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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 38 Antworten
und wurde 3.086 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

02.02.2009 18:41
#26 Regulierung und freies Spiel der Kräfte Antworten

Zitat von Dagny
1) Leben wir nicht in einem freien Markt.
2) Wird das, was die Bundeskanzlerin macht, die Krise eher verlaengern denn verkuerzen.
3) Gehoeren Krisen zum Kapitalismus. Die Staerke eines kapitalistischen Systems ist, dass sich nach einer Krise oder durch eine Krise neue Dinge schnell etablieren koennen - stellen sie sich doch mal vor, die Weber von einst waeren immer noch durch ein Rettungspaket geschuetzt? Auch tendieren freie Maerkte keineswegs zu solch starken Monopolen (wie etwa im Bankensektor), dass einzelne Firmen eine ganze Brance mit sich reissen koennen.

Ich bin ja, liebe Dagny, eher ein Ordoliberaler. Meines Erachtens können sich die Kräfte des freien Markts erst dann richtig entfalten, wenn es klare Regeln gibt, deren Einhaltung auch überwacht wird - klassischerweise vom Staat, in Zukunft immer mehr auf globaler Ebene. Dieses Letztere scheint mir die Stoßrichtung der Kanzlerin zu sein: Global so zu regulieren, wie das in Europa bereits national und auf EU-Ebene geschieht.

Ein dynamisches System kann durch Krisen gehen und sich danach neu selbst regulieren. Es kann aber auch in einer Krise so instabil werden, daß es sich nicht wieder stabilisert. Wieviel an constraints erforderlich ist, damit das freie Spiel der Kräfte optimal funktioniert, das ist eine schwierige, vor allem aber aus meiner Sicht eine empirische Frage. Man muß sich da herantasten.

Herzlich, Zettel

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

02.02.2009 18:57
#27 RE: Regulierung und freies Spiel der Kräfte Antworten
Zitat von Zettel

Ich bin ja, liebe Dagny, eher ein Ordoliberaler. Meines Erachtens können sich die Kräfte des freien Markts erst dann richtig entfalten, wenn es klare Regeln gibt, deren Einhaltung auch überwacht wird - klassischerweise vom Staat, in Zukunft immer mehr auf globaler Ebene. Dieses Letztere scheint mir die Stoßrichtung der Kanzlerin zu sein: Global so zu regulieren, wie das in Europa bereits national und auf EU-Ebene geschieht.

Ein dynamisches System kann durch Krisen gehen und sich danach neu selbst regulieren. Es kann aber auch in einer Krise so instabil werden, daß es sich nicht wieder stabilisert. Wieviel an constraints erforderlich ist, damit das freie Spiel der Kräfte optimal funktioniert, das ist eine schwierige, vor allem aber aus meiner Sicht eine empirische Frage. Man muß sich da herantasten.

Herzlich, Zettel


Naja, das Wirtschaftswunder hatte eine Staatsquote von rund 30%, heute haben wir rund 50%. Kohl sagte einst, ab 50% faengt Sozialismus an. Der Bankensektor ist bischer schon der am staerksten regulierte der Welt. Weitere Schutzzoelle, wie sie in USA in Diskussion sind, wuergen den Welthandel ab. Die Dollargeldmenge wird von der FED laufend erhoeht, aehnliches beim Euro.
Globale Regulierung wie es national geschieht? Vielleicht koennte Nigeria die deutsche Verpackungsverordnung uebernehmen? Das wuerde dort Arbeitsplaetze in der Recyclingindustrie......
Libero Offline



Beiträge: 393

02.02.2009 19:03
#28 RE: Gute Fragen Antworten

Zitat von Dagny
Auch tendieren freie Maerkte keineswegs zu solch starken Monopolen (wie etwa im Bankensektor), dass einzelne Firmen eine ganze Brance mit sich reissen koennen

