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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 36 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

10.02.2009 22:13
Israel: Livni vorn Antworten

Die israelische Kadima steht von den dortigen Parteien meinen liberalkonservativen Ansichten am nächsten. Ich habe auch einen positiven Eindruck von Tzipi Livni. Also habe ich mich gefreut, als sich im Lauf des Abends abzeichnete, daß entgegen dem, was zum Beispiel noch die "Tagesschau" um acht prognostizierte, die Kadima die Wahlen gewonnen hat.

Jedenfalls in dem Sinn, daß sie vor dem Likud liegt. Ob Livni eine Regierungsmehrheit bekommt, ist eine andere Frage.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.02.2009 06:04
#2 Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten

Für diesen Artikel habe ich mich ein wenig im Parteiensystem Israels kundig gemacht und dabei mit Staunen erfahren, daß so kleine Parteien wie zum Beispiel die Nationale Union (4 von 120 Sitzen) ihrerseits aus vielen, noch kleineren Parteien bestehen (in diesem Fall Moledet, Hatikva, Eretz Yisrael Shelanu und einem Teil der Tkuma). Auch der Likud (immerhin wahrscheinlich 27 Sitze) ist eigentlich keine Partei, sondern ein Block aus mehreren Parteien.

Ist diese Vielfalt, ja Zersplitterung eine nationale Eigenheit Israels, in dem Einwanderer aus aller Welt und aus den unterschiedlichsten Kulturen aufeinandertreffen? Liegt es an der traditionellen jüdischen Kultur der Meinungsvielfalt und des Meinungsstreits?

Mag sein. Vor allem aber ist es das Elend des Verhältniswahlrechts. Eines Wahlrechts, das auf der Vorstellung basiert, Demokratie bedeute, daß an der Führung der staatlichen Geschäfte möglichst viele Meinungen beteiligt sein sollten.

Ich halte das für ganz und gar irrig. Demokratie bedeutet aus meiner Sicht, daß das Volk die Regierungsgewalt auf Zeit an einen von mehreren Bewerbern vergibt und sie ihm wieder entziehen kann, wenn er einen schlechten Job macht. Es kann sie ihm deshalb entziehen, weil die Konkurrenz bereitsteht, die Geschäfte zu übernehmen. Und solange er sie hat, wird er durch eine starke Opposition im Parlament daran gehindert, seine auf Zeit verliehene Macht zu mißbrauchen.

Zwei Bewerber genügen dazu, also eine Oppositionspartei. Das ideale Parteiensystem ist das Zweiparteiensystem. Alles darüber hinaus ist von Übel.

VolkerD Offline



Beiträge: 101

11.02.2009 08:43
#3 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten

Lieber Zettel,

In Antwort auf:
Zwei Bewerber genügen dazu, also eine Oppositionspartei. Das ideale Parteiensystem ist das Zweiparteiensystem. Alles darüber hinaus ist von Übel


Da kann ich Ihnen gar nicht zustimmen, denn es gibt schlichtweg mehr als nur zwei Meinungen zu irgendwelchen Sachverhalten. Wenn man ein reines Arbeitsparlament möchte dann sollte es überspitzt sogar nur Vertreter einer Partei schaffen, dort repräsentatiert zu sein. Möchte ich aber eine Vertretung, die Meinungen in der Bevölkerung widerspiegelt, dann kann sich das nicht auf zwei Parteien beschränken - und das letztere Modell ist mir viel lieber (auch wenn das - vielleicht - auf Kosten der Arbeitsfähigkeit geht).

Ein reines Zwei-Parteien-System würde sich sowieso nur kurzzeitig (wenn überhaupt) etablieren, wie man an Großbritannien sieht.

FTT_2.0 Offline



Beiträge: 537

11.02.2009 10:05
#4 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten

Lieber Zettel,

ich lehne Ihre Aussage in dieser Absolutheit schon alleine deswegen ab, weil es Gesellschaften - wie vielleicht die israelische - gibt, in denen es strukturelle (ethnische, religiöse oder andere) Minderheiten gibt, die bei Mehrheitswahlrecht faktisch ausgeschlossen werden, v.a. wenn diese Minderheiten "gleich verteilt", also überall im Land Minderheiten sind. Bei entsprechender Bedeutung des Merkmals für die betreffende Gruppe wirkt ein Mehrheitswahlrecht hier nach landläufiger Meinung destabilisierend. Wenn in Israel der Likud-Block und die Kadima-Partei Regierung und Opposition spielen würden, wären die israelischen Araber und die Ultra-Religiösen wahrscheinlich auf Dauer weg vom parlamentarischen Fenster. Ob aber gerade die beiden Gruppen in dieser Situation auf Dauer ruhig halten würden?

Herzlichste Grüße
FTT

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.02.2009 11:09
#5 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten

Zitat von VolkerD
In Antwort auf:
Zwei Bewerber genügen dazu, also eine Oppositionspartei. Das ideale Parteiensystem ist das Zweiparteiensystem. Alles darüber hinaus ist von Übel

Da kann ich Ihnen gar nicht zustimmen, denn es gibt schlichtweg mehr als nur zwei Meinungen zu irgendwelchen Sachverhalten.

In Israel, lieber VolkerD, mindestens 7.282.000. Und wenn ich meinem Großvater folge, sogar 10.923.000. Aber was hat die Zahl der Meinungen mit der Zahl der Parteien zu tun?
Zitat von VolkerD
Wenn man ein reines Arbeitsparlament möchte dann sollte es überspitzt sogar nur Vertreter einer Partei schaffen, dort repräsentatiert zu sein.

