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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 61 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.11.2008 05:48
Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Es hat a bisserl gedauert, bis ich diese Serie jetzt fortsetze; in Wiesbaden und Washington war Aufregenderes im Gang.

Daß Rußland irgendwie ein gewissermaßen natürliches Anrecht darauf hat, als Großmacht zu gelten, schien mir so selbstverständlich wie vermutlich den meisten von uns, bis ich darüber ein wenig nachgedacht und mir Zahlen angesehen habe. Das Ergebnis ist hier zu lesen.

Pentas ( gelöscht )
Beiträge:

14.11.2008 11:30
#2 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Vorschlag: Großmacht ist der, wer Atomwaffen hat, und diese binnen Stunden global zum Einsatz bringen kann. USA, Russland, GB*, Frankreich* und China (?).

GB und Frankreich haben jeweils 2 SSBN auf Fahrt, sind diese beiden SSBN günstig plaziert ist ein Großteil der bewohnten Welt in Reichweite der Raketen.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

14.11.2008 12:09
#3 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Erst einmal müßte man halt definieren, was man überhaupt unter einer Großmacht versteht.
Um mal ein Detail aus dem Text zu korrigieren: Deutschland war nach dem ersten Weltkrieg selbstverständlich noch Großmacht und wurde auch so gesehen - es bekam ja auch den entsprechenden Status im Völkerbund zugesprochen.

Heute gibt es nur eine Weltmacht - die USA. Mit dem Untergang der SU ist die andere Weltmacht verschwunden, bis zum zweiten Weltkrieg gehörten auch GB, F und D zu dieser Gruppe.

Eine Großmacht dagegen ist eine Etage tiefer. Und man könnte Rußland durchaus so bezeichnen, weil ein Land halt in mehreren Feldern gut sein muß, um einen solchen Status zu haben.
Die wirtschaftliche Stärke, die militärische Stärke und der diplomatische Einfluß sind da wesentlich.

Und Rußland mag wirtschaftlich hinter Spanien oder Italien zurückstehen - ist aber militärisch deutlich stärker (nicht zuletzt durch die A-Waffen).
Pakistan oder Nordkorea mögen auch viele Soldaten haben - aber da ist wiederum die Wirtschaft ein Witz.

Und diplomatisch - das muß man anerkennen, obwohl einem die Methoden nicht gefallen - haben die Russen immer noch die Erfahrung, um großen Einfluß auszuüben.
Nicht nur durch ihren Sitz im Sicherheitsrat, sondern auch durch ihr Geschick in der Manipulation der öffentlichen Meinung.
Arbeitsfähige Geheimdienste, die so etwas hinkriegen, sind halt auch ein Teil des Großmacht-Status.

Ich würde eigentlich dazu neigen, die ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat immer noch alle als Großmächte zu zählen - selbst Frankreich, daß am deutlichsten schwächelt.

Und auch Brasilien und Indien würde ich zum Club zählen, sie dominieren ja auch ihre Regionen.

Umgekehrt ist Deutschland dagegen keine Großmacht mehr. Und das hat nichts mit fehlenden Kapazitäten zu tun - es fehlt der Wille, eine Großmacht zu sein und entsprechend zu agieren.
Man sieht das an der militärischen Selbstbeschränkung, die ein eigenständiges Agieren fast unmöglich macht.
Und vor allem an der völlig unzureichenden außenpolitischen Kompetenz, von Geheimdiensten ganz zu schweigen.


Aber egal wie man es definiert: Ein "Großmacht"-Status mag zu mehr allgemeinem Einfluß verhelfen - gibt aber nicht den mindesten Anspruch auf eine "Einflußsphäre".
Da ist Schmidt atemberaubend anachronistisch.
Die legitimen Möglichkeiten auch der stärksten Großmacht enden an der Landesgrenze des kleinsten und schwächsten Nachbarstaates.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.11.2008 16:28
#4 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Lieber R.A.,

danke für diese interessanten Anmerkungen!

Zitat von R.A.
Erst einmal müßte man halt definieren, was man überhaupt unter einer Großmacht versteht.

Und die Selbstverständlichkeit, mit der ja nicht nur Helmut Schmidt Rußland diesen Status zubilligt, war es eben, was ich in dem Artikel a bisserl problematisieren wollte.
Zitat von R.A.
Um mal ein Detail aus dem Text zu korrigieren: Deutschland war nach dem ersten Weltkrieg selbstverständlich noch Großmacht und wurde auch so gesehen - es bekam ja auch den entsprechenden Status im Völkerbund zugesprochen.

Ja, das stimmt, insofern es Ständiges Mitglied des Völkerbundsrats war. Allerdings trat es ja erst 1926 in den Völkerbund ein. 1919 wird man es wohl nicht mehr als Großmacht betrachtet haben, mit den Auflagen das Versailler Vertrags, vor allem den militärischen. Aber wie Sie sagen - es ist natürlich eine Definitionsfrage, wen man als Großmacht einstuft. Vielleicht habe ich den machtmäßigen Abstieg Deutschlands 1919 zu krass gesehen.
Zitat von R.A.
Die wirtschaftliche Stärke, die militärische Stärke und der diplomatische Einfluß sind da wesentlich. Und Rußland mag wirtschaftlich hinter Spanien oder Italien zurückstehen - ist aber militärisch deutlich stärker (nicht zuletzt durch die A-Waffen).

Das ist aus meiner Sicht der springende Punkt. Rußland ist heute eine Mittelmacht, um diesen vielleicht altmodischen Begriff zu verwenden, mit dem auf das Militär gestützten Anspruch einer Großmacht. Ein militärischer Wasserkopf.

Die Frage ist aus meiner Sicht, ob man diesen Anspruch anerkennt, also Rußland allein wegen seiner militärischen Stärke beispielsweise eine Einflußssphäre zubilligt. Man kann natürlich sagen, daß es den Russen wurscht sein kann, was man ihnen zubilligt - solange sie drohen können, nehmen sie es sich.

Insofern wäre es vielleicht besser und klarer gewesen, wenn ich in dem Artikel die Frage etwas anders formuliert hätte: Nicht "Ist Rußland eine Großmacht?", sondern "Sollte man den Großmachtanspruch Rußlands anerkennen?".
Zitat von R.A.
Und diplomatisch - das muß man anerkennen, obwohl einem die Methoden nicht gefallen - haben die Russen immer noch die Erfahrung, um großen Einfluß auszuüben. Nicht nur durch ihren Sitz im Sicherheitsrat, sondern auch durch ihr Geschick in der Manipulation der öffentlichen Meinung. Arbeitsfähige Geheimdienste, die so etwas hinkriegen, sind halt auch ein Teil des Großmacht-Status.

Ja, das stimmt. Danke für die Ergänzung; ich hätte diesen Aspekt einbeziehen sollen. Aber er ist eben auch Teil des Wasserkopfs.

Was die Diplomatie angeht, war es nach 1919 in Österreich ähnlich: Das Habsburger Reich zerschlagen, aber in Wien saß immer noch die Verwaltung und Diplomatie einer Großmacht.
Zitat von R.A.
Ich würde eigentlich dazu neigen, die ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat immer noch alle als Großmächte zu zählen - selbst Frankreich, daß am deutlichsten schwächelt.

