegeben hat. Die Kommunisten sind zwar nicht "in der Demokratie angekommen", aber in der "Mitte der Gesellschaft" sehr wohl.
Zitat von vivendiIch bin in den letzten Kriegsjahren in Deutschland geboren und weiss von meinen Eltern, dass sie von einer Perspektive nicht einmal träumen konnten (zweimal ausgebombt und alles verloren, sogar ihre Eltern). Eine kollektive Perspektive hätte sie kaum trösten können. Sie haben sich die Perspektive selbst geschaffen und haben es geschafft, zwei Kindern das Studium zu ermöglichen und sich selbst ein erfülltes Leben zu ermöglichen.
Ich gehöre zur selben Generation und habe dieselben Erfahrungen. Meine Großeltern waren ausgebombt worden, meine Eltern mit mir und meinen Geschwistern vor den Kommunisten in den Westen geflohen. Sie kamen auf dem Land unter, wo entfernte Verwandte wohnten.
Die ganze Familie lebte jahrelang in einem einzigen Raum, dem Klassenzimmer einer ehemaligen Zwergschule, das man mit Brettern in so etwas wie Wohnbereiche aufgeteilt hatte. Ernährt haben wir uns von milden Gaben der Bauern, von selbst gesammelten Bucheckern, "gelesenen" Ähren; vom Inhalt gelegentlichehr Pakete aus Amerika.
Mein Vater arbeitete als Assistenzarzt an einer Klinik - ohne Gehalt. Mein Großvater half dem Bürgermeister bei der Buchführung und bekam dafür ein paar Mark.
Diese Generation meiner Eltern und Großeltern wollte nicht die Welt verbessern, sondern in einer schlechten Welt überleben. Sie konnten das, weil sie fleißig, diszipliniert und vor allem solidarisch waren. Mit diesen Sekundärtugenden haben sie das Land wieder aufgebaut.
Die nächste Generation aber - vor allem diejenigen, die ab ungefähr 1947 geboren wurden, also die Hungerzeit nicht mehr bewußt erlebt haben - wuchs in Frieden, Freiheit und zunehmendem Wohlstand auf. Sie empfand die Mühen der Eltern als "spießig". Sie warf denen, die sich irgendwie mit den Nazis hatten arrangieren müssen, "moralisches Versagen" vor.
Sie waren vor allem unglaublich arrogant, die Achtundsechziger. Das ist aus meiner heutigen Sicht das dominierende Merkmal.
Und diese Arroganz haben die meisten nie abgelegt. Es gab ein kurzes Schwanken, nach 1989. Aber dann haben sie schnell wieder Tritt gefaßt und als das neue Objekt ihrer Arroganz den "Neoliberalismus", die Regierung Bush usw. entdeckt.
Zitat von FAB.[Caveat: natürlich, solches Über-einen-Leisten-schlagen einer ganzen Generation ist ungerecht, weil es in jeder Generation solche und solche gibt. Mancher dieser Altersgruppe hat 40 Jahre gearbeitet, immer Steuern und Beiträge gezahlt und dabei zwei oder mehr Kinder großgezogen; der wird sich hier ungerecht angegriffen fühlen. Er ist - als Individuum - aber auch nicht gemeint; seine Rente sei ihm herzlich gegönnt. Sondern gemeint ist das Nettoergebnis des Wirtschaftens seiner Generation insgesamt.
Ich neige, lieber FAB., auch dazu, in Generationen zu denken. Allerdings mehr unter dem Gesichtspunkt gemeinsamer Erfahrungen.
Vorwürfe habe ich mir abgewöhnt. Die Achtundsechziger hatten kein Recht, ihren Eltern und Großeltern Vorwürfe zu machen. Aber auch Vorwürfe gegen "die Achtundsechziger" als Generation halte ich für unberechtigt. Die politisch Aktiven, die mit diesem Wort bezeichnet werden, waren vielleicht fünf, wenn es hoch kommt zehn Prozent der Angehörigen dieser Geburtsjahrgänge zwischen ungefähr 1945 und 1950.
Keine Generation kann sich aussuchen, ob es ihr gut oder schlecht geht. Miserabel ist es den zwischen ungefähr 1900 und 1935 Geborenen gegangen. Wer 1900 geboren war, der hatte sein ganzes erwachsenes Leben lang nur Krieg und Krisen erfahren, bis er fünfzig Jahre geworden war.