Nein, denn dann hätte man ja keine Demokratie. Lassen Sie mich noch einmal sagen, was aus meiner Sicht das Wesen des demokratischen Systems ist: Eine Regierung erhält auf Zeit den Auftrag, die Geschäfte des Landes zu führen. Macht sie es gut, dann verlängert der Wähler diesen Auftrag. Macht sie es schlecht, dann wird er ihr entzogen, und die Opposition erhält ihn.

Diese muß bereitstehen, die Regierung zu übernehmen. Und während sie das tut, hat sie im Parlament die wichtige Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren und deren Machtstreben zu zügeln.
Zitat von VolkerD
Ein reines Zwei-Parteien-System würde sich sowieso nur kurzzeitig (wenn überhaupt) etablieren, wie man an Großbritannien sieht.

Die USA sind das Gegenbeispiel.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.02.2009 11:20
#6 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten

Lieber FTT,

Zitat von FTT_2.0
ich lehne Ihre Aussage in dieser Absolutheit schon alleine deswegen ab, weil es Gesellschaften - wie vielleicht die israelische - gibt, in denen es strukturelle (ethnische, religiöse oder andere) Minderheiten gibt, die bei Mehrheitswahlrecht faktisch ausgeschlossen werden, v.a. wenn diese Minderheiten "gleich verteilt", also überall im Land Minderheiten sind.

Wieso werden sie ausgeschlossen? Der Präsident der USA ist das lebende Gegenbeispiel.
Zitat von FTT_2.0
Bei entsprechender Bedeutung des Merkmals für die betreffende Gruppe wirkt ein Mehrheitswahlrecht hier nach landläufiger Meinung destabilisierend. Wenn in Israel der Likud-Block und die Kadima-Partei Regierung und Opposition spielen würden, wären die israelischen Araber und die Ultra-Religiösen wahrscheinlich auf Dauer weg vom parlamentarischen Fenster.

Sie würden in einer dieser beiden Volksparteien ihre politische Heimat finden, so wie Cem Özdemir bei den Grünen und Norbert Geis bei der CDU.

Außen vor bleiben in einem solchen System allerdings in der Regel Extremisten, die den demokratischen Rechtsstaat bekämpfen. Das ist in meinen Augen ein zusätzlicher Vorteil.

Herzlich, Zettel

VolkerD Offline



Beiträge: 101

11.02.2009 11:50
#7 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten
In Antwort auf:
Eine Regierung erhält auf Zeit den Auftrag, die Geschäfte des Landes zu führen. Macht sie es gut, dann verlängert der Wähler diesen Auftrag. Macht sie es schlecht, dann wird er ihr entzogen, und die Opposition erhält ihn.

Welche Opposition? Die eine im Parlament? Und wenn die ebenfalls - nach Meinung von Bürgern - nur Mist erzählt? Wer ist dann die Alternative? Die Opposition ist so gut wie nie ein monolithischer Block.

In Antwort auf:
Diese muß bereitstehen, die Regierung zu übernehmen. Und während sie das tut, hat sie im Parlament die wichtige Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren und deren Machtstreben zu zügeln.


Und wer kontrolliert die Kontrolleure? Eine einzige Oppositionspartei ist viel zu leicht beeinflussbar.

In Antwort auf:
Zitat von VolkerD
Ein reines Zwei-Parteien-System würde sich sowieso nur kurzzeitig (wenn überhaupt) etablieren, wie man an Großbritannien sieht.
Zitat Zettel
Die USA sind das Gegenbeispiel.


Die USA hat zwar zwei Parteien (allerdings noch viel mehr, die da und dort auch Mandatsträger stellen, aber diese sind auf der Staatsebene leider nicht vertreten), aber deren Abgeordnete sind alles andere als "diszipliniert". Das mal ohne Bewertung ob Fraktionsdisziplin sein muß oder nicht.
PeterCoyote ( Gast )
Beiträge:

11.02.2009 12:02
#8 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten

sehe ich ähnlich. Insbesondere für die BRD wäre es empfehlenswert. Auch nach der nächsten Bundestagswahl wird es möglicherweise wieder eine grosse Koalition mit allen Nachteilen geben. Alternativ bieten sich nur Katastrophen an: Rotgrüngelb beispielsweise, da kaum Gemeinsamkeiten zwischen den Liberalen einerseits und den Rotgrünen andererseits existieren. Rotrotgrün, darüber mag ich nicht einmal nachdenken. Mit dem Mehrheitswahlrecht wären auch die Kommunisten für immer und ewig auf Bundesebene erledigt. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil!

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.02.2009 12:22
#9 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten

Zitat von VolkerD
In Antwort auf:
Eine Regierung erhält auf Zeit den Auftrag, die Geschäfte des Landes zu führen. Macht sie es gut, dann verlängert der Wähler diesen Auftrag. Macht sie es schlecht, dann wird er ihr entzogen, und die Opposition erhält ihn.

Welche Opposition? Die eine im Parlament? Und wenn die ebenfalls - nach Meinung von Bürgern - nur Mist erzählt? Wer ist dann die Alternative? Die Opposition ist so gut wie nie ein monolithischer Block.

