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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 62 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

01.04.2009 03:01
PC gegenüber Moslems Antworten

Man muß nicht gleich so weit gehen wie Whorf und Sapir, die meinten, die Sprache bestimme das Denken. Jedenfalls aber ist es ein wichtiger Teil des Kampfs um kulturelle Dominanz, sich die Herrschaft über die Sprache zu sichern.

Jetzt haben das offenbar auch Moslems gemerkt. Jedenfalls die Gewährsleute von Chris Seiple, des Autors, mit dem sich dieser Artikel befaßt.

Friedel B. Offline




Beiträge: 49

01.04.2009 05:48
#2 RE: PC gegenüber Moslems Antworten
Die Versuche von Politikern und anderen Wohlmeinenden, sich die Herrschaft über die Sprache zu sichern, sind bislang zumindest bei mir völlig fehlgeschlagen. Beispielsweise gibt es in der politisch korrekten Diskussion kein "deutsches Volk" mehr (obgleich der Begriff noch in schönster Antiqua über dem Reichstag prangt) und kaum mehr "die Gesellschaft", sondern nur noch Menschen ("Wir müssen mehr für die Menschen in Deutschland tun"); dennoch habe ich noch niemals einen solchen wahrgenommen, sondern immer nur entweder Männer oder Frauen. Auch wenn sich die unter http://tinyurl.com/d5mzme nachzulesende EU-Richtlinie zum geschlechtsneutralen Sprachgebrauch durchsetzen sollte, werde ich wahrscheinlich immer noch dort eine Polizistin sehen, wo ich lediglich eine Polizeikraft hätte erblicken dürfen. Mein Wahrnehmen und Denken beeinflussen die Vorschriften also nicht; schlimm ist jedoch nach meiner Ansicht, dass sie mich zu Unehrlichkeit und zur Heuchelei zwingen. Wenn ich einen Afrikaner sehe, denke ich als armer, elender, sündiger Mensch (M. Luther) unwillkürlich "Sieh da, ein Neger!", doch sagen darf ich das um keinen Preis, sondern muss verkünden "Ich habe eine(n) deutsche(n) MitbürgerIn mit afrikanischem Migrationshintergrund getroffen". Besonders kompliziert wird es mit den von ihnen ebenfalls erwähnten Zigeunern. Wenn mir einer von ihnen begegnet ist, kann ich ja nicht berichten: "Ich habe einen Sinti und Roma kennen gelernt", denn es war ja nur einer. Ich müsste also je nach Stammes- und Geschlechtszugehörigkeit sagen "einen Sinto" (Mann), "eine Sintiza" (Frau), "einen Rom" (Mann) oder "eine Romni" (Frau), aber dann wüsste wahrscheinlich niemand, wovon ich eigentlich rede. Glücklicherweise aber kenne ich kaum jemanden, der sich political correct ohne ironisches Augenzwinkern ausdrückt - Ausnahmen sind allenfalls solche Zeitgenossen, die ihre Sätze mit der offenbar immer beliebter werdenden Floskel "... sag ich mal" beenden und damit zugeben, dass sie lediglich Luftmoleküle in Schwingungen versetzt, aber weder ihre Meinung noch sonst etwas kund getan haben. Ich vermute (vielleicht deshalb, weil ich es hoffe und wünsche), dass nur diejenigen die von Ihnen zitierten Sprachregelungen verinnerlichen werden, die sich beim Sprechen ohnehin nichts denken.
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

01.04.2009 09:45
#3 RE: PC gegenüber Moslems Antworten

Danke, lieber FriedelB., für diesen Kommentar - durchdacht und präzise formuliert wie immer, wenn Sie sich entschließen, etwas zu kommentieren.

Das Schlimme ist aus meiner Sicht, daß man sich der PC ja gar nicht entziehen kann. Auch ich nenne einen Neger nicht mehr einen Neger, denn das tun ja wirklich nur noch Rassisten.

Hat sich eine Sprachregelung durchgesetzt, dann wird ein Verstoß gegen sie nicht als Ausdruck von Liberalität und Souveränität wahrgenommen, sondern als Chiffre dafür, daß man diskriminieren will.

So, wie man den Teufel früher einmal nicht mehr den Teufel nannte, sondern den "Leibhaftigen Gottseibeiuns".Andernfalls setzte man sich dem Verdacht aus, mit dem Satan im Bunde zu stehen.

Oder - schönstes Beispiel - wie die Hosen vor hundert Jahren nicht die Hosen waren (weil dieses Wort mit dem assoziert wurde, was vorn und hinten darunter ist), sondern die "Unaussprechlichen".

