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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 20 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.05.2009 23:02
Wahl des Bundespräsidenten Antworten

In die Überschrift dieses Artikels habe ich das "vermutlich" erst zum Schluß eingesetzt.

Denn eigentlich bin ich überzeugt davon, daß Köhler wiedergewählt wird; sehr wahrscheinlich sogar schon im ersten Wahlgang. Aber ich will ja keine Tatsachenbehauptung aufstellen, die ich heute Abend nicht beweisen kann.

Florian Offline



Beiträge: 3.136

23.05.2009 08:33
#2 RE: Wahl des Bundespräsidenten Antworten

Ich finde es absolut nicht problematisch, wenn man einen amtierenden Präsidenten nicht wiederwählt. Das ist nun einmal Demokratie.
Auch in der Vergangenheit wurde Präsidenten eine zweite Amtszeit verweigert. Zum Beispiel hätte Herzog sicher gerne eine zweite Periode gemacht, wenn ihn die SPD gelassen hätte. Und an der Amtsführung von Herzog gab es eher weniger zu kritisieren als an der Köhlers. (Köhler war ein politisch sehr aktiver Präsident. Von der Bundestagsauflösung bis zur Nicht-Unterzeichnung mehrerer Gesetze. Ich persönlich finde zwar, dass alle seine Entscheidungen in Ordnung waren. Aber ich gestehe natürlich jedem zu, das anders zu sehen).

Dass die SPD Köhler keine zweite Amtszeit gönnte, ist daher nicht nur formaljuristisch in Ordnung sondern auch in der bundesdeutschen Geschichte nicht ungewöhnlich.
Problematisch ist allerdings die Art, wie man Köhler "in die Falle" laufen lassen wollte. Korrekt wäre es gewesen, Köhler klar zu signalisieren, man wolle ihm nicht mehr haben und ihm damit die Möglichkeit zu einem stillen Amtsverzicht zu geben (wie seinerzeit bei Herzog praktiziert). Dies versäumt zu haben, das ist der eigentliche unfeine Aspekt des SPD-Manövers.


Unabhängig davon:
Die politisch spannendste Frage bei der Besetzung des Präsidentenamts wurde öffentlich bislang kaum diskutiert.
Der Bundespräsident ist ja nicht nur "Grußonkel", sonder er hat sehr reale Macht. Und zwar immer dann, wenn die Machtverhältnisse unklar werden.

Hier einmal ein Szenario, bei dem der Bundespräsident auf einmal sehr bedeutsam wird:
Im Herbst 09 verfehlt schwarz-gelb die absolute Mehrheit und die große Koalition wird fortgesetzt.
Nach einem Jahr ist die Koalition dann am Ende. Die SPD beginnt Koalitionsverhandlungen mit Grünen und Linkspartei.
Merkel stellt die Vertrauensfrage - und verliert.
Daraufhin bittet sie den Präsidenten, den Bundestag aufzulösen.

Und nun die spannende Frage: Was macht in so einem Fall der Präsident?
- Köhler würde Merkels Bitte wohl entsprechen. In einer Situation, in der die SPD bereits Koalitionsverhandlungen mit den Kommunisten geführt hat, hätte Schwarz-Gelb vielleicht sogar recht gute Chancen auf eine Mehrheit bei den Neuwahlen.
- Schwan würde Merkels Bitte wahrscheinlich ablehnen. Sie könnte nämlich erst einmal ein paar Wochen warten und zusehen, ob rot-rot-grün eine Mehrheit für ein konstruktives Misstrauensvotum zusammen bekommen.

DIESE politisiche Frage ist relevant - und nicht die in den Medien diskutierten Fragen, etwa wer von beiden nun netter in die Kameras lächelt und die hübscheren Reden hält.




Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.05.2009 10:00
#3 RE: Wahl des Bundespräsidenten Antworten

Zitat von Florian
Ich finde es absolut nicht problematisch, wenn man einen amtierenden Präsidenten nicht wiederwählt. Das ist nun einmal Demokratie.