Auch 14 Parteien können nach Meinung "der Bürger Mist erzählen", lieber VolkerD. Die Zufriedenheit mit Parteien hat nichts mit deren Zahl zu tun, sondern mit ihrer Leistung. In Israel sind die Bürger mit ihren vielen Parteien so unzufrieden, daß die jetzige Wahlbeteiligung von 65 Prozent bereits als gut gilt.

Was die Bürger nach allen Umfragen vor allem wollen, das ist eine stabile, handlungsfähige Regierung.

Ich bin sehr für Meinungsvielfalt. Aber warum ausgerechnet im Parlament? Die Diskussion, der Disput, die Entwicklung neuer Perspektiven - das gehört in die Öffentlichkeit. Es ist Sache der Presse, der Medien überhaupt, des "gesellschaftlichen Diskurses". Das Parlament soll nach meinem Verständnis nicht vielfältig sein, sondern fähig zu einer ordentlichen Gesetzgebung. Und die Regierung soll schon gar nicht vielfältig sein, sondern handlungsfähig.
Zitat von VolkerD
In Antwort auf:
Diese muß bereitstehen, die Regierung zu übernehmen. Und während sie das tut, hat sie im Parlament die wichtige Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren und deren Machtstreben zu zügeln.

Und wer kontrolliert die Kontrolleure?

Die Dritte Gewalt. Die Vierte Gewalt. Die Wähler.
Zitat von VolkerD
In Antwort auf:
Zitat von VolkerD
Ein reines Zwei-Parteien-System würde sich sowieso nur kurzzeitig (wenn überhaupt) etablieren, wie man an Großbritannien sieht.
Zitat Zettel
Die USA sind das Gegenbeispiel.

Die USA hat zwar zwei Parteien (allerdings noch viel mehr, die da und dort auch Mandatsträger stellen, aber diese sind auf der Staatsebene leider nicht vertreten), aber deren Abgeordnete sind alles andere als "diszipliniert".

So ist es, und so bewirkt es das Mehrheitswahlrecht. Ein amerikanischer Senator hat eine Freiheit und eine Macht, von der sich ein deutscher Bundestagsabgeorndeter kaum eine Vorstellung machen kann.

Herzlich, Zettel

dirk Offline



Beiträge: 1.538

11.02.2009 12:23
#10 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten

Lieber Zettel,

auch hier stimme ich Ihnen mal wieder voll und ganz zu. Als Vorteil des Verhältniswahlrechts wird ja oft genannt, dass keine Stimmen "unter den Tisch fallen" und auch Mindermeinungen repräsentiert werden.

Das Gegenteil ist der Fall. Im Verhältniswahlrecht kommt automatisch den Parteien eine große Macht zu. Via Koalitionszwang entscheiden 51 von 100 Abgeordneten über die Geschicke des Landes. Der Rest hat nichts zu sagen.

Und selbst das ist nur der erste Schritt. Denn in den Parteien gibt es wiederum innere Zirkel, sozusagen Parteien in den Parteien, so dass bereits 26 Abgeordnete über das Abstimmungsverhalten der 51 Koalitionäre entscheiden.

Stufe um Stufe liegt dann die tatsächliche Macht in immer weniger Händen, rund um den Vertrautenkreis des Parteichefs. Und je mehr offizielle Strukturen es gibt (Parteien, Landesverbände, Bezirksverbände,...) umso weniger Leute haben tatsächlich etwas zu sagen.

Im Mehrheitswahlrecht wäre das nicht so leicht, denn dann können die Abgeordneten leichter ihr Abstimmungsverhältnis wechseln. Die äußeren Kräfte wie Parteizugehörigkeit sind nicht so stark.

FTT_2.0 Offline



Beiträge: 537

11.02.2009 12:51
#11 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten

Zitat von dirk
Das Gegenteil ist der Fall. Im Verhältniswahlrecht kommt automatisch den Parteien eine große Macht zu. Via Koalitionszwang entscheiden 51 von 100 Abgeordneten über die Geschicke des Landes. Der Rest hat nichts zu sagen.


Das ist im klassischsten aller Mehrheitswahlsysteme, Großbritannien, natürlich viel besser. Da hat Labour in den letzten Wahlen mit 35 Prozent der Stimmen schlappe 55 Prozent der Mandate geholt. Die Parteien haben noch eine viel größere Macht als bei uns und mindestens 65 Prozent der Bevölkerung haben "nichts zu sagen".

Zitat von dirk

Im Mehrheitswahlrecht wäre das nicht so leicht, denn dann können die Abgeordneten leichter ihr Abstimmungsverhältnis wechseln. Die äußeren Kräfte wie Parteizugehörigkeit sind nicht so stark.


Ich denke, Sie vermischen hier das Wahlsystem mit dem Regierungssystem (Präsidentialismus vs. Parlamentarismus).

Zitat von Zettel
"Gerecht" oder auch nur "repräsentativ" ist daran gar nichts. Das Verhältnis- Wahlrecht erzeugt in aller Regel nur instabile Verhältnisse und eine Mentalität des Kuhhandels zwischen den Parteien. Das war in der Weimarer Republik so. Es war so in der italienischen Nachkriegs- Republik, bevor das Wahlrecht geändert wurde. Es war so in Frankreichs Vierter Republik, bevor mit der Fünften Republik das Mehrheits- Wahlrecht eingeführt wurde. Es ist traditionell so in Israel.