Wer ab 1950 in Deutschland geboren ist, der hat nur Wohlstand, Freiheit, Überfluß erlebt. So ungerecht ist die Welt.
Zitat von VolkerDich dacte dabei im ersten Moment eher an den "Marsch auf Rom" durch Garibaldi (was aber zeitlich noch weiter von den 68igern weg ist als Mussolini)
Und die zogen ja auch nicht nach Rom, beim "Zug der Tausend".
Nein, ich fürchte, unser Autor meint wirklich Mussolini. Und er hat - wenn ich ihm nicht Unrecht tue - sowas im Kopf wie das "Bündnis zwischen Arbeiterschaft und progressiver Intelligenz".
Zitat von ZettelKeine Generation kann sich aussuchen, ob es ihr gut oder schlecht geht.
Oh, doch. Manche konnten es sich aussuchen, es sich gut gehen zu lassen zulasten anderer. Eben die, die seit ca. 1970 ständig mehr konsumiert haben, als sie selbst erwirtschafteten, und zugleich auch noch auf Kinder "verzichtet" haben zugunsten eines hedonistischen Lebensstils. Wie gesagt - nicht der Einzelne, bei dem das ganz anders sein mag, sondern der Durchschnitt. Die jetzige Lage resultiert ja nicht aus den Aktionen der 10% politisch Aktiven, sondern ist die Konsequenz aus der Summe der privaten Lebens- und politischen Wahlentscheidungen einer Mehrheit.
Zitat von ZettelNein, ich fürchte, unser Autor meint wirklich Mussolini. Und er hat - wenn ich ihm nicht Unrecht tue - sowas im Kopf wie das "Bündnis zwischen Arbeiterschaft und progressiver Intelligenz".
Ich befürchte auch, dass er über Mussolini phantasiert. Zumindest ist das meine erste Assoziation mit "Marsch auf Rom", und mir fällt auch bei angestrengtem Nachdenken nichts anderes ein, das er meinen könnte. Ein Armutszeugnis.
Obwohl, vielleicht sieht er in der Plünderung durch die Gallier 387 v. Chr. den ersten Aufschrei der perspektivlosen gallischen Jugend? Druidenstudenten solidarisieren sich mit der keltischen Arbeiterklasse? http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_an_der_Allia
-- The act of defending any of the cardinal virtues has to-day all the exhilaration of a vice. - Gilbert Keith Chesterton, "A Defence of Humility" (in The Defendant)
Zitat von ZettelWer ab 1950 in Deutschland geboren ist, der hat nur Wohlstand, Freiheit, Überfluß erlebt. So ungerecht ist die Welt.
(Dazu solltest Du Deutschland auf Bundesrepublik Deutschland beschränken, denn die DDR, wenn auch sozialistisches Musterland, zeichnete sich durch Mangel an obengenannten aus.)
Ansonsten schreibt Schlieben dummes Zeug (wie auch der von ihm zitierte Jessen), das einer Prüfung nicht standhält:
Eine kleine Kostprobe aus Schliebens Gedanken:
Zitat von schlieben80.000 Schüler besetzten ebenfalls im November 2008 im Wendland die Schienen
<blockquote><font size="1">Zitat von bi-ahaus
In Gorleben waren nach Angaben der Polizei am Samstagnachmittag rund 15.000 Menschen zu einer Protestkundgebung zusammengekommen. Die Anti-Atom-Initiative "X-tausendmal quer" sprach von 16.000 Demonstranten. Der Ansturm sei so groß gewesen wie zuletzt 2001, hieß es. Angeheizt wird der Protest durch den politischen Streit um längere Laufzeiten für Atomkraftwerke und wegen der Pannen in dem einsturzgefährdeten Atommülllager Asse bei Wolfenbüttel.[/quote]
Die 80.000 die Gleise besetzenden Schüler entspringen wie der gesamte Artikel einem Wunschdenken eines Autoren, der die größte anzunehmende Distanz von dem von ihm betrachteten Gegenstands hat. Gefährlich wird es allerdings wenn ein kausaler Zusammenhang zwischen schwulen- und frauenfeindlichen Texten von Bushido zu "kümmerlichen Verhältnissen" konstruiert wird. So eine Nummer hat ja sein Kollege Jessen mit seiner These abgezogen, dass der deutsche Rentnerspießer selbst daran schuld ist, wenn er den Schädel eingetreten bekommt.