Natürlich ist das Demokratie, lieber Florian. Aber wenn ein Präsident sein Amt gut ausübt, wenn er signalisiert, daß er wiedergewählt werden möchte - dann ist es schwer zu begründen, warum die Opposition sich ihm verweigert.
Zitat von Florian
Auch in der Vergangenheit wurde Präsidenten eine zweite Amtszeit verweigert. Zum Beispiel hätte Herzog sicher gerne eine zweite Periode gemacht, wenn ihn die SPD gelassen hätte.

Möglich. Meiner Erinnerung nach hat er den Verzicht anders begründet - seine Lebensplanung sehe noch eine Periode wissenschaftlichen Arbeitens vor, so ungefähr. Aber vielleicht habe ich das falsch in Erinnerung.
Zitat von Florian
Dass die SPD Köhler keine zweite Amtszeit gönnte, ist daher nicht nur formaljuristisch in Ordnung sondern auch in der bundesdeutschen Geschichte nicht ungewöhnlich.

Es ist bisher nicht vorgekommen, lieber Florian, daß ein Präsident um seine Wiederwahl gekämpft hat. Die Vorgeschichte hat Kurt Biedenkopf vor zwei Wochen in der "Welt am Sonntag" geschildert: Signale aus der SPD-Führung an Köhler, daß man ihn mitwählen werde. Und dann die abrupte Wende, nachdem Köhler sich offenbar schon entschieden hatte.
Zitat von Florian
Problematisch ist allerdings die Art, wie man Köhler "in die Falle" laufen lassen wollte. Korrekt wäre es gewesen, Köhler klar zu signalisieren, man wolle ihm nicht mehr haben und ihm damit die Möglichkeit zu einem stillen Amtsverzicht zu geben (wie seinerzeit bei Herzog praktiziert). Dies versäumt zu haben, das ist der eigentliche unfeine Aspekt des SPD-Manövers.

Exakt.
Zitat von Florian
Unabhängig davon:

Die politisch spannendste Frage bei der Besetzung des Präsidentenamts wurde öffentlich bislang kaum diskutiert. Der Bundespräsident ist ja nicht nur "Grußonkel", sonder er hat sehr reale Macht. Und zwar immer dann, wenn die Machtverhältnisse unklar werden.

Ich freue mich, daß Sie darauf hinweisen. Denn das wird oft übersehen.

Das GG hat den Präsidenten mit mehr Machtbefugnissen ausgestattet, als es sich in der Praxis entwickelt hat; daran hat Theodor Heuß den Hauptanteil, der das Amt geprägt hat.

Das beginnt schon bei einer ganz normalen Regierungsbildung. Der Bundestag wählt den Kanzler "auf Vorschlag des Bundespräsidenten". Warum wohl? Warum werden nicht einfach Kandidaten nominiert, über die dann abgestimmt wird?

Weil den Vätern des Grundgesetzes das vorschwebte, was zB auch in Österreich praktiziert wird (und was natürlich in der Weimarer Republik praktiziert wurde, ebenso in der französischen Vierten Republik und der italienischen Nachkriegsrepublik): Daß der Präsident sich aktiv in die Regierungsbildung einschaltet. Er also Gespräche mit den Führern der Parteien führt, Koalitionsmöglichkeiten auslotet und dann eben einen Vorschlag macht.

Ich habe mich gewundert, daß Köhler das 2005 nicht getan hat, als ja ganz offen war, auf welche Koalition es herauslaufen würde.

Herzlich, Zettel

Florian Offline



Beiträge: 3.136

23.05.2009 10:30
#4 RE: Wahl des Bundespräsidenten Antworten

Ich glaube, bei der Bewertung des SPD-Verhaltens sind wir nicht allzu weit auseinander.

Ansonsten:
Es gibt halt einen Unterschied zwischen der offiziellen Begründung und der tatsächlichen.
Natürlich wird Herzog nicht sagen "ich trete nicht an, weil das die Mehrheitsverhältnisse nicht hergeben", sondern irgendwelche anderen Gründe vorschieben.
Das ändert aber nichts an den tatsächlichen Ursachen für einen Verzicht.

Herzog hat sich in seiner Amtsführung sicher keine großen Schnitzer geleistet.
Aber warum sollte deshalb eine (moralische) Pflicht für SPD und Grünen bestehen, ihm eine zweite Amtszeit zu verschaffen, wenn Rot-Grün eine eigene Mehrheit in der Bundesversammlung hat?
Wie oben bereits ausgeführt: Der Bundespräsident hat ECHTE politische Macht, sobald die Machtverhältnisse im Bundestag unklar werden. Und warum sollte man diese Machtreserve einfach so dem politischen Gegner überlassen?

