Während ich diesen Artikel geschrieben habe, lief im Hintergrund der persische Propaganda- Sender Press TV. Wie bei den meisten Nachrichtensendern gibt es unten im Bild ein Band, auf dem ständig die wichtigsten Nachrichten erscheinen. Darunter immer wieder: "Germans rally against 'unfair education system'" - die Deutschen demonstrieren gegen ein "unfaires Bildungssystem".
Ein schönes Beispiel für den Gleichklang zwischen Islamisten und der deutschen linken Volksfront. Denn diese ist es, die diesen "Bildungsstreik 2009" organisiert.
Lieber Zettel, ich hatte erst überlegt, ob es wirklich Naivität ist, die in dem Artikel der "Sueddeutschen" zum Ausdruck kommt. Der Konkurrenzkampf unter den Journalisten ist ja so, dass man schon was auf dem Kasten haben muss, um in einer Zeitung wie der SZ etwas veröffentlichen zu dürfen. Wahrscheinlich denken die sich aber tatsächlich, Hauptsache, die Jugend wird mal wieder "politisch" und die paar Kommunisten werden am Ende sowieso keinen Einfluss haben. Das haben andere natürlich auch schon geglaubt. Ich jedenfalls sehe an jeder Straßenlaterne und jeder Ampel irgendwelche Antifa- und Kommunistenaufkleber. Sowas hat auf Menschen doch eine größere Wirkung, als ihnen selber bewusst ist. Dazu kommt noch, dass die Kommunisten das Denken der vermeintlich gemäßigten Linken ja sowieso stark geprägt haben. Viele Grüße, Chripa
Meldung von der Front: Ich habe mir in der HU Berlin die Vollversammlung angesehen, auf der über den Streik abgestimmt wurde. Es war lächerlich. Obwohl die finanzielle Ausstattung, gerade der Berliner Hochschulen, desolat ist, und somit durchaus Grund für Protest gegeben, kann ich mich an so einer Veranstaltung nicht beteiligen. Die Forderungen reichen von der Abschaffung jeglichen "Zwangs" (Regelstudienzeit, Anwesenheit etc.) über die Rücknahme des Bologna-Prozesses bis zur Forderung das Mensa-Essen wieder im Hof einnehmen zu dürfen. Der mediale Impact dürfte gen null tendieren, zumal im Iran gerade eine wesentlich spannendere Alternativveranstaltung stattfindet.
Der Betrieb läuft trotz des "Streiks" weiter, meine Veranstaltungen finden statt und sind auch gut besucht. Die Studenten mit denen ich spreche, stehen dem ganzen auch eher distanziert gegenüber. Die "Volksfront" wird ebenso wie "68" an den fraktionellen Widersprüchen zerbrechen. Viel zu heterogen die Nummer.
Ich würde mich entspannen. Montag ist der Spuk vorbei. Leider wird dann auch nicht mehr Geld in Bildung fließen. Aber darum geht es den Organisatoren ja auch nicht. Da geht es um die "Systemfrage". Freitag ist überigens eine Diskussion über "Demokratiedefizite" an deutschen Hochschulen. Montag war ein Vortrag über die "Transformation in Venezulea". Ohne Worte.
Zitat von Chripaich hatte erst überlegt, ob es wirklich Naivität ist, die in dem Artikel der "Sueddeutschen" zum Ausdruck kommt. Der Konkurrenzkampf unter den Journalisten ist ja so, dass man schon was auf dem Kasten haben muss, um in einer Zeitung wie der SZ etwas veröffentlichen zu dürfen.
Ich weiß es nicht, lieber Chripa. Die Berichterstattung ist ja fast durchgängig so - wer das Ganze organisiert, wird schlicht unterschlagen. Ich habe als Blogger leider nicht die Möglichkeit dazu; aber Journalisten einer großen Zeitung müßte es doch ein Leichtes sein, herauszufinden, wer eigentlich die Mitglieder dieser "Projektgruppe Bildungsstreik 2009" sind.
So etwas zu organsieren kostet ja auch Geld. Wer finanziert die Organisation?