Verallgemeinerungen über eine "Generation" sind auf Grund der Heterogenität heute so wenig machbar, wie es für die Vorgängergeneration war und ist. Was soll Protest des Protestes willen, nur um dankbaren Feuilletonisten ein paar Schlagzeilen zu liefern? Schiebel blendet völlig aus, dass auch die nach 1980 geborenen lernfähig sind und sehr wohl wissen, wie man Probleme bewältigt. Auch pragmatisches Handeln unter Zuhilfenahme von Sekundärtugenden ist politisches Handeln und fortschrittlicher als sich in gorleben für die Gazprom den Hintern zu verkühlen, sich mit der Polizei zu prügeln oder Ausstellungen über jüdisches Leben in Berlin zu verwüsten. Immerhin muss ich nicht nur im Rahmen des Generationenvertrags für die Vorgängergeneration mein Scherflein beitragen, was ich übrigens gerne mache, sondern auch für mich selber Sorge tragen, da bleibt nicht viel Zeit für Luxusdemos.
http://www.iceagenow.com/ Kaltfront bringt bis zu 20 Zentimeter Neuschnee Montag, 8. Dezember, 13:41 Uhr
Zitat von Zettel[quote="FAB."] Keine Generation kann sich aussuchen, ob es ihr gut oder schlecht geht. Miserabel ist es den zwischen ungefähr 1900 und 1935 Geborenen gegangen. Wer 1900 geboren war, der hatte sein ganzes erwachsenes Leben lang nur Krieg und Krisen erfahren, bis er fünfzig Jahre geworden war.
Wer ab 1950 in Deutschland geboren ist, der hat nur Wohlstand, Freiheit, Überfluß erlebt. So ungerecht ist die Welt.
Ich gehöre zu jenen, die nichts als ein Leben in Wohlstand, Freiheit und Überfluss kennen. Zu jenen gar, deren Eltern kaum je etwas anderes bewusst erlebt haben. Mir fehlen die Worte, um auszudrücken, wie sehr ich diese Tatsache schätze.
Um nicht die Wertschätzung für all die Annehmlichkeiten, Möglichkeiten, aber auch nicht den Blick auf die eigenen Verpflichtungen und die Selbstverantwortung in einer offenen, freien, wohlhabenden Gesellschaft zu verlieren, sind ehrliche Gespräche mit Großeltern und solchen, die auch andere Zeiten erlebt haben, meines Erachtens von unschätzbarem Wert. Meine Großmutter bspw. hat mir durch Erzählungen aus der Zeit des Plünderns am Ende und nach dem Zweiten Weltkrieg sowie der Phase des beinharten Wiederaufbaus einen ungeheuren Respekt für eben jene Werte vermittelt, die einige in diesem Thread schon erwähnt haben: Fleiß, Disziplin, ehrliche, aufopferungsvolle Arbeit für die Familie und seine Nächsten.
Ein großes Problem der heutigen Zeit ist meines Erachtens die mangelnde Sensibilität für persönliche Freiheit, eine Errungenschaft, die in unseren Breitengraden erst nach der Niederschlagung des Dritten Reichs Einzug halten konnte. Dieser Mangel scheint mir bei Jugendlichen, die gerne ihrem "Unmut" über "Missstände" freien Lauf lassen, gewissermaßen ohne Hemmungen, ohne Bedacht auf die zivilisatorische Errungenschaft affektiver Kontrolle, besonders eklatant zu sein. Vielen würde eine unvoreingenommene, respektvolle Auseinandersetzung mit jenen Menschen, die Erfahrungen aus Zeiten des Umbruchs vermitteln können, in welchen Werte zur Verbesserung der eigenen Perspektive im wahrsten Sinne des Wortes lebensnotwendig waren, sehr gut tun.
Wer sich nicht die mühevolle Entstehung einer Sache vor Augen führt, wird ihr bestehen mit einiger Sicherheit weniger schätzen als jemand, dessen Anstrengungen sozusagen noch an der Sache kleben. Mir haben die Gespräche mit meiner Großmutter in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet; vor allem lehrten sie mich Respekt vor dem Alter sowie die Wertschätzung erbrachter Leistung für Familie und Gesellschaft.