Herzlich, Zettel

Shin Offline




Beiträge: 26

01.04.2009 10:35
#4 RE: PC gegenüber Moslems Antworten

Ich sehe einen Unterschied zwischen den eingangs genannten westlichen "Tabu"wörtern und den von Seiple genannten. Bei ersteren handelt es sich um Personenbezeichnungen, die teilweise tatsächlich als beleidigend interpretiert werden können:

"Neger" ist zwar nur ein anderes Wort für "Schwarzer", ähnelt aber dem englischen "Nigger", was vermutlich zu seiner Tabuisierung führte.
"Zigeuner" leitet sich offensichtlich von "ziehende Gauner" ab, was nicht gerade eine höfliche Bezeichnung ist.
"Eskimo" allerdings wird sogar von manchen Eskimos als Selbstbezeichnung verwendet, bis auf die Inuit, die das größte Eskimo-Volk sind und es gerne sähen, wenn alle Eskimos Inuit genannt würden.
"Behinderter" oder zumindest "Blinder" und "Tauber" habe ich noch nicht als tabuisiert erlebt, und auch ersteres verwende ich selbst nach wie vor, da es eine akkurate und nicht beleidigende Bezeichnung ist und "Menschen mit besonderen Bedürfnissen" einfach zu idiotisch klingt.
"Fräulein" allerdings gehört als Diminutiv ohne männliches Pendant tatsächlich auf den Müllhaufen der Sprachgeschichte. Es käme ja auch niemand auf die Idee, unverheiratete Männer "Männlein" zu nennen ;-)

Nach dieser Auflistung hätte ich damit gerechnet, dass es sich bei den zehn von Seiple genannten Worten um solche wie "towelhead" oder "raghead" handeln würde, also beleidigende Bezeichnungen für Moslems. Dies ist allerdings nicht der Fall, sondern es handelt sich um Konzepte. Das ist etwa so, als würde in Deutschland das Wort "Holocaust" tabuisiert, was trotz der Sensibilität des Themas ja zum Glück nicht der Fall ist, und würde jede Diskussion darüber unmöglich machen.
Ich halte derartige Diskussionsverbote für weitaus problematischer als den Verlust einiger teilweise tatsächlich nicht ganz einwandfreier Bezeichnungen für bestimmte Menschen.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

01.04.2009 10:52
#5 Etymologie Antworten

Zitat von Shin
"Zigeuner" leitet sich offensichtlich von "ziehende Gauner" ab, was nicht gerade eine höfliche Bezeichnung ist.

Das ist eine beliebte volksetymologische Deutung von "Zigeuner"; das mag insofern ein Argument dafür sein, dieses Wort nicht zu verwenden. Eine korrekte Etymologie ist das aber nicht:
http://de.wikipedia.org/wiki/Zigeuner#Ve...n.2C_Etymologie
Das sieht man schon daran, dass verwandte Wörter in anderen Sprachen existieren, z.B. tsigane im Französischen, wo man sicherlich keine "ziehende Gauner"-Etymologie anführen kann.

--
Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

FTT_2.0 Offline



Beiträge: 537

01.04.2009 11:03
#6 RE: PC gegenüber Moslems Antworten

Zitat von Shin
"Fräulein" allerdings gehört als Diminutiv ohne männliches Pendant tatsächlich auf den Müllhaufen der Sprachgeschichte. Es käme ja auch niemand auf die Idee, unverheiratete Männer "Männlein" zu nennen ;-)


Ist das männliche Pendant nicht "Junker"?

Hajo Offline



Beiträge: 440

01.04.2009 11:19
#7 RE: PC gegenüber Moslems Antworten

PC gegenüber ethnischen Gruppen ist m.E. die eine Sache. Ich kann das, wenn auch nicht gutheißen, so doch wenigstens nachvollziehen.

Was ich viel schlimmer finde, ist diese "Genderei" an den unmöglichsten Stellen. Jüngst las ich ein Dokument einer anderländischen Hochschule, wo es offenbar bereits verpflichtend ist so zu formulieren, und verstand den Text überhaupt nicht. Es ist dies die Geiselnahme des eigentlichen Inhalts zu Gunsten der Ideologie.

Früher hat man einen Text vielleicht mit "Gott schütze die Königin" o.ä. beschlossen, aber das hier geht viel weiter, weil es sich wie ein Krebsgeschwür durch den gesamten Text zieht. Es ist die Vergewaltigung von Sprache als Ausdruck des Geistes und zwingt zu permanentem Tribut an eine PC-Idologie, welche schlimmer kaum sein könnte.