Ich kenne, lieber Chripa, diese mehr oder weniger gespielte Naivität des "linksliberalen" Journalismus aus den siebziger und achtziger Jahren. Diese Strategie, "soziale Bewegungen" anzuheizen und sie dann zu nutzen, um die eigene politische Botschaft unters Volk zu bringen, ist ja alles andere als neu. Auch damals interessierte es kaum einen Journalisten, wer zum Beispiel hinter dem "Krefelder Appell" steckte. Damals war es die DKP.
Zitat von ChripaWahrscheinlich denken die sich aber tatsächlich, Hauptsache, die Jugend wird mal wieder "politisch" und die paar Kommunisten werden am Ende sowieso keinen Einfluss haben.
Ja, das wird wohl so sein. Aber es gibt wohl auch eine, sagen wir, Grundsympathie gegenüber den Kommunisten. Man ist eben doch im selben Lager.
Zitat von ChripaIch jedenfalls sehe an jeder Straßenlaterne und jeder Ampel irgendwelche Antifa- und Kommunistenaufkleber. Sowas hat auf Menschen doch eine größere Wirkung, als ihnen selber bewusst ist. Dazu kommt noch, dass die Kommunisten das Denken der vermeintlich gemäßigten Linken ja sowieso stark geprägt haben.
Die konkreten Sorgen der Adressaten sind ja nur der Köder; sie dienen zum "Anagitieren". Das Muster der Agitation war damals dasselbe wie heute:
Zunächst wird ein konkretes Problem thematisiert: Abitur nach 12 Jahren, Bachelor-Studiengänge.
Dann wird gefragt: Warum ist das denn so? Antwort: Weil der Kapitalismus Akademiker braucht, die nur Pauken und nicht Denken gelernt haben. Und warum ist das so? Weil im Kapitalismus der Mensch nur ein Lieferant der Ware "Arbeitskraft" ist.
Was hilft also, liebe Schüler und Studenten, gegen die Verschärfung der Studienbedingungen usw.? Nur die Abschaffung des Kapitalismus.
Zitat von C.K. Die Forderungen reichen von der Abschaffung jeglichen "Zwangs" (Regelstudienzeit, Anwesenheit etc.) über die Rücknahme des Bologna-Prozesses bis zur Forderung das Mensa-Essen wieder im Hof einnehmen zu dürfen.
Ja, solche Sachen kenne ich aus den siebziger, achtziger, neunziger Jahren. Ich denke, da spielt auch etwas eine Rolle, das wir in einem anderen Thread diskutiert haben: Solche absurden Forderungen sind zwar selbst nicht mehrheitsfähig. Sie wirken aber als "Anker", dh sie bewegen das ganze Meinungsspektrum in die gewünschte Richtung.
Zitat von C.K.Der Betrieb läuft trotz des "Streiks" weiter, meine Veranstaltungen finden statt und sind auch gut besucht. Die Studenten mit denen ich spreche, stehen dem ganzen auch eher distanziert gegenüber.
Ich freue mich, das zu lesen. Was ich oft erlebt habe, ist eine gewisse Unschlüssigkeit und Zurückhaltung derer, die mit den Radikalen nicht einverstanden sind. Im privaten Gespräch sagen sie ihre Meinung, aber in der "Vollversammlung" sagen sie nichts oder gehen gar nicht erst hin.
Erst vor ein paar Jahren habe ich das wieder einmal erlebt: Bei irgendeiner dieser Aktionen hatte das Rektorat es den Lehrenden ausdrücklich freigestellt, in den Veranstaltungen abstimmen zu lassen, ob sie wie gewohnt stattfinden oder durch "Diskussionen" ersetzt werden sollten. Solange darüber diskutiert wurde, führten meist die Radikalen das Wort. Wenn dann abgestimmt wurde, stellte sich auf einmal heraus, daß die Mehrheit ganz anders dachte.
Zitat von C.K.Die "Volksfront" wird ebenso wie "68" an den fraktionellen Widersprüchen zerbrechen. Viel zu heterogen die Nummer.
Ihr Wort in Gottes Ohr. Allerdings möchte ich zu bedenken geben, daß ja die 68er Bewegung trotz ihres Zerfallens in viele Gruppen und Strömungen - oder vielleicht gerade deswegen - immens einflußreich war.
Zitat von C.K.Ich würde mich entspannen. Montag ist der Spuk vorbei. Leider wird dann auch nicht mehr Geld in Bildung fließen. Aber darum geht es den Organisatoren ja auch nicht. Da geht es um die "Systemfrage".
