Ich werde gleich die Gelegenheit nutzen, in dieser netten Runde mal ein Thema aufzumachen mit einiger Hoffnung, dass es hier nicht zerblödelt wird. Der Spiegel berichtet heute über Überlegungen der neuen Bundesländer, die Finanzierung von Abtreibungen weiter einzuschränken.
Da fragt man sich - insbesondere, wenn man an die heißen Debatten zum Thema in den siebziger Jahren und später zurückdenkt, ist das nur eine Sparmaßnahme? Pikanterweise aus dem Osten, wo ja bis vor ca. 16 Jahren Abtreibung viel einfacher war als im Westen. Oder soll dies der Steigerung der Geburtenzahl dienen? Fände ich kontraproduktiv, da ja eigentich nicht die armen Paare mehr Kinder bekommen sollen. Was meint ihr?
In Antwort auf:Ich werde gleich die Gelegenheit nutzen, in dieser netten Runde mal ein Thema aufzumachen mit einiger Hoffnung, dass es hier nicht zerblödelt wird.
Das freut mich, lieber Kölner. Genau für vernünftige Diskussionen ohne Zerblödeln und ohne Flaming ist dieses Forum konzipiert.
In Antwort auf:Der Spiegel berichtet heute über Überlegungen der neuen Bundesländer, die Finanzierung von Abtreibungen weiter einzuschränken. (...)Da fragt man sich - insbesondere, wenn man an die heißen Debatten zum Thema in den siebziger Jahren und später zurückdenkt, ist das nur eine Sparmaßnahme? Pikanterweise aus dem Osten, wo ja bis vor ca. 16 Jahren Abtreibung viel einfacher war als im Westen. Oder soll dies der Steigerung der Geburtenzahl dienen? Fände ich kontraproduktiv, da ja eigentich nicht die armen Paare mehr Kinder bekommen sollen. Was meint ihr?
Abtreibung ist meines Erachtens ein schwieriges Thema, weil da so viele Dimensionen eine Rolle spielen - die der Persönlichkeitsrechte der Schwangeren, die des Schutzes von Leben, die demographische und halt auch die finanzielle. Ein paar Punkte aus meiner Sicht:
Als Liberaler bin ich immer für die freie Entscheidung jeder Schwangeren darüber gewesen, ob sie ein Kind haben will oder nicht. Keine Frau soll Mutter werden müssen, wenn sie das nicht will. Und es soll keine Kinder geben, die von einer Mutter geboren wurden, die sie nicht haben wollte. In den USA wird die Abtreibungsdebatte von den Liberalen unter "Freedom of choice" geführt. Genau darum geht es meines Erachtens.
Eine Schwangerschaft sollte aber nur in den ersten drei Monaten beendet werden dürfen, dh solange das Zentralnervensystem des Foetus noch so wenig ausgebildet ist, daß bewußtes Empfinden ausgeschlossen ist.
Spätabtreibungen sollten meines Erachtens als ein Tötungsdelikt behandelt werden.
Die Gesellschaft sollte alles dafür tun, daß jede Frau, die einen Kinderwunsch hat, diesen auch realisieren kann. Hier ist Deutschland immer noch ein Entwicklungsland; im Vergleich nicht nur mit Ländern wie Frankreich, sondern auch mit der DDR.
Aus dem Spiegel-Artikel (einer Vorabmeldung; mal schauen, was der Bericht im Heft enthält), geht hervor, daß die Länder gesetzlich verpflichtet sind, Schwangeren bei Bedürftigkeit die Kosten für eine Abtreibung zu erstatten. Tatsächlich werden gegenwärtig aber 80 Prozent aller Abbrüche von den Ländern bezahlt. Mit anderen Worten, diese gesetzliche Regelung wird in großem Umfang mißbraucht.
Die jetzt laut Spiegel beabsichtigte Änderung sieht vor, daß die Einkommensgrenze, von der an der Staat die Abtreibung bezahlt, um rund 300 Euro auf 662 Euro abgesenkt werden soll.