Hallo Dagny

In einer idealen offenen Gesellschaft mag das so sein, wie es zwischen Buchdeckel steht. Reale Märkte spielen sich leider außerhalb der Buchdeckel von Hayek und Mises ab. Reale Marktteilnehmer haben vielleicht Hayek und Mises gelesen, halten sich aber nur solange an die dort verkündeten Weisheiten, solange Sie ihnen nützen. Ist Ihnen noch nicht aufgefallen, daß der reale Hayek und der reale Mises so nicht ganz von dieser Welt waren. Erwachsene Peter Pans wirken halt irgendwie lächerlich. Ich bin da mehr für den Realismus der Neoliberalen. Die kannten das reale Verhalten von Marktteilnehmern aus ihrer beruflichen Tätigkeit. Haben Hayek oder gar Mises jemals ein Unternehmen von innen gesehen und einfach nur den Markt und die Marktteilnehmer beobachtet?

Ich bin ja ganz begeistert, wie sehr hier der Markt und der Unternehmende gelobt werden. Darf man mal ganz höflich fragen, wieviele der Lobpreiser das Dasein als Unternehmer, Freiberufler oder Selbständiger aus eigener Erfahrung kennen und nicht einem der üblichen Berufe angehören, in denen sich Freiberufler oder Selbständige tummeln?

Gruß
Libero



Zettel Offline




Beiträge: 20.200

02.02.2009 19:33
#29 RE: Regulierung und freies Spiel der Kräfte Antworten

Zitat von Dagny
Naja, das Wirtschaftswunder hatte eine Staatsquote von rund 30%, heute haben wir rund 50%. Kohl sagte einst, ab 50% faengt Sozialismus an.

Ich sehe, liebe Dagny, keinen Zusammenhang zwischen Regulierung und Staatsquote. Regulierung war für Erhard zB eine wirksame Kartellgesetzgebung. Heute ist es vielleicht eher die Kontrolle des Zahlungsverkehrs zwischen Banken.
Zitat von Dagny
Der Bankensektor ist bischer schon der am staerksten regulierte der Welt.

Meinen Sie vor oder nach der Krise?
Zitat von Dagny
Weitere Schutzzoelle, wie sie in USA in Diskussion sind, wuergen den Welthandel ab. Die Dollargeldmenge wird von der FED laufend erhoeht, aehnliches beim Euro.

Schutzzölle meine ich nicht mit "Regulierung"; auch da kann ich mich auf Erhard berufen, der ein Anhänger des Freihandels war.
Zitat von Dagny
Globale Regulierung wie es national geschieht? Vielleicht koennte Nigeria die deutsche Verpackungsverordnung uebernehmen? Das wuerde dort Arbeitsplaetze in der Recyclingindustrie......

Auch die Verpackungsordnung, über die ich mich ja weidlich lustig gemacht habe, meine ich natürlich nicht, dear Dagyn.

Es ist wirklich eine empirische Frage. Kein dynamisches System funktioniert ohne constraints. Wenn man die wegnimmt, dann vergrößert sich schlicht die Entropie, bis alles ein Brei ist.

Herzlich, Zettel

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

02.02.2009 19:43
#30 RE: Gute Fragen Antworten
Zitat von Libero

Ich bin ja ganz begeistert, wie sehr hier der Markt und der Unternehmende gelobt werden. Darf man mal ganz höflich fragen, wieviele der Lobpreiser das Dasein als Unternehmer, Freiberufler oder Selbständiger aus eigener Erfahrung kennen und nicht einem der üblichen Berufe angehören, in denen sich Freiberufler oder Selbständige tummeln?



Muss ein Filmkritiker selber Filme gemacht haben um als Kritiker aufzutreten?
(Ich mag nichts ueber meine eigene Biographie schreiben, Sorry)

@Zettel: Klar braucht es Regeln. Ich bin sehr fuer Regeln. Nur ist der Staat nicht die richtige Institution um Regeln aufzustellen. Das koennen die Beteiligten meist besser - warum sollen sich nicht die 20, 30 groessten Banken auf Standards einigen? Die konnen alle anderen dann uebernehmen oder es lassen -
dirk Offline



Beiträge: 1.538

02.02.2009 19:47
#31 RE: Regulierung und freies Spiel der Kräfte Antworten

In Antwort auf:
Es ist wirklich eine empirische Frage. Kein dynamisches System funktioniert ohne constraints. Wenn man die wegnimmt, dann vergrößert sich schlicht die Entropie, bis alles ein Brei ist.


