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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 8 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

02.04.2009 09:50
Fantasia Antworten

Ja, ich gebe es gern zu, daß mein Bild Arabiens durch Karl May geprägt wurde. Nur bin ich immer wieder verblüfft, wie wenig sich offenbar seit der Zeit Karl Mays dort geändert hat. Wie weit seine Beschreibungen immer noch zutreffen, zum Beispiel diejenige der Verhältnisse im Irak.

Die Araber sind, so vermittelt es uns Karl May, Phantasten. Die Fantasia repräsentiert das. Und es muß wohl etwas dran sein. Behaupte ich jedenfalls in diesem Artikel.

john j Offline




Beiträge: 591

02.04.2009 18:51
#2 RE: Fantasia Antworten

Hm, wir reden hier von dem Karl May der die Gegenden (und ihre Leute, Kultur etc) die er beschrieb entweder gar nicht oder Jahre nach der Veroffentlichung seiner Werke persoenlich bereist und kennengelernt hat? Da waere mir Lawrence of Arabia als Quelle lieber, immerhin hatte er selber erlebt was er beschrieb.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

02.04.2009 19:16
#3 Karl May Antworten

Zitat von john j
Hm, wir reden hier von dem Karl May der die Gegenden (und ihre Leute, Kultur etc) die er beschrieb entweder gar nicht oder Jahre nach der Veroffentlichung seiner Werke persoenlich bereist und kennengelernt hat?

Ja. Aber um etwas zu kennen, muß man ja nicht dort gewesen sein. Karl May hat geradezu unglaublich genau recherchiert, bevor er etwas geschrieben hat.

Als Kind/Jugendlicher habe ich das gar nicht gemerkt. Da interessierten mich nur die Abenteuer. Wenn ich jetzt Karl May wieder lese, komme ich aus dem Staunen nicht heraus. Im Orient-Zyklus, der mit "Durch die Wüste" beginnt und mit "Der Schut" endet, zieht man durchs ganze Osmanische Reich - vom Maghreb bis ins heutige Bosnien. An jedem Ort sind die Verhältnisse, sind die Menschen verschieden. Ein Panorama der damaligen Welt, realistisch gezeichnet.

In den beiden Bänden "Am Rio de la Plata" und "In den Cordilleren" wird ein glänzendes Bild der politischen Verhältnisse im damaligen Uruguay gezeichnet. Sogar bei kleinen Werken wie "Zobeljäger und Kosak" hat Karl May sorgfältig recherchiert.

Er war, darin Arno Schmidt nicht unähnlich, ein phantastischer Realist. So, wie Dalí seine erdachten Welten mit penibel realistisch gezeichneten Details füllte, schickte Karl May seine Helden in realistisch beschriebene Welten, in denen sie freilich die unwahrscheinlichsten Abenteuer erleben.

Herzlich, Zettel


john j Offline




Beiträge: 591

02.04.2009 20:11
#4 RE: Karl May Antworten

"Aber um etwas zu kennen, muß man ja nicht dort gewesen sein."

Aber es hilft - und vor allem macht es die Beschreibungen ungleich wertvoller und glaubwuerdiger. Vor allem wenn man aus ihnen nach uber 100 jahren noch Erkenntnisse ziehen will.

"Im Orient-Zyklus, der mit "Durch die Wüste" beginnt und mit "Der Schut" endet, zieht man durchs ganze Osmanische Reich - vom Maghreb bis ins heutige Bosnien."

Tja, nur dass halt Algerien, Aegypten und Tunesien (was dem Maghreb betrifft) schon zur Zeit Karl May's gar nicht mehr zum Osmanischen Reich gehoerten, ebenso wie Bosnien uebrigens.

"In den beiden Bänden "Am Rio de la Plata" und "In den Cordilleren" wird ein glänzendes Bild der politischen Verhältnisse im damaligen Uruguay gezeichnet."

Da wuerde mich doch die Meinung eines Lateinamerika-Historikers/Soziologen interessieren ob das wirklich so ist. Vor allem da die Cordilleren ja hunderte von Kilometern von Uruguay entfernt sind (ich gehe hier nach dem Buchtitel, habe das Buch selber nicht gelesen).

Scheint mir ein bisschen so zu sein als wuerde man sich auf Emilio Salgari berufen um ein realistisches Bild der Karibik oder Malaysias in der jeweilgen Epoche zu erhalten.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

02.04.2009 20:46
#5 RE: Karl May Antworten

Neinein, lieber John, so einfach kriegen Sie den alten Schwadronierer Karl May nicht.

Sie können sich darauf verlassen, daß die Daten und Fakten stimmen, sogar das Sprachliche. Er hat sich eine riesige Mühe gemacht, den Eindruck zu erwecken, daß er alle diese Sprachen wirklich beherrscht.

Zitat von john j
Tja, nur dass halt Algerien, Aegypten und Tunesien (was dem Maghreb betrifft) schon zur Zeit Karl May's gar nicht mehr zum Osmanischen Reich gehoerten, ebenso wie Bosnien uebrigens.

