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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 47 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.06.2009 20:57
#26 RE: Werden die Reichen immer reicher? Antworten

Zitat von Gorgasal
Eine Bitte an Sie, werter Zettel: können Sie angeben, wo in den 142 Seiten Budgetentwurf sich diese Grafik findet? Ich würde mir gerne einmal den Kontext anschauen. Beispielsweise wüsste ich gerne, ob es um die obersten 1% der Haushalte oder der Verdiener (oder sonstwas) geht.

Mit Junos Hilfe habe ich die Grafik jetzt gefunden, lieber Gorgasal. Der Begleittext beantwortet Ihre Frage aber leider nicht:
Zitat von A new era of responsability
Growing Imbalance: Accumulating Wealth and Closing Doors to the Middle Class

For the better part of three decades, a disproportionate share of the Nation’s wealth has been accumulated by the very wealthy. Technological advances and growing global competition, while transforming whole industries—and birthing new ones—has accentuated the trend toward rising inequality. yet, instead of using the tax code to lessen these increasing wage disparities, changes in the tax code over the past eight years exacerbated them.

According to the Internal revenue Service, the Nation’s top 400 taxpayers made more than $263 million on average in 2006, but paid income taxes at the lowest rate in the 15 years in which these data have been reported. In constant dollars, the average income of the top 400 taxpayers nearly quadrupled since 1992.

It’s no surprise, then, that wealth began to be ever more concentrated at the top. By 2004, the wealthiest 10 percent of households held 70 percent of total wealth, and the combined net worth of the top 1 percent of families was larger than that of the bottom 90 percent. In fact, the top 1 percent took home more than 22 percent of total national income, up from 10 percent in 1980 (see Figure 9, Top One Percent of Earners).

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.06.2009 21:19
#27 RE: Werden die Reichen immer reicher? Antworten

Zitat von Gorgasal
Zitat von Zettel
Ich hoffe, sie ist irgendwo in dem Entwurf, lieber Gorgasal. Ich habe sie aus dem Artikel im American Thinker entnommen. Die dortigen Autoren geben den Entwurf als ihre Quelle an. (Auch bei allem Eifer für ZR habe ich, lieber Gorgasal, nicht die Zeit, wegen einer Grafik den ganzen Haushaltsentwurf durchzusehen ).

Ts, ts, ts... Neulich haben Sie noch etwas spitz darauf hingewiesen, dass Sie natürlich recherchieren, bevor Sie einen Artikel schreiben... SCNR.

Ja, natürlich tue ich das, lieber Gorgasal. Aber das muß doch halbwegs ökonomisch geschehen.

Ich habe mich, ehrlich gesagt, auch ein wenig über Ihre Frage gewundert. Sie hatten doch den Link zu dem Text - warum haben Sie denn nicht selbst nach der Grafik gesucht? Aus Zeitmangel vermutlich. Sehen Sie.

Was übrigens den grünen Pfeil angeht, ist mir rätselhaft, wo er herkommt. Daß die Autoren des "American Thinker" ihn eingefügt haben, will ich nicht hoffen. Vielleicht ist er in der Druckfassung, falls diese mehrfarbig ist, und fehlt in der PDF-Datei? Ich weiß es nicht.

Das mit Haushalte vs Verdiener scheint mir, wie schon geschrieben, aus dem dürftigen Begleittext nicht eindeutig hervorzugehen. Hier das, was Reynolds zu diesem Thema schreibt (S. 8f). (Ich habe mir die Zeit genommen, es für Sie herauszusuchen. ):
Zitat von Alan Reynolds
Top 1 Percent of What?
Media reports about the supposed rise in the income share at the top, including references to the Piketty-Saez studies, never bother to ask the most basic question of all: the top 1 percent of what?
Most people assume that the “top 1 percent” and other income shares refer to the top percentiles of household or family income. New York Times columnist Paul Krugman wrote: “According to Piketty and Saez . . . in 1998 the top 0.01 percent received more than 3 percent of all income. That meant that the 13,000 richest families in America had almost as much income as the 20 million poorest households.”
Yet the Piketty-Saez figures do not refer to households nor families (much less both)—they refer to “tax units,” which can be much different.

Piketty and Saez point out that “average household income is about 28 percent higher than average tax unit income.” In some cases the differences are much larger than that. Two unmarried working people living together constitute one household but two tax units; their household income could be twice as large as their income per tax unit. Or consider that children with investment income above $750 are required to file tax returns, with the result that they show up as extremely poor “tax units” in the Piketty-Saez figures, even though they are unlikely to be living in poor families.

Herzlich, Zettel

MonuMental Offline



Beiträge: 34

14.06.2009 22:12
#28 RE: Werden die Reichen immer reicher? Antworten

In Antwort auf:
Die Leute dort haben häufig deutlich mehr als drei Kinder, die Mutter bleibt daheim und der Vater verdient das Geld. Das scheint möglich zu sein.