Wäre zum Beispiel der Machtübergang an Kohl 1982 so butterweich gelaufen, wenn es statt Carstens einen SPD-Bundespräsidenten gegeben hätte? (Der einer Auflösung des Bundestags nicht hätte zustimmen müssen und dadurch verhindert hätte, dass Kohl 1983 für ein Mandat für eine volle 4-Jahres-Periode erhält).

Und es kam eben auch schon oft vor, dass ein amtierender Präsident nicht mehr antrat, weil er in der Bundesversammlung keine Mehrheit hatte:
- Scheel trat deshalb 1979 nicht mehr an.
- dito Herzog 1999
- dito Rau 2004 (bei ihm mag auch sein Gesundheitszustand eine Rolle gespielt haben. Entscheidend war aber auch, dass Grüne und SPD keine Mehrheit in der Bundesversammlung hatten).

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.05.2009 14:53
#5 RE: Wahl des Bundespräsidenten Antworten

Zitat von Florian
Ich glaube, bei der Bewertung des SPD-Verhaltens sind wir nicht allzu weit auseinander.

Ja, das denke ich auch; und auch sonst nicht.
Zitat von Florian
Es gibt halt einen Unterschied zwischen der offiziellen Begründung und der tatsächlichen. Natürlich wird Herzog nicht sagen "ich trete nicht an, weil das die Mehrheitsverhältnisse nicht hergeben", sondern irgendwelche anderen Gründe vorschieben.

Das ist ein Thema, das mich schon lange beschäftigt, lieber Florian. Was Sie schreiben, stimmt natürlich. Aber der Umkehrschluß ist problematisch. Wenn jemand Gründe nennt, müssen sie nicht vorgeschoben sein.

Wir arbeiten mit dem Konstrukt eines Homo Politicus, dessen zentrales, ja einziges Motiv die Macht ist. Aber warum soll ein Wissenschaftler wie Herzog, der sich ja nie in dieses Amt gedrängt hat, nicht sagen: Vier Jahre sind genug, jetzt mache ich noch was anderes?
Zitat von Florian
Herzog hat sich in seiner Amtsführung sicher keine großen Schnitzer geleistet.
Aber warum sollte deshalb eine (moralische) Pflicht für SPD und Grünen bestehen, ihm eine zweite Amtszeit zu verschaffen, wenn Rot-Grün eine eigene Mehrheit in der Bundesversammlung hat?

Nein, eine solche moralische Pflicht gibt es nicht. Das habe ich in dem Artikel ja auch nicht behauptet; es hat sich nur ein Usus eingebürgert, der Sinn macht.

Jetzt freue ich mich erst einmal, daß Köhler es im ersten Wahlgang geschafft hat!

Herzlich, Zettel

Nola ( gelöscht )
Beiträge:

23.05.2009 15:21
#6 RE: Wahl des Bundespräsidenten Antworten
Ja ich auch.

Gratulation an Horst Köhler (613 Stimmen)

Um so mehr als Peter Sodann (91 Stimmen incl. der absoluten 89 Stimmen der Linken) eben im Interview bekannt gab, daß er zu allen seinen Äußerungen auch heute noch steht.... Damit ist uns, ein zwar anders geartet, weiteres Erlebnis "Lübke" erspart geblieben. Dazu hätte dann gepaßt, was Ottfried Fischer (seine Stimme galt Frau Schwan) im Vorspann von sich gab: "Der Bundespräsident ist der Kabarettist des Bundestages" (...)

Frau Schwan war eine würdige "Unterlegene" (503 von 514 vermeintlich mögl. Stimmen aus eigenen Reihen) und hat als Erste dem neuen Bundespräsidenten gratuliert.

Über zwei ungültige und 10 Stimmenthaltungen von insgesamt 1223 Stimmen wird noch gerätselt.