Alleine schon aus Protest gegen diesen Angriff auf die Ausdrucksfreiheit, welcher ausschließlich aufgrund ideologischer Perversion erfolgt, sollte man ... Ach, ich muß mich hier mäßigen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

01.04.2009 11:22
#8 RE: PC gegenüber Moslems Antworten

Lieber Shin,

im Kern gebe ich Ihnen Recht: Es handelt sich um Sprachregelungen auf verschiedenen Ebenen. Sprachregelungen sind es aber, auf der einen wie der anderen Ebene.

Im Einzelnen:

Zitat von Shin
"Neger" ist zwar nur ein anderes Wort für "Schwarzer", ähnelt aber dem englischen "Nigger", was vermutlich zu seiner Tabuisierung führte.

Im Deutschen gibt es diesen lautlichen Anklang. Aber die Tabuisierung kommt ja aus den USA.

"Negro" ist lange Zeit ein in keiner Weise herabsetzende Bezeichnung gewesen. Wir haben das noch bei den Negro Spirituals. Es gab Negro Universities.

Dann setzte - ab etwa den sechziger Jahren - eine ganze Kaskade von Umbenennungs- Vorschriften ein.

Zuerst wurde Negro durch Colored ersetzt. Davon erhalten geblieben ist der Name der größten Organisation von Coloreds, der NAACP - National Association for the Advancement of Colored People.

Dann war die correcte Bezeichnung black. Black is beautiful. Black Pride.

Dann wurde auch das für incorrect erklärt, und nur noch Afro-American war correct. Und aus den Red Indians wurden Native Americans. Als ich das vor Jahrzehnten das erste Mal gehört habe, dachte ich, es handle sich um Amerikaner, die im Land geboren sind.
Zitat von Shin
"Zigeuner" leitet sich offensichtlich von "ziehende Gauner" ab, was nicht gerade eine höfliche Bezeichnung ist.

Offensichtlich? Die Etymolgie ist ungeklärt. Vielleicht stammt das Wort vom griechischen atsinganoi ab, Wahrsager, Zauberer. Dafür spricht, daß die Zigeuner im Französischen tsiganes heißen. Eine andere Möglichkeit ist die Herkunft von der indischen Landschaft czigania. Siehe hier. "Zieh-Gauner" ist Volksetymologie; so wie die Armbrust von Arm und Brust hergeleitet wurde.
Zitat von Shin
"Eskimo" allerdings wird sogar von manchen Eskimos als Selbstbezeichnung verwendet, bis auf die Inuit, die das größte Eskimo-Volk sind und es gerne sähen, wenn alle Eskimos Inuit genannt würden.

Ja, sollen sie doch, lieber Shin. Jedem ist doch freigestellt, wie er sich selbst und wie er andere nennt. Wenn mich in Frankreich jemand einen boche nennt, dann freue ich mich nicht, aber ich werde ihm das doch nicht verbieten.

Wenn jemand sich durch ein Wort beleidigt fühlt, dann verbietet es der Anstand, es ihm gegenüber zu verwenden. Aber dazu bedarf es doch keiner Sprachregelung.
Zitat von Shin
"Behinderter" oder zumindest "Blinder" und "Tauber" habe ich noch nicht als tabuisiert erlebt, und auch ersteres verwende ich selbst nach wie vor, da es eine akkurate und nicht beleidigende Bezeichnung ist und "Menschen mit besonderen Bedürfnissen" einfach zu idiotisch klingt.

Diese Wörter sind aber politisch incorrect. Es heißt "Mensch mit Behinderung", weil argumentiert wird, daß Wörter wie "Behinderter" den Menschen auf diesen einen Aspekt reduzieren, behindert zu sein. Wenn ich einmal in einer Vorlesung versehentlich von Blinden gesprochen habe, dann erhob sich ein Zischen im Auditorium. Es heißt "Menschen mit einer Sehbehinderung".

In den USA ist es noch extremer; da ist das Wort "handicapped" als solches tabu. Stattdessen heißt es "challenged". Ein Scherz war es allerdings, als lanciert wurde, Zwerge müßten forthin "vertically challenged" genannt werden.
Zitat von Shin
"Fräulein" allerdings gehört als Diminutiv ohne männliches Pendant tatsächlich auf den Müllhaufen der Sprachgeschichte. Es käme ja auch niemand auf die Idee, unverheiratete Männer "Männlein" zu nennen ;-)

Ist das eine Begründung? Es gibt eben kulturelle Traditionen, die selten logisch sind. Wer promoviert ist, der führt den Dr. im Namen. Warum nicht auch der Handwerksmeister den Meister ("Mstr. Karl Huber")?
Zitat von Shin
Ich halte derartige Diskussionsverbote für weitaus problematischer als den Verlust einiger teilweise tatsächlich nicht ganz einwandfreier Bezeichnungen für bestimmte Menschen.