Wie alt sind denn diese Leute? Wenn ich raten muesste, wuerde ich im Durchschnitt auf ueber 40 tippen. Bei jungen Familien wuerde es mich wundern, wenn die Mutter nicht wenigstens ab und zu im coffeeshop jobt. Dass man das schon irgendwie hinbekommen kann, ja, stimmt schon, aber auf welche Unis koennen ihre Kinder spaeter mal hoffen? Und wie stark sind die Kreditkarten dieser Familien belastet? Ist das Haus abbezahlt? Das Auto? Kann man jeden Monat etwas Geld zur Seite legen? Leider faellt mir jetzt gerade die genaue Statistik nicht mehr ein, aber Amerikaner sind mittlerweile fast vollstaendig vom postiven (sparen) zum negativen (Kreditkarten belasten) uebergegangen. Junge Leute, die die Uni absolvieren, fangen ihr Leben nicht mit nichts in der Tasche an, sondern mit einem Haufen Schulden. Da will dann auch keiner mehr Lehrer werden, denn mit solchen Jobs laesst sich der Unikredit leider nicht abbezahlen.

Mir faellt gerade mal wieder mein Nachbar ein, hat das gleiche gelernt wie der Vater, aber kann sich mit seinen knapp 30 Jahren nicht leisten sein Haus im Winter zu beheizen. Da kommen viele Dinge zusammen. Gehaelter sind seit Jahren nicht gestiegen, Wohnungspreise und Lebensmittelpreise sind gleichzeitig aber ausser Kontrolle geraten.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

14.06.2009 22:21
#29 RE: Werden die Reichen immer reicher? Antworten

Zitat von Zettel
Ich habe mich, ehrlich gesagt, auch ein wenig über Ihre Frage gewundert. Sie hatten doch den Link zu dem Text - warum haben Sie denn nicht selbst nach der Grafik gesucht? Aus Zeitmangel vermutlich. Sehen Sie.

Recht haben Sie. Aber ich hatte angenommen, dass Sie, weil Sie ja doch immer sehr schön recherchieren, diese Grafik im Text aufgesucht hatten und mir recht schnell sagen könnten, wo ich sie denn finde, bevor ich stundenlang danach suche. War also rein informativ gemeint und nicht als Falle oder Bösartigkeit...

--
Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.06.2009 22:48
#30 RE: Werden die Reichen immer reicher? Antworten

Zitat von MonuMental
Und wie stark sind die Kreditkarten dieser Familien belastet? Ist das Haus abbezahlt? Das Auto? Kann man jeden Monat etwas Geld zur Seite legen?

Ist das, lieber MonuMental, nach Ihrer Kenntnis ein Problem der Einkommensverteilung?

Ich habe vor Jahren dazu einmal ziemlich ausführlich in den Daten des US Census Bureau recherchiert. Wenn ich mich recht erinnere, gab es in allen Quintilen einen Zuwachs der Einkommen in konstanten Dollar. Allerdings war er in den höheren Einkommensgruppen stärker als in den unteren.

Liegt das Problem nicht auch in einem Auseinanderklaffen von Einkommen und Ansprüchen an den Lebensstandard? Kreditkarten verführen dazu, sich mehr zu leisten, als man bezahlen kann.

Nur einmal als kleiner Kontrast zu dem, was man sich heute meint leisten zu müssen: Als ich im Beruf angefangen habe, Eingangsbesoldung für Akademiker, konnte ich mir weder ein Auto leisten noch einen Hotelurlaub. Ich bin per Anhalter in den Urlaub gefahren und habe in Jugendherbergen übernachtet. Fleisch kauften wir überwiegend bei der Fleischbank. Ein Telefon war nicht zu bezahlen; man ging zum Telefonieren eben in eine Zelle. Essengehen fand an Geburtstagen und dergleichen statt.

Ich kann deshalb das Klagen über die heutigen Zustände nicht gut nachvollziehen, lieber MonuMental. Jedenfalls in Deutschland ist der Lebensstandard eines Sozialhilfempfängers heute höher als damals in den sechziger Jahren derjenige eines jungen Akademikers.
Und wir haben dennoch munter und vergnügt gelebt.

Herzlich, Zettel

califax Offline




Beiträge: 1.502

14.06.2009 22:56
#31 RE: Werden die Reichen immer reicher? Antworten

Zitat von Gorgasal
Zitat von MonuMental
Was sich nicht bestreiten laesst ist die Tatsache dass die Vaeter meiner Freunde, Bekannten und Kollegen - und besonders die Grossevaeter mit acht Kindern zu Hause - in der Lage waren, als Alleinverdiener ihre Familien zu ernaehren. So etwas ist fuer den Durchschnittsamerikaner heutzutage undenkbar.

Ist es das?
Ich bin recht intensiv auf katholischen US-Blogs unterwegs. Die Leute dort haben häufig deutlich mehr als drei Kinder, die Mutter bleibt daheim und der Vater verdient das Geld. Das scheint möglich zu sein. Allerdings sicherlich mit weniger materiellen Besitztümern als der Durchschnittsamerikaner. Insofern wäre meine Hypothese, dass man mit einem nicht ganz so großen Haus, einem Gebraucht- statt einem Neuwagen und anderen Einschränkungen das hinbekommt.