Am besten hat mir die Stellungnahme der CDU Merkel, der CSU Seehofer und der FDP Westerwelle gefallen: Westerwelle: wir haben es gemeinsam geschafft und gezeigt (...) Darauf Merkels Seitenblick auf Westerwelle und später dazu: Ja wir haben gemeinsam (...) und Herr Seehofer sprach es dann auch aus: (...) bezeichnet, für das was wir vorhaben:
"Schwarz-Gelb" !!!!!

♥lich Nola

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.05.2009 15:59
#7 RE: Wahl des Bundespräsidenten Antworten
Vielen Dank, liebe Nola, für Ihre Wahlanalyse! Parallel dazu habe ich meine geschrieben, die fast identisch ist.

Herzlich, Zettel
R.A. Offline



Beiträge: 8.171

23.05.2009 16:08
#8 RE: Wahl des Bundespräsidenten Antworten

Zitat von Florian
Ich finde es absolut nicht problematisch, wenn man einen amtierenden Präsidenten nicht wiederwählt. Das ist nun einmal Demokratie.

Sehe ich auch so.
Letztlich ist eben auch das Bundespräsidentenamt ein politisches Amt und unterliegt den normalen Spielregeln.

In Antwort auf:
Auch in der Vergangenheit wurde Präsidenten eine zweite Amtszeit verweigert.

Eben. Nicht nur bei Herzog, sondern vorher auch schon bei Scheel.
Wenn die politische Mehrheit sich ändert, wird das halt nichts mit der Wiederwahl.

Die Besonderheit dieses Mal war eigentlich nur, daß so lange nicht absehbar war, wie die Mehrheit aussehen würde.

In Antwort auf:
Problematisch ist allerdings die Art, wie man Köhler "in die Falle" laufen lassen wollte. Korrekt wäre es gewesen, Köhler klar zu signalisieren, man wolle ihm nicht mehr haben und ihm damit die Möglichkeit zu einem stillen Amtsverzicht zu geben (wie seinerzeit bei Herzog praktiziert). Dies versäumt zu haben, das ist der eigentliche unfeine Aspekt des SPD-Manövers.

Richtig.
Wobei das m. E. im wesentlichen Folge des Führungschaos in der SPD-Spitze war. Beck wollte nicht unfein sein, war aber unfähig.
Am schlauesten wäre es ohnehin gewesen, wenn die SPD sich als erste Partei FÜR Köhler ausgesprochen hätte (gerade die Union hat ja lange gezögert, weil sie mit ihm nicht im Reinen war).
Dann hätten die Genossen sich viel Ärger gespart, und wären jetzt bei den Siegern.

In Antwort auf:
Und nun die spannende Frage: Was macht in so einem Fall der Präsident?

Sehr wichtige Betrachtung!

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

23.05.2009 16:16
#9 RE: Wahl des Bundespräsidenten Antworten

Lieber Zettel,

Ihrer Analyse kann ich ja weitgehend folgen - aber bei der Schwan-Kandidatur habe ich den Verlauf anders in Erinnerung.
Unbestritten hat Nahles hinter den Kulissen auch Strippen gezogen.

Aber in erster Linie war es Schwan selber, die sich so massiv aufgedrängt hat, daß Beck schließlich ihre Kandidatur akzeptieren mußte. Es war auch Schwan, die von Anfang an aktiv um die linken Stimmen geworben hat (mit dem völlig unseriösen Argument, eine Stimmabgabe für sie würde ja beweisen, daß die Linken demokratisch wären ...).
Einige taktische Abgrenzungsspielchen konnten doch nicht verdecken, daß sie von Anfang an voll auf die Zusammenarbeit mit den Kommunisten gesetzt hat.

Und ihre sehr peinlichen Wahlkampfsprüche der letzten Wochen haben das ja noch bestätigt. Es war ja nicht Nahles, die den Unrechtscharakter der DDR abgeleugnet hat - auch hier war Schwan auf voller Schleimspur Richtung links.

Ich finde es überaus befriedigend, daß diese charakterlose und ehrgeiz-blinde Verhalten jetzt die Quittung bekommen hat. Seit über einem Jahr hat Schwan damit geprotzt, sie könne von schwarz/gelb und von links Stimmen bekommen und eine Mehrheit erreichen. Und jetzt hat sie es nicht einmal geschafft, die rot/grünen Stimmen zu sammeln, muß sogar an den Clown Sodann Stimmen abgeben.