Es sind ja keine Diskussionsverbote, lieber Shin. Seiple will nur, daß wir im Umgang mit Moslems diese Wörter nicht verwenden. Sie sollen tabuisiert werden, wie eben alle Wörter, die nicht pc sind.

Allerdings nur für den Umgang mit Moslems. Diese Wörter überhaupt abzuschaffen verlangt Seiple ausdrücklich nicht.

Herzlich, Zettel


Zettel Offline




Beiträge: 20.200

01.04.2009 11:25
#9 RE: Etymologie Antworten

Das kommt davon, wenn ich mal wieder Abhandlungen verfasse statt eine kurzen Antwort, liebe Gorgasal.

Just das habe ich gerade geschrieben, nur brauchte ich viel länger als Sie.

Herzlich, Zettel

Nola ( gelöscht )
Beiträge:

01.04.2009 11:51
#10 RE: PC gegenüber Moslems Antworten
Zitat von Shin
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"Fräulein" allerdings gehört als Diminutiv ohne männliches Pendant tatsächlich auf den Müllhaufen der Sprachgeschichte. Es käme ja auch niemand auf die Idee, unverheiratete Männer "Männlein" zu nennen ;-)
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Es ist ja nicht nur im deutschen Sprachgebrauch üblich (gewesen). Wie zum Beispiel "Miss" ist eine unverheiratete Frau, "Mrs." oder "Misses" eine verheiratete Frau, abgeleitet aus dem Wort Mistress das Gegenstück für Mister und bezeichnete damals einfach nur eine Dame, egal ob verheiratet oder unverheiratet. Heute soll Mistress angeblich eine andere Bedeutung, nämlich "Geliebte".

Diese, durch Namenszusatz offensichtliche Bekanntgabe des familiären Status, hatte wohl früher die Partnersuche erleichtert. Und da die wohlerzogenen Frauen von sich aus nicht den Anfang machen durften, war es auch nicht nötig das es "Männlein" gab. Mann war Mann und bezeugte seine Heiratsabsicht ansonsten arrangierte man sich mit beidseitigem Einverständnis aber ohne Eheversprechen. Auch hat es wohl den Beschützerinstinkt im Manne geweckt, wenn er Fräulein M. aus unliebsamen Situationen retten konnte, außer es war ein "älteres Fräulein" eine alte Jungfer sozusagen.

Da heute die Partnersuche über Internet und Zeitungen etc. stattfinden kann, ist diese offensichtliche Bezeichnung längst überflüssig geworden, obwohl sicher manches Männlein sich noch gern an die Zeiten: "Ach Fräulein Müller kommen Sie doch mal zum Diktat in mein Büro und nehmen Sie doch auch Ihre Brille ab" erinnern möchte.

♥lich Nola


Die wahre Verantwortung trägt der Mitläufer in jedem von uns.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

01.04.2009 12:05
#11 RE: PC gegenüber Moslems Antworten

Liebe Nola,

zum "Fräulein" zwei Erinnerungen vom Ende der sechziger Jahre, als ich ein hoffnungsvoller Jung- Wissenschaftler war.

Erste: Mein Chef heuerte eine ältere, unverheiratete Dame als Sekretärin an, traute sich aber nicht, sie zu fragen, ob sie lieber "Frau" oder "Fräulein" genannt werden wollte. Also beauftragte er mich damit, sie das zu fragen. Ich traute mich aber auch nicht, sondern meldete ihm kühn das, was ich für das Wahrscheinliche hielt: Sie wolle "Frau" genannt werden. Als er das dann tat, war sie eingeschnappt und erklärte, sie sei immer noch ein Fräulein, und das möge man doch bitteschön respektieren.

Zweite: Ein paar Jahre später, schon APO-Zeit: Ich sprach die Studentinnen in den Seminaren natürlich mit "Fräulein XYZ" an. Als ich das bei einer tat, war ihre Reaktion: "Warum so förmlich, Herr Zettel? Duzen wir uns doch einfach. Ich bin die Brigitte".

Da fiel ich allerdings aus allen Wolken. Ich nenne sie jetzt Brigitte, aber sie hieß anders und ist heute eine sehr bekannte Professorin. Schon damals ihrer Zeit voraus.

Herzlich, Zettel

Shin Offline




Beiträge: 26

01.04.2009 12:20
#12 RE: PC gegenüber Moslems Antworten

In Antwort auf:
Ist das männliche Pendant nicht "Junker"?