Das wäre auch meine These. Der Großvater mit seinen 8 Kindern hatte andere Ansprüche an das Leben. Da wurde nicht mit dem SUV im Drive Thru geluncht. Mutter hat ein Lunchpaket gepackt, und man ist oft zu Fuß zur Arbeit gegangen. Die Satellitensiedlung im ehemals Grünen gab es nur für wohlhabende Ingenieure, wichtige Konzernangestellte und Offiziere. Warmes Essen gab es vor allem zu Hause. Kein teures Convenience-Food sondern Hausmannskost und Resteessen. Rund ums Haus gab es nicht nur die blanke Rasenfläche sondern nach Möglichkeit auch Obst und Gemüse. Restaurants waren für Reiche, der Imbiß war die teure Notlösung.
Es wurden nur Investitionen auf Pump gekauft - Grund und Boden, Fischereirechte, Fischerboote, neue Landmaschinen, Saatgut, Trucks, Weiterbildung, Kreissägen, Baumaterial, ...
Konsumgüter auf Pump zu kaufen galt dem honest hard workin' man als eine Schande wie Alkoholismus und Spielsucht.
Man muß sich nur mal die Entwicklung der Autogröße oder die immer schlechtere Architektur der Häuser anschauen. Für den Großvater waren Heizkosten und Klimaanlage ein echter Brocken. Also hatten die Häuser in heißen Gegenden keine Klimaanlage sondern z.B. einen Dogwalk und winzige Fenster.

Nachtrag: Wikipedia belehrt mich, daß es nicht dog walk sondern dog trot heißt. Mir doch wurscht.:)

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The Outside of the Asylum

Bernd314 Offline



Beiträge: 133

15.06.2009 00:04
#32 Selbst wenn es wahr wäre, daß "die Schere immer weiter auseinandergeht" Antworten

dann wäre dies noch lange kein Grund zur Sorge - ganz Im Gegenteil: wenn nämlich mit einer steigenden Standardabweichung gleichzeitig auch der Mittelwert und das Minimum (=Sozialhilfe) der Einkommensverteilung steigen (wie es seit der Industrialisierung fast überall auf der Welt der Fall ist) dann nimmt 1. die absolute Armut ständig weiter ab, während 2. der durchschnittliche Wohlstand immer weiter steigt.

Wenn man sich dann trotz der höchst erfreulichen Fakten (1) und (2) an der "Einkommens-Schere" stört, dann ist das eigentlich nichts anderes als Neid.


Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.06.2009 00:40
#33 RE: Selbst wenn es wahr wäre, ... Antworten

Zitat von Bernd314
dann wäre dies noch lange kein Grund zur Sorge - ganz Im Gegenteil: wenn nämlich mit einer steigenden Standardabweichung gleichzeitig auch der Mittelwert und das Minimum (=Sozialhilfe) der Einkommensverteilung steigen (wie es seit der Industrialisierung fast überall auf der Welt der Fall ist) dann nimmt 1. die absolute Armut ständig weiter ab, während 2. der durchschnittliche Wohlstand immer weiter steigt.

So ist es, lieber Bernd. Weswegen ja auch Armut nicht mehr als absolute Armut definiert, überhaupt nicht am Lebensstandard gemessen wird. Sondern als arm gilt, wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens hat. Selbst wenn er in Saus und Braus lebt - arm ist er, solange zahlreiche andere deutlich mehr verdienen

Mit anderen Worten: Armut wird via Einkommens- Ungleichheit definiert. Ich habe das in diesem Artikel beschrieben und zu zeigen versucht, wie absurd eine solche Definition von Armut ist.

Wissenschaftlich ist sie absurd. Aber politisch ist sie natürlich nützlich.

Herzlich, Zettel

califax Offline




Beiträge: 1.502

15.06.2009 00:50
#34 RE: Selbst wenn es wahr wäre, ... Antworten

Zitat von Zettel
Weswegen ja auch Armut nicht mehr als absolute Armut definiert, überhaupt nicht am Lebensstandard gemessen wird. Sondern als arm gilt, wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens hat. Selbst wenn er in Saus und Braus lebt - arm ist er, solange zahlreiche andere deutlich mehr verdienen
Mit anderen Worten: Armut wird via Einkommens- Ungleichheit definiert. Ich habe das in diesem Artikel beschrieben und zu zeigen versucht, wie absurd eine solche Definition von Armut ist.
Wissenschaftlich ist sie absurd. Aber politisch ist sie natürlich nützlich.