Allerdings stellt sich dann sofort die Frage, wer nach denselben Kriterien ebenfalls den Anspruch auf einen Ständigen Sitz im Sicherheitsrat hätte. Das wird ja seit Jahren diskutiert - Japan, Indien, Brasilien sind offensichtliche Anwärter. Aber auch Indonesien, Pakistan und Nigeria, vielleicht demnächst Vietnam. Von der Wirtschaftskraft und der militärischen Stärke her wäre eigentlich auch Südkorea ein logischer Anwärter. Und natürlich Deutschland.
Zitat von R.A.
Umgekehrt ist Deutschland dagegen keine Großmacht mehr. Und das hat nichts mit fehlenden Kapazitäten zu tun - es fehlt der Wille, eine Großmacht zu sein und entsprechend zu agieren. Man sieht das an der militärischen Selbstbeschränkung, die ein eigenständiges Agieren fast unmöglich macht. Und vor allem an der völlig unzureichenden außenpolitischen Kompetenz, von Geheimdiensten ganz zu schweigen.

Wie lange werden wir das durchhalten können, lieber R.A.? Es hat etwas Unnatürliches, wenn das rückständige, arme Rußland den Status einer Großmacht beansprucht. Aber es hat umgekehrt auch etwas Unnatürliches, wenn Deutschland mit seiner Wirtschaftskraft, mit seiner politischen Stabilität und seinem kulturellen Einfluß sich diesem Status verweigert.
Zitat von R.A.

Aber egal wie man es definiert: Ein "Großmacht"-Status mag zu mehr allgemeinem Einfluß verhelfen - gibt aber nicht den mindesten Anspruch auf eine "Einflußsphäre".Da ist Schmidt atemberaubend anachronistisch.

Die legitimen Möglichkeiten auch der stärksten Großmacht enden an der Landesgrenze des kleinsten und schwächsten Nachbarstaates.

Jedenfalls wird das ja in Deutschland allgemein so gesehen, wenn es um die USA geht. Ich finde es schon interessant, daß Schmidt das in Bezug auf Rußland anders sieht. Er dürfte damit repräsentativ für viele in Deutschland sein.

Ich frage mich, ob nicht in vielen deutschen Hinterköpfen die Idee spukt, wir könnten uns doch gut mit den Russen einigen; die Kleinen dazwischen seien doch nicht so wichtig. Das ist ja die Logik der Pipeline durch die Ostsee.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

14.11.2008 18:26
#5 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Zitat von Zettel
Lieber Zettel,
so kurz vor dem Wochenende noch so eine interessante Grundsatzdiskussion ...

In Antwort auf:
1919 wird man es wohl nicht mehr als Großmacht betrachtet haben

Ich würde mal sagen: Gerade weil man es noch als Großmacht gefürchtet hat, war der Versailler Vertrag so rigide.

Aber der eigentliche Punkt ist natürlich: Was macht heute eine Großmacht aus.
Eine gewisse wirtschaftlich und militärische Stärke ist natürlich Minimalvoraussetzung.
Aber dann eben auch das außenpolitische Gewicht, und zwar eines, daß nicht nur in der Region (das sind die Mittelmächte), sondern im Prinzip weltweit beigemessen wird.

In diesem Sinne war z. B. China trotz Sicherheitsratssitz jahrzehntelang keine Großmacht - es fehlte nicht nur die wirtschaftliche Potenz, sondern weitgehend auch die Relevanz außerhalb des eigenen Bereichs.

Das hat sich ja in den letzten 10 Jahren deutlich geändert, China vertritt aktiv seine Interessen in allen Kontinenten und wird auch entsprechend als Akteur respektiert.

Und das gilt m. E. für Rußland auch. Es hat nicht nur den alten Politikapparat noch aktionsfähig, mit den alten Kontakten und vielen Verbündeten - es hat auch durchaus noch genug Stärke, um daraus etwas zu machen.
Das ist schon ein Unterschied zum Österreich nach 1919. Das hatte noch reichlich Personal aus der Großmachtszeit - aber diese Leute hatten keine Aktionsmöglichkeiten mehr.

Zitat:Rußland ist heute eine Mittelmacht, um diesen vielleicht altmodischen Begriff zu verwenden, mit dem auf das Militär gestützten Anspruch einer Großmacht. Ein militärischer Wasserkopf.

Ich habe ja mal die Mittelmacht versucht zu definieren, um hier widersprechen zu können.
Das "Obervolta mit Atomraketen" hat zwar immer noch einen wahren Kern - aber da ist doch mehr.
Die Wirtschaftspotenz ist mäßig pro Kopf, aber doch über die Größe des Landes ein Gewicht. Da Rußland es sich auch weiterhin leisten kann, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu vernachlässigen, hat die Führung deutlich mehr Finanzmittel zur Verfügung für Machtpolitik als mancher westliche Staat.
Und man sollte auch nicht das immer noch gute Bildungssystem vergessen.

In Antwort auf:
Die Frage ist aus meiner Sicht, ob man diesen Anspruch anerkennt, also Rußland allein wegen seiner militärischen Stärke beispielsweise eine Einflußssphäre zubilligt.

Das natürlich überhaupt nicht - das billige ich den übrigen Großmächten ja auch nicht zu.

In Antwort auf:
Japan, Indien, Brasilien sind offensichtliche Anwärter.

Indien und Brasilien sehe ich durchaus auch. Jedenfalls vom Potential her - noch sind sie außerhalb ihrer Region wenig aktiv.
Japan dagegen verhält sich ähnlich verzwergt wie Deutschland, das überzeugt halt nicht.

Weitere Kandidaten sehe ich überhaupt nicht. Da ist der Abstand zu den echten Großmächten viel zu groß.
Bevor zum Beispiel ein Vietnam ernst genommen werden könnte, wären allemal Spanien, Italien, die Türkei, Australien und Kanada als Großmächte zu zählen - da wird es dann irgendwann etwas sinnentleert.

Man kann übrigens ein bißchen ablesen, wie der "Großmacht-Status" eines Landes gesehen wird, wenn man so die Dauerteilnehmer bei diversen Krisenkonferenzen anschaut.
Ob nun Nahost oder Afghanistan, Kosovo oder Darfur - immer wieder treffen sich da dieselben Mächte mit ein paar nach regionaler Bedeutung wechselnden Ländern.

Da geht es grundsätzlich nie ohne die USA ab.
Und fast nie ohne EU und Rußland.
Meistens sind auch GB und F vertreten - China noch recht selten.
Und manchmal auch Deutschland.

Aber Brasilien? Oder gar Indonesien oder Pakistan?
Die wären doch selber überrascht, wenn sie mal eingeladen würden.

In Antwort auf:
Wie lange werden wir das durchhalten können,

Hoffentlich lange.
Deutschland wäre stark genug für so eine Rolle - aber ist überraschend unfähig zu einer realistischen Außenpolitik. Die Profis im AA können ihren Job, nehmen auch in gewissen Maßen Einfluß - aber sobald das Scheinwerferlicht der öffentlichen Aufmerksamkeit auf ein Thema kommt, wird alles dominiert von innenpolitischen Rücksichten, von der gutmenschlichen Naivität, vom weitgehenden Unverständnis der Deutschen für die Andersartigkeit anderer Mentalitäten (gepaart mit satter Arroganz im Irrglauben, man würde sich gut auskennen).

Das ist leider nichts Neues, sondern im Prinzip Nationalcharakter seit der Nationwerdung im Frühmittelalter - selbst in den Phasen, wo Deutschland Großmacht war und sein wollte, war es nie gut in der Rolle.

In Antwort auf:
Ich frage mich, ob nicht in vielen deutschen Hinterköpfen die Idee spukt, wir könnten uns doch gut mit den Russen einigen; die Kleinen dazwischen seien doch nicht so wichtig.

