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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 10 Antworten
und wurde 631 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

06.06.2009 15:35
Neues aus der Forschung Antworten
Es waren zwei kleine Tests, als ich Neues aus der Forschung berichtet hatte; über das Multiversum und über die erstaunliche Intelligenz unserer Vettern. Es scheint, daß die Resonanz positiv war. Also gibt es jetzt eine neue Rubrik in ZR.

Kann man über Forschung berichten, gar diskutieren, ohne selbst Fachmann zu sein? Ist es nicht so, wie es Gorgasal hier verlinkt hat?

Ich glaube das nicht. Es gibt vielen schlechten Wissenschafts-Journalismus, das ist wahr. Aber den Kern einer Argumentation, die Logik einer Methode, die Bedeutung eines Befunds kann man auch verstehen, ohne die technischen Einzelheiten zu beherrschen.

Freilich kann sich der Laie dabei irren; leichter als der Experte. Deshalb lade ich bei dieser neuen Rubrik ganz besonders zu kritischen Kommentaren ein. Vor allem von denen, die das jeweilige Gebiet kennen.
Geozentriker Offline



Beiträge: 68

06.06.2009 16:14
#2 RE: Neues aus der Forschung Antworten

Zitat von Zettel
Aber den Kern einer Argumentation, die Logik einer Methode, die Bedeutung eines Befunds kann man auch verstehen, ohne die technischen Einzelheiten zu beherrschen.



Nun, ich denke nicht, dass man das kann. Die Modellbildung in den Naturwissenschaften hat einen Stand der Abstraktion erreicht, dass es ohne gründliches Studium der jeweiligen (mathematischen) Modelle nicht möglich ist diese auch nur annähernd zu verstehen - geschweige denn gar zu bewerten. Das schließt natürlich nicht aus, dass man sich durch Vermittlung guter Wissenschaftsjournalisten (die in der Regel über ein grundlegendes Studium auf jeweiligem Fachgebiet verfügen) einen (zumindest vagen) Überblick darüber verschaffen kann, was aktuell geforscht wird (ich empfinde hier die "Bild der Wissenschaft" als gutes Beispiel). Besser ist es, wenn ein entsprechender Fachwissenschaftler Dinge seines Fachgebietes erklärt (z.B. finde ich die Erklärungen von Prof. Lech immer sehr interessant).
Ich denke auch, dass die Frage so falsch gestellt ist. Ist es nicht vielmehr interessanter zu fragen, ob der "Nichtfachforscher" in der Lage ist zu bewerten, wie Forschungsergebnisse umgesetzt werden sollen (bzw. welche Schlußfolgerungen wir aus diesen ziehen sollten). Das betrifft unmittelbar unser Leben (unseren zukünftigen Wohlstand!!!). Folgende brisanten Beisiele seien hier genannt: Klimaforschung, Gentechnik - wie der gesamte technisch-technologische Bereich überhaupt (Lebensmitteltechnologie!!!, Kernfusion).

Geozentriker

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

06.06.2009 16:30
#3 RE: Neues aus der Forschung Antworten

Zitat von Geozentriker
Zitat von Zettel
Aber den Kern einer Argumentation, die Logik einer Methode, die Bedeutung eines Befunds kann man auch verstehen, ohne die technischen Einzelheiten zu beherrschen.


Nun, ich denke nicht, dass man das kann. Die Modellbildung in den Naturwissenschaften hat einen Stand der Abstraktion erreicht, dass es ohne gründliches Studium der jeweiligen (mathematischen) Modelle nicht möglich ist diese auch nur annähernd zu verstehen - geschweige denn gar zu bewerten.

Bewerten nicht, lieber Geozentriker. Das können nur wenige Fachleute. Verstehen schon. Denn die Grundgedanken jeder wissenschaftlichen Theorie sind ja einfach. Simplex sigillum veri.
Zitat von Geozentriker
Das schließt natürlich nicht aus, dass man sich durch Vermittlung guter Wissenschaftsjournalisten (die in der Regel über ein grundlegendes Studium auf jeweiligem Fachgebiet verfügen) einen (zumindest vagen) Überblick darüber verschaffen kann, was aktuell geforscht wird (ich empfinde hier die "Bild der Wissenschaft" als gutes Beispiel).