So blamiert hat wohl noch nie ein Kandidat für dieses Amt dagestanden, und das geschieht ihr völlig recht.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.05.2009 16:23
#10 RE: Wahl des Bundespräsidenten Antworten

Lieber R.A.,

Zitat von R.A.
Unbestritten hat Nahles hinter den Kulissen auch Strippen gezogen.
Aber in erster Linie war es Schwan selber, die sich so massiv aufgedrängt hat, daß Beck schließlich ihre Kandidatur akzeptieren mußte.

Ein Telefonat des Inhalts: "Wir werden Köhler wählen" hätte das erledigt.
Zitat von R.A.
Es war auch Schwan, die von Anfang an aktiv um die linken Stimmen geworben hat (mit dem völlig unseriösen Argument, eine Stimmabgabe für sie würde ja beweisen, daß die Linken demokratisch wären ...).

Sie hat aber auch die Kommunisten massiv kritisiert ("Demagogie").

Sie ist - das zeigt auch ihr wissenschaftlicher Werdegang - sicher keine Sympathisantin des Kommunismus. Sie glaubt aber wohl, daß man einen Teil der Kommunisten für die Demokratie gewinnen kann.

Naja, Schwamm drüber. Die Wahl ist doch super gelaufen!

Herzlich, Zettel

hubersn Offline



Beiträge: 1.342

23.05.2009 18:16
#11 RE: Wahl des Bundespräsidenten Antworten

Zu Herzog: meine Erinnerung kann trügen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Herzog von Anfang an klar gemacht hat, dass er nur für eine Amtszeit zur Verfügung steht.

Gruß,
hubersn

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

23.05.2009 19:39
#12 RE: Wahl des Bundespräsidenten Antworten
In Antwort auf:
In der Bundesversammlung gewonnen haben Horst Köhler, Peter Sodann und Frank Rennicke


Man fühlt sich wie beim Politischen Quartett, jener Qualitätssendung von n24 (oder war es n-tv), wo je ein Mann von FAZ, Bild, Bild am Sonntag und eine Frau von der Bunten alle politischen Ereignisse auf ihren taktischen Nährwert runterbrachen.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.

Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.

The business of Progressives is to go on making mistakes. The business of the Conservatives is to prevent the mistakes from being corrected. (G.K. Chesterton)

Verfassungsfeinde ... in den Tschad!!!

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

23.05.2009 20:00
#13 RE: Wahl des Bundespräsidenten Antworten

Zitat von Florian
Ich finde es absolut nicht problematisch, wenn man einen amtierenden Präsidenten nicht wiederwählt. Das ist nun einmal Demokratie.

Zitat von Zettel
Natürlich ist das Demokratie, lieber Florian. Aber wenn ein Präsident sein Amt gut ausübt, wenn er signalisiert, daß er wiedergewählt werden möchte - dann ist es schwer zu begründen, warum die Opposition sich ihm verweigert.


Das zu begründen ist nicht schwer sondern sogar sehr leicht. Weil man meint, jemand besseren zu haben. Das ist sowieso der einzige Grund, einen Kandidaten aufzustellen, denn eine Wahl ist ja keine Belohnung für Vergangenes sondern primär die Beauftragung für Kommendes.

Zitat von Florian
Auch in der Vergangenheit wurde Präsidenten eine zweite Amtszeit verweigert. Zum Beispiel hätte Herzog sicher gerne eine zweite Periode gemacht, wenn ihn die SPD gelassen hätte.

Dass die SPD Köhler keine zweite Amtszeit gönnte, ist daher nicht nur formaljuristisch in Ordnung sondern auch in der bundesdeutschen Geschichte nicht ungewöhnlich.


Zitat von Zettel
Es ist bisher nicht vorgekommen, lieber Florian, daß ein Präsident um seine Wiederwahl gekämpft hat.


Was aber etwas anderes ist. Es ist sehr wohl vorgekommen, daß eine Partei ihren Unwillen zur Wiederwahl signalisiert hat, worauf dann der Amtsinhaber gar nicht erst antrat: daß hat Scheel so gemacht, daß hat Herzog so gemacht und bei Rau hat es auch eine Rolle gespielt.