Das System ist ja bereits gewissen Beschränkungen ausgesetzt, beispielsweise durch Individuuen, die ihren Nutzen maximieren. Die Frage ist also vielmehr ob diese ausreichen oder ob es noch Beschränkungen von aussen aus geben muss.

Libero Offline



Beiträge: 393

02.02.2009 19:47
#32 RE: Regulierung und freies Spiel der Kräfte Antworten

Zitat von Dagny
Der Bankensektor ist bischer schon der am staerksten regulierte der Welt.

Ist klar, Conduits sind bekanntlich ein erfolgreiches Geschäftsmodell gewesen.

dirk Offline



Beiträge: 1.538

02.02.2009 19:49
#33 RE: Regulierung und freies Spiel der Kräfte Antworten

[quote=Libero] Zitat von DagnyDer Bankensektor ist bischer schon der am staerksten regulierte der Welt.


Ist klar, Conduits sind bekanntlich ein erfolgreiches Geschäftsmodell gewesen.[/quote]

Ich verstehe den Zusammenhang nicht. "Conduits" seien kein erfolgreiches Geschäftsmodell gewesen und das belege, dass der Bankensektor wenig reguliert sei?????

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

02.02.2009 19:51
#34 RE: Regulierung und freies Spiel der Kräfte Antworten
Zitat von Libero
Zitat von Dagny
Der Bankensektor ist bischer schon der am staerksten regulierte der Welt.

Ist klar, Conduits sind bekanntlich ein erfolgreiches Geschäftsmodell gewesen.


Versuchen Sie doch mal, eine Bank zu gruenden? Selbst wenn es nur eine kleine Bank fuer die Bewohner ihrer Strasse sein soll, schaetze ich doch, dass es zu den eher aufwaendigeren Unternehmensgruendungen gehoert. Darueber hinaus wird keine Regulierung der Welt zukuenftige Risiken noch nicht bekannter Geschaeftsmodelle ausschliessen koennen -


Zur Klarstellung: Mein Argument geht so: Der Bankensektor ist derzeit, und war es schon vor der Krise, einer der am staerksten regulierten ueberhaupt. Und diese Regulierung hat die Krise nicht verhindern koennen.
dirk Offline



Beiträge: 1.538

02.02.2009 19:52
#35 RE: Gute Fragen Antworten

Zitat von Dagny
Muss ein Filmkritiker selber Filme gemacht haben um als Kritiker aufzutreten?
(Ich mag nichts ueber meine eigene Biographie schreiben, Sorry)

@Zettel: Klar braucht es Regeln. Ich bin sehr fuer Regeln. Nur ist der Staat nicht die richtige Institution um Regeln aufzustellen. Das koennen die Beteiligten meist besser - warum sollen sich nicht die 20, 30 groessten Banken auf Standards einigen? Die konnen alle anderen dann uebernehmen oder es lassen -


Was aber auch heisst, dass diese Regeln, wenn sie angenommen werden, durchgesetzt werden müssen. Es kann nicht sein, dass Bank X sagt "Wir bilanzieren nach Vorschrift Y", die Investoren vertrauen darauf und dann sagt sie "Atsch, war nicht so gemeint". Spätestens bei der Durchsetzung der Regeln kommt also wieder der Staat ins Spiel.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

02.02.2009 19:55
#36 RE: Gute Fragen Antworten

Zitat von dirk

Was aber auch heisst, dass diese Regeln, wenn sie angenommen werden, durchgesetzt werden müssen. Es kann nicht sein, dass Bank X sagt "Wir bilanzieren nach Vorschrift Y", die Investoren vertrauen darauf und dann sagt sie "Atsch, war nicht so gemeint". Spätestens bei der Durchsetzung der Regeln kommt also wieder der Staat ins Spiel.


Nein. So ist das nicht. Wenn eine Bank sagt, wir bilanzieren heute nach X und morgen nach Y und uebermorgen nach Z, dann muss sie das mit den Aktionaeren ausmachen. Und mit den Glaubigern. Der Staat muss das erstmal nicht durchsetzen.