Ja, so ist es. Und dieser Aspekt fehlt in der Berichterstattung fast völlig.
Herzlich, Zettel
PS: Danke für diesen mal wieder sehr informativen Bericht aus der Berliner Realität!
Die Organisation dürfte recht günstig sein, dass - ehrliche - Engagement vieler junger Menschen dort ist ja gratis zu haben. Auf dem Rückweg heute habe ich mich aber tatsächlich gefragt, wer das ganze Material - Flyer, Plakate, etc. - eigentlich bezahlt. Aber vermutlich ist das alles nicht so teuer, wenn man an so ein Druckhaus herantritt und mit dem "guten Zweck" wirbt. Asta etc. bekommen ja auch Geld aus dem Hochschuletat. Und die Kreativität ist wirklich bemerkenswert. Es ist eine echte Schande, dass man sich da so vor den Revolutionskarren spannen lässt.
In Antwort auf:Es gibt aber eine umfangreiche Liste von "UnterstützerInnen", die sich liest wie eine Inventarisierung der Volksfront.
Sie reicht von der "Antifa Idar- Oberstein" über die "Assoziation marxistischer Studierender" und diverse Jugendorganisationen der Partei "Die Linke" (SDS; Linksjugend ['solid]) bis zur der der DKP nahestehenden "Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend" (SDAJ) und den "StipendiatInnen der Rosa- Luxemburg- Stiftung"
Ich habe gestern an der Uni eines der Pamphlete der Organisatoren in die Hände bekommen und mich über diese Liste bereits köstlich amüsiert. Gruppen wie "Anarchistisch-Syndikalistische Plattform", "Revolutionär Sozialistische Gruppe" (oder so ähnlich) oder einfach "nazihaltsmaul" - herrlich. Sehr amüsant ist auch dieser "Alternative Stundenplan" der DemonstrantInnen an der Uni Bonn. Von linkem Standardprogramm wie "Nationalsozialismus – Ideologie und Propaganda" oder "Atomkraft nein Danke" über 68erisch anmutende Workshops wie "Sachen verschönern, Schmuck herstellen" bis zum geradezu klischeehaften "Puppenspieler aus Bolivien" Angesichts solcher Dinge fällt es mir schwer, die Aktion mit dem möglicherweise gebotenen Ernst zu betrachten. Allerdings ist die Unterstützung für den "Streik", soweit ich dies mitbekommen habe, weniger hoch als erwartet. Selbst bei mir an der eher links geprägten Uni Düsseldorf hatte die gestrige lang angekündigte Demonstration lediglich 7000 Teilnehmer, größtenteils Schüler. An der Universität selbst hat man davon nicht viel mitbekommen, und auch von dem großspurig angekündigten Aufruf "Düsseldorf lahmlegen!" habe zumindest ich persönlich nichts gemerkt.
Das das meiste was an der Hochschule origanisiert wird, aus der radikalen Linken stammt, ist ja nicht wirklich neu. Zumindest an meiner früheren Uni war der Asta seit jeher fest in der Hand der "Weltrevolution". Da überrascht es nicht wirklich, dass auch die organisierten Proteste aus dieser Ecke stammen. Schlimm ist eigentlich eher, dass es so gar keine Alternative dazu gibt. Jeder, der mal eine deutsche Hochschule von innen gesehen hat, weiss, dass da vieles im Argen liegt. Sogar im ganz Argen. Aber diese Probleme werden in aller Regel nur von eben jenen angegangen. Das ist ja das Problem. Ich finde es bedenklich, dass über das Zugangsthema dunkelrote Propaganda verbreitet wird. Ich finde es aber auch nicht wirklich verwunderlich, wenn das Thema sonst so vernachlässigt wird. Zumal ich nicht glaube, dass die meisten Demonstranten auch nur irgendwas mit den Roten zu tun haben wollen, viele werden nicht einmal wissen, wer genau da was organisiert hat.
Sollte man nicht überschätzen, für die jungen Leute ist das vorwiegend Party. Die Beteiligung and Lehrveranstaltungen scheint selbst in den anfälligen Geisteswissenschaften keum beeinträchtigt gewesen zu sein. Heute morgen zumindest hat der Student, der mir am Wochenende Streikaufruf und Forderungskatalog zugemilt hatte, brav sein Referat gehalten (da gewinnt man doch den Eindruck, man mache interessante Seminare).
