Ich sehe diese Sendungen gern, in denen die "Tagesschau" von vor zwanzig oder der "Wochenspiegel" von vor fünfundzwanzig Jahren wiederholt werden. Zum einen werden Erinnerungen geweckt. Zum anderen ist der Vergleich interessant: Was war damals schon wie heute; was war ganz anders?
Ganz anders war nicht nur, daß es vor fünfundzwanzig Jahren eine DDR gab, sondern daß der Westen die herrschen Kommunisten mit Samthandschuhen anfaßte.
1987 war Honecker Staatsgast in der Bundesrepublik. Wie man andererseits auf bundesdeutscher Seite mit denen umging, die herauswollten aus Honeckers sozialistischem Paradies, das kamm man in diesem Artikel lesen.
Ich möchte das nicht entschuldigen. Aber erklären.
In der ständigen Vertretung waren die Flüchtlinge zwar vor dem Zugriff der DDR sicher. Es gab aber keine Möglichkeit, sie in den Westen zu bekommen. Dazu hätten sie die DDR durchqueren müssen und hätten entsprechende Pässe und Visa gebraucht, die die DDR nicht ausgestellt hätte.
Also mussten die Flüchtlinge in der ständigen Vertretung bleiben. Wenn man sie nun gut behandelt hätte, wären sie dort nie wieder weggegangen. Der Platz dort war aber begrenzt. Wenn tröpchenweise immer weitere Flüchtlinge eintreffen, dann wären im Laufe der Zeit Zustände eingetreten wie 1989 in der Prager Botschaft (in Prag war zum Glück Sommer, so dass die Flüchtlinge im großen Botschaftsgarten leben konnten. Hätte sich das ganze noch ein paar Monate länger hingezogen, wäre die Situation unhaltbar geworden.) Eher noch schlimmer, denn die DDR hätte sicher die Ständige Vertretung noch weniger unterstützt als seinerzeit die Tschechen die Botschaft in Prag.
Fazit: Die Flüchtlinge mussten aus der ständigen Vertretung verschwinden. Ein echter physischer Zwang war aber nicht möglich. Weder juristisch noch politisch. Daher also der Rückgriff auf Schikane.
Im Ergebnis alles ganz logisch. Und dennoch ist dieses Ergebnis natürlich barbarisch und ekelhaft.
Zitat von FlorianDie Flüchtlinge mussten aus der ständigen Vertretung verschwinden. Ein echter physischer Zwang war aber nicht möglich. Weder juristisch noch politisch. Daher also der Rückgriff auf Schikane.
Im Ergebnis alles ganz logisch.
Und dennoch ist dieses Ergebnis natürlich barbarisch und ekelhaft.
Alles, was Sie schreiben, ist richrig, lieber Florian.
Aber man hat eben die Flüchtlinge als das Problem gesehen, das man gemeinsam mit der DDR lösen wollte; nicht die Lage in der DDR, gegen die man sich gemeinsam mit den Flüchlingen hätte stellen müssen.
Natürlich wären die Zustände unerträglich geworden, wenn man auf die inhumanen Schikanen verzichtet hätte.
Und? Was wäre dann passiert? Meldungen weltweit, Proteste weltweit. Die DDR am Pranger. Irgend etwas hätte dann geschehen müssen, und es war an der DDR, es zu ermöglichen: Die Ausreise der Betroffenen, so wie aus Prag 1989.
Ja, aber hätte das nicht die DDR destabilisiert? Genau. Und das wollte die Bundesrepublik nicht, weil sie nicht auf die Beseitigung des kommunistischen Regimes setzte, sondern auf die Kooperation mit ihm. Deshalb habe ich ja an den Besuch Honeckers drei Jahre später erinnert.
Man muss aber daneben auch sehen, wie viele Ausreisewillige die BRD aufgenommen hat (das war das Große und Sichtbare). Daneben stand das Kleine: wenn das Innerdeutsche Ministerium etwa Treffen zwischen Studentengemeinden aus Ost und West förderte. Insgesamt hat es wohl die eine oder andere Ungereimtheit gegeben, aber die alte BRD hat sehr viel für die getan, die ausreisen wollten und auch für die, die in der DDR etwas verändern wollten.
Zitat von stefanolixMan muss aber daneben auch sehen, wie viele Ausreisewillige die BRD aufgenommen hat (das war das Große und Sichtbare). Daneben stand das Kleine: wenn das Innerdeutsche Ministerium etwa Treffen zwischen Studentengemeinden aus Ost und West förderte. Insgesamt hat es wohl die eine oder andere Ungereimtheit gegeben, aber die alte BRD hat sehr viel für die getan, die ausreisen wollten und auch für die, die in der DDR etwas verändern wollten.
Auch für die, die etwas verändern wollten?
Es mag sein; es wurde ja vieles nicht an die große Glocke gehängt. Der Freikauf von Häftlingen beispielsweise war lange Zeit geheim.
Andererseits finde ich solche Mittel, wie die Botschaftsflüchtlinge hungern zu lassen und ihnen zuzumuten, öffentlich ihre Notdurft zu verrichtn, indiskutabel. Natürlich sollte das nicht nur diejenigen, die in der Botschaft Zuflucht suchten, zum Aufgeben zwingen, sondern es wurde ja im Westfernsehen gezeigt, sollte also potentielle weitere Flüchtlinge abschrecken. (Botschaft=Ständige Vertretung).
Mir fallen dazu die Bilder von Flüchtlingen aus Afrika ein. Wenn zB Italien sie zur Abschreckung so behandeln würde - wie wäre wohl das weltweite Echo?
Was mich am meisten entsetzt hat, war, daß damals in der Bundesrepublik diese Methode offenbar kein Aufsehen erregt hat. Ich konnte mich an diese Bilder auch nicht mehr erinnern, bevor ich sie jetzt, nach 25 Jahren, zufällig in der Wiederholung des "Wochenspiegel" gesehen habe.
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