Deutschland ist nicht instabiler als Frankreich mit ihrer relativ hohen Fluktuation an Premierministern. Irland, Spanien, Schweden, Dänemark und Finnland sind nicht instabiler als das Vereinigte Königreich. Die "Mentalität des Kuhandels", wie sie es nennen, war und ist in vielen Gesellschaften (Schweiz, Niederlande, Belgien, Bosnien, Afrika etc. pp.) schlicht notwendig, um die Integrität bestimmter Staaten und Nationen zu sichern.

Und ich tendiere eher dazu, dass die konkurrenzdemokratischen Mechanismen die Lösung der "(nord-)irischen Frage" beispielsweise eher behindert statt befördert hat.

Eine einheitlich besseres Wahlsystem für alle Fälle existiert schlicht nicht.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.02.2009 13:29
#12 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten

Zitat von FTT_2.0
Zitat von Zettel
"Gerecht" oder auch nur "repräsentativ" ist daran gar nichts. Das Verhältnis- Wahlrecht erzeugt in aller Regel nur instabile Verhältnisse und eine Mentalität des Kuhhandels zwischen den Parteien. Das war in der Weimarer Republik so. Es war so in der italienischen Nachkriegs- Republik, bevor das Wahlrecht geändert wurde. Es war so in Frankreichs Vierter Republik, bevor mit der Fünften Republik das Mehrheits- Wahlrecht eingeführt wurde. Es ist traditionell so in Israel.

Deutschland ist nicht instabiler als Frankreich mit ihrer relativ hohen Fluktuation an Premierministern.

Daß in Frankreich der Regierungschef oft ausgewechselt wird, lieber FTT, ist nicht ein Ausdruck von Instabilität. Es ist zum einen der Ausdruck des Präsidialsystems; der Präsident wechselt seinen Premier aus, wenn er mit diesem nicht zufrieden ist. Zum anderen ist es Ausdruck des Umstands, daß der Premier eine Art Zwischenstellung zwischen dem Präsidenten und dem Parlament einnimmt: Er wird vom Präsidenten berufen, muß aber vom Parlament bestätigt werden. Hat die Partei des Präsidenten dort die Mehrheit, wie gegenwärtig, dann ist der Premier im wesentlichen der Mann des Präsidenten. (Man hat gesagt, Sarkzy behandle Fillon wie seinen Angestellten). In Perioden der Cohabitation ist hingegen der Premier der Mann des Parlaments.

Was die deutsche Stabilität angeht, so bestand sie bisher nicht wegen, sondern trotz des Verhältniswahlrechts. In einer historisch ganz außergewöhnlichen Entwicklung hat sich nach 1949 ein "Trend zum Zweiparteiensystem" herausgebildet, mit der FDP als Weltkind in der Mitten. (Die historischen Gründe dafür wären zu diskutieren; ein spannendes Thema).

Damit ist es jetzt vorbei. Heute steuern wir auch in der Bundesrepublik auf Weimarer Verhältnisse zu.

Die FDP liegt in der aktuellen Forsa-Umfrage bei 18 Prozent. Warum? Einer der Gründe dürfte, denke ich - man kann so etwas ja selten belegen - sein, daß allein eine schwarzgelbe Koalition nach dem 27. September eine stabile, handlungsfähige Regierung verspricht.

Wie die Große Koalition sich ständig selbst blockiert, sehen die Wähler tagtäglich. Daß es bei Ampel, Jamaika, oder gar einer von den Kommunisten tolerierten Minderheitsregierung noch schlimmer wäre, kann man sich an den fünf Fingern abzählen. Mein Rat an die Wahlkampfleitungen von Union und FDP für den September: Werbt mit "Für eine stabile, handlungsfähige Regierung!".

Daß es nur eine einzige mögliche Regierung gibt, die Stabilität verspricht, zeigt freilich auch, auf welchen Schlamassel wir zusteuern.
Zitat von FTT_2.0
Irland, Spanien, Schweden, Dänemark und Finnland sind nicht instabiler als das Vereinigte Königreich.

In den skandinavischen Staaten herrschte lange Zeit immer dann Stabilität, wenn die Sozialdemokraten ihre traditionelle absolute Mehrheit hatten. In den Zwischenperioden einer "bürgerlichen" Regierung stritten sich diese Parteien in ihrer Koalition, bis die Wähler bald wieder die Sozialdemokraten wählten.

Die Verhältnisse in Irland kenne ich nicht. Was Spanien angeht, hat es faktisch ein Zweiparteiensystem, obwohl es zahllose Parteien gibt. An welchen Eigenheiten des Wahlsystems das liegt, weiß ich nicht. Jedenfalls ist es kein lupenreines Verhältniswahlrecht; es wird laut Wikipedia "blockweise" (was immer das genau heißt) in Wahlbezirken abgestimmt, die den Provinzen entsprechen. Es gibt eine Sperrklausel.

Herzlich, Zettel

VolkerD Offline



Beiträge: 101

11.02.2009 14:10
#13 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten

In Antwort auf:
Das Parlament soll nach meinem Verständnis nicht vielfältig sein, sondern fähig zu einer ordentlichen Gesetzgebung.