Leider ja.
Insofern muß ich mich leicht korrigieren: Die Deutschen wollen zwar keine Großmacht sein, wenn es um Verantwortung geht.
Aber sie halten es schon für selbstverständlich, daß die restliche Welt am deutschen Wesen genesen soll.
Wenn irgendwelche blöden Kleinstaaten Rücksicht auf ihre Bedürfnisse fordern, oder gar eigenständige Steuergesetze erlassen, oder den Müll nicht korrekt trennen - dann wird erwartet, daß die Bundesregierung mit harter Hand durchsetzt, was billig und gerecht ist.

Das ist eben der Unterschied: Wenn echte Großmächte ihre eigenen Interessen durchsetzen, dann ist ihnen wenigstens bewußt, daß sie hier egoistisch agieren.
Die Deutschen dagegen trampeln recht blind über die Interessen anderer hinweg und meinen noch, sie würden sich nur gegen Zumutungen wehren oder sie würden der Allgemeinheit sogar einen Gefallen tun.

Omni Offline



Beiträge: 255

15.11.2008 12:42
#6 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Ergebnisorientiert kommt der eine zu dem Schluss, dass Russland eine Großmacht ist, der andere zu dem Schluss, dass Russland keine Großmacht ist. Welchen Sinn haben solche Argumentationen? Sie dienen doch nur zur (ideologischen) Unterfütterung eines bereits feststehenden Geltunsanspruches oder der Ablehnung eines solchen. In der Behandlung Russlands sollte deshalb keine Rolle spielen ob Russland jetzt unter den vagen Begriff der "Großmacht" fällt oder ob es dies nicht. Eine Rolle spielen sollten lediglich reale Dinge mit realer Auswirkung. Dazu gehört zum Beispiel der Umstand, dass die Russen bestimmt immer noch einige funktionsfähige Interkontinentalraketen haben. Dazu gehört auch, dass Europa einen wichtigen Teil seiner Energieversorgung über die Verbrennung von russischen Gasreserven bestreitet. All diese Dinge und die sonstigen in Ihrem Artikel genannten Punkte setzen den Preis eines diplomatischen, wirtschaftlichen oder gar militärischen Angriffes auf Russland fest und bestimmen damit, wie "schlecht" Russland sich gegenüber anderen Staaten benehmen kann. Die Georgier haben sich gegenüber Russland schlechter benommen, als sie es sich leisten konnten und haben dafür die Quittung bekommen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.11.2008 13:41
#7 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Lieber R.A.,

Zitat von R.A.
Zitat von Zettel
1919 wird man es wohl nicht mehr als Großmacht betrachtet haben

Ich würde mal sagen: Gerade weil man es noch als Großmacht gefürchtet hat, war der Versailler Vertrag so rigide.

Ich glaube, ich habe irgenwo schon mal zitiert, was Churchill dazu geschrieben hat: Man hat einen riesigen Fehler gemacht, als man Deutschland so demütigte, ohne es wirklich völlig unfähig zur Revanche zu machen. Churchill hat - wenn man seiner Darstellung glauben darf - einen Hitler vorhergesehen, weil er sich nicht vorstellen konnte, daß die Deutschen sich auf Dauer mit Versailles würden abfinden wollen. Um einen Hitler zu verhindern, so Churchill - aus dem Gedächtnis zitiert - hätte man Deutschland eben wirklich ganz am Boden halten müssen.
Zitat von R.A.
Aber der eigentliche Punkt ist natürlich: Was macht heute eine Großmacht aus. Eine gewisse wirtschaftlich und militärische Stärke ist natürlich Minimalvoraussetzung. Aber dann eben auch das außenpolitische Gewicht, und zwar eines, daß nicht nur in der Region (das sind die Mittelmächte), sondern im Prinzip weltweit beigemessen wird.

Ja, nur ist das ein wackliger Faktor. England und Frankreich haben freilich auch lange noch von ihrer Vergangenheit gezehrt, als das Kolonialreich schon futsch war.

Aber es ist ihnen beiden nicht gut bekommen. Solange England sich noch als Großmacht fühlte - in den sechziger, siebziger Jahren -, ging es ihm schlecht. Im Grunde hat erst Maggie Thatcher die Wende geschafft, indem sie den Engländern auf die harte Art beibrachte, daß sie, wenn sie Wohlstand haben wollten, so arbeiten mußten wie die anderen auch.

Ähnlich war es in Frankreich. Trotz seines Geredes von der Grandeur war de Gaulle ein nüchterner Mann, der es schaffte, Algerien und damit das letzte koloniale Erbe loszuwerden und Frankreich nach Europa hin zu orientieren. Das war die Grundlage für den Aufstieg Frankreichs, das beim Amtsantritt de Gaulles 1958 der zweite Kranke Mann Europas war; direkt im Krankenzimmer neben GB liegend.

Dieses Schicksal könnte jetzt sehr gut Rußland drohen. Putin hat gar nicht die Substanz, um wieder Großmacht zu spielen. Es sei denn, er will wirklich das Kolonialreich zurückerobern, was der blanke Wahnwitz wäre.
Zitat von R.A.

Zitat von Zettel
Rußland ist heute eine Mittelmacht, um diesen vielleicht altmodischen Begriff zu verwenden, mit dem auf das Militär gestützten Anspruch einer Großmacht. Ein militärischer Wasserkopf.

Ich habe ja mal die Mittelmacht versucht zu definieren, um hier widersprechen zu können.
Das "Obervolta mit Atomraketen" hat zwar immer noch einen wahren Kern - aber da ist doch mehr.
Die Wirtschaftspotenz ist mäßig pro Kopf, aber doch über die Größe des Landes ein Gewicht. Da Rußland es sich auch weiterhin leisten kann, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu vernachlässigen, hat die Führung deutlich mehr Finanzmittel zur Verfügung für Machtpolitik als mancher westliche Staat.
Und man sollte auch nicht das immer noch gute Bildungssystem vergessen.

An das gute Bildungssystem glaube ich nicht, lieber R.A., seit mir mal ein russischer Kollege (der dann hier einen Lehrstuhl bekam und in Deutschland geblieben ist) darüber das eine oder andere erzählt hat. Das war wohl wie das meiste in der Sowjetunion: Zwecks Planerfüllung wurden zwar Absolventen in Massen produziert, aber in geringer Qualität.

Spitze war der militärisch-industrielle Komplex und alles, was er an Unterbau verlangte, also die Ausbildung von Ingenieuren. Sonst war die Bildung dürftig. Dasselbe gilt für die Wissenschaft: Spitzenleistungen in wenigen Bereichen, aber keine Breitenforschung.
Zitat von R.A.
Bevor zum Beispiel ein Vietnam ernst genommen werden könnte, wären allemal Spanien, Italien, die Türkei, Australien und Kanada als Großmächte zu zählen - da wird es dann irgendwann etwas sinnentleert.

Das genau ist mein Punkt, lieber R.A. Der klassische Großmacht-Status beruhte auf einem Vorsprung in der Industrialisierung und/oder in Kolonialbesitz. Das zweite ist Geschichte, und das erste schwindet dahin. Wir bekommen - Jakowlew hat das schon vor zwanzig Jahren gesagt - eine multipolare Welt. Allerdings mit den beiden Weltmächten China und USA.
Zitat von R.A.
Deutschland wäre stark genug für so eine Rolle - aber ist überraschend unfähig zu einer realistischen Außenpolitik. Die Profis im AA können ihren Job, nehmen auch in gewissen Maßen Einfluß - aber sobald das Scheinwerferlicht der öffentlichen Aufmerksamkeit auf ein Thema kommt, wird alles dominiert von innenpolitischen Rücksichten, von der gutmenschlichen Naivität, vom weitgehenden Unverständnis der Deutschen für die Andersartigkeit anderer Mentalitäten (gepaart mit satter Arroganz im Irrglauben, man würde sich gut auskennen).