Genau das ist das Problem. Die Mehrheit der Studenten sind Fatalisten. Dass die Nicht-Fatalisten größtenteils radikal sind, ändert nichts daran dass sie die einzigen sind, die sich trauen überhaupt irgendwas zu initiieren. Man muss dann natürlich damit leben dass sie nicht nur verkorkste Studienordnungen ankreiden sondern natürlich immer gleich den ganzen Kapitalismus abschaffen wollen. Die Zyniker unter der Mehrheit der Fatalisten amüsieren sich dann natürlich wieder köstlich über die Wirrköpfe und ihre Maximalforderungen vom kompletten Systemwechsel. Mit Fatalismus wird man bestehende Probleme aber nicht lösen, man wird sie noch nichtmal angehen. Ich erinner mich an 2007, als Thüringen beschloss eine Kopfsteuer von 50 EUR für Studenten einzuführen (euphemistisch "Verwaltungsgebühr" genannt), von der 25 EUR direkt an das Land gehen. Dass Gruppierungen wie der RCDS keine Alternative zu den radikalen Wirrköpfen in solchen Situationen sind, haben sie damals durch ihre Linie bewiesen, die mehr oder weniger auf das Motto hinauslief: "bloß nicht die eigene CDU-Regierung bloßstellen". Ich frag mich ernsthaft wie eine Iniative, die gerne studentische Interessen ins Bewusstsein rücken will, die sich aber der Mitarbeit radikaler linker Gruppen verschließt, zurecht käme. Die Masse der fatalistischen Studenten kann man eben nicht so leicht zu Aktionen bewegen wie den revolutionär-marxistischen Studentenbund Buxtehude, der auf jede Chance anspringt, ein bischen Revolution zu spielen. Es ist genau wie bei Demonstrationen gegen rechtsextreme Aufmärsche. Natürlich sind die Antifas Idioten, die gerne Krieg spielen mit der Polizei. Aber sie sind auch die Einpeitscher, die aus einer unentschlossenen Masse von normalen Bürgern erst eine Gegendemonstration machen. Und deshalb missfällt mir auch dieses Abgecancele in der Art "Ach is ja eh alles von Kommunisten organisiert". Man sollte diese Aktionswoche weder romantisch als Politisierung der Massen verklären, noch kleinreden als abgekartetes Spiel von wenigen Radikalen. Vor Ort wurden die Aktionen nicht von SED-Parteikadern sondern von offen zugänglichen Versammlungen organisiert. Dass wieder wahrscheinlich hauptsächlich Radikale sie durchgeführt haben, zeigt doch nur wieder dass die fatalistische Masse sich eben nicht rührt. Zumindest für die Universität Jena kann ich, soweit ich das mitgekriegt habe, sagen dass beispielsweise der RCDS sich selber ausgeschlossen hat von der Mitarbeit. Tja, wenn die Mitte nicht dafür sorgt, dass über die wirklichen Probleme gesprochen wird, überlässt sie eben wieder den Radikalen das Feld, die Filme über französische Fabrikbesetzungen und Diskussionen über die Rückgängigmachung des Bolognaprozesses durchsetzen.
ich habe mich gefreut, wieder etwas von Ihnen zu lesen!
Mein Artikel befaßte sich nur mit den Organisatoren dieser Aktion, weil mir schien, daß diese ja immerhin nicht ganz unwichtige Frage in den Leitmedien kaum thematisiert wird. Aber Sie haben Recht, wenn Sie den Blick auf das Inhaltliche lenken.
Zitat von OmniGenau das ist das Problem. Die Mehrheit der Studenten sind Fatalisten. Dass die Nicht-Fatalisten größtenteils radikal sind, ändert nichts daran dass sie die einzigen sind, die sich trauen überhaupt irgendwas zu initiieren. Man muss dann natürlich damit leben dass sie nicht nur verkorkste Studienordnungen ankreiden sondern natürlich immer gleich den ganzen Kapitalismus abschaffen wollen. Die Zyniker unter der Mehrheit der Fatalisten amüsieren sich dann natürlich wieder köstlich über die Wirrköpfe und ihre Maximalforderungen vom kompletten Systemwechsel. Mit Fatalismus wird man bestehende Probleme aber nicht lösen, man wird sie noch nichtmal angehen.