Das ist nicht meine Meinung, aber da werden wir auch nie zu einem vernünfitgen Kompromiß kommen (müssen wir aber auch nicht, denn dafür haben wir eine Demokratie)
Andererseits ist es genau das, was ich in einem Parlament haben will: Viele Meinungen, durch deren Austausch am Schluß ein tragfähiger Kompromiß herauskommt (der, bei dem keiner zufrieden ist um ein berühmte Bonmot zu bemühen) - das möchte ich eben durch eine bestimmte Weltanschauungsorganisation und nicht durch eine bestimmte Person (wie in den USA).

In Antwort auf:
So ist es, und so bewirkt es das Mehrheitswahlrecht. Ein amerikanischer Senator hat eine Freiheit und eine Macht, von der sich ein deutscher Bundestagsabgeorndeter kaum eine Vorstellung machen kann.


Womit sie also eine Mehrparteienregierung bzw. -oppoistion haben, die aber weitaus unberechenbarer ist als eine organiserte Opposition in mehreren Parteien

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.02.2009 14:40
#14 Verständnis von einer liberalen Demokratie Antworten
Zitat von VolkerD
In Antwort auf:
Das Parlament soll nach meinem Verständnis nicht vielfältig sein, sondern fähig zu einer ordentlichen Gesetzgebung.

Das ist nicht meine Meinung, aber da werden wir auch nie zu einem vernünfitgen Kompromiß kommen (müssen wir aber auch nicht, denn dafür haben wir eine Demokratie)

Wer weiß, lieber Volker.

Wir haben ja hier diese Diskussion schon oft geführt; zu den glanzvollsten Vertretern Ihrer Meinung gehört R.A., an dessen Beiträge ich (mich) gern erinnere.

Natürlich geht es um das Verständnis von Demokratie; aber warum soll sich das nicht innerhalb einer Diskussion auch modifizieren?

Aus meiner Sicht hat der Staat zwei zentrale Aufgaben: Erstens unsere Freiheit zu sichern. Zweitens die laufenden Geschäfte zu führen - also dafür zu sorgen, daß die Wirtschaft funktioniert, daß wir eine gute Infrastruktur haben usw.

Das hat mit Weltanschauung wenig zu tun. Man braucht dafür keine Visionen, sondern Anstand, analytische Fähigkeiten, solide Kenntnisse; derlei. Das, was zum Beispiel Konrad Adenauer und Helmut Schmidt verkörperten.

Im Prinzip könnte ein Staat auch ohne Demokratie diesen Aufgaben gerecht werden; Theoretiker wie v. Kuehnelt-Leddihn haben das immer wieder betont. Aber eben nur im Prinzip. Faktisch kann es Freiheit nur geben, wenn die Regierenden genug Angst haben müssen, Nachteile zu erleiden, wenn sie unsere Freiheit einzuschränken versuchen. Faktisch werden sie sich nur anstrengen, die laufenden Geschäfte gut zu führen, wenn sie fürchten müssen, sonst in die Wüste geschickt zu werden.

Die liberale Demokratie, wie ich sie verstehe, ist die einzige Regierungsform, die darauf angelegt ist, den Mißbrauch von Macht einzudämmen, die Freiheit der Bürger zu sichern und gutes Regieren zu erreichen.

Das rechtfertigt sie; das macht sie unentbehrlich.

Ja, und was ist nun mit den vielfältigen Meinungen, den Weltanschauungen usw.? Sie haben ihren Platz in der Gesellschaft. Jeder muß sagen können, was er auf dem Herzen hat. Jeder muß für seine Weltanschauung werben können. Er soll seine Visionen entwerfen dürfen, wenn ihm denn danach ist. Er soll danach leben dürfen, selbstverständlich. Aber er soll sie nicht anderen aufzwingen dürfen. Auch nicht, wenn er an der Regierung ist.

Parlamente und Regierungen sind nicht dazu da, die Welt zu verändern, sondern das Land zu verwalten. Was passiert, wenn sie sich als Weltverbesserer verstehen, haben wir in den sieben Jahren Rotgrün erlebt.

Jeder hat das Recht, nach Kräften Strom zu sparen, weil er an eine Klimakatastrophe glaubt. Aber woher nimmt er das Recht, das auch denen aufzuzwingen, die an diese Katastrophe nicht glauben?



Sobald man beginnt, dem Parlament und der Regierung Funktionen und Kompetenzen zuzuschreiben, die in die Gesellschaft, die in weltanschauliche Diskussionen gehören, nähert man sich einen Schritt dem Totalitarismus. Vielleicht nur einen kleinen Schritt; aber es ist die Richtung.

Für das totalitäre Denken ist es die Aufgabe der Regierung, eine Weltanschauung zu vertreten und durchzusetzen. Für das totalitäre Denken ist es deren Aufgabe, Werte zu verkünden und ihnen Geltung zu verschaffen. Totalitär Denkende wollen die Gesellschaft verändern und setzen dazu auf Regierungen als Instrumente.

Herzlich, Zettel
PeterCoyote ( Gast )
Beiträge:

11.02.2009 14:42
#15 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten

vieleicht sollte man das Thema vom israelischen zum bundesdeutschen Fokus transportieren. Grosse Koalition wirklich eine so gute Perspektive? Oder Rotgrüngelb, wie soll das denn funktionieren? Tragen die Parteien im Fall solcher Mischmaschkonstellationen überhaupt noch eine Verantwortung für ihre Politik, welche gar nicht mehr die ihre ist? Wäre es nicht besser, wenn beispiesweise die SPD die Chance bekäme, eine Politik der "sozialen Gerechtigkeit" ungetrübt der Kompromisse mit "neoliberalen" Partnern sozusagen sozialdemokratisch rein umzusetzen?