Da irren Sie. Wie gesagt, auf Karl May ist Verlaß.

"Durch die Wüste" beginnt, wie jeder weiß, mit dem "Toten im Wadi Tarfaui". Das liegt in Tunesien. Tunesien war bis 1881 dem Sultan in Istanbul tributpflichtig. Danach erklärte es sich zum französischen Protektorat, aber der Sultan beließ seine Beamten dort, und diese walteten weiter ihres Amtes (siehe H.H. Gerlach, Karl-May-Atlas, S. 161). Auch das andere ist, lieber John, genau so, wie ich es beschrieben habe.
Zitat von john j
"In den beiden Bänden "Am Rio de la Plata" und "In den Cordilleren" wird ein glänzendes Bild der politischen Verhältnisse im damaligen Uruguay gezeichnet."
Da wuerde mich doch die Meinung eines Lateinamerika-Historikers/Soziologen interessieren ob das wirklich so ist. Vor allem da die Cordilleren ja hunderte von Kilometern von Uruguay entfernt sind (ich gehe hier nach dem Buchtitel, habe das Buch selber nicht gelesen).

Ja, natürlich. Das zweibändige Werk beginnt in Montevideo, also Uruguay. Dann zieht man über Perdido Richtung Salto, überquert den Rio Uruguay und ist dann in der Provinz Entre Rios (weil sie nämlich zwischen dem Uruguay und dem Parana liegt), die zu Argentinien gehört. Auch der zweite Band - "In den Cordilleren" - spielt in Argentinien, vor allem im Gran Chaco. Dorthin gelangt man, indem man den Parana hochfährt. (Der "Rio de la Plata" ist ja gar kein Fluß, sondern das gemeinsame Mündungsgebiet von Parana und Uruguay).

Herzlich, Zettel

john j Offline




Beiträge: 591

02.04.2009 21:57
#6 RE: Karl May Antworten

"Durch die Wüste" beginnt, wie jeder weiß, mit dem "Toten im Wadi Tarfaui".

Wusste ich schon mal nicht. Wusste auch nicht dass es sowas wie einen Karl May-Atlas gibt. Ich sehe schon ich habe es hier mit einem echten Fan zu tun.

Aber eine Formulierung ihrerseits finde ich dann doch, naja bezeichnend im Hinblick auf Karl May: "Er hat sich eine riesige Mühe gemacht, den Eindruck zu erwecken, daß er alle diese Sprachen wirklich beherrscht." Es ist halt doch ein himmelweiter Unterschied zwischen "Eindruck erwecken" und tatsaechlich beherrschen, so wie T.E. Lawrence, der selber fliessend arabisch sprach(und im Gegensatz zu Karl May ERST vor Ort war und DANN darueber schrieb).

Und wenn man mal von Beschreibungen von Gegenden, Landschaften, Staedten etc absieht dann finde ich doch (zumindest mit meinem begrenzten Einblick was Karl May betrifft), dass seine Schilderungen von Voelkern und Nationen viele unangenehme Stereotype enthalten - vielleicht nicht ungewoehnlich fuer seine Zeit und seine Herkunft, aber halt doch zumindest ziemlich unzeitgemaess heutzutage und wohl auch oft unzutreffend, wie alle Stereotype.



Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.04.2009 03:35
#7 RE: Karl May Antworten

Zitat von john j
"Durch die Wüste" beginnt, wie jeder weiß, mit dem "Toten im Wadi Tarfaui".
Wusste ich schon mal nicht. Wusste auch nicht dass es sowas wie einen Karl May-Atlas gibt. Ich sehe schon ich habe es hier mit einem echten Fan zu tun.

Absolut. Als Junge habe ich alles von ihm gelesen - praktischerweise gab es eine Leihbücherei um die Ecke, die seine kompletten Gesammelten Werke hatte.

Dann habe ich ihn ein zweites Mal entdeckt, als Arno Schmidt, auch er mit diesem Leseerlebnis aus der Jugend, sein "Sitara und der Weg dorthin" publizierte; da war ich schon Student.

Und ein drittes Mal habe ich ihn vor ein paar Jahren entdeckt. Dazwischen hatte ich viele von den grünen Bänden verschenkt, was ich heute sehr bereue. Dann kam die "Zürcher Ausgabe" heraus, und jetzt habe ich wieder das Wichtigste. Und das andere gibt es auf CD-ROM, bei Zweitausendeins zu kaufen.
Zitat von john j
Aber eine Formulierung ihrerseits finde ich dann doch, naja bezeichnend im Hinblick auf Karl May: "Er hat sich eine riesige Mühe gemacht, den Eindruck zu erwecken, daß er alle diese Sprachen wirklich beherrscht." Es ist halt doch ein himmelweiter Unterschied zwischen "Eindruck erwecken" und tatsaechlich beherrschen, so wie T.E. Lawrence, der selber fliessend arabisch sprach(und im Gegensatz zu Karl May ERST vor Ort war und DANN darueber schrieb).