Nur wenn man das Ziel der Politik auf die Machtergreifung und den emotionalen Appel beschränkt.
Sieht man das Ziel der Politik darin, den Bürgern eines Landes ein möglichst gutes und sicheres Leben zu ermöglichen, ist diese Armutsdefinition unbrauchbar bis schädlich.
Dann müßte man andere Maßstäbe anbringen: Die Anzahl der Jahrzente, die man wenigstens im Inland in Frieden lebt. Der Lebensstandard eines Wohlfahrtsempfängers, der wegen Behinderung oder Mangel an Möglichkeit nicht für sich selbst sorgen kann. Das durchschnittliche Sterbealter und die Projektion der Lebensspanne. Die Anzahl der Geburten und die Kindersterblichkeit. Und so weiter. Das alles immer im Vergleich zu vorigen Jahrzehnten gewehrtet.

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Rayson Offline




Beiträge: 2.367

15.06.2009 13:12
#35 RE: Selbst wenn es wahr wäre, ... Antworten

Na ja, so absurd ist der relative Armutsbegriff auch nicht, denn ob sich jemand als "arm" fühlt oder auch so angesehen wird, hängt auch davon ab, womit er seine Lage vergleicht. Armut ist ja nicht nur ein objektiver Mangel, sondern auch ein sozialer Begriff, der auf die Teilhabe am "gesellschaftlichen Leben" abzielt. Dass der Begriff hinreichend diffus ist, heißt ja nicht, dass das Phänomen, das er beschreiben soll, nicht existiert...

Das kann ich aus eigener Erfahrung berichten: Ich habe mal eine Zeit lang in Ungarn mit einem Gehalt gelebt, das zwar für ungarische Begriffe hoch war, aber nur einen Teil meines Gesamtpaketes ausmachte (den anderen Teil brauchte ich nie anzurühren). In Ungarn war ich damit ein "Reicher" und habe mich auch so gefühlt, aber in Deutschland wäre ich eine arme Sau gewesen (und auch mit meinem Gesamtpaket nur gehobener Durchschnitt).

Das Problem, wie ich es sehe, ist eher, dass die beiden Armutskonzepte vermengt werden, also derjenige, der laut Armut beklagt, in Wirklichkeit Einkommensverteilung meint, aber beim Publikum Bilder absoluter Not hevorruft und sich so einer moralischen und emotionalen Unterstützung versichert.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

15.06.2009 13:16
#36 RE: Selbst wenn es wahr wäre, ... Antworten

Zitat von Zettel
Weswegen ja auch Armut nicht mehr als absolute Armut definiert, überhaupt nicht am Lebensstandard gemessen wird. Sondern als arm gilt, wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens hat. Selbst wenn er in Saus und Braus lebt - arm ist er, solange zahlreiche andere deutlich mehr verdienen

Mit anderen Worten: Armut wird via Einkommens- Ungleichheit definiert. Ich habe das in diesem Artikel beschrieben und zu zeigen versucht, wie absurd eine solche Definition von Armut ist.

Wie unsinnig dieser relative Armutsbegriff ist, sieht man schon daran, dass kaum "Arme" aus den Industrieländern in die Dritte Welt auswandern (wo sie "reich" wären), sondern umgekehrt viele gut ausgebildete Menschen aus der Dritten Welt nach Norden kommen - auch wenn sie dort erstmal nur Taxi fahren und "arm" sind.

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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.06.2009 13:47
#37 RE: Selbst wenn es wahr wäre, ... Antworten

Zitat von Gorgasal
Wie unsinnig dieser relative Armutsbegriff ist, sieht man schon daran, dass kaum "Arme" aus den Industrieländern in die Dritte Welt auswandern (wo sie "reich" wären), sondern umgekehrt viele gut ausgebildete Menschen aus der Dritten Welt nach Norden kommen - auch wenn sie dort erstmal nur Taxi fahren und "arm" sind.

Ich habe das, lieber Gorgasal, in den siebziger Jahren an einem konkreten Beispiel erlebt. Zu unserem Bekanntenkreis gehörte damals eine Frau, die aus der CSSR geflohen war. Sie hatte als Chemie-Ingenieurin gearbeitet und war nun entschlossen, keinen anderen Job anzunehmen als einen in ihrem erlernten Beruf. So lange wollte sie eben von Sozialhilfe leben.

Wir verstanden das erst nicht, bis uns klar wurde, daß sie als Sozialhilfeempfängerin in Deutschland ungleich besser lebte als vor ihrer Flucht als Chemie-Ingenieurin.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.06.2009 14:00
#38 RE: Selbst wenn es wahr wäre, ... Antworten

Zitat von Rayson
Na ja, so absurd ist der relative Armutsbegriff auch nicht, denn ob sich jemand als "arm" fühlt oder auch so angesehen wird, hängt auch davon ab, womit er seine Lage vergleicht. Armut ist ja nicht nur ein objektiver Mangel, sondern auch ein sozialer Begriff, der auf die Teilhabe am "gesellschaftlichen Leben" abzielt. Dass der Begriff hinreichend diffus ist, heißt ja nicht, dass das Phänomen, das er beschreiben soll, nicht existiert...