C. Offline




Beiträge: 2.639

11.02.2009 14:52
#16 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten

Zitat von Zettel
Die FDP liegt in der aktuellen Forsa-Umfrage bei 18 Prozent. Warum? Einer der Gründe dürfte, denke ich - man kann so etwas ja selten belegen - sein, daß allein eine schwarzgelbe Koalition nach dem 27. September eine stabile, handlungsfähige Regierung verspricht.


Diesen Wunschtraum hatte ich bei der großen Koalition, selten habe ich mich so getäuscht und vermutlich wird schwarz-gelb aus ganz anderen Gründen wiederum eine Riesenenttäuschung. (Die FDP ist alerdings nur deshalb so beliebt, weil sie seit 1998 in der Opposition ist und deshalb keine großen Schaden anrichten konnte, wenn wir mal vom Wahlkampf 2002 absehen). Wir werden gar nicht so schnell schauen können, wie schwarz-gelb seine derzeitige Bundesratsmehrheit verlieren wird und ein Regieren gegen eine ökologisch linke Fundamentalopposition stelle ich mir unmöglich vor.

Was würde das Mehrheitswahlrecht in Deutschland bedeuten? Vermutlich wird die schon am Boden liegende SPD und Kommunisten unterwandert, die ihre Kandidaten durchprügeln können, wohingegen die derzeit sozialdemokratische CDU/CSU die Chance hätte eine konservativliberale Partei zu werden, die es aber schwer hätte sich gegen strammen Linkspopulismus zu wehren.




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str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

11.02.2009 18:06
#17 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten

Ja, Zettel, das haben Sie schon oft geschrieben und es wird Sie nicht wundern, daß ich Ihnen fundamental widersprechen muß.

Andere haben bereits darauf hingewiesen, daß es mehr als zwei Meinungen gibt und daher ein Zweiparteiensystem unnatürlich ist. Ich würde sogar sagen krankhaft, weil es alles mögliche polarisiert.

In dem klassischen Beispiel, das Sie anführen - in Großbritannien - gibt es ja eben kein Zweiparteiensystem sondern drei große und mehrere kleine Parteien. In Frankreich gibt es lose Wahlbündnisse und auch die Großparteien - insbesondere jene auf der Rechten - sind nicht eng gestrickt. In den USA ist das Parteiensystem ohnehin eine Malaise: zwei sich nur in der Breite wenig unterscheidende Wahlvereine stehen einander gegenüber. Wie oft diese beiden schon ihre Positionen vertauscht haben ist Legende.

Schon gar nicht können Sie die israelische Parteienlandschaft mit dem Wahlrecht erklären. Ja, Kleinstparteien haben sich zu größeren zusammengeschlossen, um wettbewerbsfähig zu sein. Insofern schon, aber das meinen Sie ja nicht. Bedenken Sie, daß Israel ein faktisch multinationaler Staat ist mit einer Bevölkerung die aus zig Ländern kommt. Ja, das Verhältniswahlrecht fördert nicht die Konzentration zu wenigen Großparteien - aber wenn ich mir Amerika anschauen - oder zunehmend auch Deutschland - dann bin ich darüber nicht traurig.

Das Parlament ist in jedem Staat nunmal dafür da, das Volk zu vertreten, sei es regional - das wäre die Begründung für ein Wahlkreis- bzw. Mehrheitswahlrecht - oder in der Gesamtheit, nach Meinungen differenziert - daher ein Parteien- bzw. Verhältniswahlrecht.

Natürlich will man eine stabile Regierung, aber der Weg dazu ist nicht die Disqualifizierung von Teilen der Wählerschaft, nicht die Dualisierung politischer Meinungen, sondern eine Methode, die jenes erreicht ohne dieses kaputtzumachen. Z.B. durch ein Präsdialsystem. Ein solcher Versuch (allerdings ein halbherziger) ist allerdings in Israel 2001 gescheitert.

Ihre theoretischen Überlegungen über Regierung und Opposition halte ich für ganz und gar irrig. Eine oppositionelle Minderheit kann eine Regierungsmehrheit nicht daran hindern, seine auf Zeit verliehene Macht zu mißbrauchen.

Ein Mehrheitswahlrecht läßt sich nicht durch den Wunsch nach stabilen Regierungen begründen, nur durch den Wunsch einer gleichmäßigen Repräsentation aller Landesteile, unter Hinnahme parteipolitischer Verzerrungen.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.

Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.

Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

11.02.2009 18:16
#18 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten
Zitat von Zettel
Zitat von VolkerD
Wenn man ein reines Arbeitsparlament möchte dann sollte es überspitzt sogar nur Vertreter einer Partei schaffen, dort repräsentatiert zu sein.

Nein, denn dann hätte man ja keine Demokratie.


Doch, denn man braucht keine Parteien für eine Demokratie. Hat man regionale Wahlkreise, dann stellen sich in jedem Wahlkreis mehrere Persönlichkeiten zur Wahl. Einer wird gewählt und so das ganze Parlament. Die Konkurrenz und Wahl durch das Volk ist gegeben.

Ich kann den Aussagen von FTT zu Minderheiten nur Recht geben. Wir hatten das ja alles schon, im 19.Jahrhundert dominierten in den meisten neuparlamentarischen Staaten eine liberale Elite aus Honoratioren die Parlamente. Die Stabilität, die hier erzielt wurde, war Stagnation und die Marginalisierung der anderen. Gerade Italien und Deutschland waren da Paradebeispiele. Der Ausgang war nicht der allerbeste!