Meine Meinung dazu: Der Entschluß zu einer Abtreibung ist eine der schwersten Entscheidungen, die eine Frau treffen kann. Wenn man sich für so etwas Einschneidendes entscheidet, dann sollte man auch versuchen, das Geld dafür aufzubringen. Daß die meisten Schwangeren, die eine Abtreibung wollen, wirklich nicht in der Lage sind, das Geld dafür aufzubringen, erscheint mir unwahrscheinlich.
Aufgrund der Spiegel-Meldung neige ich also zu der Auffassung, daß die geplante Änderung berechtigt ist.
Diese Auffassung kann sich ändern, wenn Einzelheiten bekanntwerden. Ich habe bei Paperball nachgesehen - offenbar ist die Spiegel-Vorabmeldung im Augenblick die einzige Quelle.
Ich bin zum Thema Abtreibung ähnlicher Meinung wie Zettel, ergänzend würde ich bei Schwangerschaften, die Gesundheit oder gar das Leben der Mutter zu gefährden drohen, dafür plädieren, auch Spätabtreibungen zu erlauben.
Interessieren würde mich, welche Finanzierungshilfen aktuell zur Verfügung stehen. Ich frage mich auch, ob es einen begründeten Verdacht gibt, dass Frauen wiederholt und vorsätzlich Abtreibung zur Geburtenkontrolle missbrauchen.
Nicht klar bin ich mir darüber, wieweit „der Staat“ den Kinderwunsch mitfinanzieren soll. In der New York Times erschien vor einigen Monaten (im magazine) ein ausführlicher Artikel über single women, die sich über künstliche Befruchtungen u. ä. ihren Kinderwunsch erfüllen wollen. Einige gaben dafür ein Vermögen aus. Wo würde man bei staatlicher Finanzierung die Grenze ziehen? Verheiratete Paare, heterosexuelle Partner, Singles, Andere, frei nach dem Motto "Gebärmutter genügt"?
In Antwort auf:Das eine ist die Frage, ob Abtreibungen erlaubt sein sollen. Es ist also ein strafrechtliches Problem.
Das andere ist, wer eine (erlaubte) Abtreibung finanziert.
Da bin ich der Meinung, daß das die betreffende Frau selber tun soll (oder der, der die Kosten verursacht hat, oder beide zusammen).
Familienplanung oder Geburtenregelung oder Schwangerschaftsverhütung ist die ureigenste Sache eines einzelnen. Und wenn etwas "schiefgegangen" ist, soll er/sie auch die Kosten dafür selber übernehmen. Es hätte ja nicht sein müssen. Es ist ein persönliches Risiko, wie viele andere Lebensrisiken auch - wenn man das einmal so salopp ausdrückt. Das Wort "Lebensrisiko" in diesem Zusammenhang ist aber schon makaber, fällt mir auf. Das ist aber wieder die andere Dimension der Sache.
Einverstanden. Mit der Einschränkung, daß dann, wenn wirklich Bedürftigkeit vorliegt, der Staat einspringen sollte. So, wie er das immer tun sollte, wenn jemand wirklich nicht mehr für sich selbst sorgen kann. Aber auch nur dann.
Wenn, wie der Spiegel berichtet, das dahin ausgeartet ist, daß der Staat 80 Prozent aller Abtreibungen finanziert, dann wurde es dringend Zeit für eine Gesetzesänderung.
In Antwort auf:Unter der Überschrift "Bevölkerungspolitik" würde ich dieses Thema nicht sehen. Die DDR sollte für uns kein Vorbild sein, in keiner Hinsicht und besonders in dieser nicht.
Das Wort "Bevölkerungspolitik" ist durch die Nazis so diskreditiert, daß man es vielleicht wirklich nicht mehr verwenden sollte. Die DDR-Herrschenden haben den Begriff zwar - meines Wissens - nicht verwendet, haben aber eine sehr intensive Politik dieser Art betrieben (von einem bestimmten Datum an, das ich nachsehen müßte).
Es gab zB hohe Ehestandsdarlehen, die man "abkindern" konnte; so hieß das wohl in der Bevölkerung: Mit jedem Kind wurde ein bestimmter Teil der Schuld gestrichen, und ab dem - wenn ich mich recht erinnere - dritten Kind braucht man gar nichts mehr zurückzuzahlen.