Hm, das ist nun vielleicht nicht Spitze. Das absolut beste Wissenschaftsmagazin ist der Scientific American, und dessen deutscher Ableger ist das "Spektrum der Wissenschaft". Ich habe im Scientific American noch keinen einzigen Artikel aus meinem eigenen Bereich gefunden, der fachlich zu beanstanden gewesen wäre.
Zitat von Geozentriker
Besser ist es, wenn ein entsprechender Fachwissenschaftler Dinge seines Fachgebietes erklärt (z.B. finde ich die Erklärungen von Prof. Lech immer sehr interessant).

Ach, täte Harald Lesch es doch! "Alpha Centauri" war eine brillante Sendung. Jetzt versucht er sich an einem Massenpublikum, und es ist nix mehr.
Zitat von Geozentriker
Ich denke auch, dass die Frage so falsch gestellt ist. Ist es nicht vielmehr interessanter zu fragen, ob der "Nichtfachforscher" in der Lage ist zu bewerten, wie Forschungsergebnisse umgesetzt werden sollen (bzw. welche Schlußfolgerungen wir aus diesen ziehen sollten). Das betrifft unmittelbar unser Leben (unseren zukünftigen Wohlstand!!!). Folgende brisanten Beisiele seien hier genannt: Klimaforschung, Gentechnik - wie der gesamte technisch-technologische Bereich überhaupt (Lebensmitteltechnologie!!!, Kernfusion).

Ja, lieber Geozentriker, das ist in der Tat eine wichtige Frage (nur macht sie ja eine andere Frage nicht falsch ).

Die Forschung ist immer gesellschaftlichen, oft auch theologischen Pressionen ausgesetzt gewesen.

Sie ist das heute mehr denn je, weil sie so teuer geworden ist. Galilei und Newton brauchten keine Forschungselder zu beantragen, weil ihre Forschung fast nichts kostete. Heute kann nur forschen, wer Gelder einwirbt.

Nach meiner Überzeugung muß die Forschung frei sein. Das Kriterium ist nicht, ob etwas nützt, sondern ob es unser Wissen vermehrt.

Meist wird das, was unser Wissen vermehrt, letztlich auch nützen. Aber den Nutzen von Anfang an zum Kriterium zu machen, ist grottenfalsch.

Herzlich, Zettel

Kaa Offline




Beiträge: 658

06.06.2009 18:09
#4 RE: Neues aus der Forschung Antworten
Zitat von Zettel

Galilei und Newton brauchten keine Forschungselder zu beantragen, weil ihre Forschung fast nichts kostete. Heute kann nur forschen, wer Gelder einwirbt.
Nach meiner Überzeugung muß die Forschung frei sein. Das Kriterium ist nicht, ob etwas nützt, sondern ob es unser Wissen vermehrt.
Meist wird das, was unser Wissen vermehrt, letztlich auch nützen. Aber den Nutzen von Anfang an zum Kriterium zu machen, ist grottenfalsch.


Für den Geldgeber nicht, lieber Zettel. Und selbst wenn die Allgemeinheit in Form des Staates die Gelder gibt, muß sie Kriterien haben, zu entscheiden, inwieweit das Unterstützung wünschende Vorhaben unterstützenswert ist. Ich kann mir da nur zwei vorstellen: Entweder, daß das Projekt wahrscheinlich zu einem Ergebnis führt, oder, daß das erforschte Wissen Nutzen bringt.

Liebe Grüße
Kaa


Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus Autor im Netz bekannt

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

06.06.2009 18:17
#5 RE: Neues aus der Forschung Antworten

Zitat von Kaa
Und selbst wenn die Allgemeinheit in Form des Staates die Gelder gibt, muß sie Kriterien haben, zu entscheiden, inwieweit das Unterstützung wünschende Vorhaben unterstützenswert ist. Ich kann mir da nur zwei vorstellen: Entweder, daß das Projekt wahrscheinlich zu einem Ergebnis führt, oder, daß das erforschte Wissen Nutzen bringt.