Zitat von Zettel
Zitat von Florian
Problematisch ist allerdings die Art, wie man Köhler "in die Falle" laufen lassen wollte. Korrekt wäre es gewesen, Köhler klar zu signalisieren, man wolle ihm nicht mehr haben und ihm damit die Möglichkeit zu einem stillen Amtsverzicht zu geben (wie seinerzeit bei Herzog praktiziert). Dies versäumt zu haben, das ist der eigentliche unfeine Aspekt des SPD-Manövers.

Exakt.


Genau aus den gleichen Gründen halte ich das Vorgehen der SPD für sehr fruchtbar und zukunftsweisend. Endlich ist es mal ohne das übliche Gemauschel abgegangen: weder hat eine Partei den nichtgewollten Amtsinhaber in den Verzicht gepresst, noch hat der Amtsinhaber bzw. ihm nahestehende Kreise die unwillige Partei durch Drohung mit einer erneuten Kandidatur zur Zustimmung gepresst, wie man daß bei Herzog und Rau machen wollte.

Herzog hat es damals nicht durchgehalten und Rau wollte den Erpressungsversuch (auch angesichts seiner Gesundheit) nicht mitmachen. Aber damals gab es sehr wohl Kreise in CDU bzw. SPD die dergleichen vorhatte.

Zur blamablen Präsidentschaftswahl 1989 schweige ich besser.

Nein, endlich haben sich alle politisch reif verhalten: die einen haben offen eine Gegenkandidatin präsentiert und der Amtsinhaber hat sich ergebnisoffen der Wiederwahl gestellt.

Zitat von Zettel
Zitat von Florian
Unabhängig davon:

Die politisch spannendste Frage bei der Besetzung des Präsidentenamts wurde öffentlich bislang kaum diskutiert. Der Bundespräsident ist ja nicht nur "Grußonkel", sonder er hat sehr reale Macht. Und zwar immer dann, wenn die Machtverhältnisse unklar werden.

Ich freue mich, daß Sie darauf hinweisen. Denn das wird oft übersehen.

Das GG hat den Präsidenten mit mehr Machtbefugnissen ausgestattet, als es sich in der Praxis entwickelt hat; daran hat Theodor Heuß den Hauptanteil, der das Amt geprägt hat.


Dem und Zettels Ausführungen stimme ich zu.

Allerdings glaube ich nicht, daß Frau Schwan so gehandelt hätte, wie Florian es ihr unterstellt.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.

Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.

The business of Progressives is to go on making mistakes. The business of the Conservatives is to prevent the mistakes from being corrected. (G.K. Chesterton)

Verfassungsfeinde ... in den Tschad!!!

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

23.05.2009 21:01
#14 RE: Wahl des Bundespräsidenten Antworten

Zitat von R.A.
Letztlich ist eben auch das Bundespräsidentenamt ein politisches Amt und unterliegt den normalen Spielregeln.


Nicht wirklich, lieber R.A., ich denke, bis dahin ist es noch ein ganz weiter Weg.

Ich erinnere mich damals an das Rauschen im Blätterwald, als Markus Söder in Zusammenhang mit einer möglichen Begnadigung von Christian Klar angekündigt hat, in diesem Falle Köhler die Unterstützung für eine zweite Amtszeit zu entziehen.

Da wurde eine Menge herumposaunt von wegen Erpressung (sogar der StGB Paragraph von Nötigung des Bundespräsidenten wurde ins Feld geführt).
Wenn das Amt wirklich den normalen demokratischen Spielregeln unterliegen würde wäre es doch das Natürlichste der Welt, dass Söder als wahlberechtigtes Mitglied der Bundesversammlung darauf hinweist, nach welchen Kriterien er seine Wahlentscheidung trifft, und dass ein solcher Präsident für ihn nicht tragbar ist.

Das legt für mich nahe, dass bei der Wahl des Bundespräsidenten vieles an der Tagesordnung ist, aber nicht demokratische Spielregeln!

Gruß Petz

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.05.2009 00:36
#15 Demokratische Spielregeln Antworten

Zitat von Meister Petz
Das legt für mich nahe, dass bei der Wahl des Bundespräsidenten vieles an der Tagesordnung ist, aber nicht demokratische Spielregeln!