Libero Offline



Beiträge: 393

02.02.2009 20:01
#37 RE: Gute Fragen Antworten

Zitat von Dagny
Muss ein Filmkritiker selber Filme gemacht haben um als Kritiker aufzutreten?

Die Filmkritiker urteilen über ein Endprodukt. Wie man Filme verwirklicht, wissen sie nicht. Der Vergleich ist schief, aber passt ausgezeichnet auf Hayek, Mises und Rothbard. Das sind Filmkritiker, die aufgrund ihrer Kritiken meinten, sie wären in der Lage, auch Lehrbücher zu schreiben: Wie entsteht ein Film und was muß ich beachten.

Gruß
Libero

dirk Offline



Beiträge: 1.538

02.02.2009 20:02
#38 RE: Gute Fragen Antworten

In Antwort auf:

Nein. So ist das nicht. Wenn eine Bank sagt, wir bilanzieren heute nach X und morgen nach Y und uebermorgen nach Z, dann muss sie das mit den Aktionaeren ausmachen. Und mit den Glaubigern. Der Staat muss das erstmal nicht durchsetzen.


Wenn die Bank sagt, sie bilanziert nach so und so und nachher stellt sich heraus, dass sie das nicht getan hat, dann ist das Betrug. Will sagen: Soweit der freie Markt mit Verträgen geregelt werden kann, für die Durchsetzung der Verträge muss der Staat sorgen.

Libero Offline



Beiträge: 393

02.02.2009 20:16
#39 RE: Gute Fragen Antworten

Zitat von Dagny
Das koennen die Beteiligten meist besser - warum sollen sich nicht die 20, 30 groessten Banken auf Standards einigen? Die konnen alle anderen dann uebernehmen oder es lassen -


Hallo Dagny

Erstmal Zustimmung.
Ich würde die Knäblein im Regen stehen lassen und dann können sie sich überlegen, ob sie alle weiter bitterlich weinen wollen und nach ihrer Mom brüllen oder gemeinsame Regeln aufstellen, an die sich alle halten.

Dafür ist keineswegs der Staat notwendig oder zuständig. Das ist die verdammte Pflicht und Schuldigkeit der Marktteilnehmer. Von Landesherren unabhängige Regelwerke hat es ja auch vor unserer Zeit gegeben. Die Stadtrechte waren z.B. solche Regelwerke.

Die Frage ist nicht, ob sie es können, sondern ob es die Beteiligten wirklich wollen und ob sich alle wichtigen Marktteilnehmer, wenn die Regeln beschlossen sind, an diese Regeln halten, auch dann, wenn es für sie von Nachteil ist. Das halte ich für, nun ja, etwas naiv. Das würde nicht nur eine Gemeinschaft voraussetzen, die Regeln verabschiedet, sondern auch eine Gemeinschaft, die über die urteilt, die sie verletzen und sie, wenn notwendig, auch bestraft. Alleine Regeln zu setzen, ist zu wenig. Es gibt die Regel, auf das Grün einer Ampel zu warten. Darüber setzen sich viele hinweg. Das sind wahrscheinlich alles keine Eltern, die die schwierige Aufgabe hatten, ihrem Nachwuchs zu erklären, das sie mit ihnen erst bei Grün die Strasse passieren. Wer nicht einmal bereit ist, eine solche Regel einzuhalten, soll bereit sein, Regeln eines Finanzmarktes einzuhalten?

Das ist zwar naiv, aber vielleicht der erste Beweis in einem Seligsprechungsverfahren. Das ist ein Grund, optimistisch in die Zukunft zu blicken.

Es gibt ja nicht nur festgesetzte Regeln, sondern auch Erfahrungsregeln.

Eine ist, auf jeden wirtschaftlichen Sommer folgt ein wirtschaftlicher Winter oder zumindest Herbst. Die Knäblein haben geglaubt, der ewige Sommer ist ausgebrochen.

Eine nächste heisst Häuser werden nicht gebaut, um höhere Preise zu erzielen, Häuser werden tatsächlich gebaut, um darin zu wohnen. Das ist eine andere Erfahrungsregel.

Gruß
Libero

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