Wenn junge Menschen randalieren, wenn sie das Vermögen anderer mutwillig zerstören, Menschen belästigen oder gar Menschenleben gefährden, dann handeln sie nicht nur rechtswidrig, sondern lassen offenbar jedes Verantwortungsgefühl vermissen. Ich denke, wenn man das, was Generationen vor der eigenen geleistet haben, nicht nur als hochachtungsvolle Leistung, sondern auch als Verpflichtung zur Bewahrung von Errungenem und zur Verbesserung von Vorleistungen zu verstehen versucht, wird man auch schneller zu Verantwortungsbewusstsein gelangen, sich womöglich bald nachgerade nach Selbstverantwortung sehnen, um die (Sekundär-)Tugenden fortzuführen und weiterzutragen, die schon unsere Vorfahren ausgezeichnet haben, und um aus den Fehlern zu lernen, die einem durch die Erzählung von Geschichten in Form von Erfahrungswerten mit auf den Weg gegeben wurde. Wenn einige jugendliche Randalierer von heute ihre Erfahrungen mit jenen ihrer ehemals randalierenden Eltern austauschen würden, wäre uns wohl auch schon geholfen.
Vielen Jugendlichen fehlt nicht eine Perspektive fürs Leben, sondern schlicht ein gesundes Gefühl dafür, was Anstand und erträgliches Benehmen bedeutet. Wer seine "kümmerlichen Verhältnisse" reflektiert, bevor er seinem Zorn auf der Straße freien Lauf lässt, kommt zumeist auf die eine oder andere Idee, wie sich die eigene Perspektive durch eigenverantwortliches Verhalten verbessern könnte. Das heißt nicht, dass demokratische Protestkundgebungen fehl am Platze und das Aufzeigen von Missständen entbehrlich wäre; im Gegenteil. Aber ich kann es auch einfach nicht mehr hören, wenn pauschal von den armen, vernachlässigten, wohlstandsverwahrlosten Jugendlichen die Rede ist, denen in ihrer Hilflosigkeit ja nichts anderes bleibe, als, mit der einen oder anderen Ideologie bewaffnet, sich am hellichten Tag besinnungslos zu besaufen und für eine Sache zu "demonstrieren", deren Bedeutungsgehalt man noch nicht im Ansatz bedacht hat.
Zitat von C.Die 80.000 die Gleise besetzenden Schüler entspringen wie der gesamte Artikel einem Wunschdenken eines Autoren, der die größte anzunehmende Distanz von dem von ihm betrachteten Gegenstands hat.
Gut gesagt. Wäre so etwas in irgendeinem Blog erschienen, dann hätte sich ein Kommentar dazu erübrigt. Aber wenn "Zeit Online" so etwas bringt, dann ist das schon erschreckend. Offenbar gibt es dort keinen Ressortleiter, der auch nur auf minimale journalistische Qualität achtet.
Zitat von C. Was soll Protest des Protestes willen, nur um dankbaren Feuilletonisten ein paar Schlagzeilen zu liefern? Schiebel blendet völlig aus, dass auch die nach 1980 geborenen lernfähig sind und sehr wohl wissen, wie man Probleme bewältigt.
Er deutet ja zu Beginn des Artikels an, daß er es geradezu als Defizit sieht, daß in Deutschland nicht mehr Randale ist; jedenfalls zitiert er Entsprechendes.
Es gibt ja viele im "linksliberalen" Spektrum, die sich zwar selbst nicht die Hände schmutzig machen möchten, die aber mit Wohlwollen auf diejenigen blicken, die "die Verhältnisse zum Tanzen bringen" wollen, um einen Ausdruck von Marx zu verwenden.
Lieber Philipp, das war ein "netter" Beitrag, aber ich würde ohne viel Gedöns dafür plädieren, daß die Randalierer so schnell wie möglich vom Jugendrichter verurteilt werden und dann unter Aufsicht das wieder heilmachen, was sie zerstört haben. Es schadet überhaupt nichts,einmal ordentlich zu arbeiten. Hier in Hessen stehen wir ja unmittelbar vor der Wahl. 2000 Lehrer wurden bewilligt, aber die "Randale" steht nicht auf dem Justizprogramm. Grüßchen, Inger
Ja, das ist natürlich eine Steilvorlage für mich, bzw. wie es manchmal geht, haben Sie mit der Vorlage auch gleich das Tor geschossen.
Schlieben hat also 2008 bei Walter seinen Magister gemacht, hat - offenbar mit dessen Hilfe - seine Magisterarbeit bereits 2007 publiziert und ist jetzt, laut Waschzettel zu dem Buch "Politikwissenschaftler und arbeitet bei der Wochenzeitung DIE ZEIT".
Daß die "Zeit" so jemanden nimmt, wenn vielleicht auch nur als Volontär, das ist das eigentlich Erschreckende. Undenkbar zur Zeit Theo Sommers und der Gräfin. Die waren zwar liberal, aber nicht in Sachen journalistische Qualität.