Das Phänomen existiert natürlich; nur ist es irreführend, dafür den Begriff "Armut" zu verwenden. Zumindest solange es wirkliche Armut gibt, ist das aus meiner Sicht nachgerade eine Verhöhnung der Armen.

Es mag ja sein, daß jemand, der sich am Starnberger See nur eine kleine Villa leisten kann, nicht am dortigen "gesellschaftlichen Leben" teilnehmen kann, weil die reichen Nachbarn ihn schneiden. Aber es ist doch absurd, ihn deshalb arm zu nennen.

Und an welchem "gesellschaftlichen Leben" kann eigentlich ein Sozialhilfeempfänger nicht teilnehmen? Kann er nicht im Biergarten sein Bier trinken, im Verein seine Tauben oder Kaninchen züchten, mit seinen Kumpels Skat kloppen? Er kann sich gewisse Dinge nicht leisten, das ist wahr. Das geht aber den meisten von uns so.
Zitat von Rayson
Das kann ich aus eigener Erfahrung berichten: Ich habe mal eine Zeit lang in Ungarn mit einem Gehalt gelebt, das zwar für ungarische Begriffe hoch war, aber nur einen Teil meines Gesamtpaketes ausmachte (den anderen Teil brauchte ich nie anzurühren). In Ungarn war ich damit ein "Reicher" und habe mich auch so gefühlt, aber in Deutschland wäre ich eine arme Sau gewesen (und auch mit meinem Gesamtpaket nur gehobener Durchschnitt).

Mir scheint, lieber Rayson, daß das ein anderes Problem ist, nämlich das der Kaufkraftparität. Für denselben Geldbetrag konntest du dir, nehme ich an, in Ungarn mehr leisten als in Deutschland.
Zitat von Rayson
Das Problem, wie ich es sehe, ist eher, dass die beiden Armutskonzepte vermengt werden, also derjenige, der laut Armut beklagt, in Wirklichkeit Einkommensverteilung meint, aber beim Publikum Bilder absoluter Not hevorruft und sich so einer moralischen und emotionalen Unterstützung versichert.

Das genau meine ich und habe es in der verlinkten Serie auch so zu beschreiben versucht.

Herzlich, Zettel

MonuMental Offline



Beiträge: 34

15.06.2009 14:01
#39 RE: Werden die Reichen immer reicher? Antworten

Zitat von Zettel
Zitat von MonuMental
Und wie stark sind die Kreditkarten dieser Familien belastet? Ist das Haus abbezahlt? Das Auto? Kann man jeden Monat etwas Geld zur Seite legen?

Ist das, lieber MonuMental, nach Ihrer Kenntnis ein Problem der Einkommensverteilung?

Ich habe vor Jahren dazu einmal ziemlich ausführlich in den Daten des US Census Bureau recherchiert. Wenn ich mich recht erinnere, gab es in allen Quintilen einen Zuwachs der Einkommen in konstanten Dollar. Allerdings war er in den höheren Einkommensgruppen stärker als in den unteren.


Eine Statistik finde ich gerade nicht, allerdings ist die gaengige Meinung, dass das Einkommen in der Mittelklasse auf die Inflation angerechnet sogar ein Stueck weit gesunken ist.

Zitat von Zettel

Liegt das Problem nicht auch in einem Auseinanderklaffen von Einkommen und Ansprüchen an den Lebensstandard? Kreditkarten verführen dazu, sich mehr zu leisten, als man bezahlen kann.


Das ist natuerlich ein stueckweit der Fall. Allerdings muss man auch betrachten, was man ueberhaupt zur Auswahl hat. Haeuser sind seit den 70ern (falls ich mich recht entsinne) im Durchschnitt um ein Zimmer groesser als sie das frueher waren. Kleine Haeuser werden schon garnicht mehr wirklich gebaut, stehen damit also auch nicht zur Auswahl. Aber um auf die Schulabgaenger zurueckzukommen, nehmen wir die Stadt Washington als Beispiel, hier kann ich zumindest einen Erfahrungsbericht aus "erster Hand" liefern:
Kommt man frisch von der Uni und kriegt in Washington einen Job, so verdient man in den ersten Jahren so um die $25.000 brutto. Ein Zimmer zur Untermiete kostet ab $600 Monat aufwaerts (bei dem Preis Kakerlaken inklusive). Dazu kommen Strom, Telefon, Transportkosten, Lebensmittel, Klamotten (auch wenn es nicht viele sind, hier gilt ueberall professional dress code, und wenn man nur einen Anzug hat, muss man trotzdem wenigstens die Reinigung bezahlen. Waschmaschine hat man ja sowieso nicht). Krankenversichert ist man wahrscheinlich nicht, eine Plombe darf einem also nicht ausfallen, Bein brechen geht schon gar nicht. Die Mehrzahl der Menschen, die hierherziehen, entwickeln Allergien, auch die kann man erstmal nicht behandeln lassen, wird zu teuer. Und selbst wenn man imallerbilligsten Lebensmittelladen kauft, muss man mit ca $8 - $10 am Tag fuer Lebensmittel rechnen. Unischulden darf man natuerlich auch nicht vergessen.
Natuerlich kann man jetzt sagen Telefon ist Luxus, aber ich weiss nicht, wie man heutzutage in der Arbeitswelt ohne Telefonnr und E-mail Adresse vorankommt. Gewisse Erwartungshaltungen haben sich eben auch von aussen geaendert. Und natuerlich kann das alles funktionieren. Aber das es alles so viel einfacher ist als frueher, mit der Behauptung waere ich vorsichtig. Ich weiss auch nicht, wer hier alles schonmal versucht hat, in den Staaten zu leben, aber bis jetzt haben sich noch die meisten gewundert, wie teuer dieser Spass ist.