Ich würde, lieber Petz und lieber R.A., schon von demokratischen Spielregeln sprechen wollen. Nur ist eben das Amt des Staatsoberhaupts kein parteipolitisches Amt.

Also gelten andere, nicht weniger demokratische Spielregeln als, sagen wir, beim Kanzler. Der Präsident übt sein Amt überparteilich aus. Ich weiß nicht, wie es Köhler handhabt, aber ich meine mich zu erinnern, daß frühere Bundespräsidenten ihre Parteimitgliedschaft während ihrer Amtszeit haben ruhen lassen.

Aus dieser Sachlage heraus hat es sich eingebürgert, daß man einen Präsidenten nicht abwählt. Entweder unterstützt ihn die Opposition, oder sie signalisiert schon frühzeitig, daß sie das nicht tun wird; und wenn dieser dann keine sichere Mehrheit erwarten kann, kandidiert er nicht erneut.

So war es bisher. Die SPD aber hat Köhler erst signalisiert, daß sie ihn unterstützen wird, und dann unversehens eine Gegenkandidatin aus dem Hut gezogen.

"Demokratische Spielregeln" wurden dabei nicht verletzt. Es war nur schlechter Stil.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.05.2009 00:39
#16 RE: Wahl des Bundespräsidenten Antworten

Zitat von hubersn
Zu Herzog: meine Erinnerung kann trügen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Herzog von Anfang an klar gemacht hat, dass er nur für eine Amtszeit zur Verfügung steht.

Das entspricht auch meiner Erinnerung, lieber Hubersn; und ich meine, er hätte das mit seiner Lebensplanung begründet. Er wollte nach der Zeit als Präsident noch etliche Jahre wissenschaftlich arbeiten.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.05.2009 00:44
#17 Marginalie: Das Ergebnis Antworten

Als erster, kurzer Kommentar zum Ergebnis diese Marginalie.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.05.2009 01:54
#18 "Spam im Kommentartext" Antworten

Ich habe in dem Artikel geschlampt und versehentlich die 10 Stimmen der Freien Wähler, mit denen sich erst die Zahl von 614 ergibt, der Union und der FDP zugerechnet. Dafür hat mich sehr zu Recht Andreas Schneider in Freedomwatch getadelt.

Ich wollte mich bei ihm bedanken und habe diesen Text als Kommentar geschrieben:

Zitat von Kommentar
Sie haben Recht, lieber Andreas Schneider, da habe ich geschlampt.

Ich werde es in Zettels kleinem Zimmer richtigstellen.

Mit Dank, und herzlich,

Zettel

Geschrieben habe ich es, aber abschicken konnte ich es nicht. Denn es erschien die Rückmeldung:
Zitat von Rückmeldung

Dein Kommentar konnte aus folgenden Gründen nicht veröffentlicht werden:

* Spam im Kommentartext gefunden

Jetzt rätsle ich, wo ich denn wohl den Spam versteckt habe.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

24.05.2009 12:35
#19 Bundespraesident... Antworten
Es ist immer wieder interessant, nach einem Urlaub nebst offline Zeit in der Blogosphaere in Retrospektive das Geschehene nachzulesen. Eine kleine Anmerkung noch: Es war Westerwelles FDP, die zu erst die Wiederwahl Koehlers oeffentlich verkuendete.

Das genaue Ergebnis von Frau Schwan wird nicht weiter interessieren, es gibt keinen #Vizemeister# und keinen #Bundespraesidenten der Herzen#, wie vielleicht im Fussball.

Der Hinweiss, wonach der Bundespraesident tatsaechlich Macht hat, ist richtig und wichtig und war mir selber im Moment nicht so klar. Vielen Dank dafuer. - Ich vermute, dass diese Tatsache den meisten Politikern und Journalisten keineswegs so klar ist - die 'Wuerde des Amtes' und die unpolitische Amtsfuerhung stehen dem entgegen.
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.05.2009 12:50
#20 Bundespraesident Adenauer? Antworten

Zitat von Dagny
Der Hinweiss, wonach der Bundespraesident tatsaechlich Macht hat, ist richtig und wichtig und war mir selber im Moment nicht so klar. Vielen Dank dafuer. - Ich vermute, dass diese Tatsache den meisten Politikern und Journalisten keineswegs so klar ist - die 'Wuerde des Amtes' und die unpolitische Amtsfuerhung stehen dem entgegen.