Aber wird man sie mit politischer Agitation lösen? Und welches sind überhaupt diese Probleme?
In Deutschland brauchte man bis vor kurzem länger bis zum Abitur als fast überall auf der Welt. Da man auch länger studiert als vielerorts, da das Promovieren auch oft extrem lange dauert, geht man in Deutschland nicht selten auf die dreißig zu, wenn man die Uni verläßt. In diesem Alter sind amerikanische oder französische Akademiker schon mitten in ihrer beruflichen Karriere.
Da mußte also etwas getan werden: Verkürzung der Zeit bis zum Abitur auf 12 Jahre; Straffung der Studiengänge. Ich kann nicht sehen, lieber Omni, wie man dagegen sein kann.
Was den Bologna-Prozeß angeht: Er ist nun einmal ein Teil der Vereinheitlichung in Europa, die mit der Entwicklung der EU einhergeht. Also nicht rückgängig zu machen.
Ist also alles paletti an den deutschen Schulen und Unis? Überhaupt nicht, aus meiner Sicht. Zur Schule will ich mich nicht äußern, weil ich mich da nicht auskenne. Zur Uni ein paar Anmerkungen:
Erstens: Die Umstellung auf die Bachelor-Studiengänge erfolgte überhastet, schlecht vorbereitet und ohne daß man erst einmal die personellen Voraussetzungen geschaffen hat.
In eine Vorlesung können 250 Studenten gehen; aber man kann nicht für 250 einen Kurs veranstalten, für den credit points vergeben werden. Eine unbedingte Voraussetzung für die Umstellung wäre eine Aufstockung des Lehrpersonals gewesen.
Ebenso kann man nicht einen Studiengang, für den zuvor 8 bis 10 Semester vorgesehen waren, einfach mal so auf 6 Semster verkürzen. Die ganze Struktur muß geändert werden. Das hätte eine lange Vorbereitung benötigt; auch viel mehr Hilfe von seiten der Ministerien. Was in den vergangenen Jahen passierte, war weithin Flickschusterei.
Zweitens: Die Lehre muß dringend verbessert werden. Dazu gibt es nur einen Weg: Es muß für die Professoren und Mitarbeiter Anreize geben, mehr von ihrer Zeit in die Lehre zu investieren.
Die USA machen uns vor, wie das funktioniert: Die Studenten zahlen Studiengebühren. Damit erwerben sie das Recht auf gute Lehre. Wenn sie für ihr gutes Geld schlechte Lehre bekommen, dann gehen sie anderswo hin, und die Uni kann sehen, wo sie bleibt. Wenn die Uni-Leitung ein (finanzielles) Interesse an guter Lehre hat, dann zahlt sie auch nur denjenigen Professoren hohe Gehälter, die gute Lehre anbieten. Das setzt natürlich eine finanzielle Autonomie der Unis voraus, am besten deren Privatisierung.
Drittens: Bachelor-Studiengänge ohne auf sie aufbauende Master- und Promotionsstudiengänge sind ein Torso. Bei den völlig unzureichenden personellen und finanziellen Ressourcen stecken jetzt viele Faktultäten das meiste von dem, was sie haben, erst einmal in die Bachelor- Studiengänge, zu denen sie verpflichtet sind. Der Rang einer Uni hängt aber an den Master- und Promotionsstudiengängen.
Hier müßte vor allem die Zahl der Hiwi-Stellen drastisch vermehrt werden. Das Ziel müßte es sein, daß Studierende in diesen Studiengängen in der Regel eine solche Stelle haben.
So viel erst einmal, lieber Omni. Sie sehen, daß ist eine andere Perspektive als die Ihrige. Auf Ihre Antwort bin ich gespannt. Und zu dem, was sie noch geschrieben habe, kommen noch getrennte Kommentare.
In Antwort auf: Ich kann nicht sehen, lieber Omni, wie man dagegen sein kann.
