Anmerkung: Mit "wir" meine ich natürlich die Deutschen. 4,5 Prozent der Leser von ZR sind in Österreich beheimatet, 3,9 Prozent in der Schweiz. Stabile Zahlen seit langem.
Vielleicht die Folge jahrzehntelanger Propaganda. Wer wie ich heute um die 40 jahre ist, und mithin in den 1980er Jahren in der Pubertät war, gewann damals beim Konsum der einschlägigen Medien den Eindruck, dass er das Jahr 2009 nie erleben würde.
Wer nun aber das Waldsterben, das Ozonloch und Tschernobyl überlebt hat, den schreckt die Klimakatastrophe nicht mehr, Lappalien wie die Schweinegrippe erst recht.
Tja, scheint mir Abstumpfung zu sein. Zu viele mediale "Säue" wurden schon mit lautem Gebrüll durchs Dorf getrieben, da guckt man halt irgendwann nichtmal mehr raus. Ich bin grade ein bissl stolz auf meine Landsleute ... wenn sie denn gelassener auf Hypes reagieren, kann ich nur sagen: Endlich!
Vielleicht schaffen wir es ja irgendwann sogar, mal einfach nur zufrieden zu sein (und dann natürlich weiterzumachen!).
Zitat von MarriexVielleicht die Folge jahrzehntelanger Propaganda. Wer wie ich heute um die 40 jahre ist, und mithin in den 1980er Jahren in der Pubertät war, gewann damals beim Konsum der einschlägigen Medien den Eindruck, dass er das Jahr 2009 nie erleben würde. Wer nun aber das Waldsterben, das Ozonloch und Tschernobyl überlebt hat, den schreckt die Klimakatastrophe nicht mehr, Lappalien wie die Schweinegrippe erst recht.
Ja, das klingt plausibel. Wir sind abgehärtet.
Zu Ihrer Jugend in den Achtzigern: Ich habe mich das oft gefragt, wie das eigentlich auf Kinder und Jugendliche wirkt, ständig mit dieser Angstmacherei und dem Katastrophengerede konfrontiert zu werden.
In meiner Jugend in den fünfziger Jahren gab es so etwas nicht; allenfalls, daß uns das Elend der "Kinder in Indien" und in Afrika nahegebracht wurde. Das fand ich schrecklich genug, und wir alle haben damals Albert Schweitzer bewundert. Auf die Frage nach dem Vorbild dürften damals die meisten Jugendlichen "Albert Schweitzer" geantwortet haben. Heute ist er fast vergessen.
Aber sonst versuchte man uns nicht mit dem ganzen Elend dieser Welt zu traktieren. Wie reagiert man als Jugendlicher, wenn einem eingetrichtert wird, daß die Wälder sterben, daß wir unseren Planeten zerstören, daß überhaupt alles ganz schlimm ist? Würde mich interessieren.
Zitat von Zettel Zu Ihrer Jugend in den Achtzigern: Ich habe mich das oft gefragt, wie das eigentlich auf Kinder und Jugendliche wirkt, ständig mit dieser Angstmacherei und dem Katastrophengerede konfrontiert zu werden. (...) Wie reagiert man als Jugendlicher, wenn einem eingetrichtert wird, daß die Wälder sterben, daß wir unseren Planeten zerstören, daß überhaupt alles ganz schlimm ist? Würde mich interessieren.
Lieber Zettel,
ich kann mir im Gegensatz zu ihnen nicht vorstellen, dass man als Jugendlicher nicht ständig mit der drohenden Apokalypse konfrontiert wird. In der DDR-Erziehungs-Indoktrination war es die ständige Bedrohung durch die "Imperialisten" und ihre willfährigen Büttel in Politik und Militär. Umwelt spielte da zwar keine Rolle ... aber man sah die Auswirkungen fehlender Umweltschutztechnik im eigenen Lande selbst. Graue Wäsche auf der Leine, staubbedeckte Autos und Fensterbänke.
Dazu kommt, in meinem Falle, noch der Empfang von westlichen Rundfunksendern. Sogar der "goldene Westen" steuerte angeblich auf den Untergang zu. Alles ganz furchtbar, "wenn wir so weitermachen". Ich weiß jetzt nicht, welche Horrormeldungen mich vor, und welche mich erst nach der Wende erreichten, daher würfel ich einfach mal aus dem Gedächtnis zusammen, was mich so in meiner Jugend bewegt hat, bzw mich bewegen sollte.
- Die Kinder in Afrika (Mozambique und Angola, wenn ichs recht erinnere). Was wollte ich da helfen! - Die Kinder in der SU, oder Polen (keine Ahnung, welches Land da gerade Schwierigkeiten hatte), aber ich sehe mich noch ganz genau einen Schlitten, vollgepackt mit meinen alten Teddys/Spielzeugen und frischen Würsten, durch den Schnee ziehen. - Das Waldsterben, welches Europa floral veröden lassen würde. - Tschernobyl, als industriell verursachtes Hiroshima. - Das Ozonloch, welches Australiens Einwohner allesamt an Hautkrebs verrecken lassen, und uns früher oder später auch erwischen würde.
