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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 17 Antworten
und wurde 1.523 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

02.03.2009 16:52
Zitat des Tages: Die Franzosen und die Beamten Antworten

Frankreich und seine Beamten: Das ist eine Liebes-Haß-Beziehung. Die Franzosen lieben die Freiheit. Mehr noch lieben sie die Sicherheit.

Überall in der Welt wollen die Leute so wenig Beamte wie möglich. Nur in Frankreich wollen sie mehr davon.

FTT_2.0 Offline



Beiträge: 537

02.03.2009 18:58
#2 RE: Zitat des Tages: Die Franzosen und die Beamten Antworten

Wie Sie gesagt haben, kommt dieses Ergebnis für Leute, die Frankreich etwas kennen, natürlich so überraschend wie der Abstiegskampf für Arminia Bielefeld.

In Antwort auf:
Natürlich kann in einem Beamtenstaat von Effizienz keine Rede sein. Allerdings sind die an der ENA ausgebildeten französischen Beamten ungleich besser als die Beamten irgendwo sonst in Europa. Sie sind folglich unter den Einäugigen König.


Das hingegen widerspricht meinen Erfahrungen der französischen Verwaltung im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Vielleicht könnten Sie konkretisieren, wo die gallische Beamtenschaft "besser" ist.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

02.03.2009 19:31
#3 RE: Zitat des Tages: Die Franzosen und die Beamten Antworten

Zitat von FTT_2.0
Das hingegen widerspricht meinen Erfahrungen der französischen Verwaltung im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Vielleicht könnten Sie konkretisieren, wo die gallische Beamtenschaft "besser" ist.

Hm, ich kann das nur sehr begrenzt, lieber FTT.

Um ehrlich zu sein - das ist eine Meinung, die ich seit 1958 habe. Damals war ich das erste Mal in Paris, bei meinem Onkel, der vom Bonner Innenministerium an die OEEC abgeordnet war. Zugleich war er Professor an der Verwaltungshochschule in Speyer.

Er hat mir dieses Vorurteil vermittelt. Er hat mir geschildert, wie die Énarques deshalb, weil sie besser ausgebildet waren, die europäischen Institutionen beherrschten. Wie sie z.B. Franzosisch als die Lingua Franca dieser Institutionen durchsetzten.

Danach habe ich immer mal wieder Artikel gelesen, die mir das bestätigten. Zum Beispiel, daß Frankreich die besten Absolventen der ENA nach Brüssel schickt, Deutschland hingegen zweitklassige Bürokraten. Kürzlich hatte, glaube ich, der "Spiegel" eine Geschichte darüber. Wenn es sie interessiert, suche ich sie heraus.

Und ein Äquivalent zur ENA gibt es ja in Deutschland gar nicht - oder kennen Sie eins?

Herzlich, Zettel

FTT_2.0 Offline



Beiträge: 537

02.03.2009 19:47
#4 RE: Zitat des Tages: Die Franzosen und die Beamten Antworten
Zitat von Zettel

Um ehrlich zu sein - das ist eine Meinung, die ich seit 1958 habe. Damals war ich das erste Mal in Paris, bei meinem Onkel, der vom Bonner Innenministerium an die OEEC abgeordnet war. Zugleich war er Professor an der Verwaltungshochschule in Speyer.

Er hat mir dieses Vorurteil vermittelt. Er hat mir geschildert, wie die Énarques deshalb, weil sie besser ausgebildet waren, die europäischen Institutionen beherrschten. Wie sie z.B. Franzosisch als die Lingua Franca dieser Institutionen durchsetzten.

Danach habe ich immer mal wieder Artikel gelesen, die mir das bestätigten. Zum Beispiel, daß Frankreich die besten Absolventen der ENA nach Brüssel schickt, Deutschland hingegen zweitklassige Bürokraten. Kürzlich hatte, glaube ich, der "Spiegel" eine Geschichte darüber. Wenn es sie interessiert, suche ich sie heraus.

Und ein Äquivalent zur ENA gibt es ja in Deutschland gar nicht - oder kennen Sie eins?