Alles hat Vorteile und Nachteile. Und deshalb kann man auch sehr wohl dagegen sein, ohne ein radikaler Wirrkopf zu sein. Ich gehe sogar davon aus dass die Mehrheit der Studenten und Schüler aus wohlberechtigtem Grund ablehnend gegen solche Entwicklungen eingestellt ist. Straffung schafft Druck, weniger Zeit bleibt, Studiengebühren schaffen höhere finanzielle Belastung - das ist vielleicht Ihr wohlberechtigtes Interesse, aber das kann kein Interesse eines Studenten sein - Zum Beispiel von einem der vielen Studenten, die jetzt schon ihr Studium durch einen Nebenjob finanzieren müssen. Und vielleicht hat dieser Student deshalb nicht auch noch Geld, einen Vollzeitlobbyisten anzustellen, der in bunten Powerpointpräsentationen die Parlamentarier von den studentischen Interessen unterrichtet. Dass Interessengruppen, die vielleicht ein lukratives Geschäftsfeld in privatisierten Hochschulen wittern, im Gegenteil das Kleingeld dafür besitzen, ist klar.
In Antwort auf: Ich kann nicht sehen, lieber Omni, wie man dagegen sein kann.
Alles hat Vorteile und Nachteile. Und deshalb kann man auch sehr wohl dagegen sein, ohne ein radikaler Wirrkopf zu sein. Ich gehe sogar davon aus dass die Mehrheit der Studenten und Schüler aus wohlberechtigtem Grund ablehnend gegen solche Entwicklungen eingestellt ist. Straffung schafft Druck, weniger Zeit bleibt, Studiengebühren schaffen höhere finanzielle Belastung
Ja, natürlich, lieber Omni. Aber wie kann man damit zufrieden sein, bis zum Alter von fast dreißig Jahren, manchmal darüber, noch ohne Berufsabschluß, ohne ordentliches Einkommen, ohne Einstieg in die Karriere zu sein?
Ich kann das wirklich nicht nachvollziehen. Was ist denn Schlechtes an Druck? Macht es denn Ihnen, lieber Omni, keine Freude, sich anzustrengen, sich hohe Ziele zu setzen, etwas aus sich herauszuholen? Vielleicht es sogar zu schaffen, zur Elite zu gehören?
Was ist das für eine Haltung, die am liebsten gar keine Leistung will ("Elite ist Schiete"), die es möglichst bequem haben will? Ich glaube nicht, daß Sie selbst diese Haltung haben, aber wenn ich mir ansehe, was bei diesem "Bildungsstreik" gefordert wird, dann stehen mir wirklich die Haare zu Berge.
Was die Studiengebühren angeht: Haben Sie einmal ausgerechnet, was finanziell günstiger ist - nach 13 Jahren Schule noch einmal 12 oder vielleicht 14 Semester kostenlos zu studieren und dann erst mit dem Geldverdienen anzufangen? Oder nach 12 Schuljahren 6 Semster zu studieren, dafür zu bezahlen und dann sofort in die Karriere einzusteigen?
Zitat von Omni- das ist vielleicht Ihr wohlberechtigtes Interesse, aber das kann kein Interesse eines Studenten sein - Zum Beispiel von einem der vielen Studenten, die jetzt schon ihr Studium durch einen Nebenjob finanzieren müssen.
Das ist ein Übel. Deshalb sind ja Studiengebühren so dringend erforderlich. Warum sollen reiche Eltern nicht hohe Gebühren zahlen, aus denen dann - wie an den US-Privatuniversitäten üblich - Stipendien für diejenigen bestritten werden, deren Eltern das nicht leisten können?
Ich habe das mal für Harvard recherchiert; vielleicht finde ich den Artikel/Thread noch. Dort werden die Studenten allein nach Leistung ausgesucht, nicht nach ihrer finanziellen Situation. Wer nicht die volle Gebühr (einschließlich Kost und Logis) zahlen kann, der bekommt ein ganzes oder teilweises Stipendium.
Ist das, lieber Omni, nicht viel sozialer als unser System, in dem der Sohn des Millionärs auf Kosten des Steuerzahlers studiert und der Sohn des Arbeiters jobben muß, um sich sein Studium leisten zu können?
Zitat von OmniDass Interessengruppen, die vielleicht ein lukratives Geschäftsfeld in privatisierten Hochschulen wittern, im Gegenteil das Kleingeld dafür besitzen, ist klar.
Ob es solche Gruppen gibt, weiß ich nicht. Jedenfalls sind hohe Studiengebühren der einzige rationale Ausweg aus dem jetzigen Dilemma.