Ja, selbstverständlich. Karl May war ein Sohn armer Leute, als Kind erblindet gewesen. Unter äußersten Anstrengungen schaffte er es bis zum Lehrerseminar, wo er dann durch kleine Diebstähle - vielleicht wollte er die Uhr auch wirklich nur heimlich leihen, um damit anzugeben - auf die schiefe Bahn kam. Die ihn immerhin zum Zuchthäusler machte; mehrere Jahre im Zuchthaus Waldheim.

Er saß dort vor allem wegen Betrügereien und Hochstapeleien und wäre vermutlich zum Berufsverbrecher geworden, wenn er es nicht fertiggebracht hätte, diese Neigung zum Angeben und Hochstapeln produktiv zu machen, indem er ihr schriftstellerisch ihren Lauf ließ.

Aber er hat das eben nicht schlampig gemacht, sondern er hat sich größte Mühe gegeben, zu recherchieren. Er hat alles gelesen, was es an Berichten wirklicher Reisender gab, hat Atlanten und Wörterbücher gewälzt. Er wollte, daß alles echt wirkte.
Zitat von john j
Und wenn man mal von Beschreibungen von Gegenden, Landschaften, Staedten etc absieht dann finde ich doch (zumindest mit meinem begrenzten Einblick was Karl May betrifft), dass seine Schilderungen von Voelkern und Nationen viele unangenehme Stereotype enthalten - vielleicht nicht ungewoehnlich fuer seine Zeit und seine Herkunft, aber halt doch zumindest ziemlich unzeitgemaess heutzutage und wohl auch oft unzutreffend, wie alle Stereotype.

Was meinen Sie, lieber John? Er hat die Indianer nicht als blutrünstige Wilde gezeichnet, sondern als Opfer des Weißen Mannes; da war er noch vielen Hollywood-Filmen des Zwanzigsten Jahrhunderts voraus.

Er hat auch die Araber sehr differenziert geschildert. Klischeehaft wurde er immer dann, wenn es für ihn persönlich wurde: Alle diese Polizisten, Beamten, Aufseher usw. sind grundsätzlich brutale Dummköpfe, die Kara ben Nemsi natürlich fertiggemacht werden.

Wie überhaupt das Ganze ein einziger Ego-Trip ist. Wunderbare Allmachtsphantasien.

Herzlich, Zettel

vivendi Offline



Beiträge: 663

03.04.2009 12:47
#8 RE: Karl May Antworten

Eigentlich ist das Thema ja nicht Karl May, aber ich habe als Junge alle Bände gelesen, mehrmals, unsere Nachbarn hatten die ganze Sammlung. Weglegen konnte ich die Bücher kaum, oft hatte ich bis spät in die Nacht gelesen. Vor wenigen Jahren (nach über 50 Jahren!) ist mir wieder ein Buch in die Hände gefallen. Der Effekt war der selbe, ich habe das Buch in einem Zug durchgelesen, gleich zwei einmal.

Zurück zur Konferenz: Die Arroganz von Gaddafi ist beängstigend, das Schweigen der anderen Teilnehmer ist erschreckend. Ich erinnere daran, dass seit mehreren Monaten in der Schweizer Botschaft in Lybien zwei Geiseln wohnen, deren Ausreise von Gaddafi verweigert wird. Grund dafür ist die vorübergehende Verhaftung eines Sohnes von Gaddafi in Genf, nachdem dessen zwei Dienstpersonen Anzeige wegen körperlicher Misshandlung erstattet hatten. Die Anklage wurde inzwischen von den betroffenen Angestellten "zurückgezogen".

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.04.2009 12:58
#9 RE: Karl May Antworten

Zitat von vivendi
Eigentlich ist das Thema ja nicht Karl May, aber ich habe als Junge alle Bände gelesen, mehrmals, unsere Nachbarn hatten die ganze Sammlung. Weglegen konnte ich die Bücher kaum, oft hatte ich bis spät in die Nacht gelesen. Vor wenigen Jahren (nach über 50 Jahren!) ist mir wieder ein Buch in die Hände gefallen. Der Effekt war der selbe, ich habe das Buch in einem Zug durchgelesen, gleich zwei einmal.

Off topic gibt es hier ja nicht, lieber Vivendi. Ich finde es nicht nachteilig, wenn sich ein Gespräch so entwickelt wie auch im RL - man kommt halt von einem Thema auf ein anderes.

Mit Karl May geht es mir wie Ihnen. Er hat eine suggestive Wirkung wie - natürlich auf einer ganz anderen literarischen und intellektuellen Ebene - auch Arno Schmidt.

Und ich glaube, der Grund ist ähnlich: Es sind Tagträume, die beide beschreiben. Auch ohne Inneren Monolog wird man in die Perspektive des Ich-Helden hineingezogen. Und dieser ist der Stärkste, Edelste usw. Es ist eine kindliche Wunscherfüllung.

Herzlich, Zettel

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