Und die Schweiz fällt mir noch ein. Heute ein System des Allparteienproporz, doch dieser Staat begann 1848 damit, daß eine Minderheitespartei unter Bruch aller Verfassungsvereinbarungen sich selbst zur Alleinregierung eingesetzt hat. Nur langsam konnten andere Parteien ihre Beteiligung erkämpfen.

In Antwort auf:
Die USA sind das Gegenbeispiel.


Die USA haben keine zwei Parteien sondern zwei Wahlvereine, die sich an sich über weite Strecken kaum unterscheiden (wenn man von der extremistischen kulturellen Haltung der Demokraten in den letzten 35 Jahren absieht - aber selbst da ziehen die Republikaner ja nach, nur halt nicht ganz so extrem).

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.

Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.

Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

11.02.2009 18:18
#19 RE: Israel: Livni vorn Antworten

Noch ein technischer Verbesserungsvorschlag: im Eingangsbeitrag ist nicht klar, ob die Zahlen nun Prozent oder Sitze sind - ein Fehler, den schon der JPost-Artikel hat. Die Summe ist 120, die Zahlen also Sitze, nur wäre es besser dies dazuzuschreiben (inklusive der Gesamtsitze), damit es nicht jeder selbst nachrechnen muß.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.

Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.

Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

11.02.2009 18:28
#20 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten

Zitat von PeterCoyote
Mit dem Mehrheitswahlrecht wären auch die Kommunisten für immer und ewig auf Bundesebene erledigt. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil!


Eliminierung politisch unliebsamer Gruppen ist als Grund für Wahlrechtsfragen unlauter. Wir könnten das wählen auch ganz sein lassen!

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.

Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.

Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

11.02.2009 18:35
#21 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten

Zitat von Zettel
Ich bin sehr für Meinungsvielfalt. Aber warum ausgerechnet im Parlament?


Sie widersprechen sich einerseits selbst, denn oben lehnten Sie noch die Gleichung Parteien = Meinungen ab, nun benutzen Sie sie selber.

Andererseits machen Sie ein Parlament völlig überflüssig. Parlament kommt von "parler", bereden - es ist der Ort wo politische Meinungen ausgetauscht werden und zwar so, daß nicht irgendwer mit irgendwem redet sondern die Repräsentaten des ganzen Staatsvolkes, was aber nur geht wenn nicht Gruppen durch Manipulationen ausgeschlossen werden.

Die Diskussion außerhalb des Parlaments kann ja leicht verzerrt werden, durch einen Mob oder durch eine Jornalistenklasse, die Schweigespirale etc. Keinesfalls ist es "Sache der Presse", "der Möbelindustrie" oder sonst eines Wirtschaftszweiges.

In Antwort auf:
Das Parlament soll nach meinem Verständnis nicht vielfältig sein, sondern ...


... einfältig?

In Antwort auf:
Die Dritte Gewalt.


Die Justiz? Das führt zur Judikratie, siehe Amerika.

In Antwort auf:
Die Vierte Gewalt.


Eine Gewalt dieser Nummer ist mir nicht bekannt.

In Antwort auf:
Die Wähler.


Jene, die Sie teilweise ausschließen wollen? Jene, denen Sie vorschreiben wollen, wie sie zu wählen haben?

PS. Ein Popstar-Präsident ist kein gutes Beispiel dafür, daß Minderheiten im Mehrheitswahlrecht durchkommen.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.

Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.

Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

11.02.2009 18:48
#22 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten

Zitat von FTT_2.0
Zitat von dirk
Das Gegenteil ist der Fall. Im Verhältniswahlrecht kommt automatisch den Parteien eine große Macht zu. Via Koalitionszwang entscheiden 51 von 100 Abgeordneten über die Geschicke des Landes. Der Rest hat nichts zu sagen.


Das ist im klassischsten aller Mehrheitswahlsysteme, Großbritannien, natürlich viel besser. Da hat Labour in den letzten Wahlen mit 35 Prozent der Stimmen schlappe 55 Prozent der Mandate geholt. Die Parteien haben noch eine viel größere Macht als bei uns und mindestens 65 Prozent der Bevölkerung haben "nichts zu sagen".


Dirk hat teilweise Recht:

1. Ein Verhältniswahlrecht setzt Parteien voraus und zementiert ihre Existenz.

2. Ein Mehrheitswahlrecht hat gewisse retardierende Elemente in Bezug auf Parteienmacht.

Aber eben nur teilweise.

1. Ein Mehrheitswahlrecht verhindert nicht die Bildung von Partein.

2. Ein Mehrheitswahlrecht verringert, verhindert aber nicht die Abhängigkeit von Abgeordneten von ihren Parteien.

3. Ein Mehrheitswahlrecht gibt einer Minderheitspartei an Stimmen plötzlich eine satte Regierungs- und v.a. Gesetzgebungsmehrheit.