Das einzige vernünftige Kriterium ist aus meiner Sicht, ob man am Ende mehr weiß als am Anfang.

Nutzen kann niemand vorhersagen. Die Mondlandung hat, entgegen einer Legende, nicht die Teflon-Pfanne hervorgebracht; aber das Projekt Apollo hat die Miniaturisierung von Computern, die Entwicklunng leistungsfähiger Akkus usw. entscheidend gefördert.

Wozu ist die Astronomie gut? Erst mal, liebe Kaa, zu gar nichts. Aber ohne sie, ohne die Relativitätstheorie würde GPS nicht funktionieren. Nur konnten das weder Kepler noch Einstein wissen.

Herzlich, Zettel

Kaa Offline




Beiträge: 658

06.06.2009 18:39
#6 RE: Neues aus der Forschung Antworten

Zitat von Zettel

Das einzige vernünftige Kriterium ist aus meiner Sicht, ob man am Ende mehr weiß als am Anfang.


Ich würde dafür nix bezahlen. Ich würde dafür zwar was investieren, aber nur wenn ich auch den Spaß hätte, direkt am Projekt teilzunehmen. Aber anderen Leuten würde ich dafür kein Geld geben, nur damit die Welt mehr weiß als vorher. Nicht mit meinem Geld. Wer der Geld hat, entscheidet da anders?

Zitat von Zettel

Nutzen kann niemand vorhersagen.


Doch. Man kann keinen Nutzen vorhersagen, der sich erst später ergibt. Doch man kann sehr wohl wissen, wenn man über Kuhabgase forscht, daß man das möglicherweise in Energiegewinnung umsetzen kann, und wenn man über Depression forscht, in neue Medikamente und über Nanotechnologie, daß da ungeheure Summen bei rausspringen können.

Liebe Grüße
Kaa


Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus Autor im Netz bekannt

Geozentriker Offline



Beiträge: 68

06.06.2009 20:24
#7 RE: Neues aus der Forschung Antworten
Zitat von Zettel
Zitat von Geozentriker

Bewerten nicht, lieber Geozentriker. Das können nur wenige Fachleute. Verstehen schon. Denn die Grundgedanken jeder wissenschaftlichen Theorie sind ja einfach. Simplex sigillum veri.



Sie haben natürlich recht, in der Regel setzen sich die einfachsten Modelle durch - trotzdem sind diese oft nicht einfach zu verstehen. Nach meinem damaligen Physikstudium habe ich auf eher theoretischem Gebiet mit stark mathematischem Einschlag gearbeitet. Trotzdem habe ich - bei kritischer Würdigung - vieles außerhalb meines direkten Fachgebietes nicht verstanden (heute bin ich schon seit ungefähr zwei Jahrzehnten beruflich nicht mehr mit physikalischen Problemen beschäftigt und verstehe da ohnehin nichts mehr). Sicher sind die grundlegenden Ideen der (meist übersichtlichen) Grundformeln schon verständlich, das verstehe ich aber nicht als "verstehen". Als Verstehen würde ich definieren, dass man das mathematische Modell auch interpretieren kann, die wichtigsten Nebenbedingungen und Lösungen kennt und auch grundlegende Probleme diskutieren kann. Wenn man so weit ist, kann man das Modell übrigens schon in Grundzügen bewerten - zur detailierten Bewertung sollte man schon auch "exotische" Lösungen verstehen und widersprüchliche Experimente kennen.
Das ist jedenfalls meine Erfahrung auf dem Gebiet der Physik (vielleicht war und bin ich aber auch nur zu dusselig und verstehe halt nix).

Zitat von Zettel
Zitat von Geozentriker
[quote="Zettel"]A
Hm, das ist nun vielleicht nicht Spitze. Das absolut beste Wissenschaftsmagazin ist der Scientific American, und dessen deutscher Ableger ist das "Spektrum der Wissenschaft". Ich habe im Scientific American noch keinen einzigen Artikel aus meinem eigenen Bereich gefunden, der fachlich zu beanstanden gewesen wäre.
<blockquote><font size="1">Zitat von Geozentriker
Besser ist es, wenn ein entsprechender Fachwissenschaftler Dinge seines Fachgebietes erklärt (z.B. finde ich die Erklärungen von Prof. Lech immer sehr interessant).