Das sagt aber auch niemand mehr ;-)

Bei den Zigeunern habe ich mich offenbar geirrt. Dennoch gibt es offenbar die Assoziation mit dem Wort "Gauner", was ich für ausschlaggebend halte.

In Antwort auf:
Jedem ist doch freigestellt, wie er sich selbst und wie er andere nennt.

Volle Zustimmung. Deshalb kann ich allerdings auch die Aufregung über die PC-Begriffe nicht nachvollziehen. Wenn bestimmte Begriffe gesellschaftlich geächtet werden, selbst wenn dies auf Initiative einer bestimmten Gruppe hin geschieht, würde ich dies nicht als verbindliche Sprachregelung wie "Neusprech" auffassen. Es gibt zum Glück auch niemanden, der über die hierzu notwendige Autorität verfügt. Für mich ist die Verdrängung bestimmter Begriffe ein ganz normaler Bestandteil der sprachlichen Evolution, der freilich teils auch seltsame Blüten treibt, und dem man sich nicht immer beugen sollte. Ich für meinen Teil werde niemals "Mensch mit besonderen Bedürfnissen" oder "Mensch mit Migrationshintergrund" sagen. Dass ich hingegen Schwarze nicht Neger nenne, weil die meisten von ihnen dies als beleidigend empfinden, halte ich für selbstverständlich.

Nola ( gelöscht )
Beiträge:

01.04.2009 12:33
#13 RE: "Fräuleinwunder" Antworten

"Wir Olschen" unter uns".

Ja, lieber Zettel, es ist merkwürdig womit manche Begriffe rückblickend assoziiert werden. Eine Begebenheit in meiner Jugend, ist mir da sehr warmherzig in Erinnerung geblieben. Mit 12 Jahren und Einsetzen der ersten Menstruation, was meine Mutter an meinen Vater verpetzte, der wiederum mich in die Arme nahm und mir lächelnd sagte: Ach Nola ist Fräulein geworden. Ich fand das damals zuerst unangenehm, aber es nahm mir die Scham und erhob mich gleichzeitig ein wenig in den Erwachsenenstatus.

In einer anderen Kultur, hätte ich dann ein Kopftuch bekommen und wäre vom eigentlichen Leben weggesperrt worden.

♥lich Nola


Die wahre Verantwortung trägt der Mitläufer in jedem von uns.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

01.04.2009 12:46
#14 Initiation; Siezen Antworten
Zitat von Nola
In einer anderen Kultur, hätte ich dann ein Kopftuch bekommen und wäre vom eigentlichen Leben weggesperrt worden.

Und das wäre gar nicht so schlecht gewesen, liebe Nola.

Wir haben ja kürzlich über "Pubertät" diskutiert, anläßlich des Schulmassakers von Winnenden. Ich habe mich sehr gewundert, als jemand meinte, daß ein Siebzehnjähriger noch in der Pubertät sei.

Die meisten traditionellen Gesellschaften erleichtern den Übergang ins Erwachsenenalter ungemein dadurch, daß sie eine klare Grenze ziehen, mit den Initiationsriten.

Die Jungen müssen sich Proben unterziehen, wir kennen das von Karl May. Die Mädchen werden nach der Menarche erst einmal isoliert. Jungen wie Mädchen gehen als Kinder da hinein und kommen als Erwachsene heraus. Der Rollenwechsel ist ungleich einfacher als bei uns, wo sie über Jahre hinsichtlich ihrer sozialen Rolle unsicher sind.



Bei uns Evangelen gibt es wenigstens noch die Konfirmation. Auch die Jugendweihe in der DDR hatte ihren guten Sinn, und ich empfehle sie oder etwas Ähnliches den Nichtreligiösen.

Am Tag nach der Konfirmation habe ich unserem Dienstmädchen gesagt, daß sie mich jetzt bitte mit "Sie" ansprechen möge. Sie hat dann immer gesagt: "Zettel, Sie, hilf mir mal beim Tragen" und dergleichen.

Sie selbst wurde in der Familie selbstverständlich gesiezt. Und mit "Fräulein Emma" angesprochen. (Sie hieß wirklich so).

In der Schule dauerte es etwas länger, da wurde man erst ab Obersekunda gesiezt. Aber immerhin, auch das war eine eindeutige Zäsur.

Herzlich, Zettel
Kallias Offline




Beiträge: 2.309

01.04.2009 12:51
#15 RE: PC gegenüber Moslems Antworten
Zitat von Zettel
Dann setzte - ab etwa den sechziger Jahren - eine ganze Kaskade von Umbenennungs-Vorschriften ein.
Die "Tretmühle der Euphemismen".