Wenn Sie von der Ausbildung der Verwaltungsspitzen reden, habe ich wiederum keine Ahnung. Ich kenne nur etwas die bürgerlichen Alltagserfahrungen mit öffentlichen Verwaltungen in mehreren europäischen Ländern (v.a. in Frankreich, Bruxelles-Capitale und Italien). In diesem Zusammenhang muss ich sagen, sind die Deutschen - zumindest dort, wo ich gewohnt habe, im Süden - gut verwaltet.

So eine Kaderschule wie die ENA gibt es meines Wissens in Deutschland so nicht. Speyer selber soll wissenschaftlich top sein, ist aber wohl nicht das Gleiche.
Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

02.03.2009 21:09
#5 RE: Zitat des Tages: Die Franzosen und die Beamten Antworten

Zitat von FTT_2.0
Zitat von Zettel
Natürlich kann in einem Beamtenstaat von Effizienz keine Rede sein. Allerdings sind die an der ENA ausgebildeten französischen Beamten ungleich besser als die Beamten irgendwo sonst in Europa. Sie sind folglich unter den Einäugigen König.


Das hingegen widerspricht meinen Erfahrungen der französischen Verwaltung im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Vielleicht könnten Sie konkretisieren, wo die gallische Beamtenschaft "besser" ist.

Meine spontane Assoziation: in einem anderen Kontext unterschied Zettel zwischen "gebildet" und "ausgebildet".

Ich bin mir sicher, dass die rigorose Auswahl an der ENA sehr selektiv ist. Ob da allerdings die Selektion irgendetwas mit der Qualität der Absolventen als Beamte zu tun hat, ist mir nicht unmittelbar klar. Für mich liegt am ehesten der Vergleich mit den konfuzianischen Examina im kaiserlichen China nahe.

--
Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

03.03.2009 00:04
#6 RE: Zitat des Tages: Die Franzosen und die Beamten Antworten

Lieber Zettel,

ihre Aussage:

"Eine vergleichbare Umfrage in Deutschland kenne ich nicht. Ich fürchte aber, daß sie im Osten und im Westen sehr unterschiedliche Ergebnisse liefern würde."

ist wahrscheinlich richtig, aber ich glaube, dass ihnen da andere Stimmenverhältnisse vorschweben als mir. Könnten sie ihre Aussage bitte konkretisieren? Wie würden sich ihrer Meinung nach die Unterschiede manifestieren?

Beste Grüße, Calimero

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.03.2009 12:12
#7 RE: Zitat des Tages: Die Franzosen und die Beamten Antworten

Interessant wäre zu prüfen, wie die Bezahlung der Verwaltungsspitzen in Frankreich ist (ab der Ebene, wo sich die Enarchen tummeln).

In Deutschland ist der öffentliche Dienst für wirkliche Spitzenkräfte finanziell ja eher unattraktiv.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.03.2009 14:00
#8 RE: Zitat des Tages: Die Franzosen und die Beamten Antworten

Zitat von Calimero
ihre Aussage:
"Eine vergleichbare Umfrage in Deutschland kenne ich nicht. Ich fürchte aber, daß sie im Osten und im Westen sehr unterschiedliche Ergebnisse liefern würde."
ist wahrscheinlich richtig, aber ich glaube, dass ihnen da andere Stimmenverhältnisse vorschweben als mir. Könnten sie ihre Aussage bitte konkretisieren? Wie würden sich ihrer Meinung nach die Unterschiede manifestieren?

Berechtigte Nachfrage, lieber Calimero.

Meine Antwort wird Sie allerdings vielleicht enttäuschen, denn sie ist trivial: Ich glaube, daß man sich in Ostdeutschland eher als im Westen eine Ausweitung des Öffentlichen Dienstes wünscht. Aus dem ebenfalls trivialen Grund, daß man daran gewöhnt ist, daß der Staat sich um alles kümmert.