Ach, täte Harald Lesch es doch! "Alpha Centauri" war eine brillante Sendung. Jetzt versucht er sich an einem Massenpublikum, und es ist nix mehr.



Trotzdem würde ich jedem "Bild der Wissenschaft" empfehlen. Man erhält einen umfassenden (wenn manchmal auch oberflächlichen und von manch überflüssigem Geschwafel begleiteten) Überblick, auch wird in der Zeitschrift manch heißes Eisen nicht mainstreamkonform diskutiert (das hat nach meiner Beobachtung aber etwas abgenommen, wenn der Ökoquatsch zunimmt, werde ich zukünftig wohl auf diese Zeitschrift verzichten).
Mit dem guten Lesch gebe ich Ihnen uneingeschränkt recht (ich meinte natürlich "Alpha Centauri" deshalb habe ich formuliert: "wenn ein entsprechender Fachwissenschaftler Dinge seines Fachgebietes erklärt").


<blockquote><font size="1">Zitat von Zettel

Ja, lieber Geozentriker, das ist in der Tat eine wichtige Frage (nur macht sie ja eine andere Frage nicht falsch ).
Die Forschung ist immer gesellschaftlichen, oft auch theologischen Pressionen ausgesetzt gewesen.
Sie ist das heute mehr denn je, weil sie so teuer geworden ist. Galilei und Newton brauchten keine Forschungselder zu beantragen, weil ihre Forschung fast nichts kostete. Heute kann nur forschen, wer Gelder einwirbt.
Nach meiner Überzeugung muß die Forschung frei sein. Das Kriterium ist nicht, ob etwas nützt, sondern ob es unser Wissen vermehrt.
Meist wird das, was unser Wissen vermehrt, letztlich auch nützen. Aber den Nutzen von Anfang an zum Kriterium zu machen, ist grottenfalsch.
Herzlich, Zettel


Diese mehr "esoterische Sicht" wird ja oft von Gesellschaftswissenschaftlern (hier ohne Mathemtik gemeint) vertreten. Als Naturwissenschaftler und Ingenieur würde ich das so nicht vertreten (den Gesellschaftswissenschaftlern muß ich nicht die Haut retten - die finden immer genug Jünger, die ihnen selbst den größten Mist abnehmen). Es geht ja nicht nur um Geld - vielmehr macht sich eine prinzipielle Wissenschaftsfeindlichkeit breit. Da sollten wir schon deutlich erklären, dass unsere Forschung Nutzen bringt. Ich sehe darin auch kein Problem - es ist ja tasächlich so - selbst theoretischste Theorie (sorry für den blöden Ausdruck - dürfte aber klar sein, was ich meine) dient zur Weiterentwicklung des gesamten Wissensgebäudes und ist daher erforderlich für Anwendungen - man müsste das jetzt natürlich näher ausführen - das spare ich mir hier aber - nur soviel: Sie haben hier an anderer Stelle die Mondlandung genannt - gerade die Entwicklung Raumfahrt ist nun existenziell für die Menschheit - man muß ja davon ausgehen, dass mal ein recht großer kosmischer Körper auf die Erde töppert - wenn die Menschheit dann nicht die entsprechende Technik zur Abwehr hat - dann wird es aber finster um Schiller und Goethe (edit: es gibt natürlich noch andere kosmische Gefahren - will das aber hier nicht zu weit ausdehnen).
Noch als Bemerkung: Forschung muß natürlich frei sein - unbedingt - das hindert aber nicht den Nutzen darzustellen.

(oft) nicht verstehende Grüße
Geozentriker
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.06.2009 01:17
#8 RE: Neues aus der Forschung Antworten

Lieber Geozentriker,

wir sind, glaube ich, gar nicht weit voneinander entfernt. Ich stimme Ihnen weitgehend zu; nur möchte ich gern bei meiner Meinung bleiben, daß es sinnvoll ist, wissenschaftliche Ergebnisse darzustellen und zu diskutieren, auch wenn man im betreffenden Gebiet kein Fachmann ist.