Ich finde nichts Falsches daran, wenn der Staat seine Steuer- und Gesellschaftspolitik auch an dem Ziel orientiert, eine vernünftige demographische Struktur der Gesellschaft zu sichern oder wieder herzustellen. Das ist legitim, so wie andere gesellschaftspolitische Ziele legitim sind.
Aber das kann nach meinem Verständnis nur dadurch geschehen, daß den Menschen, die Kinder haben wollen, das Leben als Eltern erleichtert wird. Und nicht dadurch, daß Menschen zum Kinderkriegen gezwungen werden, die das nicht wollen.
Übrigens vor allem auch deshalb, weil man keinem Kind wünschen kann, ungewollt und ungeliebt diese Welt betreten zu müssen.
In Antwort auf:Ich bin zum Thema Abtreibung ähnlicher Meinung wie Zettel, ergänzend würde ich bei Schwangerschaften, die Gesundheit oder gar das Leben der Mutter zu gefährden drohen, dafür plädieren, auch Spätabtreibungen zu erlauben.
Das ist aus meiner Sicht ein klassischer Wertekonflikt.
Eine Abtreibung im 9. Monat unterscheidet sich objektiv nicht von einer Säuglingstötung nach einer Geburt im, sagen wir, 8. Monat. Es macht ja für das betroffene Wesen keinen Unterschied, ob es erst den Geburtskanal verlassen hatte und dann getötet wurde, oder ob das Töten vor Verlassen des Geburtskanals geschah. Jedenfalls ist ein Wesen betroffen, das wahrnimmt und träumt, das lernt und sich bewegt.
Wenn man es töten muß, um ein anderes Leben zu retten, dann ist das halt eine der allesamt falschen Entscheidungen, die man in einer solchen Situation nur treffen kann. Wahrscheinlich das geringere Übel und also ethisch richtig; aber eben doch ein Übel.
In Antwort auf:Interessieren würde mich, welche Finanzierungshilfen aktuell zur Verfügung stehen. Ich frage mich auch, ob es einen begründeten Verdacht gibt, dass Frauen wiederholt und vorsätzlich Abtreibung zur Geburtenkontrolle missbrauchen.
Soweit ich das verstehe, geht es bei der aktuellen Meldung nur darum, daß die Abtreibung selbst kostenlos vorgenommen wird; dh daß das betreffende Bundesland die Kosten übernimmt.
In Antwort auf:Nicht klar bin ich mir darüber, wieweit „der Staat“ den Kinderwunsch mitfinanzieren soll. In der New York Times erschien vor einigen Monaten (im magazine) ein ausführlicher Artikel über single women, die sich über künstliche Befruchtungen u. ä. ihren Kinderwunsch erfüllen wollen. Einige gaben dafür ein Vermögen aus. Wo würde man bei staatlicher Finanzierung die Grenze ziehen? Verheiratete Paare, heterosexuelle Partner, Singles, Andere, frei nach dem Motto "Gebärmutter genügt"?
Meine Auffassung dazu ist, daß auch die Erfüllung eines Kinderwunschs von denjenigen bezahlt werden sollte, die ihn haben.
Der Staat ist nicht dafür da, das zu finanzieren. Vor allem hat er nicht das Recht, zu entscheiden, wer dann in den Genuß einer solchen Finanzierung kommen würde.
Aber der Staat fördert ja vieles, und er behindert vieles dadurch, daß er Steuern erhebt.
Und bei den Kriterien für das, was gefördert wird (ob und in welchem Umfang zB Kindertagesstätten, Vorschulen, Ganztagesschulen) und bei den Kriterien für die Besteuerung (zB bei den Steuerklassen, beim Kindergeld usw.) könnte und sollte der Staat es meines Erachtens denjenigen, die einen Kinderwunsch haben, erleichtern, ihn sich auch zu erfüllen.
In Antwort auf:Ich bin zum Thema Abtreibung ähnlicher Meinung wie Zettel, ergänzend würde ich bei Schwangerschaften, die Gesundheit oder gar das Leben der Mutter zu gefährden drohen, dafür plädieren, auch Spätabtreibungen zu erlauben.
Sehe ich genauso.
@Zettel... die Entscheidung, so zu handeln, ist nie leicht, schätze ich. Nur... wem wäre geholfen, wenn, in diesem Szenario, bei einer Geburt die Mutter eben dadurch stirbt und vielleicht auch das Kind ?