Wenn ich so etwas geschrieben habe, dann geht mir anschließend oft durch den Sinn: Aber das ist doch zwanzig Jahre her! Es scheint mir aber, daß Mentalitäten sich nur langsam ändern. Sie werden von den Eltern auf die Kinder übertragen.

Herzlich, Zettel

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

03.03.2009 15:23
#9 RE: Zitat des Tages: Die Franzosen und die Beamten Antworten

Lieber Zettel,

ich glaube, die Gemengelage ist noch komplizierter. Mit der Mentalität, möglichst Vieles in öffentliche Hände delegieren zu wollen, haben sie sicher Recht, aber es geht im ZR-Artikel ja um Beamte!

Und da kommt dann die althergebrachte "Gerechtigkeitsmentalität" zum tragen (man könnte es auch schlicht Neid nennen). Der öffentliche Dienst ist ja gegenüber dem Rest der Bevölkerung schon "semiprivilegiert" (geregeltes Einkommen, sicherer Arbeitsplatz), Beamte allerdings sind eine privilegierte Kaste in unkündbarer Anstellung und mit verhältnismäßig hohem Einkommen. Es gibt hierzulande auch nicht so viele davon, da der öffentliche Dienst Verbeamtungen scheut (Lehrer z.B. werden im Allgemeinen angestellt, gerne auch befristet).

Da Otto Normalbürger nun selbst keine Chance hat, eine Beamtenstelle zu ergattern, wird er wohl einer Ausweitung des Berufsbeamtentums auch eher kritisch gegenüber stehen.

Beste Grüße, Calimero

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.03.2009 18:07
#10 RE: Zitat des Tages: Die Franzosen und die Beamten Antworten

Zitat von Calimero
ich glaube, die Gemengelage ist noch komplizierter. Mit der Mentalität, möglichst Vieles in öffentliche Hände delegieren zu wollen, haben sie sicher Recht, aber es geht im ZR-Artikel ja um Beamte!

Ja, allerdings gibt es, lieber Calimero, in Frankreich die Unterscheidung zwischen Beamten und Angestellten im Öffentlichen Dienst nicht. Alle sind fonctionnaires mit einem Status, der zwischen dem unserer Beamten und Angstellten liegt. Sie sind zB nicht wie unsere Beamten unkündbar (obwohl ihnen selten gekündigt wird), und es gibt keine Regelbeförderung (sondern man muß sich jeweils einem concours stellen - sehr französisch). Es gibt übrigens in Frankreich fast sechs Millionen fonctionnaires; insgesamt sind rund ein Viertel der Arbeitnehmer im Öffentlichen Dienst beschäftigt (einschließlich zB der Staatsbahn SNCF, deren Angestellte nicht den Status von fonctionnaires haben).
Zitat von Calimero
Und da kommt dann die althergebrachte "Gerechtigkeitsmentalität" zum tragen (man könnte es auch schlicht Neid nennen). Der öffentliche Dienst ist ja gegenüber dem Rest der Bevölkerung schon "semiprivilegiert" (geregeltes Einkommen, sicherer Arbeitsplatz), Beamte allerdings sind eine privilegierte Kaste in unkündbarer Anstellung und mit verhältnismäßig hohem Einkommen.

Wenn ich es recht weiß, gab es ja auch in der DDR keine Beamten mehr. Man sah sie wohl als ein Überbleibsel des Kapitalismus oder gar des Feudalismus an.

Was die Bezahlung angeht - bis vor einigen Jahrzehnten waren Beamte deutlich schlechter bezahlt als Leute mit vergleichbaren Aufgaben in der Wirtschaft. Es galt in meiner Jugend: Als Beamter verdienst du zwar nicht viel, hast aber die Sicherheit. (Mein Urgroßvater war "Bahnbeamter" der einfachen Laufbahn; miserabel bezahlt, aber unheimlich stolz darauf, daß er Beamter war).
Zitat von Calimero

Da Otto Normalbürger nun selbst keine Chance hat, eine Beamtenstelle zu ergattern, wird er wohl einer Ausweitung des Berufsbeamtentums auch eher kritisch gegenüber stehen.