Negro -> Colored -> Black -> Afro-American

toilet -> bathroom -> lavatory -> WC -> gents' -> restroom -> powder room -> comfort station

lame -> crippled -> handicapped -> disabled -> physically challenged -> differently abled

garbage collection -> sanitation -> environmental services

idiot -> moron -> mentally retarded -> with an intellectual disability -> special needs

shell shock (World War I) -> battle fatigue (World War II) -> operational exhaustion (Korean War) -> posttraumatic stress disorder (Vietnam War)

[EDIT:]
caretaker -> janitor -> custodian -> plant manager

gravedigger -> undertaker -> mortician -> funeral director


Quellen (zusätzlich zu Wikipedia):
http://www.translatorscafe.com/cafe/Mega...id=3107&posts=9
http://www.freiheit.org/files/152/supernanny_web.pdf


,
Kallias
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

01.04.2009 13:01
#16 RE: PC gegenüber Moslems Antworten

Zitat von Kallias
"Tretmühle der Euphemismen"[/url].
Negro -> Colored -> Black -> Afro-American
toilet -> bathroom -> lavatory -> WC -> gents' -> restroom -> powder room -> comfort station
lame -> crippled -> handicapped -> disabled -> physically challenged -> differently abled
garbage collection -> sanitation -> environmental services
idiot -> mentally retarded -> with an intellectual disability -> special needs
shell shock (World War I) -> battle fatigue (World War II) -> operational exhaustion (Korean War) -> posttraumatic stress disorder (Vietnam War)

Schön sind auch die Beispiele am Ende des Artikels.

Mir ist kürzlich aufgefallen, daß im Deutschen neuerdings nicht mehr "gestorben" gesagt wird, sondern grundsätzlich "verstorben".

Es ist mir aufgefallen, als ich davon gelesen habe, daß ein Kanarienvogel verstorben sei.

Herzlich, Zettel

Nola ( gelöscht )
Beiträge:

01.04.2009 13:02
#17 RE: Initiation; Siezen Antworten
Zitat von Zettel
Zitat von Nola
In einer anderen Kultur, hätte ich dann ein Kopftuch bekommen und wäre vom eigentlichen Leben weggesperrt worden.

Und das wäre gar nicht so schlecht gewesen, liebe Nola.

Wir haben ja kürzlich über "Pubertät" diskutiert, anläßlich des Schulmassakers von Winnenden. Ich habe mich sehr gewundert, als jemand meinte, daß ein Siebzehnjähriger noch in der Pubertät sei.

Die meisten traditionellen Gesellschaften erleichtern den Übergang ins Erwachsenenalter ungemein dadurch, daß sie eine klare Grenze ziehen, mit den Initiationsriten.

Die Jungen müssen sich Proben unterziehen, wir kennen das von Karl May. Die Mädchen werden nach der Menarche erst einmal isoliert. Jungen wie Mädchen gehen als Kinder da hinein und kommen als Erwachsene heraus. Der Rollenwechsel ist ungleich einfacher als bei uns, wo sie über Jahre hinsichtlich ihrer sozialen Rolle unsicher sind.



Bei uns Evangelen gibt es wenigstens noch die Konfirmation. Auch die Jugendweihe in der DDR hatte ihren guten Sinn, und ich empfehle sie oder etwas Ähnliches den Nichtreligiösen.

Am Tag nach der Konfirmation habe ich unserem Dienstmädchen gesagt, daß sie mich jetzt bitte mit "Sie" ansprechen möge. Sie hat dann immer gesagt: "Zettel, Sie, hilf mir mal beim Tragen" und dergleichen.

Sie selbst wurde in der Familie selbstverständlich gesiezt. Und mit "Fräulein Emma" angesprochen. (Sie hieß wirklich so).

In der Schule dauerte es etwas länger, da wurde man erst ab Obersekunda gesiezt. Aber immerhin, auch das war eine eindeutige Zäsur.

Herzlich, Zettel


Ja, da ist was dran. Nur, lieber Zettel, ist unsere Kultur eben eine andere. Das beinhaltet auch, das ein 17-jähriger noch in der Pubertät sein kann. Erstens, weil Jungens in der Entwicklung etwas langsamer sind als die Mädchen. Und zweitens, ist es eine Frage der Wahrnehmung innerhalb der Gesellschaft, die einen Menschen eher Verantwortung fühlen läßt und auch wohl etwas eher Erwachsen sein läßt. Ich will nicht schon wieder mit der Spaßgesellschaft anfangen, aber auch damit hat es zu tun m. E.