Der "Nutzen" von Wissenschaft besteht eben nicht nur darin, daß man sie technisch anwenden kann; so wichtig das ist. Sondern sie verändert auch unsere Denken, sie bestimmt unser Weltbild. Dazu muß sie auch von denen rezipiert und diskutiert werden, die in der jeweiligen Disziplin keine Fachleute sind.

Es gibt Wissenschaften, die halbwegs im öffentlichen Bewußtsein existieren, die Biologie zum Beispiel (oft mit ideologischen Vorzeichen). Die Astronomie gehört nicht dazu; sie ist ja noch nicht einmal Schulfach. Was glauben Sie, wieviel Prozent der Deutschen mit Abitur eine Vorstellung von dem haben, worüber heute die Kosmologen diskutieren?

Ich werde in dieser neuen Rubrik über diverse Wissenschaften schreiben. Natürlich beherrsche ich sie nicht fachlich. Aber ich traue mir zu, zu beurteilen, ob das, was ich lese und verwende, seriös ist oder nicht.

Herzlich, Zettel

Geozentriker Offline



Beiträge: 68

07.06.2009 13:00
#9 RE: Neues aus der Forschung Antworten
Zitat von Zettel
Lieber Geozentriker,
wir sind, glaube ich, gar nicht weit voneinander entfernt. Ich stimme Ihnen weitgehend zu; nur möchte ich gern bei meiner Meinung bleiben, daß es sinnvoll ist, wissenschaftliche Ergebnisse darzustellen und zu diskutieren, auch wenn man im betreffenden Gebiet kein Fachmann ist.
Der "Nutzen" von Wissenschaft besteht eben nicht nur darin, daß man sie technisch anwenden kann; so wichtig das ist. Sondern sie verändert auch unsere Denken, sie bestimmt unser Weltbild. Dazu muß sie auch von denen rezipiert und diskutiert werden, die in der jeweiligen Disziplin keine Fachleute sind.
Es gibt Wissenschaften, die halbwegs im öffentlichen Bewußtsein existieren, die Biologie zum Beispiel (oft mit ideologischen Vorzeichen). Die Astronomie gehört nicht dazu; sie ist ja noch nicht einmal Schulfach. Was glauben Sie, wieviel Prozent der Deutschen mit Abitur eine Vorstellung von dem haben, worüber heute die Kosmologen diskutieren?

Herzlich, Zettel


Nun lieber Zettel, so liegen wir tatsächlich dicht beieinander.
Ich hatte da sicher nur unter "Verstehen" etwas anderes verstanden - das ist halt der Nachteil, wenn Meinungen in dieser Kürze ausgetauscht werden - man müsste sich eigentlich erst über gemeinsame Begriffe einigen.
Ich stimme Ihnen natürlich zu, dass Wissenschaft vermittelt (auch sicher etwas "propagiert") werden muß. Welche Erfolge damit erzielt werden können (zumal wenn die Ergebnisse in politische Konzepte passen), sieht man am Beispiel der Klimaforschung, hier ist es den Klimapanikologen gelungen ihren Mist gut unters Volk zu bringen (zur Klarstellung: die Forschungen der Klimaforscher sind sicher kein Mist - Mist sind aber die Schlußfolgerungen, z.B. die Aussage, dass der Einfluss des CO2 zu 90% Prozent bewiesen wäre - das ist nach meiner Meinung Unfug - sogar groberUnfug!) - nochmal zur Klarstellung, dies als Meinungsäußerung nicht als Tatsachenbehauptung.
Sie haben natürlich recht, obwohl technische Anwendungen - und der Nutzen auf medizinischem Gebiet - der Menschheit das Leben am meisten positiv beeinflussen dürften, ist ein entwickeltes Weltbild auch ein Nutzen. Nur - rein von der praktisch-politischen Seite betrachtet, schwindet der Einfluß der Naturwissenschaften auf die Entwicklung unseres Weltbildes immer mehr (Selbstverwirklichungsideologien und Ökoquatsch haben da bessere Konjunktur). Da halte ich es schon für erforderlich mehr auf praktischen Nutzen hinzuweisen - zumal es nicht ganz unmöglich ist, dass es uns in den westlichen Ländern bald nicht mehr ganz so gut geht. In Notzeiten suchen die Leuten nach Lösungen - da sollten sich die Naturwissenschaften schon bemühen, dass sie besser aufgestellt sind als bestimmte "Heilslehren".
Noch eine kurze Bemerkung zu Galilei - Sie loben hier ein Buch, das erstmals in der ehemaligen DDR erschienen ist - ich kenne das Buch nicht und kann mir deshalb auch kein Urteil anmaßen - Ihnen ist aber sicher klar, dass Galilei in der ehemaligen DDR kräftig mißbraucht wurde.