Bis zur Wiedervereinigung war die deutsche Außenpolitik übersichtlich: Verankerung im westlichen Bündis, gleiche Freundschaft mit und gleiche Distanz zu den USA. Festigkeit gegenüber Rußland; seit 1970 zunehmend verbunden mit dem Versuch des "Wandels durch Annäherung".

Seit der Wiedervereinigung hat aus meiner Sicht Deutschland seine Rolle noch nicht gefunden. Kohl hat im Grunde weitergemacht wie bisher. Schröder hat in es in seiner zweiten Amtszeit mit der Achse Paris-Berlin-Moskau versucht; zum Glück ist daraus nichts geworden. Was Merkel und Steinmeier wollen, weiß ich nicht.
Zitat von R.A.
Das ist leider nichts Neues, sondern im Prinzip Nationalcharakter seit der Nationwerdung im Frühmittelalter - selbst in den Phasen, wo Deutschland Großmacht war und sein wollte, war es nie gut in der Rolle.

Das stimmt freilich. Zu wenig Zeit zum Üben.
Zitat von R.A.
In Antwort auf:
Ich frage mich, ob nicht in vielen deutschen Hinterköpfen die Idee spukt, wir könnten uns doch gut mit den Russen einigen; die Kleinen dazwischen seien doch nicht so wichtig.

Leider ja. (...)

Das ist eben der Unterschied: Wenn echte Großmächte ihre eigenen Interessen durchsetzen, dann ist ihnen wenigstens bewußt, daß sie hier egoistisch agieren. Die Deutschen dagegen trampeln recht blind über die Interessen anderer hinweg und meinen noch, sie würden sich nur gegen Zumutungen wehren oder sie würden der Allgemeinheit sogar einen Gefallen tun.

Es ist eben keine Linie zu erkennen. Vielleicht wird Deutschland gezwungen, seine Außenpolitik klarer zu definieren, wenn Obama die seinige erkennen läßt. Die könnte für Europa sehr unangenehm werden.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.11.2008 14:08
#8 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Zitat von Omni
Ergebnisorientiert kommt der eine zu dem Schluss, dass Russland eine Großmacht ist, der andere zu dem Schluss, dass Russland keine Großmacht ist. Welchen Sinn haben solche Argumentationen?

Ich hätte nichts dagegen, lieber Omni, auf den Begriff der Großmacht zu verzichten. Nur wird er eben verwendet, wie das Zitat von Helmut Schmidt zeigt, das ja Ausgangspunkt dieses Artikels war.

Und das ist nicht einfach so dahergeredet, sondern es hat jedenfalls bei Schmidt - und sehr wahrscheinlich bei vielen in Deutschland - die Konsequenz, daß man Verständnis für die Invasion Georgiens hat, weil Rußland nun mal eine Großmacht sei.

Dagegen richtet sich die Argumentation in meinem Artikel.
Zitat von Omni
Sie dienen doch nur zur (ideologischen) Unterfütterung eines bereits feststehenden Geltunsanspruches oder der Ablehnung eines solchen. In der Behandlung Russlands sollte deshalb keine Rolle spielen ob Russland jetzt unter den vagen Begriff der "Großmacht" fällt oder ob es dies nicht.

Einverstanden. Wie gesagt, es geht mir nicht um Etikette, sondern darum, was Rußland zugebilligt wird und was man einer Nicht-Großmacht nicht zubilligen würde. Was würde zum Beispiel Deutschland widerfahren, wenn es sich militärisch in die Angelegenheiten, sagen wir, Belgiens einmischen würde?
Zitat von Omni
Eine Rolle spielen sollten lediglich reale Dinge mit realer Auswirkung. Dazu gehört zum Beispiel der Umstand, dass die Russen bestimmt immer noch einige funktionsfähige Interkontinentalraketen haben. Dazu gehört auch, dass Europa einen wichtigen Teil seiner Energieversorgung über die Verbrennung von russischen Gasreserven bestreitet. All diese Dinge und die sonstigen in Ihrem Artikel genannten Punkte setzen den Preis eines diplomatischen, wirtschaftlichen oder gar militärischen Angriffes auf Russland fest

Von einem Angriff auf Rußland habe ich nicht gesprochen, lieber Omni. Ich sehe auch niemanden, der so etwas auch nur in Erwägung ziehen würde.

Wohl aber sollte man den von Rußland bedrohten Staaten, von Georgien über die Ukraine bis zum Baltikum, jeden Beistand leisten. Auch militärisch, wenn die Russen sie so angreifen, wie sie Georgien angegriffen haben. Putin kann nur gestoppt werden, wenn man jetzt Widerstand leistet. Mit jedem Erfolg wird sein Appetit auf mehr wachsen.
Zitat von Omni
Die Georgier haben sich gegenüber Russland schlechter benommen, als sie es sich leisten konnten und haben dafür die Quittung bekommen.

Inwiefern haben sich die Georgier gegenüber Rußland schlecht benommen? Mir scheint doch eher, daß die Russen sich gegenüber Georgien schlecht benommen haben. Wobei "schlecht benommen" ein Euphemismus dafür ist, daß sie ein kleines Nachbarland überfallen haben.

Selbst wenn die russische Version stimmen sollte und georgische Truppen in Südossetien einmarschierten, bevor das die russischen Truppen taten - der Ablauf ist ja noch immer ungeklärt - , bleibt doch der schlichte Sachverhalt, daß die georgischen Truppen sich damit auf ihrem eigenen Staatsgebiet bewegten, während die Russen in einen souveränen Staat eindrangen.

Herzlich, Zettel

Omni Offline



Beiträge: 255

15.11.2008 15:14
#9 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Zitat von Zettel

Was würde zum Beispiel Deutschland widerfahren, wenn es sich militärisch in die Angelegenheiten, sagen wir, Belgiens einmischen würde?
[...]
Inwiefern haben sich die Georgier gegenüber Rußland schlecht benommen? Mir scheint doch eher, daß die Russen sich gegenüber Georgien schlecht benommen haben. Wobei "schlecht benommen" ein Euphemismus dafür ist, daß sie ein kleines Nachbarland überfallen haben.

Selbst wenn die russische Version stimmen sollte und georgische Truppen in Südossetien einmarschierten, bevor das die russischen Truppen taten - der Ablauf ist ja noch immer ungeklärt - , bleibt doch der schlichte Sachverhalt, daß die georgischen Truppen sich damit auf ihrem eigenen Staatsgebiet bewegten, während die Russen in einen souveränen Staat eindrangen.


Deutschland hat sich durch die Bundeswehrunterstützung der Bombardierungen in Serbien und die Anerkennung des Kosovo in die inneren Angelegenheiten Serbiens eingemischt. Damit wurde die Hintertür geschaffen, durch die Russland seinen Geltungsanspruch durchsetzen konnte indem es sich als Wahrer der Menschenrechte darstellte. Man kann nicht auf der einen Seite den Kosovo anerkennen und gleichzeitig auf die uneingeschränkte Souveränität der Nationalstaaten pochen. Ich hab persönlich prinzipiell nichts dagegen, wenn man diese unbedingte Souveränität aufgibt, aber damit lädt man sich wahrscheinlich das Problem auf, dass die Intervention durch irgendein Gremium legitimiert werden muss und da ist der Kosovo wohl auch nicht grade das beste Beispiel...
Und wie die Georger sich "schlecht" verhalten haben Gegenüber Russland? "Schlecht" liegt stets im Auge des Betrachters und wenn man die Version annimmt dass Saakaschwili als erster Panzer in Bewegung setzte - was nicht nur die russische Meinung ist -, dann war die georgische Führung eben so blöd einen perfekten Vorwand für einen Krieg zu liefern, dem die russische Führung vielleicht schon länger entgegenhoffte. Ich frag mich deshalb auch immer, wovor man jetzt eigentlich Angst haben sollte. Solange man in keinem Staat lebt, wo die Bewohner aufeinander schießen sehe ich nicht die Möglichkeit für Russland, sein eigenes Eingreifen irgendwie als humanitäre Intervention oder dergleichen verkaufen zu können. Wovor sollen Polen, Tschechien und die baltischen Staaten also Angst haben? Wie sollte beispielsweise Russland einen Krieg gegen die baltischen Staaten verkaufen?