Edit:
Stimmt, die Konfirmation war ein Meilenstein zum Erwachsen werden. Sagt man das eigentlich heute noch? Erwachsene oder Volljährige, Kinder oder pubertäre Jugendliche oder Jugendlicher oder Wahlberechtigter ...

♥lich Nola


Die wahre Verantwortung trägt der Mitläufer in jedem von uns.

Kallias Offline




Beiträge: 2.309

01.04.2009 13:20
#18 RE: PC gegenüber Moslems Antworten

Zitat von Shin
"Fräulein" allerdings gehört als Diminutiv ohne männliches Pendant tatsächlich auf den Müllhaufen der Sprachgeschichte. Es käme ja auch niemand auf die Idee, unverheiratete Männer "Männlein" zu nennen ;-)
In den 70er Jahren versuchte eine Dame auf gerichtlichem Weg die Anrede "Dame" für die Dame durchzusetzen. Die Herren würden ja auch mit "Herr" und nicht mit "Mann" angeredt.

Was natürlich nicht stimmt. Ich werde sehr wohl mit "Mann Kallias" angeredet, öfter sogar, scheint mir, als mit "Herr Kallias".

Gruß,
Kallias

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

01.04.2009 13:32
#19 RE: PC gegenüber Moslems Antworten

Zitat von Kallias
In den 70er Jahren versuchte eine Dame auf gerichtlichem Weg die Anrede "Dame" für die Dame durchzusetzen. Die Herren würden ja auch mit "Herr" und nicht mit "Mann" angeredet.

Ich erinnere mich an den Fall. Ich glaube, sie hat verloren.

Linguistisch hatte die Dame keine Ahnung. Denn "Frau" kommt bekanntlich vom mhd. "frouwe", und das war die Herrin. Die anderen waren Weiber.

Die Dame ist natürlich aus dem Französischen zu uns gekommen. Wie auch die Demoiselle, die, glaube ich, auch noch bei Fontane zu finden ist (jedenfalls in "Vor dem Sturm"), und in den Buddenbrooks.

Übrigens ist "Mademoiselle" im Französischen noch keineswegs ausgestorben, wenngleich seltener verwendet als früher.

In den USA gab es mal - gibt es vielleicht noch - eine feministische Zeitschrift namens "Mrs". Damit sollte die Miss verbannt werden.

Herzlich, Zettel

Nola ( gelöscht )
Beiträge:

01.04.2009 13:42
#20 RE: PC gegenüber Moslems Antworten
In Antwort auf:
Ich werde sehr wohl mit "Mann Kallias" angeredet, öfter sogar, scheint mir, als mit "Herr Kallias".


he he, in welchem Zusammenhang, lieber Kallias? Vielleicht: man Kallias hast Du immer noch nicht ... etc...

Es wird doch niemand zu Ihnen sagen "guten Tag Mann Kallias" oder doch? Obwohl, wenn es als Bestätigung der Männlichkeit gemeint ist, hat es ja durchaus was für sich.

♥lich Nola


Die wahre Verantwortung trägt der Mitläufer in jedem von uns.

Kallias Offline




Beiträge: 2.309

01.04.2009 14:03
#21 RE: PC gegenüber Moslems Antworten

Zitat von Nola
Es wird doch niemand zu Ihnen sagen "guten Tag Mann Kallias" oder doch?
Nö, entweder "Guten Tag" oder "Mann". Mit der letzteren Anrede wendet sich der Tag ja dann ins Ungute.
Zitat von Nola
Obwohl, wenn es als Bestätigung der Männlichkeit gemeint ist, hat es ja durchaus was für sich.
Stimmt, man vergisst das so leicht.

Gruß,
Kallias

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

01.04.2009 14:32
#22 RE: Initiation; Siezen Antworten

Zitat von Zettel
Die meisten traditionellen Gesellschaften erleichtern den Übergang ins Erwachsenenalter ungemein dadurch, daß sie eine klare Grenze ziehen, mit den Initiationsriten.

Und die können das deswegen tun, weil schlicht weniger gelernt werden muß, um als vollwertiger Erwachsener mitreden zu können.
Die körperliche Reife und die soziale Reife liegen da zeitlich dicht beisammen und können entsprechend behandelt werden.

In unserer Gesellschaft dagegen liegen einige Jahre zwischen dem Ende der Pubertät und dem Ende der Jugend.
Und es wird noch weiter differenziert zwischen der Volljährigkeit (mit 18) und der vollen Selbstverantwortung (nämlich Strafmündigkeit mit 21).
Und man könnte bei Studenten noch anfügen, daß sie eigentlich erst mit Mitte 20 (wenn sie ihr Geld selber verdienen) wirklich erwachsen sind.