Geozentriker
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.06.2009 17:25
#10 Forschung in der DDR Antworten

Zitat von Geozentriker
Noch eine kurze Bemerkung zu Galilei - Sie loben hier ein Buch, das erstmals in der ehemaligen DDR erschienen ist - ich kenne das Buch nicht und kann mir deshalb auch kein Urteil anmaßen - Ihnen ist aber sicher klar, dass Galilei in der ehemaligen DDR kräftig mißbraucht wurde.

Ich vermute, lieber Geozentriker, daß er mehr noch als in der Bundesrepublik durch die Brille Brechts gesehen bzw. so dargestellt wurde?

Ich habe das ja geschrieben, daß es auch mir so gegangen war - der historische Galilei verschmolz mit dem Brechts. Bis ich dieses Buch gelesen habe, das überwiegend schlicht die Schriften und Briefe Galileis enthält, sowie weitere Dokumente zB zu seinem Prozeß.

Die Kommentierung ist sachlich. Natürlich merkt man an der Diktion, daß der Kommentar in der DDR geschrieben wurde; aber es steht eindeutig die wissenschaftliche Akribie im Vordergrund.

Das bringt mich zu dem Punkt, zu dem ich Sie etwas fragen möchte.

Ich hatte ab ca 1980 regelmäßige Kontakte zu Kollegen in der DDR, habe dort auch einmal publiziert und bin noch heute mit einem Kollegen befreundet, der damals als Reisekader ins KA reisen durfte (seine Familie blieb natürlich als Geisel zurück).

Daraus ergibt sich für mich das Bild, daß man in den Naturwissenschaften weitgehend unbehelligt forschen konnte, wenn man gewisse Regeln einhielt.

Im Vorwort eines Buchs mußte auf den soundsovielten Parteitag Bezug genommen werden etc. Am besten war es, gleich auch noch zu erklären, wie gut die eigenen Forschungsergebnisse mit Engels' "Dialektik der Natur" übereinstimmten, der das alles im Grunde schon gewußt hätte. Hatte man diesen Schmus hinter sich, und vergaß man nicht das Zitieren sowjetischer Quellen, dann war man frei, ein ordentliches wissenschaftliches Buch zu publizieren.

In den Geisteswissenschaften war es sicher anders - aber die Naturwissenschaftler hatten, so mein Eindruck, fachlich relativ viel Spielraum. Man brauchte sie und ihre Ergebnisse ja.

Das eigentliche Problem für die damaligen Kollegen waren ihre nach westlichen Maßstäben jämmerlichen Arbeitsbedingungen. Ich habe das gelegentlich hier im Forum schon geschrieben, aber ich glaube, da haben Sie, lieber Geozentriker, noch nicht mitgelesen: Wie man an die Artikel westlicher Autoren nicht herankam. Jede Reise ins KA war so etwas wie eine Sammelaktion für Sonderdrucke und Kopien. Wie man noch nicht einmal kopieren konnte (ein einziger Kopierer in einer ganzen Uni; dieser nur unter Kontrolle benutzbar). Wie es an Computern fehlte, an Geräten.