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.11.2008 19:21
#10 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Zitat von Omni
Deutschland hat sich durch die Bundeswehrunterstützung der Bombardierungen in Serbien und die Anerkennung des Kosovo in die inneren Angelegenheiten Serbiens eingemischt.

Nein, liebe Omni. Erstens hat überhaupt nicht Deutschland eingegriffen, sondern die Nato. Deutsche Soldaten waren nie an Kampfhandlungen beteiligt.

Zweitens hat sich Serbien ja eben nicht nur um seine inneren Angelegenheiten gekümmert, sondern Krieg gegen seine Nachbarn geführt - erst gegen Kroatien, dann auch gegen Bosnien Herzegovina. Serbien sah sich als die Vormacht Jugoslawiens und als der Protektor aller Serben außerhalb seiner Grenze; es war der Aggressor.

Es ist ganz und gar irrig, den Einsatz der Nato auf dem Balkan, der glücklicherweise den dortigen Krieg beendete und damit einen Flächenbrand verhinderte, der bis nach Griechenland (über Mazedonien) und Ungarn (über die Probleme zwischen Serbien und Ungarn) hätte reichen können, mit Georgien in Zusammenhang zu bringen.

Natürlich versucht das die Propaganda Moskaus, aber es ist an den Haaren herbeigezogen.

Allerdings gibt es für die Russen einen anderen Kontext, in dem es einen Zusammenhang zwischen Georgien und dem Kosovo gibt: Rußland sieht sich als der Protektor serbischer Interessen auf dem Balkan. Das reicht bis vor 1918 zurück, als das Zarenreich dort dem Habsburger Reich gegenüberstand. (Der 1. Weltkrieg wurde bekanntlich durch das Attentat eines serbischen Nationalisten auf den Thronfolger Österreich-Ungarns ausgelöst).

Deshalb hat sich Rußland für die serbischen Interessen im Kosovo stark gemacht, als Machtdemonstration, daß es seinem Schützling helfen kann. Die Nato hat das aus russischer Sicht ignoriert. Und Georgien war nun die erste Gelegenheit für Putin, die Muskeln spielen zu lassen.

Folglich taucht immer wieder dieser konstruierte Zusammenhang zwischen dem Kosovo´und Serbien in der russischen Propaganda auf.
Zitat von Omni
Man kann nicht auf der einen Seite den Kosovo anerkennen und gleichzeitig auf die uneingeschränkte Souveränität der Nationalstaaten pochen. Ich hab persönlich prinzipiell nichts dagegen, wenn man diese unbedingte Souveränität aufgibt, aber damit lädt man sich wahrscheinlich das Problem auf, dass die Intervention durch irgendein Gremium legitimiert werden muss und da ist der Kosovo wohl auch nicht grade das beste Beispiel...

Über den Kosovo, lieber Omni, hat es jahrelange Verhandlungen gegeben. Die Nato, die EU, speziell Deutschland schon unter dem Außenminister Genscher haben lange Zeit eine Unabhängigkeit des Kosovo abgelehnt.

Es hat sich gezeigt, daß das nicht durchsetzbar war. Es gab faktisch keine serbische Souveränität über den Kosovo mehr. Unter anderem wegen der Vertreibung von Serben, ein finsteres Kapitel in diesen fast zwei Jahrzehnte dauernden Auseinandersetzungen, die ja letztlich durch den Kommunismus verursacht sind; durch die Unfähigkeit der Kommunisten, Jugoslawien als einen Staat mit eigener nationaler Identität zu schaffen.

Es war eine Niederlage des Westens, daß er am Ende der Unabhängigkeit des Kosovo zustimmen mußte. Da zugleich in Serbien sich jetzt eine Demokratie zu etablieren beginnt, sind endlich die Voraussetzungen für eine friedliche Enwicklung auf dem Balkan geschaffen.

Dank der Nato, die damit ihrer neuen Aufgabe, friedenserhaltend bei lokalen Konflikten zu wirken, am Ende doch einigermaßen gerecht geworden ist.
Zitat von Omni
Und wie die Georger sich "schlecht" verhalten haben Gegenüber Russland? "Schlecht" liegt stets im Auge des Betrachters und wenn man die Version annimmt dass Saakaschwili als erster Panzer in Bewegung setzte - was nicht nur die russische Meinung ist -, dann war die georgische Führung eben so blöd einen perfekten Vorwand für einen Krieg zu liefern, dem die russische Führung vielleicht schon länger entgegenhoffte.

Ja, das könnte sein. Es ist halt ungeklärt. Wir haben ja hier im Forum vermutlich gemeinsam mehr Anstrengungen unternommen, den Ablauf zu klären, als viele Zeitungsredaktionen.
Zitat von Omni
Ich frag mich deshalb auch immer, wovor man jetzt eigentlich Angst haben sollte. Solange man in keinem Staat lebt, wo die Bewohner aufeinander schießen sehe ich nicht die Möglichkeit für Russland, sein eigenes Eingreifen irgendwie als humanitäre Intervention oder dergleichen verkaufen zu können.

Erstens kann es solche Konflikte schüren. Das ist ja in Estland schon geschehen, als die Versetzung eines russischen Kriegerdenkmals zum Anlaß für Demonstrationen "empörter Bürger" genommen wurde. Es gibt in allen drei baltischen Staaten eine starke russische Minderheit; überwiegend während der russischen Annexion dort angesiedelt.

Es gibt in der Ost- und Südostukraine ebenfalls eine russische oder prorussische Bevölkerungsgruppe. Auf der Krim werden, jedenfalls gibt es solche Meldungen, an diese bereits russische Pässe ausgegeben, wie in Südossetien. Die Krim könnte aus geostrategischen Gründen das nächste Gebiet sein, das Rußland wieder annektiert.
Zitat von Omni
Wovor sollen Polen, Tschechien und die baltischen Staaten also Angst haben? Wie sollte beispielsweise Russland einen Krieg gegen die baltischen Staaten verkaufen?

Wie gesagt. Außerdem braucht Putin ja nicht unbedingt zu verkaufen. Er handelt, die EU und die Nato machen ein bißchen Theater fürs Volk, und dann hat er gewonnen. Irgend ein Vorwand läßt sich immer konstruieren, wie in Georgien.

Das ist es, was Putin aus dem Georgien-Krieg gelernt haben dürfte: Kein halbes Jahr, und alles ist vergeben und vergessen. Sarkozy ebnet dem Männerfreund den Weg zurück in die Respektabilität.

Herzlich, Zettel

Pentas ( gelöscht )
Beiträge:

15.11.2008 19:37
#11 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

In Antwort auf:
Deutsche Soldaten waren nie an Kampfhandlungen beteiligt.

Da sagt die Wikipedia etwas Anderes:
Die deutsche Luftwaffe beteiligte sich mit Jagdbombern vom Typ Tornado von den italienischen Luftwaffenstützpunkten Piacenza und Aviano. Es wurden Aufklärungs- und SEAD-Einsätze geflogen. Unter anderem wurden über 200 Raketen des Typs AGM-88 HARM gegen feindliche Radarstellungen eingesetzt.