Dazu immer wieder die Dürren in der Sahelzone, die Angst vor dem Versiegen des Erdöls, die Angst vor AIDS, Krebs etc. ... Ich habe in 20 Jahren einen dermaßen reichhaltigen Angstcocktail eingeflößt bekommen, dass ich mittlerweile wohl immun bin. Vielleicht macht mich das, nachdem ich zu viele "Angst-Blasen" erlebt habe, zu skeptisch oder verächtlich gegenüber veröffentlichter Meinung. Kann durchaus sein. Ist mir aber egal.
Keine Ahnung ob viele meiner Altersgenossen so denken, aber die intelligenten darunter sehen es bestimmt ähnlich.
Herzlich, Calimero
---------------------------------------------------- ... und im übrigen sollte sich jeder der sich um die Zukunft Sorgen macht, mal zehn-, bis zwanzig Jahre alte Sci-Fi-Filme ansehen.
Das finde ich, lieber Calimero, sehr interessant. Weil es in einem Punkt mein Bild bestätigt und mich ansonsten aber eher überrascht.
Als ich mich nach der Wiedervereinigung näher mit der DDR befaßt habe, ist mir deutlich geworden, daß man dort wohl in drei Welten lebte; sozusagen Paralleluniversen : Der offiziellen DDR, in der man in der FDJ sein, sich anpassen, Sprüche klopfen mußte. Zweitens in der Nische, wo man unter Freunden seine Meinung sagen und sich ein Privatleben einrichten konnte. Und drittens die Welt des Westens, die man im TV erlebte.
Als wir nach der Wiedervereinigung wieder persönlichen Kontakt mit Verwandten in der DDR hatten, konnte ich gar nicht glauben, was die alles über den Westen wußten. Es gab jemanden, der über die Bundesliga weit besser Bescheid wußten als ich. Automarken waren bis in die Einzelheiten geläufig, die Namen von Politikern.
Mich hat das zuerst beschämt, wenn ich es mit dem Wenigen verglich, was ich über die DDR wußte. Allmählich habe ich begriffen, daß man eben tatsächlich in dieser Welt des Westens lebte. Virtual Reality, längst erfunden, bevor es das im Web gab.
Was mich überrascht, lieber Calimero, ist, daß es auch in der DDR diese düstere Grundstimmung in der Jugend gab. Irgendwie hatte ich mir vorgestellt, daß Ihr eher fröhliche junge Menschen wart.
Aber nachgedacht hatte ich im Grunde nie darüber; jetzt, wo ich es bei Ihnen lese, leuchtet es mir alles sehr ein.
Es scheint leider schon zur "political correctness der politisch inkorrekten" zu gehören, jede in den Medien dargestellte potentielle Gefahr von vorneherein als übertriebene Panikmache abzutun. Dies ist aber ein klassischer logischer Trugschluss. Nur weil dies in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle tatsächlich so ist (vom Feinstaub-Schwachsinn bis zur linksgrünen AKW-Panikmache ) heisst das noch lange nicht, dass bestimmte Gefahren nicht eben doch "real" sein können.
Auch wenn die Medien tatsächlich fast immer maßlos übetreiben und Fehlalarme produzieren (allein schon aufgrund des Zwangs, täglich die Spalten füllen zu müssen): Das tatsächliche Gefahrenpotential kann dennoch immer nur im jeweiligen Einzefall mit dem enstprechenden Fachwissen beurteilt werden.
Nur weil im Dorf schon oft grundlos "Wolf" geschrien wurde, schliessen wir daraus: es gibt überhaupt keinen Wolf ?
Es wurde hier zum Beispiel die Schweinegrippe als "Lappalie" bezeichnet obwohl jeder, der sich auch nur ein wenig in den Grundlagen von Virologie/Epidemiologie oder auch nur Mathematik (Stichwort: exponentielles Wachstum) auskennt, genau weiß, daß diese Influenza-Pandemie in ihrem weiteren Verlauf weltweit mit hoher Wahrscheinlichkeit hunderttausende wenn nicht millionen Todesopfer fordern wird Sieht so eine Lappalie aus ?
Das eigentliche Problem der alltäglichen medialen Panikmache ist das Untergehen der wenigen tatsächlich relevanten Meldungen in der täglichen Flut der Fehlalarme ....
Zitat von ZettelWas mich überrascht, lieber Calimero, ist, daß es auch in der DDR diese düstere Grundstimmung in der Jugend gab. Irgendwie hatte ich mir vorgestellt, daß Ihr eher fröhliche junge Menschen wart. (...) Aber nachgedacht hatte ich im Grunde nie darüber; jetzt, wo ich es bei Ihnen lese, leuchtet es mir alles sehr ein.
Huch! So war das aber nicht gemeint! Wir waren genauso zukunftsoptimistisch wie jeder junge Mensch im deutschsprachigen Raum. Denke ich, nehme ich an.