Als ich den erwähnten Artikel in einer DDR-Zeitschrift publiziert habe, ging das so: Ich bekam den Artikel zusammen mit der Zusage, man werde ihn publizieren, zurück - aber nicht mein eingereichtes Exemplar, sondern alles war fein säuberlich auf einer mechanischen Schreibmaschine abgetippt, und es war ein Durchschlag. Ich habe das damals nicht fassen können; aber heute vermute ich, daß der Grund war, daß man eben nicht kopieren konnte. Also mußte man, um mehrere Exemplare (zB für Gutachter) zu bekommen, Durchschläge erstellen.

Das war drei oder vier Jahre vor dem Ende der DDR. Daß ein solcher Staat im Kommunikationszeitalter nicht lebensfähig war, erscheint mir evident. Die DDR war unfähig zur Innovation, weil jede Kommunikation von der Nomenklatura (zu Recht) als Bedrohung ihrer Herrschaft gesehen wurde.

Mich würde, lieber Geozentriker, interessieren, ob ich mit diesem Bild halbwegs richtig liege.

Herzlich, Zettel

Geozentriker Offline



Beiträge: 68

07.06.2009 21:40
#11 RE: Forschung in der DDR Antworten
Zitat von Zettel
Zitat von Geozentriker
Noch eine kurze Bemerkung zu Galilei - Sie loben hier ein Buch, das erstmals in der ehemaligen DDR erschienen ist - ich kenne das Buch nicht und kann mir deshalb auch kein Urteil anmaßen - Ihnen ist aber sicher klar, dass Galilei in der ehemaligen DDR kräftig mißbraucht wurde.

Ich vermute, lieber Geozentriker, daß er mehr noch als in der Bundesrepublik durch die Brille Brechts gesehen bzw. so dargestellt wurde?
Ich habe das ja geschrieben, daß es auch mir so gegangen war - der historische Galilei verschmolz mit dem Brechts. Bis ich dieses Buch gelesen habe, das überwiegend schlicht die Schriften und Briefe Galileis enthält, sowie weitere Dokumente zB zu seinem Prozeß.
Die Kommentierung ist sachlich. Natürlich merkt man an der Diktion, daß der Kommentar in der DDR geschrieben wurde; aber es steht eindeutig die wissenschaftliche Akribie im Vordergrund.
Zettel


Das klingt interessant, da habe ich gleich etwas, was ich mir bei nächster Gelegenheit schenken lasse.

<blockquote><font size="1">Zitat von Zettel
Das bringt mich zu dem Punkt, zu dem ich Sie etwas fragen möchte.
Ich hatte ab ca 1980 regelmäßige Kontakte zu Kollegen in der DDR, habe dort auch einmal publiziert und bin noch heute mit einem Kollegen befreundet, der damals als Reisekader ins KA reisen durfte (seine Familie blieb natürlich als Geisel zurück).
Daraus ergibt sich für mich das Bild, daß man in den Naturwissenschaften weitgehend unbehelligt forschen konnte, wenn man gewisse Regeln einhielt.
Zettel[/quote]