Der Staat kann die Unis nicht so ausstatten, wie sie es dringend brauchen. Da helfen auch keine "Forderungen". Also wird entweder überwiegend schlechte Lehre angeboten werden, oder man entschließt sich endlich, den Unis die Einnahmequellen zu eröffnen, die sie brauchen. Sie müssen ein Stiftungsvermögen schaffen können und aus dessen Ertrag einen Teil ihrer Ausgaben bestreiten.
Unis, wie sie die jetzigen Demonstranten fordern, wären eine Katastrophe. Nicht nur für Deutschland, sondern auch für die Studierenden selbst, die doch keine Freude an ewig langem Herumstudieren bei schlechter Qualität der Lehre haben können.
Zitat von OmniEs ist genau wie bei Demonstrationen gegen rechtsextreme Aufmärsche. Natürlich sind die Antifas Idioten, die gerne Krieg spielen mit der Polizei. Aber sie sind auch die Einpeitscher, die aus einer unentschlossenen Masse von normalen Bürgern erst eine Gegendemonstration machen.
Das kann ich nicht nachvollziehen, lieber Omni. Wenn Bürger friedlich demonstrieren, wozu brauchen sie dann "Einpeitscher"? Sie sollen doch normaler Bürger bleiben - Bürger, die durch die Straße ziehen, ihre Transparente zeigen, ihre Parolen skandieren. Das ist eine Demonstration, wie sie vom Demonstrationsrecht geschützt wird. Ich bin sehr für solche Demonstrationen gegen Neonazis; aber leider scheitern sie regelmäßig an den Politkriminellen.
Denn was diese Extremisten unter einer "Demonstration" verstehen, ist gar keine, sondern Landfriedensbruch, Sachbeschädigung, Nötigung, Körperverletzung.
Ich glaube keinem einzigen sogenannten "friedlichen" Demonstranten seine Friedfertigkeit und seine demokratische Gesinnung, wenn er so etwas auch nur duldet. Warum nehmen die "Friedlichen" die Kriminellen nicht fest und übergeben sie der Polizei? Jeder Bürger hat bekanntlich das Recht, einen Straftäter auf frischer Tat festzunehmen und der Polizei zu übergeben.
Zitat von OmniUnd deshalb missfällt mir auch dieses Abgecancele in der Art "Ach is ja eh alles von Kommunisten organisiert". Man sollte diese Aktionswoche weder romantisch als Politisierung der Massen verklären, noch kleinreden als abgekartetes Spiel von wenigen Radikalen.
Es wäre hilfreich, lieber Omni, wenn die Organisatoren sich nicht verstecken würden. Der Aufruf ist bekanntlich nur von einer anonymen "Projektgruppe Bildungsstreik 2009" unterzeichnet. Keine Namen, noch nicht einmal eine Angabe der Organisationen.
Wer so klandestin verfährt, der kann sich nicht beklagen, wenn man kommunistische Drahtzieher vermutet. Zumal Kommunisten aller Couleur bei den "UnterstützerInnen" reichlich vertreten sind.
Zitat von OmniVor Ort wurden die Aktionen nicht von SED-Parteikadern sondern von offen zugänglichen Versammlungen organisiert. Dass wieder wahrscheinlich hauptsächlich Radikale sie durchgeführt haben, zeigt doch nur wieder dass die fatalistische Masse sich eben nicht rührt.
Das ist exakt das Argument der Leninisten. Sie sind die "Avantgarde", die die dummen, faulen, uneinsichtigen Menschen zu ihrem Glück zwingen muß. Ach, Omni.
Haben Sie einmal daran gedacht, daß diese "Masse" nicht "fatalistisch" ist, sondern daß es schlicht Leute sind, die zügig studieren und von Agitatoren in Ruhe gelassen werden wollen?
Zitat von OmniZumindest für die Universität Jena kann ich, soweit ich das mitgekriegt habe, sagen dass beispielsweise der RCDS sich selber ausgeschlossen hat von der Mitarbeit.
Guter Witz .
Kommunisten und ihre Mitläufer organisieren seit Monaten - das Ganze wird ja spätestens seit Dezember vorbereitet - eine Agitationswoche, und Sie fragen, warum Demokraten da nicht mitmachen.
Irgendwie kommt mir das bekannt vor: Andersdenkende sind fatalistisch oder naiv. In jedem Fall vom Privatfernsehen verblödet. Aktiv und Intelligent sind nur die Kommunisten. Mensch, das war ja schon im Kinderferienlager so!