Omni Offline



Beiträge: 255

15.11.2008 19:56
#12 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten
In Antwort auf:

Folglich taucht immer wieder dieser konstruierte Zusammenhang zwischen dem Kosovo´und Serbien in der russischen Propaganda auf.


Ein Präzedenzfall ist eine Quelle für Analogien aus denen jene, die trachten ihren Zielen einen legalen oder zumindest berechtigten Eindruck zu geben, propagandistisch schöpfen können. Und wer Präzedenzfälle schafft indem er faktisch geltende Standards bricht, der schafft für alle diese Leute die Hintertür, nach der diese suchen. Die Staaten, die den Kosovo nicht anerkannt haben, werden schon wissen warum.
Die russische Propaganda kann auch nicht zaubern. Aus einem Staat, in dem es mal ne gewalttätige Demonstration gibt, kann Russland nicht ein Land wie Georgien machen, wo sich zwei Provinzen in einem blutigen Bürgerkrieg abgekapselt haben und es seither immer wieder zu Scharmützeln kam, einen Staat wo die eine Seite der anderen Dörfer mit Artillerie beschossen hat.
In Antwort auf:

Außerdem braucht Putin ja nicht unbedingt zu verkaufen. Er handelt, die EU und die Nato machen ein bißchen Theater fürs Volk, und dann hat er gewonnen. Irgend ein Vorwand läßt sich immer konstruieren, wie in Georgien.


Also so einen lächerlichen Vorwand wie beim Überfall auf Polen 1939 wird sich die Welt, insbesondere wenn es ein Nato-Staat ist, wohl kaum gefallen lassen. Es lässt sich nicht immer ein Vorwand konstruieren, mit dem ein Krieg begründet werden kann. Dazu müsste die Ukraine oder die baltischen Staaten schon wie in Georgien ihre Armeen gegen die Krim bzw. ihre russische Minderheit in Bewegung setzen. Wie wahrscheinlich ist das?
Zettel Offline




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15.11.2008 21:07
#13 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Zitat von Omni
Ein Präzedenzfall ist eine Quelle für Analogien aus denen jene, die trachten ihren Zielen einen legalen oder zumindest berechtigten Eindruck zu geben, propagandistisch schöpfen können. Und wer Präzedenzfälle schafft indem er faktisch geltende Standards bricht, der schafft für alle diese Leute die Hintertür, nach der diese suchen.

Ja, das stimmt. Nicht umsonst hat man ja lange mit der Anerkennung des Kosovo gezögert. Niemand im Westen wollte sie. Aber welches wäre denn die Alternative gewesen? Die Verwaltung durch die UN perpetuieren? Ein Wiederanschluß an Serbien, mit der Folge eines neuen Bürgerkriegs? Ich habe das auf Ihre Einwände hin noch einmal nachgelesen, wie schwierig die Situation dort ist; zum Beispiel hier.
Zitat von Omni
Zitat von Zettel
Außerdem braucht Putin ja nicht unbedingt zu verkaufen. Er handelt, die EU und die Nato machen ein bißchen Theater fürs Volk, und dann hat er gewonnen. Irgend ein Vorwand läßt sich immer konstruieren, wie in Georgien.

Also so einen lächerlichen Vorwand wie beim Überfall auf Polen 1939 wird sich die Welt, insbesondere wenn es ein Nato-Staat ist, wohl kaum gefallen lassen. Es lässt sich nicht immer ein Vorwand konstruieren, mit dem ein Krieg begründet werden kann. Dazu müsste die Ukraine oder die baltischen Staaten schon wie in Georgien ihre Armeen gegen die Krim bzw. ihre russische Minderheit in Bewegung setzen. Wie wahrscheinlich ist das?

Putin hat doch, lieber Omni - ich wiederhole mich - gesehen, wie ungestraft er in Georgien davongekommen ist. Er wird (nehmen Sie mich beim Wort) einen nächsten Test machen - vielleicht auf der Krim, vielleicht im Baltikum. Und wird wieder erleben, daß man sich a bisserl aufregt und dann wieder gut Freund ist.

Ein richtiger Krieg muß es ja nicht sein und wird es nicht sein. Georgien ist jetzt kirre gemacht. Die Ukraine wird vielleicht Rußland faktisch Souveränitätsrechte über die Krim einräumen müssen. Es geht um Hegemonie, nicht um Annektion. Jedenfalls vorläufig nicht.

Ich sitze am vierten Teil des Artikels und freue mich deshalb besonders über die Diskussion mit Ihnen. Vielleicht können Sie diesen Teil morgen lesen.

Und noch eine kleine Anregung, lieber Omni: Ich habe es schon mal zitiert und empfehle es wirklich zur Lektüre: Den ersten Band von Churchills Geschichte des Zweiten Weltkriegs, The Gathering Storm. Analogien, um das aufzugreifen, möchte ich Ihnen gern selbst überlassen.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




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15.11.2008 21:12
#14 Die übliche kleine Bitte Antworten

Würden Sie bitte angeben, lieber Pentas, aus welchem Artikel Sie diese Passage zitieren? Ich habe es zu ergoogeln versucht, bin aber jedenfalls nicht auf Anhieb fündig geworden.

Ich würde gern die Quelle nachprüfen, auf die sich der Wikipedia-Autor bezieht. Gerade zu diesem Thema wimmelt es nach meiner Erfahrung von Desinformation.

Aber vielleicht stimmt's ja, dann habe ich wieder was gelernt.

Herzlich, Zettel

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

15.11.2008 21:35
#15 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

An Ihrem Beitrag, Zettel, stört mich nur eins: der Begriff Großmacht.

Natürlich ist Rußland eine Großmacht.

Daß Großbritannien oder Frankreich nach 1945 keine Großmächte mehr wären ist auch Quark.

Was sie nicht mehr waren sind Weltmächte - nach 1945 gab es nur noch die beiden Supermächte.

Und heutzutage ist Rußland auch keine Weltmacht mehr, wenn auch schon eine Großmacht.

Auf sowas kann man auch kein Recht haben, sondern man ist es oder nicht eben qua Macht.

Das alles ist aber nicht der Punkt. Worum es wirklich geht ist das Konzept Einflußsphären.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.

Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.

Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.

str1977 ( gelöscht )
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15.11.2008 21:39
#16 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Zitat von Pentas
Vorschlag: Großmacht ist der, wer Atomwaffen hat, und diese binnen Stunden global zum Einsatz bringen kann. USA, Russland, GB*, Frankreich* und China (?).

GB und Frankreich haben jeweils 2 SSBN auf Fahrt, sind diese beiden SSBN günstig plaziert ist ein Großteil der bewohnten Welt in Reichweite der Raketen.


Das wäre mir etwas zu eng - das würde heißen das es in Südamerika und Afrika keine Großmächte gäbe.

Andererseits sind diese Länder auch nicht unbedingt Weltmächte.

Wenn es um atomares geht, sollte man sich auf Atommächte beschränken.

Gruß,
str1977

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Aber beide sind aus Stein gemacht.

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str1977 ( gelöscht )
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15.11.2008 21:47
#17 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Zitat von R.A.
Deutschland war nach dem ersten Weltkrieg selbstverständlich noch Großmacht und wurde auch so gesehen - es bekam ja auch den entsprechenden Status im Völkerbund zugesprochen.


Aber erst nach dem Beitritt zu dieser Organisation. Inwiefern das gerechtfertigt war oder Diplomatie, darüber kann man streiten.