Prinzipiell haben Sie recht, im Detail war das dann doch etwas komplizierter. Ich hatte an anderer Stelle schon geschrieben, dass bedingungslose gesellschaftliche Anpassung die Grundlage der DDR war. Diese Anpassung wurde im akademischen Bereich nach Bau der Mauer durchgesetzt - besonders radikal seit den 70-ziger Jahren als man genug ausgebildete Leute hatte, die bereit waren sich den dazu erforderlichen Ritualen zu unterziehen (das wichtigste Ritual war der Eintritt in den heiligen Orden SED). Im Bereich der akademischen Lehre entstand dann das Kuriosum, dass die Lehre von ein paar älteren Professoren, parteilosen Dozenten (die nie eine Chance auf eine Professur hatten) und jüngeren, meist B-promovierten Oberassistenten getragen wurde. Die Lehrveranstaltungen jüngerer Parteiprofessoren waren meist eher peinliche Witzveranstaltungen (natürlich gab es hiervon auch ausnahmen). Ich kenne den akademischen Lehrbereich allerdings nur aus studentischer Sicht. Da ich nach meinem Studium keine Lust mehr hatte, den Kommunisten in den Allerwertesten zu kriechen, habe ich mich in die Industrie verdrückt (und kann Ihnen deshalb nur aus diesem Bereich detailiert berichten). Hier verdiente man zwar recht wenig (etwa 1/3 bis 1/2 eines Schichtarbeiters - man konnte das aber durch Honorarverträge etwas aufbessern), die Verhältnisse waren sonst allerdings in der Tat fast paradiesisch. Die wissenschaftlichen Abteilungsleiter hatten oft keine Ahnung (ich hatte mal einen erlebt, dessen Qualifikation war Bezirksparteischule - das galt wohl als Fachschulstudium), den konnte man sonstwas erzählen. Man konnte also nach gutdünken arbeiten - wenn man was interessantes gefunden hatte, dann wurde halt interessengeforscht, wenn man keine Lust hatte, dann tat man nix (auch gar nichts war durchaus möglich - ich persönlich habe es aber vorgezogen mir immer anspruchsvolle Themen zu suchen - war einfach interessanter).
Super waren auch die Fortbildungsmöglichkeiten. Als ich postgradual nochmal eine mich interessierende Ingenieurwissenschaft studieren wollte, ist mir der Kaderleiter (so nannten sich damals die Personalchefs) vor Freude fast um den Hals gefallen - es wollte sich sonst keiner qualifizieren und mit einem, der studiert, konnte er wohl soviel Planerfüllung abrechnen, dass er seinen Bildungsplan erfüllt hatte. Das Studium selbst nannte sich zwar Fernstudium, man hatte aber jedem Monat eine (bezahlte) Präsenzwoche an der Hochschule - einfach toll. Schwieriger war es zu promovieren. Da wurden in den Industriebetrieben Gruppen gebildet, wo einige Fachleute als Kamele einige Parteigenossen mit durchziehen mussten. Ich habe mich damals nicht darum bemüht, da gemukelt wurde, dass man da als Nichtgenosse von der Stasi angesprochen wird (nach der Wende ist dann tatsächlich rausgekommen, dass einige dieser Kamele für die Stasi geritten sind).
Westliche Fachliteratur war rar, sicher weniger aus ideologischen Gründen - wohl eher aus Devisenmangel (das war dann immer ein schöner Grund für ein Dienstreise zu einer entsprechenden Bibliothek).
Negativ war höchstens, dass man als "Dummstudierter" schief angesehen wurde - damit man den Kontakt zur Arbeiterklasse nicht verliert, musste man auch öfter Einsätze in der Produktion (für gewöhnlich an den dreckigsten und schwersten Stellen) hinter sich bringen. Auch wurde man schon agitiert in Partei und Kampfgruppe einzutreten (man wünschte sich schon kompetente Chefs - ich habe das nicht getan, da die Parteikommunisten in den Chefetagen oft saufende und hurende Primitivlinge waren, die häufig in Form des sich Anschreiens kommunizierten [lieber Zettel - verzeihen Sie mir meine etwas unakademische Ausdrucksweise - ich bevorzuge es aber Sachverhalte präzise darzustellen]) - wenn es da einem zuviel wurde, dann ging man halt in den nächsten Betrieb (es herrschte ja Personalmangel).
Etwas besser war dann die Situation kurz vor der Wende. Im produktiven Bereich war die blanke Not ausgebrochen. Die Substanz der alten Betriebe war verbraucht, Ersatzinvestitionen waren technisch so schlecht gemacht, dass diese sich oft nicht anfahren ließen bzw. nicht annähernd effektiv liefen. Da hatte man dann begriffen, dass man Fachleute brauchte - und man behandelte uns "Studierte" dann etwas besser (man wurde auch etwas besser bezahlt) und mit mehr Respekt (Gott sei Dank! war dann der Spuk DDR bald vorbei).
Erwähnen möchte ich noch, dass obige Schilderung keine Tatsachenbehauptung ist, sondern lediglich meine persönliche Meinung wiedergibt, hilfsweise erkläre ich diese Geschichte für frei erfunden - es besteht keine Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen oder Handlungen.


Geozentriker
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