Und Kreditkarten sind eh ein ganz spezielles Problem, da wurde erst vor ein paar Wochen ein Gesetz erlassen, denn bisher werden Kreditkarten schon an 12jaehrige verteilt. Zu dem Thema koennte ich mir auch die Finger wundschreiben, da fehlt mir aber leider die Zeit. Belassen wir es dabei, dass die Republikaner gegen die Idee waren, die Bestimmungen zu verschaerfen, unter denen an Studenten Kreditkarten ausgegeben werden, denn ohne Kreditkarten haetten sie es auch nicht durch die Uni geschafft (bzw. der Senator der sich zu dem Thema geauessert hat).

Bernd314 Offline



Beiträge: 133

15.06.2009 18:33
#40 RE: Selbst wenn es wahr wäre, ... Antworten

In Antwort auf:

Das Problem, wie ich es sehe, ist eher, dass die beiden Armutskonzepte vermengt werden, also derjenige, der laut Armut beklagt, in Wirklichkeit Einkommensverteilung meint,



Also eine Form von (Sozial-)Neid ?

In Antwort auf:

aber beim Publikum Bilder absoluter Not hevorruft und sich so einer moralischen und emotionalen Unterstützung versichert.



Exakt. Das ist das Problem !

Bernd314 Offline



Beiträge: 133

15.06.2009 18:42
#41 RE: Selbst wenn es wahr wäre, ... Antworten

Um zu sehen wie irreführend (wenn nicht zynisch!) dieser Begriff der "relativen Armut" tatsächlich ist, möge man nur einmal exemplarisch die folgenden beiden Artikel unvoreingenommen nebeneinanderstellen und auf sich einwirken lassen:

Artikel 1: Weltwirtschaftskrise & Armut anno 1936:
http://www.eyewitnesstohistory.com/migrantmother.htm

Dazu dieses Bild

Artikel 2: Weltwirtschaftskrise & Armut anno 2009:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,630434,00.html

Dazu dieses Bild.

P.S.: bin mir bei den Bildern nicht sicher, ob es aus Copyrightgründen erlaubt ist diese direkt einzubinden. Falls nicht: bitte löschen.




Lieber Bernd,

Eine Einbindung per [img]-Tag bedeutet ggf. eine Copyrightverletzung. Ein Verlinkung per [url]-Tag aber nicht. Ich habe das entsprechend geändert.

Herzlich, Zettel

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

15.06.2009 18:45
#42 RE: Selbst wenn es wahr wäre, ... Antworten

Zitat von Zettel
Es mag ja sein, daß jemand, der sich am Starnberger See nur eine kleine Villa leisten kann, nicht am dortigen "gesellschaftlichen Leben" teilnehmen kann, weil die reichen Nachbarn ihn schneiden. Aber es ist doch absurd, ihn deshalb arm zu nennen.


Ja. Was natürlich daran liegt, wie man z.B. Gesellschaft definiert. Wenn ganz Deutschland nur aus den Leuten am Tegernsee bestünde, wäre es m.E. schon deutlich weniger absurd, hier von Armut zu reden.

Zitat von Zettel
Und an welchem "gesellschaftlichen Leben" kann eigentlich ein Sozialhilfeempfänger nicht teilnehmen? Kann er nicht im Biergarten sein Bier trinken, im Verein seine Tauben oder Kaninchen züchten, mit seinen Kumpels Skat kloppen? Er kann sich gewisse Dinge nicht leisten, das ist wahr. Das geht aber den meisten von uns so.


Mir scheint, dass er sich ziemlich viel nicht leisten kann. Jedenfalls nicht so viel, dass ich bereit wäre, gegen Nichtstun ein Hartz-IV-Einkommen zu beziehen. Deine Beschreibung des gesellschaftlichen Lebens scheint mir auch nicht gerade erschöpfend zu sein ;-) Und vielleicht wird es ja schon dann kritisch, wenn es darum geht, wer die Runden bezahlt...


Zitat von Zettel
Mir scheint, lieber Rayson, daß das ein anderes Problem ist, nämlich das der Kaufkraftparität.


Nein, lieber Zettel, hier mal nicht. Es war ein Gehalt, das ich in Forint bezog und das dem eines Ungarn in vergleichbarer Position entsprach. Ich konnte mir davon nicht mehr leisten als in Deutschland (Ausnahme: Restaurantbesuche), aber trotzdem war ich dort reich und wäre hier eher arm gewesen, eben weil die meisten Ungarn von diesem Einkommen nicht einmal träumen konnten.