In Antwort auf:Daß das Wort "Bevölkerungspolitik" von offenbar von den Nazis genutzt wurde, wie Zettel schrieb, ist kein Grund dafür, daß man es nicht benutzen darf. Ich interessiere mich sehr wenig für Details aus der Nazizeit und kann nicht bei jedem Begriff prüfen, ob er eventuell von den Nazis benutzt wurde, damit ich ihn jetzt weglasse. Nur zur Richtigstellung: Dieser Begriff wurde auch von mir nicht in diese Diskussion eingebracht.
Stimmt. Ich glaube, Kölner hat ihn bereits im Ausgangsposting zu diesem Thread verwendet.
Nochmal: Der Begriff als solcher ist überhaupt nicht zu beanstanden. Aber wenn Begriffe historisch in bestimmten Kontexten verwendet wurden, dann sind sie halt "historisch belastet". Unter "Bevölkerungspolitik" zählte für die Nazis eben nicht nur Geburtenpolitik, sondern zB auch die "Germanisierung" des Ostens.
Dasselbe gilt für Begriffe aus der kommunistischen Terminologie. An sich ist es ein Lob, jemanden als politisch "linientreu" zu bezeichnen - nämlich seiner politischen Linie treu. Niemand würde das aber heute so tun. Denn der Begriff "linientreu" wurde von den Kommunisten halt verwendet, um den blinden Gehorsam gegenüber der jeweiligen Parteilinie zu bezeichnen.
In Antwort auf:Allerdings wäre es schon angebracht, in Deutschland zur Zeit eine andere Bevölkerungspolitik zu betreiben, zum Beispiel indem man Familien mit Kindern unterstützt anstatt zum Beispiel Homosexuelle, in deren sexueller Ausrichtung ich keinen biologischen und anthropologischen Sinn sehen kann.
Ich sehe das nicht als Gegensatz. Daß Familien mit Kindern es leichter haben müssen als bisher, darüber sind sich, glaube ich, inzwischen alle einig.
Der Staat hat aber nach meiner Überzeugung kein Recht, in die Lebensentscheidung des einzelnen einzugreifen.
Auch Homosexuelle haben ein Recht, so zu leben, wie sie es für richtig halten. Lange Zeit ist ihnen das verwehrt worden. Ich habe das als Jugendlicher noch erlebt, in welchen erbärmlichen Umständen, immer mit einem Bein im Gefängnis und immer von Erpressungen bedroht, damals in Deutschland Homosexuelle leben mußten - nur, weil sie eine andere sexuelle Orientierung hatten als die Mehrheit! Ein Bekannter unserer Familie, ein Schriftsteller und Redakteur, ist daran fast zerbrochen; immer in Gefahr, daß seine "Neigung" bekanntwerden und daß dies seine bürgerliche Existenz würde vernichten können.
Also, auf die Lebensgestaltung des einzelnen der der Staat keinen Einfluß nehmen.
Aber er darf das eben auch nicht indirekt dadurch tun, daß er zB die Kosten für das Aufziehen von Kindern steuerlich zu wenig berücksichtigt, daß er nicht genügend Kitas bereitstellt, daß in Schulen das Single-Dasein als besonders erstrebenswert dargestellt und der Beruf der Hausfrau herabgesetzt wird usw.
Auch das ist ja ein Eingreifen - nur eben zugunsten der Option, keine Kinder zu haben.
Soweit erst mal, liebe Turbofee. Auf den Rest deines Beitrags antworte ich, weil es da um ein etwas anderes Thema geht, in einem getrennten Posting unter dem Titel "Natur und Kultur", mit dem ich einen neuen Thread eröffne.
In Antwort auf:Auch Homosexuelle haben ein Recht, so zu leben, wie sie es für richtig halten.
Aber lieber Zettel - dagegen habe ich doch gar nichts! Im Gegenteil: Das ist genau meine Meinung.
Wie schön, daß wir da einer Meinung sind.
Ich glaube, ich muß mir auch mal einen Avatar machen, damit ich so nett zurücklächeln kann, wie du in deinem lächelst. Soo jung noch, und schon soo gescheit!
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