Ja, das ist wirklich eine interessante Sache, liebe Dagny.

Wie schon geschrieben, wurde die jetzige restriktive Interpretation der Recht des Präsidenten durch Theodor Heuß geprägt. Eine Rolle spielte sicher auch, daß der machtbewußte Konrad Adenauer Heuß von vornherein Schranken setzte. So entstand das, was man "Kanzlerdemokratie" nannte: Der Kanzler hatte viel mehr Macht, als das GG ihm eigentlch zugestand, und der Präsident weniger.

Putzigerweise war es dann Adenauer selbst, der 1959 das Machtverhältnis umzukehren versuchte. Heuß stand vor dem Ende seiner zweiten Amtszeit und konnte nicht wiedergewählt werden. Es gab ein erbärmliches Gerangel um die Nachfolge. Adenauer versuchte zum Beispiel, Ludwig Erhard in dieses Amt zu schieben, damit er nicht sein Nachfolger als Kanzler würde werden können. Mit unfeinen Mitteln: Erhard war gerade im Urlaub, ich glaube im Schwarzwald. Man rief ihn an und konfrontierte ihn damit, daß er intern (ich glaube, vom CDU-Vorstand) als Präsident nominiert worden sei. Als er verdattert nicht sofort "nein" sagte, wurde die Meldung lanciert, er habe zugestimmt. Typisch Adenauer!

Aber Erhard wehrte sich dann doch. Es kamen andere Kandidaten ins Spiel. Und dann fuhr Adenauer nach Cadenabbia in Urlaub und ließ sich Verfassungskommentare mitgeben; ich glaube, er konsultierte auch Verfassungsrechtler. Ergebnis: Er wollte selbst Präsident werden!

Er hatte nämlich herausgefunden, daß das Amt weit mehr Macht ermöglichte, als Heuß zugestanden worden war, oder als dieser beansprucht hatte. Die weitere Geschichte kann man hier nachlesen.

Herzlich, Zettel

Florian Offline



Beiträge: 3.136

24.05.2009 20:23
#21 RE: Wahl des Bundespräsidenten Antworten

In Antwort auf:
Genau aus den gleichen Gründen halte ich das Vorgehen der SPD für sehr fruchtbar und zukunftsweisend. Endlich ist es mal ohne das übliche Gemauschel abgegangen: weder hat eine Partei den nichtgewollten Amtsinhaber in den Verzicht gepresst, noch hat der Amtsinhaber bzw. ihm nahestehende Kreise die unwillige Partei durch Drohung mit einer erneuten Kandidatur zur Zustimmung gepresst, wie man daß bei Herzog und Rau machen wollte.



Diesen Blickwinkel finde ich ok.
Der Bundespräsident hat ein politisches Amt. Um dieses darf es auch einen politischen Wahlkampf geben und der amtierende Präsident muss auch nicht mit Samthandschuhen angefasst werden.
Respekt sollte man vor dem Amt haben - aber nicht (unbedingt) vor der Person, die das Amt bekleidet.


In Antwort auf:
Allerdings glaube ich nicht, daß Frau Schwan so gehandelt hätte, wie Florian es ihr unterstellt.


Dass wir hier keine Einigkeit haben, zeigt letzlich die grottenschlechte journalistische Begleitung dieser Wahl.
Es gibt eine sehr überschaubare Anzahl an Szenarien, bei denen die Entscheidungen des Bundespräsidenten politisch wirklich eine Rolle spielen. Und da möchte man als interessierte Öffentlichkeit vielleicht schon wissen, wie der Bundespräsident denkt.
Ich wette aber einmal, dass weder Schwan noch Köhler auch nur ein einziges Mal von einem Journalisten die Frage gestellt worden ist, wie sie sich im geschilderten (m.E. nicht ganz abwegigen) Szenario verhalten würden.

Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass z.B. Frau Schwan einmal gefragt worden wäre, ob sie die Bundestagsauflösung 2005 auch so gemacht hätte. DASS wäre politisch relevant. Und nicht wie man das Engagement Köhlers für Afrika beurteilt (das so oder so politisch keine praktische Auswirkung haben kann).

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