In Antwort auf:
Heute gibt es nur eine Weltmacht - die USA. Mit dem Untergang der SU ist die andere Weltmacht verschwunden, bis zum zweiten Weltkrieg gehörten auch GB, F und D zu dieser Gruppe.


Nein, eine Weltmacht war Deutschland nie. Das Deutsche Reich wollte gerne eine sein, doch Versuch scheiterte im I. Weltkrieg (und damit will ich nicht die Fischerthese unterstützen). Zwischen den Krieg war es keine und im II. Weltkrieg ist der Versuch erneut gescheitert. Eine Großmacht war es vor 1918 und nach 1935 sehr wohl.

In Antwort auf:
Eine Großmacht dagegen ist eine Etage tiefer. Und man könnte Rußland durchaus so bezeichnen, weil ein Land halt in mehreren Feldern gut sein muß, um einen solchen Status zu haben.
Die wirtschaftliche Stärke, die militärische Stärke und der diplomatische Einfluß sind da wesentlich.


Einen kleinen Einwand hätte ichwas die wirtschaftliche Stärke angeht: diese ist m.E. nur auf zweierlei Weise relevant:

1. ein Land kann seine wirtschaftliche Macht als Waffe einsetzen, z.B. durch Wirtschaftsembargos etc.

2. die militärische Stärke will auch irgendwie bezahlt werden

Solange eins von beiden gewährleistet ist, so meine ich, spielt es keine Rolle, wie gut es der jeweiligen Wirtschaft geht.

Gruß,
str1977

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str1977 ( gelöscht )
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15.11.2008 21:52
#18 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Zitat von Zettel
Zitat von R.A.
Umgekehrt ist Deutschland dagegen keine Großmacht mehr. Und das hat nichts mit fehlenden Kapazitäten zu tun - es fehlt der Wille, eine Großmacht zu sein und entsprechend zu agieren. Man sieht das an der militärischen Selbstbeschränkung, die ein eigenständiges Agieren fast unmöglich macht. Und vor allem an der völlig unzureichenden außenpolitischen Kompetenz, von Geheimdiensten ganz zu schweigen.

Wie lange werden wir das durchhalten können, lieber R.A.? Es hat etwas Unnatürliches, wenn das rückständige, arme Rußland den Status einer Großmacht beansprucht. Aber es hat umgekehrt auch etwas Unnatürliches, wenn Deutschland mit seiner Wirtschaftskraft, mit seiner politischen Stabilität und seinem kulturellen Einfluß sich diesem Status verweigert.


Rußland beansprucht den Status nicht, Rußland IST eine Großmacht, wenn auch keine Weltmacht.

Niemand verweigert Deutschland diesen Status, da es diesen weder beansprucht noch ausfüllen könnte. Weder das Regierungspersonal ist dazu fähig (weder Kanzlerdarstellerin noch Außenminister) noch ist das Wahlvolk bereit, die dann entstehenden Lasten mitzutragen.

In Antwort auf:
Ich frage mich, ob nicht in vielen deutschen Hinterköpfen die Idee spukt, wir könnten uns doch gut mit den Russen einigen; die Kleinen dazwischen seien doch nicht so wichtig. Das ist ja die Logik der Pipeline durch die Ostsee.


Das Problem ist: vielleicht werden wir das müssen, wenn demnächst die USA ausfallen. Aber das ist ein anderes Thema und soll ein andermal diskutiert werden.
In Antwort auf:

Gruß,
str1977

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str1977 ( gelöscht )
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15.11.2008 22:00
#19 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Zitat von Omni
Deutschland hat sich durch die Bundeswehrunterstützung der Bombardierungen in Serbien und die Anerkennung des Kosovo in die inneren Angelegenheiten Serbiens eingemischt. Damit wurde die Hintertür geschaffen, durch die Russland seinen Geltungsanspruch durchsetzen konnte ...


Äh, nein. Rußland hat Ziele und Interessen und verfolgt diese so gut es kann. Russland hat seinen Anspruch durchsetzen können, weil die Machtverhältnisse es erlaubt haben, nicht weil Deutschland eine seltsame Politik im Kosovo treibt. Klar wird das dann von Moskau als Argument hervorgeholt, doch besteht keine kausale Verbindung.

Hätte Deutschland nicht das Kosovo anerkannt, hätten die Russen bei Gelegenheit trotzdem ihren Krieg geführt.

Gruß,
str1977

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str1977 ( gelöscht )
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15.11.2008 22:09
#20 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Zitat von Zettel
Ja, das stimmt. Nicht umsonst hat man ja lange mit der Anerkennung des Kosovo gezögert. Niemand im Westen wollte sie. Aber welches wäre denn die Alternative gewesen? Die Verwaltung durch die UN perpetuieren? Ein Wiederanschluß an Serbien, mit der Folge eines neuen Bürgerkriegs?


Eine Alternative wäre schon mal gewesen, den Staat einfach nicht anzuerkennen. So hat man praktisch alles was mit dieser Unabhängikeit zusammenhängt abgesegnet - die Völkerrechtsverletzung, die Vertreibung der Serben etc.

Natürlich hätte man auf der UN-Verwaltung bestehen müssen.

Man hätte nach der Erklärung auch die Verhandlungen mit Serbien forcien können.

Völlig außer Acht lassen Sie, daß der Nordrand des Kosovo noch immer serbisch besiedelt ist. Diese hat man nun vollends einer nicht gerade freundlichen Mehrheit ausgeliefert. Und war es nicht genau das, was man mit seinem Eingreifen verhindern wollte?

In Antwort auf:
Putin hat doch, lieber Omni - ich wiederhole mich - gesehen, wie ungestraft er in Georgien davongekommen ist. Er wird (nehmen Sie mich beim Wort) einen nächsten Test machen - vielleicht auf der Krim, vielleicht im Baltikum. Und wird wieder erleben, daß man sich a bisserl aufregt und dann wieder gut Freund ist.


Georgien war aber eben kein NATO-Mitglied und wird es wohl auch so schnell nicht werden.

Noch eine Anmerkung: Souveränität ist niemals faktisch. Es ist ein Rechtsbegriff, wenn Sie so wollen eine "rechtliche Fiktion".

Gruß,
str1977

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Aber beide sind aus Stein gemacht.

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Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.

Omni Offline



Beiträge: 255

15.11.2008 23:13
#21 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

stimmt, Deutschlands Verhalten spielte vielleicht nicht die entscheidende Rolle. Aber ich frag mich doch schon ob Russland die Unabhängigkeit der beiden Provinzen anerkannt hätte ohne den Präzedenzfall des Kosovos. Das hätte sicher nichts an der russischen Präsenz dort geändert oder daran, dass ein georgischer Angriff zu einem russisch-georgischen Krieg führt. Aber bei den anschließenden Friedensverhandlungen hätte es vielleicht doch schon ne Rolle gespielt

Pentas ( gelöscht )
Beiträge:

16.11.2008 09:11
#22 RE: Die übliche kleine Bitte Antworten
In Antwort auf:
Würden Sie bitte angeben, lieber Pentas, aus welchem Artikel Sie diese Passage zitieren? Ich habe es zu ergoogeln versucht, bin aber jedenfalls nicht auf Anhieb fündig geworden.


Mal schauen ob ich dazu etwas finde, lieber Zettel.

...

Eine Bundesheerpublikation offiziell genug?

Die Luftwaffe flog im Rahmen der Luftoperationen vom 24.03.99 bis zur
Suspendierung der Luftoperationen am 10.06.99 mit den o.g. 14 Tornados insgesamt
knapp 500 Einsätze, bei denen über 200 HARM-Raketen verschossen wurden.

http://www.bmlv.gv.at/pdf_pool/publikationen/03_jb00_36.pdf


Herzlich, Pentas
R.A. Offline



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17.11.2008 14:43
#23 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Zitat von str1977
Nein, eine Weltmacht war Deutschland nie.