Zitat von ElomanDer Artikel ist nur ein weiterer Beweis dafür auf welch niedrigem Niveau sich der Journalismus heutzutage in Deutschland befindet.
Es hat, lieber Eloman, auch so etwas wie eine Entdifferenzierung stattgefunden. Wer früher die "Bild-Zeitung" las, der wußte, was ihn erwartete - Infotainment, auch wenn man das nicht so nannte. Wer "Die Zeit" las, der wußte aber auch, daß er Qualität bekam, wenn er vielleicht auch ganz anderer Meinung war als der Autor.
Und wer die "taz" las, der wußte, daß er nicht informiert wurde, sondern daß er politische Agitation bekam. Die wollte er natürlich auch, wenn er die "taz" kaufte; sie sollte ja explizit ein linkes Meinungsblatt sein.
Das vermischt sich heute alles. Viele Journalisten, die inzwischen bei den großen Medien in leitender Position angekommen sind, haben bei der "taz" angefangen und habe nie seriös zu schreiben gelernt. Auch der Boulevard-Journalismus ist längst nicht nur in Medien wie "Spiegel-Online" eingedrungen, sondern sogar in die Presse, die man früher "Heimatzeitungen" nannte. Was ich manchmal an Schlagzeilen in unserem Heimatblättchen lese, hätte noch vor zwanzig Jahren kein Chefredakteur durchgehen lassen.
Natürlich wird das alles mit Verkäuflichkeit gerechtfertigt, mit dem immer härteren Wettbewerb. Vielleicht ist das ein Faktor; der Hauptfaktor ist aber meines Erachtens die Vertazung des deutschen Journalismus.
Und das in meinen Augen Traurigste ist, dass beispielsweise die Zeit noch immer als Qualitätsblatt wahrgenommen wird. Wenn ich Bekannten sage, dass ich sie zum Teil wegen ihrer immer offensichtlicheren ideologischen Schlagseite abbestellt habe, werde ich komisch angeschaut.
-- The act of defending any of the cardinal virtues has to-day all the exhilaration of a vice. - Gilbert Keith Chesterton, "A Defence of Humility" (in The Defendant)
1. Ein schönes und lesenswertes Blog. Ich mag es ob seiner Unaufgeregtheit.
2. Warum nimmst du die Eliteautoren der ZEIT-Online überhaupt für voll? Ich mache das seit Jahren nicht mehr. Dort schreibt ohnehin eine Mischung aus Redaktionspraktikanten, Jungleworld-Autoren, Wirrköpfen usw., die selbst wenn sie denn wollten, was allerdings nicht der Fall ist, zu keinem sinnvollen Gedanken in der Lage wären.
Zitat von HajoDort schreibt ohnehin eine Mischung aus Redaktionspraktikanten, Jungleworld-Autoren, Wirrköpfen usw., die selbst wenn sie denn wollten, was allerdings nicht der Fall ist, zu keinem sinnvollen Gedanken in der Lage wären.
Ich kann das, lieber Hajo, im Grunde nicht beurteilen, weil ich selten dort lese.
Wir haben seit Jahrzehnten (ich glaube, seit ungefähr 1970) die gedruckte "Zeit" abonniert, die freilich auch schon bessere Zeiten gesehen hat. Regelmäßig le/öse ich dort aber nur noch das Kreuzworträtsel.
Beim "Spiegel" ist die Online-Ausgabe ungleich unseriöser als die gedruckte Zeitschrift. Aber das ist ja kein Naturgesetz. Bei der "Welt", der "FAZ" oder zum Beispiel in Frankreich dem Nouvel Observateur ist das keineswegs der Fall.
Ich werde jetzt mal häufiger bei "Zeit Online" reingucken.
Herzlich, Zettel
PS: Willkommen im "Kleinen Zimmer"! Und danke für Ihre freundliche Beurteilung von ZR.
Naja, auf Zeit Online gibt es schon auch Qualitätsware, man teilt viel Inhalt mit der Druckausgabe. Interessant sind beispielsweise Fischers Kolummnen. Man muß ja nicht seiner Meinung sein. Speziell in der ZO gibt es dann noch das Blog von Jörg Lau, den ich ganz gerne lese.
Klug und fleißig - Illusion Dumm und faul - das eher schon Klug und faul - der meisten Laster Dumm und fleißig - ein Desaster The Outside of the Asylum
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