Klug und fleißig - Illusion Dumm und faul - das eher schon Klug und faul - der meisten Laster Dumm und fleißig - ein Desaster The Outside of the Asylum
Pentas
(
gelöscht
)
Beiträge:
20.06.2009 08:50
#21 RE: Wer organisiert eigentlich den "Bildungsstreik"?
In Antwort auf:Die Studenten selbst? Ich kenne die Lage in Deutschland nicht, in Ö gibt es einen Zwangsbeitrag für die ÖH.
Ist in Deutschland nicht viel anders. In jedem Semester nicht ganz 10 Euro als "Sozialbeitrag" an den Asta, macht bei einer durchschnittlichen Uni entsprechend 300.000-400.000 Euro aus. Zieht man die Fixkosten ab, die dem Asta durch tatsächlich studentische Belange entstehen, ab, bleibt da locker eine sechsstellige Summe übrig um viele Flugblätter zu drucken.
In Antwort auf:Die Studenten selbst? Ich kenne die Lage in Deutschland nicht, in Ö gibt es einen Zwangsbeitrag für die ÖH.
Ist in Deutschland nicht viel anders. In jedem Semester nicht ganz 10 Euro als "Sozialbeitrag" an den Asta, macht bei einer durchschnittlichen Uni entsprechend 300.000-400.000 Euro aus. Zieht man die Fixkosten ab, die dem Asta durch tatsächlich studentische Belange entstehen, ab, bleibt da locker eine sechsstellige Summe übrig um viele Flugblätter zu drucken.
Zumindest im Baden-Württemberg meiner Studienzeit durfte das aber nicht sein - der "offizielle" AStA (die studentischen Mitglieder im Senat) hatten ausschließlich ein musisches, kulturelles und sportliches Mandat, insbesondere kein allgemein- oder hochschulpolitisches. Der AStA (also jetzt der inoffizielle: die langhaarigen Bombenleger ) beschaffte sich seine Gelder, indem er die erste Party des Semesters organisierte. Zumindest rechne ich nicht mit Zuschüssen aus Kuba...
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Zitat von LlarianZieht man die Fixkosten ab, die dem Asta durch tatsächlich studentische Belange entstehen, ab, bleibt da locker eine sechsstellige Summe übrig um viele Flugblätter zu drucken.
Und das darf er in diesem Fall sogar. Ein allgemeinpolitisches Mandat haben die Asten bekanntlich nicht. Indem man die politische Agitation, um die es tatsächlich geht, hinter einem "Bildungsanliegen" versteckt, kann man die Zwangsbeiträge der Studenten ganz legal für seine politischen Ziele verwenden.
Zitat von LlarianZieht man die Fixkosten ab, die dem Asta durch tatsächlich studentische Belange entstehen, ab, bleibt da locker eine sechsstellige Summe übrig um viele Flugblätter zu drucken.
Und das darf er in diesem Fall sogar. Ein allgemeinpolitisches Mandat haben die Asten bekanntlich nicht. Indem man die politische Agitation, um die es tatsächlich geht, hinter einem "Bildungsanliegen" versteckt, kann man die Zwangsbeiträge der Studenten ganz legal für seine politischen Ziele verwenden.
In Bayern und Baden-Württemberg haben die "offiziellen" ASten nach wie vor kein politisches Mandat, weder hochschul- noch allgemein-.
Entsprechend haben sich parallel zu den offiziellen ASten unabhängige Strukturen gebildet, U-ASten. Die sich dann wie oben beschrieben finanzieren und offen agitieren. Die Wahl erfolgt gerne auf Vollversammlungen, die dann von 5% der Studierenden besucht werden. Die anderen sind wahrscheinlich, frei nach Omni, Fatalisten - oder sie wollen einfach ihr Studium studieren und verbringen den Tag lieber in der Bibliothek oder in der Kneipe statt in der VV.
Das glaube ich ein klein wenig von innen beurteilen zu können. Ich war selbst mein ganzes Hauptstudium lang U-AStA-Funktionär. Allerdings von den Mathematikern, die über das ganze U-AStA-tum nur den Kopf geschüttelt haben. Ich war sozusagen das U-Boot der Fatalisten, der U-Fatalist unter den U-AStalisten .
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