Zitat von Zettel
Das genau meine ich und habe es in der verlinkten Serie auch so zu beschreiben versucht.


Ok, dann nehme ich meinen Teil des Kommunikationsproblems auf mich Aber weiter meine ich, dass auch der relative Armutsbegriff seine Berechtigung hat.

--
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.06.2009 19:34
#43 RE: Selbst wenn es wahr wäre, ... Antworten

Zitat von Rayson
Zitat von Zettel
Es mag ja sein, daß jemand, der sich am Starnberger See nur eine kleine Villa leisten kann, nicht am dortigen "gesellschaftlichen Leben" teilnehmen kann, weil die reichen Nachbarn ihn schneiden. Aber es ist doch absurd, ihn deshalb arm zu nennen.

Ja. Was natürlich daran liegt, wie man z.B. Gesellschaft definiert. Wenn ganz Deutschland nur aus den Leuten am Tegernsee bestünde, wäre es m.E. schon deutlich weniger absurd, hier von Armut zu reden.

Aber hier, lieber Rayson, steckt ja genau das Problem. Die EU-Definition spricht von unter 60 Prozent des Durchschnittseinkommens in der jeweiligen "Region". Aber was ist das? Der Mann am Starnberger See ist in seiner Gemeinde vielleicht einer der Armen. In Bayern ist er vielleicht einer der Reichen.

Wer in der DDR keineswegs arm war, wurde das am Tag der Wiedervereinigung, indem die "Region" jetzt Deutschland war.

Man könnte auch die Wohngegend als "Region" nehmen; dann gibt es in der Pariser Banlieue wenige Arme. So, wie in Bulgarien, das einen der günstigsten Gini-Koeffizienten hat.

Die einfachste Methode, die relative Armut zu bekämpfen, besteht darin, das ganze Volk zu enteignen und jedem nur noch das Existenzminimum zu lassen. Dann gibt es keine relative Armut mehr.

Ich bleibe also dabei, lieber Rayson: Das ist absurd.
Zitat von Rayson
Zitat von Zettel
Und an welchem "gesellschaftlichen Leben" kann eigentlich ein Sozialhilfeempfänger nicht teilnehmen? Kann er nicht im Biergarten sein Bier trinken, im Verein seine Tauben oder Kaninchen züchten, mit seinen Kumpels Skat kloppen? Er kann sich gewisse Dinge nicht leisten, das ist wahr. Das geht aber den meisten von uns so.

Mir scheint, dass er sich ziemlich viel nicht leisten kann. Jedenfalls nicht so viel, dass ich bereit wäre, gegen Nichtstun ein Hartz-IV-Einkommen zu beziehen. Deine Beschreibung des gesellschaftlichen Lebens scheint mir auch nicht gerade erschöpfend zu sein ;-)

Keine ist erschöpfend. Und wie gesagt, jeder kann sich manches nicht leisten. Natürlich müssen Hartz-IV-Empfänger sich einschränken. Ich habe in einem anderen Thread beschrieben, wie ich als frischgebackener Akademiker mich in den sechziger Jahren einschränken mußte. Na und?

Die Gesellschaft hat aus meiner Sicht die Verantwortung dafür, daß niemand hungert, friert, kein Dach über dem Kopf hat, ohne ärztliche Versorgung ist. Das ist Pflicht. Darauf legt die Gesellschaft noch kräftig drauf, indem sie auch den Fernseher, den Kinobesuch usw. finanziert. Die Folge ist, daß niemand in Deutschland arm sein muß. Zum Glück.

Wenn dennoch von einem "erschreckenden Anstieg der Armut" usw. geredet wird, dann ist das Propaganda mit dem Ziel, eine weitgehend egalitäre Gesellschaft zu erreichen.

Herzlich, Zettel

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

15.06.2009 19:45
#44 RE: Selbst wenn es wahr wäre, ... Antworten

Lieber Zettel, was die absurden Interpretationen relativer Armut betrifft, kann und will ich dir nun wirklich nicht widersprechen. Aber aus der bewusst fehlerhaften Anwendung eines Begriffs folgt doch nicht automatisch dessen generelle Untauglichkeit.

Zitat von Zettel
Die Gesellschaft hat aus meiner Sicht die Verantwortung dafür, daß niemand hungert, friert, kein Dach über dem Kopf hat, ohne ärztliche Versorgung ist. Das ist Pflicht. Darauf legt die Gesellschaft noch kräftig drauf, indem sie auch den Fernseher, den Kinobesuch usw. finanziert. Die Folge ist, daß niemand in Deutschland arm sein muß. Zum Glück


Ich will mich mit dir nicht über konkrete Ausgestaltungen von Mindestversorgungen streiten, aber jemand, der ein Dach über dem Kopf hat und auf eine ärztliche Versorgung zurückgreifen kann, die in Deutschland Standard ist, wäre in vielen Ländern dieser Erde reich. Darf ich das also als deine Akzeptanz eines relativen Armutsbegriffs ansehen? ;-)

Zitat von Zettel
Wenn dennoch von einem "erschreckenden Anstieg der Armut" usw. geredet wird, dann ist das Propaganda mit dem Ziel, eine weitgehend egalitäre Gesellschaft zu erreichen.


