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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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17.09.2006 23:32
Ein Kommentar von Vizepremier Salih Antworten

Vorbemerkung: Nicht nur ich warte sehr auf die Rückkehr von Reader (ich bin deswegen sogar schon angemailt worden!). Bis es - hoffentlich bald - soweit ist, versuche ich die Lücke mehr schlecht als recht zu füllen und berichte etwas aus der amerikanischen Presse.




Kürzlich war hier die Pressekonfererenz des irakischen Vizepräsidenten Salih während seines aktuellen USA-Besuchs ein Thema. Jetzt hat Salih in der heutigen Washington Post einen Kommentar mit dem Thema "Where Iraq Itself Finds Hope" (Wo der Irak selbst Hoffnung findet) geschrieben, den ich auszugsweise zitieren möchte (Übersetzung von mir):

(...)

We must change the dynamic of violence. The Iraqi government has undertaken a searching analysis and is responding with a strategy on two fronts: national and international.

Wir müssen die Dynamik der Gewalttätigkeit ändern. Die irakische Regierung hat eine gründliche Analyse durchgeführt und antwortet mit einer Strategie an zwei Fronten: der nationalen und der internationalen.

We have a sense of urgency, but we refuse to give in to panic. While it is important to highlight the progress made, particularly given the extremely pessimistic tone of debate in Washington, we know we must confront many grave challenges. The unrelenting security problem, sectarian polarization, corruption and the inability of the government to deliver services are all threats to the transition. They could prove fatal if not dealt with urgently.

Wir spüren, daß die Zeit drängt, aber wir weigern uns, einer Panik nachzugeben. Es ist wichtig, den Fortschritt zu unterstreichen, den wir machen, vor allem angesichts des extrem pessimistischen Tons der Debatte in Washington. Wir wissen aber auch, daß wir vielen schwierigen Herausforderungen begegnen müssen. Das unerbittliche Sicherheitsproblem, eine konfessionelle Polarisierung, Korruption und die Unfähigkeit der Regierung, Dienstleistungen anzubieten, bedrohen gemeinsam den Übergang. Sie könnten sich als tödlich erweisen, wenn sie nicht dringend angegangen werden.

(...)

The key planks of the national side of our strategy -- embodied in a "national compact" -- are national reconciliation, democratic federalism, political inclusion and a fair and rational oil policy. To achieve these things, the Iraqi Policy Council on National Security, composed of key elected officials, has adopted an intensive legislative timetable. This agenda is vital: It is the political part of our approach to ending the violence.

Die Hauptplanken der nationalen Seite unserer Strategie - verkörpert in einem "nationalen Pakt" - sind nationale Versöhnung, demokratischer Föderalismus, die Einbeziehung politischer Kräfte und eine faire und rationale Ölpolitik. Um das zu erreichen, hat der Irakische Nationale Sicherheitsrat, der aus wichtigen gewählten Vertretern besteht, einen intensiven Zeitplan für die Gesetzgebung festgelegt. Diese Agenda ist lebenswichtig: Sie ist der politische Teil unseres Ansatzes zur Beendigung der Gewalt.

(...)

For most of its existence as a modern state, Iraq was profoundly unbalanced politically. Power was concentrated in the hands of the few, the benefits of the state denied to the many. The liberation of Iraq in 2003 temporarily created a new, if fundamentally democratic, imbalance. Almost overnight, the Kurds and Shiite Arabs were enfranchised, while many -- too many -- Sunni Arabs did not participate in the new political process. We must defend diversity. Those responsible for the violence, the Baathist-jihadist terrorist axis, hate and reject diversity and democracy. They seek supremacy and theocracy.

Während seiner Existenz als moderner Staat befand sich der Irak meist politisch in einem großen Ungleichgewicht. Die Macht war in den Händen Weniger konzentriert, viele durften nicht vom Staat profitieren. Die Befreiung des Irak im Jahr 2003 erzeugte vorübergehend ein neues, wenn auch im Grundsatz demokratisches, Ungleichgewicht. Fast über Nacht wurden die Kurden und die schiitischen Araber wahlberechtigt, während viele - zu viele - sunnitische Araber sich an dem neuen politischen Prozeß nicht beteiligten. Wir müssen die Vielfalt verteidigen. Die für die Gewalt Verantwortlichen - die baathistisch-dschihadistische Achse des Terrorismus - hassen und bekämpfen Vielfalt und Demokratie. Sie suchen Alleinherrschaft und einen Gottesstaat. (...)

Balance is critical. Without it, there could be disintegration of the country. Within the national reconciliation program outlined by Prime Minister Nouri al-Maliki, we must seek balance on de-Baathification (...) Similarly, in our counterterrorism and anti-militia strategy, we must balance political and security measures. (...)

Ausgleich ist kritisch. Ohne ihn könnte das Land zerfallen. Innerhalb des Programms nationaler Versöhnung, wie es Premierminister Nouri al-Maliki umrissen hat, brauchen wir einen Ausgleich bei der Entbaathifizierung (...) Ähnlich müssen wir bei unseren Maßnahmen gegen den Terrorismus und die Milizen politische und Sicherheitsmaßnahmen ausbalancieren. (...)

The second part of our strategy is international. (...)

Der zweite Teil unserer Strategie ist international. (...)

We want a partnership, not unconditional aid. We are adopting a structured plan for economic development, not issuing a laundry list of financial demands. (...) Such an approach, with broad international support, is something new and, we hope, a harbinger of a Middle East characterized by cooperation, not conflict.

Wir wollen eine Partnerschaft, keine bedingungslose Hilfe. Wir legen einen strukturieren Plan für wirtschaftliche Entwicklung fest, nicht einen Waschzettel mit Finanzforderungen. (...) Solch ein Ansatz, mit breiter internationaler Unterstützung, ist etwas Neues und, hoffen wir, der Vorläufer für einen Mittleren Osten, der durch Kooperation, nicht Konflikt, gekennzeichnet ist.

Ein vernünftiges Programm, scheint mir. Es läuft im Grunde darauf hinaus, die Unbelehrbaren mit Härte zu bekämpfen und mit allen anderen politischen Kräften einen Ausgleich zu suchen.

Und das innen- wie außenpolitisch. Die Annäherung des Irak an den Iran ist sicherlich in diesem Zusammenhang zu sehen.



Noch eine Bemerkung: Wie schon in der erwähnten Pressekonferenz hat sich Salih auch jetzt wieder betroffen von dem Pessimismus in Washington gezeigt (wohl vor allem bei den Demokraten und in einem großen Teil der Presse). Er selbst sieht halt die Entwicklung im Irak nicht primär unter der Perspektive dessen, was den Amerikanern ebenso wie uns tagtäglich von den Medien angeboten wird: Berichte über Verbrechen.

Natürlich sind diese Verbrechen Realität. Aber das Land ist doch nicht primär dadurch gekennzeichnet, daß ihn ihm Banden von Verbrechern ihr Unwesen treiben.


 Sprung  



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