Zwischen dem Kind und dem selbstverantwortlichen Erwachsenen liegen bis zu 10 Jahre und eine Reihe von kleine "Initiationsriten".
Die Konfirmation ist da noch fast die unwichtigste (weil keiner die Konfirmanden wirklich als "erwachsen" ernst nimmt), der Tanzstundenabschlußball ist schon fast wichtiger, dann der Führerschein, der erste Sex (wird meist nur privat gefeiert ;-), der Schulabschluß ...

Man könnte fast sagen, der ultimate Initiationsritus bei uns ist die erste Steuererklärung - erst dann weiß man wirklich um den Ernst des Lebens ...

Nola ( gelöscht )
Beiträge:

01.04.2009 14:44
#23 RE: Initiation; Siezen Antworten
Es ist immer wieder ein Aha-Erlebnis, wenn ein anderer schreibt, was man selber so in Kladde gedacht hat. Lieber R. A. aber eine Frage habe ich noch, diese Sache mit dem Strafrecht bzw. der Volljährigkeit. Irgendwie weiß ich zwar warum aber einleuchten tut es mir nicht.

Als die Volljährigkeit mit 18 von der SPD eingeführt wurde, wollten sie Stimmen für die Wahl haben. Is klar. Gleichzeitig war ihnen bewußt, zumindest zu der Zeit damals, das die Verantwortung vermutlich in erster Linie die finanzielle, bei den Eltern bleiben muß. Egal wie, man hat ihnen eine wirkliche Volljährigkeit mit allen Rechten und Pflichten eben doch nicht zugetraut.

Das trifft ja heute eigentlich nicht mehr zu. Wenn über Jahre hinweg ein Jugendlicher mit 18 ohne Geld aus dem Elternhaus ausgezogen ist, bezahlte meines Wissens das Arbeitssozialharz4wasweisichnichtamt dafür. Wie paßt das zusammen? Haften Eltern nur bei Gesetzesverstößen für ihre Kinder? Oder überhaupt noch?

♥lich Nola


Die wahre Verantwortung trägt der Mitläufer in jedem von uns.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

01.04.2009 16:21
#24 RE: PC gegenüber Moslems Antworten
Zitat von FTT_2.0
Zitat von Shin
"Fräulein" allerdings gehört als Diminutiv ohne männliches Pendant tatsächlich auf den Müllhaufen der Sprachgeschichte. Es käme ja auch niemand auf die Idee, unverheiratete Männer "Männlein" zu nennen ;-)


Ist das männliche Pendant nicht "Junker"?



Ich muss hier widersprechen. In Frankreich, welches imho ja in Punkto Feminismus D. nicht viel nachsteht, ist das Fräulein sehr wohl verbreitet. Ähnlich in Italien und Spanien, dort scheint mir aber der kath. Einfluss grösser. - oder überschätze ich Frankreich in diesem Punkt (geringer Einfluss der Kirche) ?

Nachtrag zur Anrede: Neuerdings wird der Wirtschaftsminister ja mit "Baron" angesprochen
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

01.04.2009 19:12
#25 RE: Initiation; Siezen Antworten

Zitat von R.A.
Zwischen dem Kind und dem selbstverantwortlichen Erwachsenen liegen bis zu 10 Jahre und eine Reihe von kleine "Initiationsriten".

Das stimmt,lieber R.A. Wer an der Uni Karriere macht, für den ist der letzte Ritus die Habilitation; da sind viele Ende dreißig oder schon in den Vierzigern.

Aber wenn man es so betrachtet wie Sie (zu Recht), dann ist im Grunde keiner so richtig erwachsen. Jedenfalls nicht der Fünfundsechzigjährige, der dann vielleicht erstmals, wenn er in Rente ist, sich einen PC kauft und entsprechende Kurse besucht.

Mit dem Ende der Kindheit hat das aber alles nichts zu tun. Biologisch erwachsen ist man mit der Menarche, mit dem ersten Samenerguß. Und um diese Zeit herum sollte meines Erachtens auch eine Statusänderung stattfinden. Deutlich markiert, anständig gefeiert.



Kleine Korrektur: Strafmündig wird man in Deutschland mit dem vollendeten 14. Lebensjahr (was dieser biologischen Zäsur entspricht). Mit 21 Jahren ist man zwingend dem Erwachsenenstrafrecht unterworfen. (Eigentlich ist man das schon mit der Volljährigkeit, aber es gibt da den Status des Heranwachsenden, der es erlaubt, noch nach Jugendstrafrecht zu verurteilen. In der Praxis ist freilich aus dieser Ausnahme die Regel geworden).

Herzlich, Zettel

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