Ja, das leuchtet mir ein. Es ist eine ambivalente Haltung, wie sie, denke ich, in der DDR überhaupt gegenüber der Obrikeit vorherrschte.

Vielleicht irre ich mich ja auch - aber zumindest die PDS ist die klassiche Partei des Öffentlichen Dienstes. Und was ich bei Besuchen in der Ex-DDR immer wieder festgestellt habe, ist eine Mentalität der Art: "Die da oben sollen mal was machen". Wobei nicht die Kapitalisten gemeint waren, sondern der Staat.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.03.2009 18:09
#11 RE: Zitat des Tages: Die Franzosen und die Beamten Antworten

Zitat von R.A.
Interessant wäre zu prüfen, wie die Bezahlung der Verwaltungsspitzen in Frankreich ist (ab der Ebene, wo sich die Enarchen tummeln).

Gute Frage. Ich habe leider noch keine Besoldungsordnung finden können, hatte aber auch keine Zeit, gründlich zu suchen. Falls ich was finde, melde ich mich noch einmal.

Herzlich, Zettel

PeterCoyote ( Gast )
Beiträge:

03.03.2009 21:46
#12 RE: Zitat des Tages: Die Franzosen und die Beamten Antworten

In Antwort auf:
Der öffentliche Dienst ist ja gegenüber dem Rest der Bevölkerung schon "semiprivilegiert" (geregeltes Einkommen, sicherer Arbeitsplatz), Beamte allerdings sind eine privilegierte Kaste in unkündbarer Anstellung und mit verhältnismäßig hohem Einkommen.


Unkündbar und in Sicherheit sein, ist es, was die Leute wollen. Dazu noch ein formal geregelter Werdegang (Ausbildung, Lehrgänge,...), nahezu frei vom Zufall und der Willkür des Marktes. Ich weiß nicht, wie es sich in Frankreich verhält, aber in der BRD scheint sich die Sozialismuspopularität auf die vom starken Staat geregelte Sicherheit zu reduzieren.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

03.03.2009 22:12
#13 RE: Zitat des Tages: Die Franzosen und die Beamten Antworten

Zitat von Zettel
Zitat von R.A.
Interessant wäre zu prüfen, wie die Bezahlung der Verwaltungsspitzen in Frankreich ist (ab der Ebene, wo sich die Enarchen tummeln).

Gute Frage. Ich habe leider noch keine Besoldungsordnung finden können, hatte aber auch keine Zeit, gründlich zu suchen.

Hilft das?
http://fr.wikipedia.org/wiki/Fonction_pu..._fran%C3%A7aise

--
Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

PeterCoyote ( Gast )
Beiträge:

03.03.2009 22:13
#14 RE: Zitat des Tages: Die Franzosen und die Beamten Antworten

In Antwort auf:
Ich glaube, daß man sich in Ostdeutschland eher als im Westen eine Ausweitung des Öffentlichen Dienstes wünscht.


bestimmt. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre es zweifellos das Ergebnis.

Ich fürchte allerdings, daß die Zustimmung zur Ausweitung des Öffentlichen Dienstes auch unter den Westdeutschen mit Dauer und Intensität der Rezession, flankiert durch die Propaganda der Parteien zunehmen wird. Kulturelle Prägungen werden dann sichtbar, die schon einmal den Zustand herbeiführten, daß linke und rechte Mehrheiten gleichermassen von der Überlegenheit der Wirtschaftsplanung und des starken Staates über das Chaos des wahlweise angeblich britischen und angeblich jüdischen "Kapitalismus" überzeugt waren.