Jetzt ist halt wieder die Frage, wie man Weltmacht definiert.
Ich nenne so eine Großmacht, die nicht nur auf ihre Region beschränkt ist, sondern weltweit aktiv Interessen verfolgt und auch mit Machtmitteln durchsetzen kann - und die auch weltweit Beachtung findet und einbezogen wird.

Und das Deutschland vor dem ersten Weltkrieg war m. E. eindeutig eine solche Weltmacht, es hatte die nötige wirtschaftliche und militärische Stärke, hat auf diversen Kontinenten agiert und Besitz gehabt und wurde von den anderen Groß- und Weltmächten auch in dieser Rolle akzeptiert.

In Antwort auf:
Einen kleinen Einwand hätte ichwas die wirtschaftliche Stärke angeht: diese ist m.E. nur auf zweierlei Weise relevant:
1. ein Land kann seine wirtschaftliche Macht als Waffe einsetzen, z.B. durch Wirtschaftsembargos etc.
2. die militärische Stärke will auch irgendwie bezahlt werden

Das sind natürlich die beiden wichtigen Argumente.
Aber wirtschaftliche Stärke wirkt auch dann, wenn das Land sie nicht bewußt als Waffe einsetzen kann oder will.
Das gilt z. B. dann, wenn diese Stärke sich in einem großen Volumen an Außenhandel äußert, viele Wirtschaftsbeziehungen bestehen, mit vielen Ländern und wichtigen Akteuren in diesen Kontakte bestehen, und dort dann auch die Sicht und die Interessen des Landes berücksichtigt werden.

R.A. Offline



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17.11.2008 15:06
#24 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Zitat von Zettel
Man hat einen riesigen Fehler gemacht, als man Deutschland so demütigte, ohne es wirklich völlig unfähig zur Revanche zu machen.

Damit hatte er natürlich völlig recht - und das haben ja viele intelligente Zeitzeugen ähnlich gesehen.

Wobei dieser Fehler nicht so automatisch in den zweiten Weltkrieg führte, wie man das heute oft sieht.
Wie eben auch die Weimarer Republik nicht das Scheitern eingebaut hatte.

Man übersieht leicht, daß es zwischen dem chaotischen Anfang und dem schmählichen Ende des demokratischen Deutschlands eine Phase der erfolgreichen Konsolidierung gab, in der es möglich schien, die Schatten der Vergangenheit zu überwinden und die Republik nach innen und außen solide zu verankern.
Ohne die Weltwirtschaftskrise wäre das m. E. gelungen.

In Antwort auf:
Churchill hat - wenn man seiner Darstellung glauben darf - einen Hitler vorhergesehen, weil er sich nicht vorstellen konnte, daß die Deutschen sich auf Dauer mit Versailles würden abfinden wollen.

Von hinten her ist so eine Prophezeiung natürlich leicht ;-)
Aber Hitler war eben nicht zwangsläufig - und Versailles nicht endgültig.

Immerhin waren die Alliierten bereit, die schlimmsten Fehler von Versailles gütlich auszugleichen. Hätten sie dies schon gegenüber der demokratischen Regierung gemacht, wäre ein friedliches Europa möglich gewesen.

In Antwort auf:
Im Grunde hat erst Maggie Thatcher die Wende geschafft, indem sie den Engländern auf die harte Art beibrachte, daß sie, wenn sie Wohlstand haben wollten, so arbeiten mußten wie die anderen auch.

Damit hat sie die materielle Grundlage für den Großmacht-Status wiederhergestellt.
Aber der war eben noch vorhanden, insbesondere die Fähigkeit und Bereitschaft der Engländer, für ihre Interessen auch Militär einzusetzen.

Die US-Hilfe war zwar nützlich für den Falkland-Krieg, aber geführt und gewonnen haben den die Engländer alleine. Und es gibt nur ganz wenige Länder, die so etwas überhaupt schaffen könnten.

In Antwort auf:
Putin hat gar nicht die Substanz, um wieder Großmacht zu spielen.

Da wäre ich vorsichtig.
Das russische Bruttosozialprodukt ist zwar nicht erstklassig - aber er kann einen viel größeren Teil davon für Machtpolitik verwenden als andere Staaten.

In Antwort auf:
An das gute Bildungssystem glaube ich nicht, ...

Gut, ich kenne halt eher eine unrepräsentative Auswahl an Akademikern.
Trotzdem ist das russischen Bildungssystem bei allen Mängeln eben immer noch das eines Industriestaates und nicht das eines Entwicklungslandes.

In Antwort auf:
Was Merkel und Steinmeier wollen, weiß ich nicht.

Die wollen wiedergewählt werden.
Das klingt jetzt profan, weil das natürlich Politiker überall wollen. Aber solange das die wesentliche Motivation für außenpolitische Manöver ist, kann man keine Großmacht sein. Dazu braucht es einen parteiübergreifenden Konsens in der herrschenden politischen Schicht, der auf die Wahlchancen Einzelner wenig Rücksicht nimmt.

In Antwort auf:
Zu wenig Zeit zum Üben.

Na ja, einige Jahrhundert schon ...
Aber wie schrieb Johannes von Salisbury über die Zeit der deutschen Vormacht:
"Wer hat denn die Deutschen zu Richtern über die Völker bestellt? Wer hat den plumpen und ungebärdigen Menschen diesen Einfluß gegeben, daß sie nach Gutdünken den Führer über die Häupter der Menschensöhne bestimmen?"

Wobei es natürlich meistens so war, daß die jeweilige Vormacht den restlichen Europäern nur mäßig sympathisch war.
Aber man kann schon feststellen, daß die Deutschen selten geschickt mit ihrer außenpolitischen Bedeutung umgegangen sind.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

17.11.2008 16:02
#25 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten
Zitat von R.A.

Jetzt ist halt wieder die Frage, wie man Weltmacht definiert.
Ich nenne so eine Großmacht, die nicht nur auf ihre Region beschränkt ist, sondern weltweit aktiv Interessen verfolgt und auch mit Machtmitteln durchsetzen kann - und die auch weltweit Beachtung findet und einbezogen wird.
Und das Deutschland vor dem ersten Weltkrieg war m. E. eindeutig eine solche Weltmacht, es hatte die nötige wirtschaftliche und militärische Stärke, hat auf diversen Kontinenten agiert und Besitz gehabt und wurde von den anderen Groß- und Weltmächten auch in dieser Rolle akzeptiert.
nteressen des Landes berücksichtigt werden.


Mir scheint das eine Gute Antwort zu sein: Grossmacht ist, wer von anderen in dieser Rolle akzeptiert wird. Wer nur stark ist und poltert, wird als Tyrann wahrgenommen, wer zwar stark ist (vielleicht in A-Waffen gemessen), aber keine Ordnungspolitik betreibt, wird nicht als Grossmacht wahrgenommen (vielleicht war dies China bis vor 10, 15 Jahren). Das Kaiserreich war, mit Frankreich, GB, Oesterreich, Russland, vielleicht USA, Grossmacht der damaligen Zeit.

Nachtrag:
Meine britischen Freunde haben in der Frage 'Wer engagiert sich in Afghanistan' darauf hingewiesen, dass die anderen europaeischen/Nato Staaten einfach keinen Kampfeinsatz fuehren koennen. (Logistisch, Materiell, Politisch, Militaerisch). Da koennte was drann sein.
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