Was den Missbrauch des Armutsbegriffs angeht, lieber Zettel. habe ich keinen Anlass, deinem Urteil zu widersprechen. Aber das ist noch lange nicht das Todesurteil für den korrekten Gebrauch anderer Konzepte.

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Zettel Offline




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15.06.2009 21:11
#45 RE: Selbst wenn es wahr wäre, ... Antworten

Zitat von Rayson
Ich will mich mit dir nicht über konkrete Ausgestaltungen von Mindestversorgungen streiten, aber jemand, der ein Dach über dem Kopf hat und auf eine ärztliche Versorgung zurückgreifen kann, die in Deutschland Standard ist, wäre in vielen Ländern dieser Erde reich. Darf ich das also als deine Akzeptanz eines relativen Armutsbegriffs ansehen? ;-)

Nein, lieber Rayson, leider nicht. Er wäre in anderen Ländern nicht arm, und er ist eben auch in Deutschland nicht arm.

Man kann Begriffe natürlich definieren, wie man will. Aber man sollte nicht denselben Begriff für ganz Unterschiedliches verwenden. Arm ist, wem es am Nötigsten fehlt; das ist eine eingeführte Bedeutung des Begriffs, die es seit ich weiß nicht wie lange gibt. Jedenfalls seit der Antike.

Zweitens gibt es auch dann, wenn niemand in einer Gesellschaft arm ist, Geringerverdienende. Sie auch arm zu nennen, ist eine Begriffsverwirrung. Zumal ja in Presseberichten usw. meist gar nicht von "relative Armut" gesprochen wird, sondern schlicht von Armut.

Herzlich, Zettel

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

15.06.2009 22:01
#46 RE: Selbst wenn es wahr wäre, ... Antworten

Zitat von Zettel
Er wäre in anderen Ländern nicht arm, und er ist eben auch in Deutschland nicht arm.


Oh doch. In Deutschland ist jemand arm, der nichts anderes hat als ein (vom Staat bezahltes) Dach über dem Kopf und die medizinische Versorgung der GKV. Auto? Malle-Urlaub? Marken-Klamotten für die Kinder? Solche Leute fühlen sich arm, und sie werden von außen auch so angesehen und behandelt.

Zitat von Zettel
Zumal ja in Presseberichten usw. meist gar nicht von "relative Armut" gesprochen wird, sondern schlicht von Armut.


Wenn es um die mangelnde Trennschärfe geht, sind wir einer Meinung. Aber wieder: Das ändert nichts daran, dass Armut auch ein relativer Begriff ist.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.06.2009 22:55
#47 RE: Selbst wenn es wahr wäre, ... Antworten

Zitat von Rayson
In Deutschland ist jemand arm, der nichts anderes hat als ein (vom Staat bezahltes) Dach über dem Kopf und die medizinische Versorgung der GKV. Auto? Malle-Urlaub? Marken-Klamotten für die Kinder? Solche Leute fühlen sich arm, und sie werden von außen auch so angesehen und behandelt.

Es gibt in allen Schichten Leute, die sich arm fühlen und von außen auch so angesehen und behandelt werden. Es gibt verarmten Adel - das sind diejenigen, die vielleicht weniger als 100.000 Euro p.a. an Einkünften haben. Es gibt Familien, in denen diejenigen die armen Verwandten sind, die nur Lehrer geworden sind, oder nur tariflich bezahlter Angestellter.

Ich bestreite ja nicht, lieber Rayson, daß alle diese Spielarten von minderem Einkommen, bezogen auf die jeweilige soziale Umgebung, mit dem Wort "arm" bezeichnet werden. Ich bin nur der Meinung, daß das zu Unrecht geschieht. Es werden da zwei ganz verschiedene Dinge - das Leiden von Not und ein geringeres Einkommen als die Bezugsgruppe, samt dazugehörigem Ansehen und zugehöriger Befindlichkeit - mit demselben Wort bezeichnet.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

16.06.2009 11:52
#48 RE: Selbst wenn es wahr wäre, ... Antworten

Zitat von Rayson
Aber aus der bewusst fehlerhaften Anwendung eines Begriffs folgt doch nicht automatisch dessen generelle Untauglichkeit.

Das ist ok. Aber was ich dann nicht verstehe: Wozu soll der relative Armutsbegriff denn überhaupt tauglich sein?

Wenn es nur um die Beschreibung der Tatsache geht, daß in jeder Gruppe von Menschen einige weniger an materiellen Dingen haben als andere, dann wäre der relative Armutsbegriff über Trivialität, für die Diskussion überflüssig.

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