Mir ist nicht klar, inwieweit die Vorstellung, daß sich der Staat sich um alles kümmert, zwischenzeitlich zurückgedrängt wurde. Wenn ich da nur an die Einflüsse primärer und sekundärer Sozialisation während unserer Kindheit und Jugend denke. Bin mir nicht sicher, daß spätere Generationen liberaleren Einflüssen ausgesetzt waren bzw sind. Auch die breite Basis der Neoliberalismushetze und der blitzschnelle populistische Schwenk von vormals antietatistischen Grünen und insbesondere von der zuvor für die Agenda 2010 stehzenden SPD hinzu staatsfixierten Lösungsansätzen sprechen m.E doch dafür, daß dieses Land, welches, und daran sein einmal erinnert, einen fachlich inkompetenten Wirrkopf hervorbrachte, dessen religiöses Glaubenssystem nur scheinbar paradoxerweise nicht zum Absterben, sondern zur gigantischsten Ausweitung des Staates in der Sowjetunion und anderen sozialistischen Länder führte, die kulturellen Wurzeln nicht gekappt hat.


FTT_2.0 Offline



Beiträge: 537

03.03.2009 22:33
#15 RE: Zitat des Tages: Die Franzosen und die Beamten Antworten

Zitat von PeterCoyote
Ich fürchte allerdings, daß die Zustimmung zur Ausweitung des Öffentlichen Dienstes auch unter den Westdeutschen mit Dauer und Intensität der Rezession, flankiert durch die Propaganda der Parteien zunehmen wird. Kulturelle Prägungen werden dann sichtbar, die schon einmal den Zustand herbeiführten, daß linke und rechte Mehrheiten gleichermassen von der Überlegenheit der Wirtschaftsplanung und des starken Staates über das Chaos des wahlweise angeblich britischen und angeblich jüdischen "Kapitalismus" überzeugt waren.


Ich denke, dass die "Staatsgläubigkeit" - ich setze das in Anführungszeichen, weil ich nicht einmal glaube, dass der "Staat" dabei der Bezugspunkt war - der 30iger Jahre in dieser Art und Weise auch in Deutschland wenige Anknüpfungspunkte gehabt hatte und außerdem zur damaligen Zeit beileibe kein deutsches Phänomen waren. Selbst in den USA war ja FDR am Zug. Am Vorabend des 2. WK scheinen mir autoritäre und totalitäre Regimes eher die Regel als die Ausnahme in Europa gewesen zu sein.

Zitat von PeterCoyote
Mir ist nicht klar, inwieweit die Vorstellung, daß sich der Staat sich um alles kümmert, zwischenzeitlich zurückgedrängt wurde. Wenn ich da nur an die Einflüsse primärer und sekundärer Sozialisation während unserer Kindheit und Jugend denke. Bin mir nicht sicher, daß spätere Generationen liberaleren Einflüssen ausgesetzt waren bzw sind. Auch die breite Basis der Neoliberalismushetze und der blitzschnelle populistische Schwenk von vormals antietatistischen Grünen und insbesondere von der zuvor für die Agenda 2010 stehzenden SPD hinzu staatsfixierten Lösungsansätzen sprechen m.E doch dafür, daß dieses Land, welches, und daran sein einmal erinnert, einen fachlich inkompetenten Wirrkopf hervorbrachte, dessen religiöses Glaubenssystem nur scheinbar paradoxerweise nicht zum Absterben, sondern zur gigantischsten Ausweitung des Staates in der Sowjetunion und anderen sozialistischen Länder führte, die kulturellen Wurzeln nicht gekappt hat.


Die Schwenks fallen den Grünen leicht. Schließlich ist da buchstäblich alles vertreten. Welchen inkompetenten meinen sie genau?

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

04.03.2009 11:19
#16 RE: Zitat des Tages: Die Franzosen und die Beamten Antworten

Zitat von Zettel
Was die Bezahlung angeht - bis vor einigen Jahrzehnten waren Beamte deutlich schlechter bezahlt als Leute mit vergleichbaren Aufgaben in der Wirtschaft. Es galt in meiner Jugend: Als Beamter verdienst du zwar nicht viel, hast aber die Sicherheit. (Mein Urgroßvater war "Bahnbeamter" der einfachen Laufbahn; miserabel bezahlt, aber unheimlich stolz darauf, daß er Beamter war).