Was besonders schwerwiegend ist in Ländern wie Großbritannien, wo es keinerleit Gegenmacht mehr gibt. Mit nur 50% plus einer Stimme in Parlament kann die Minderheitsregierungspartei plötzlich alles möglich tun und lassen was sie will (und wie die Wahlen 1940 gezeigt haben, auch mal Wahlen ausfallen lassen), ohne durch qualifizierende Mehrheite gebunden zu sein, ohne das ein seit 100 Jahren entmachtetes Oberhaus etwas verhindern könnte. Die Krone hat ohnehin nichts zu sagen, denn ihre Prärogative maßt sich ein Premier an, der seit gut 40 Jahren inzwischen auch allein von der Minderheitsregierungspartei bestimmt wird. Kein erstrebenswerter Zustand.

In Antwort auf:
eine Mentalität des Kuhhandels zwischen den Parteien.


Der Kuhhandel ist die Natur jedweder auf verschiedenen und widerstreitenden Interessen basierenden Politik. Es gibt nur eine Alternative: ein Macht mit einem Interesse setzt sich rücksichtslos durch. Man nennt es Diktatur.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.

Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.

Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.

Llarian Offline



Beiträge: 7.115

11.02.2009 19:10
#23 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten

In Antwort auf:
Die USA sind das Gegenbeispiel.

Nein, lieber Zettel, nicht einmal darin würde ich Ihnen recht geben. Die USA sind die USA und durch ihre spezielle Gesellschaftsstruktur, ihre Verfassung und ihre Haltung zur eigenen Gesellschaft von den Europäern derart verschieden, dass diese Vergleiche nicht nur auf einem Bein hinken. In den USA hat der Präsident die uneingeschränkte Macht. Eines Präsidenten. Und nicht mehr als das. Er kann keine Gesetze erlassen. Und seine Regierung beschränkt sich auf die Rechte, die ihm die amerikanische Verfassung lässt und das ist gar nicht so viel, da die breite Mehrheit der Regelung auf föderaler Ebene stattfindet.
Es war in just diesem Forum, dass jemand sinngemäss schrieb, die Amerikaner erwarten von ihrem Präsidenten, dass er eine Art von "Gute-Laune-Onkel" vorstellt, der allen gut zuredet, die Verteidigung organisiert und sich ansonsten aus ihrem Leben heraushält.
Das lässt sich mit Deutschland beispielsweise nicht im Ansatz vergleichen.

Sie machen sich Sorgen um die Handlungsfähigkeit der deutschen Regierung. Ich mache mir Sorgen, dass die viel zu handlungsfähig ist und auch die letzten Jahre gewesen ist. Wenn ich mir vorstelle, dass einem Wolfgang Schäuble oder einem Sigmar Gabriel noch mehr Macht zufällt, als sie heute schon ausüben, dann läuft es mir kalt den Rücken runter. Sehen Sie sich doch einmal die Zunahme an Gesetzen, Verordnungen, Maßregelungen, Gängelungen und ausufernde Bürokratie an ! Das ist nicht zuwendig handlungsfähig,
das ist viel ZU handlungsfähig. Es fehlt jedes Korrektiv, dass die Eingriffe der Poltik ins reale Leben begrenzt, stattdessen nimmt das Maß in einem gerade unertäglichem Verhältnis zu. Das ist meines Erachtens keine Folge der Zersplitterung der Interessen, sondern eine Folge des deutschen Politikverständnisses. Und diesem Verständnis mehr Macht zuzubilligen, um Himmels willen ! Solange sich das nicht im Grundlegenden ändert, bin ich manches mal ganz froh, dass Leute wie Schäuble oder Gabriel noch ausgebremst werden.

Omni Offline



Beiträge: 255

11.02.2009 21:00
#24 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten

In Antwort auf:

Im Mehrheitswahlrecht wäre das nicht so leicht, denn dann können die Abgeordneten leichter ihr Abstimmungsverhältnis wechseln. Die äußeren Kräfte wie Parteizugehörigkeit sind nicht so stark.


Wenn die Abgeordneten ihr Abstimmungsverhalten ändern können, dann kann dieses Verhalten offensichtlich keine große Rolle spielen. z.Bsp. weil die Mehrheit so überwältigend ist, dass viele Abweichler toleriert werden können. Aber was bringt mir als Wähler das im Endeffekt, wenn die Abgeordneten sich den Luxus leisten können, nach Gewissen abzustimmen, weil genug Loyale vorhanden sind, die die Parteilinie durchsetzen? Für das Endergebnis der Abstimmung hat es offensichtlich keine Relevanz.

dirk Offline



Beiträge: 1.538

11.02.2009 21:25
#25 RE: Zitat des Tages: "Das Wahlystem ist gescheitert" Antworten

Lieber Omni,

im Mehrheitswahlrecht unterliegt der Abgeordnete einem geringerem Fraktionszwang nicht weil die Regierungspartei eine komfortablere Mehrheit hat sondern weil er weniger abhängig von der Partei ist. Er muss nicht auf Listen aufgestellt werden.

Ausserdem muss der Abgeordnete erst einmal seinen Wahlkreis gewinnen und wird dadurch eher "gemäßigt" sein als der durchschnittliche Parteisoldat.

Nehmen wir zum Beispiel das Glühlampenverbot. So etwas wird von einer kleinen Gruppe Abgeordneter initiiert und dann Machtzirkel um Machtzirkel durchgesetzt. Ich behaupte, mit einem Mehrheitswahlrecht, bei dem sich der Abgeordnete seinem Wahlvolk gegenüberrechtfertigen muss und nicht den Parteifunktionären, denen er den Listenplatz verdankt, würde es mit geringerer Wahrscheinlichkeit ein Parlament passieren.

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