Das ist interessant, lieber Zettel. Mein Vater war ebenfalls Eisenbahner (im gehobenen Dienst) und geradezu beleidigt, wenn man ihn als Beamten bezeichnete, für seine damaligen Kollegen gilt das Gleiche. Das liegt daran, dass die Eisenbahn spätestens seit nach dem Krieg (mein Vater hat 1957 bei der Eisenbahn begonnen) ein regelrechter Staat im Staate war. Mit Eisenbahnerwohnungen, Freifahrtprivilegien, Rundum-Sozialleistungen (Urlaub über das BSW). Man war stolz auf die Eisenbahn und sah auf alle "gewöhnlichen" Beamten herunter. Auch mag es sein, dass gerade im (damals noch) obrigkeitskritischen Freistaat "Beamter" sowieso ein Schimpfwort war.

Was die Bezahlung angeht: Als die Privatisierung dräute, haben einige Beamte den Absprung in die freie Wirtschaft gemacht (vor allem ins Speditionsgewerbe), und hatten ausnahmslos Einbußen, da sie, um die gleichen Pensionsansprüche mit einer normalen Altersversorgung zu erwerben, ein vergleichsweise astronomisches Gehalt beziehen müssten.

Gruß Petz

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

04.03.2009 11:56
#17 RE: Zitat des Tages: Die Franzosen und die Beamten Antworten

Zitat von Gorgasal
Hilft das?
http://fr.wikipedia.org/wiki/Fonction_pu..._fran%C3%A7aise

Leider nur teilweise.
So wie dort beschrieben entsprechen die hier diskutierten ENArchen wohl den Kategorien A+ und A++.
Aber über die genaue Höhe der Rémuneration schweigt sich Wikipedia aus, und ich bin da mit Googlen auch nicht weiter gekommen.

Könnte sein, daß eine gewisse Intransparenz durchaus gewollt ist - es ist z. B. auch sehr schwer herauszubekommen, was in Deutschland ein Minister oder Staatssekretär verdient. Obwohl das natürlich grundsätzlich eine öffentlich zugängliche Information ist.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

04.03.2009 17:17
#18 RE: Zitat des Tages: Die Franzosen und die Beamten Antworten

Zitat von Meister Petz
Zitat von Zettel
Was die Bezahlung angeht - bis vor einigen Jahrzehnten waren Beamte deutlich schlechter bezahlt als Leute mit vergleichbaren Aufgaben in der Wirtschaft. Es galt in meiner Jugend: Als Beamter verdienst du zwar nicht viel, hast aber die Sicherheit. (Mein Urgroßvater war "Bahnbeamter" der einfachen Laufbahn; miserabel bezahlt, aber unheimlich stolz darauf, daß er Beamter war).

Was die Bezahlung angeht: Als die Privatisierung dräute, haben einige Beamte den Absprung in die freie Wirtschaft gemacht (vor allem ins Speditionsgewerbe), und hatten ausnahmslos Einbußen, da sie, um die gleichen Pensionsansprüche mit einer normalen Altersversorgung zu erwerben, ein vergleichsweise astronomisches Gehalt beziehen müssten.

Ja, das hat sich eben im Lauf des Zwanzigsten Jahrhunderts radikal geändert. Mein Urgroßvater war ein kleiner Bahnbeamter (ich glaube, er hatte so eine kleine Station, wo er den Tag über allein saß und die Schranke hoch- und runterkurbelte) unter dem Kaiser, dann zur Weimarer Zeit; in dieser wurde er pensioniert. Als ich ihn um 1947, 1948 herum noch kurz als Kind kennenlernte, bevor er starb, war er schon hoch in den Achtzigern.

Das war die Generation von Beamten, die miserabel bezahlt wurden. So miserabel, daß mein Urgroßvater zB nebenher eine kleine Landwirtschaft betrieb.

Dann stiegen die Gehälter im Öffentlichen Dienst unaufhörlich (der Kluncker-Streik war ein Durchbruch), und die Beamtenbesoldung wurde stets angepaßt. Heute lebt man als deutscher Beamter wie Gott in Frankreich.

Herzlich, Zettel

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