Ich wollte lediglich darauf hinweisen, dass uns evtl. andere "Schreckensbilder" eingeimpft wurden (schon das Wort "eingeimpft" ist nicht richtig, ich finde aber gerade kein Besseres). Meine Schilderung betrifft lediglich mich, niemand sonst. Schon mein möglicher Medienkonsum war reichhaltiger, als der der meisten Landsleute (ich wohnte immer im Westberliner Sendebereich und meine Großmutter kam an "Zeitschriften-Bückware" ran).
Wahrscheinlich hat jeder Ex-DDR-ler da andere Erinnerungen. Es geht in ihrem Eröffnungs-Posting um die "neue deutsche Gelassenheit" und in meinem Kommentar um die "Schrecken" die ein Jugendlicher in den Achzigern so um die Ohren bekommen hat. "Fröhliche junge Menschen" waren wir trotzdem (so albern es klingt, ich empfehle den Film "Sonnenallee" um sich da rein zu fühlen, denn der trifft es ziemlich gut).
Genau wie unsere Altersgenossen in "Westdeutschland" haben wir aber jede Menge "Apokalypse-Warnungen" abbekommen. Bisher hat sich alles als Bullshit erwiesen, also ist mir um die Zukunft nicht bange. Die jetzt indoktrinierten Kids und Jugendlichen werden ihre derzeit allgegenwärtigen Mentoren auch irgendwann anzweifeln.
Herzlich, Calimero
---------------------------------------------------- ... und im übrigen sollte sich jeder der sich um die Zukunft Sorgen macht, mal zehn-, bis zwanzig Jahre alte Sci-Fi-Filme ansehen.
In Antwort auf:..dort wohl in drei Welten lebte; sozusagen Paralleluniversen : Der offiziellen DDR, in der man in der FDJ sein, sich anpassen, Sprüche klopfen mußte. Zweitens in der Nische, wo man unter Freunden seine Meinung sagen und sich ein Privatleben einrichten konnte. Und drittens die Welt des Westens, die man im TV erlebte.
Ich würde es etwas anders strukturieren, wenn ich mein Schulumfeld in Prag vor 64-67 beschreiben müßte:
Im realen Leben brauchten unabhängig denkende Menschen ein "abgestuftes Sicherheitskonzept" - je nach Situation, Anzahl und Art der Zuhörer, aktueller politischer Lage und persönlichem Mut wurde offener oder eben weniger offen/nicht gesprochen. Das funktionierte auch bei Unbekannten relativ gut - einige vorsichtige Stichwörter mit der "richtigen Reaktion" der Gegenseite oder auch nur einem Grinsen - und schon war ein gewisses Grundvertrauen aufgebaut. Kleidung und Haare wurden natürlich auch als "vertrauensbildende Maßnahme" gewertet.
Sprüche Klopfen war zu dieser Zeit (schon) nicht erforderlich, in diesen Jahre - auch etliche Lehrer haben da schon die "richtigen Signale" gesendet. Nur beim Abfragen der Lerninhalte mußten natürlich die "richtigen" Antworten geliefert werden. Manche haben das erledigt, indem sie den verlangten Inhalt distanziert wie ein Zitat deklamierten. An eine verlangte "Identifikation mit dem Inhalt" kann ich mich zuletzt in der Grundschule (1-9) erinnern, als ich offenbar zu teilnahmslos irgendein Lenin-Gedicht aufsagen mußte.
Zum Westfernsehen kann ich nichts sagen, das war nicht verfügbar. Nur Radio Freies Europa, Radio Luxembourg, die Stimme Amerikas, den Quelle-Katalog, eine Paralelle zum Intershop, Jeans, und natürlich Musik. Das war aber kein Paralelluniversum, eher etwas wie "Raumschiff Enterprice", eine fernes, verlockendes, rätselhaftes Etwas. Nichts von "dieser Welt".
Zitat von Bernd314Es scheint leider schon zur "political correctness der politisch inkorrekten" zu gehören, jede in den Medien dargestellte potentielle Gefahr von vorneherein als übertriebene Panikmache abzutun. Dies ist aber ein klassischer logischer Trugschluss. Nur weil dies in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle tatsächlich so ist (vom Feinstaub-Schwachsinn bis zur linksgrünen AKW-Panikmache ) heisst das noch lange nicht, dass bestimmte Gefahren nicht eben doch "real" sein können.
Auch wenn die Medien tatsächlich fast immer maßlos übetreiben und Fehlalarme produzieren (allein schon aufgrund des Zwangs, täglich die Spalten füllen zu müssen): Das tatsächliche Gefahrenpotential kann dennoch immer nur im jeweiligen Einzefall mit dem enstprechenden Fachwissen beurteilt werden.
Ich stimme Ihnen vollkommen zu, lieber Bernd. In ZR gibt es drei Artikel zur Schweinegrippe, in denen ich die Gefahr realistisch zu beurteilen versuche: Im April, Anfang Juni und noch einmal mehr aus der Sicht der Grundlagenforschung etwas später im Juni. Am Ende des letzten Artikels hieß es über Viren:
Zitat von ZRDiese Mutationsfähigkeit ist für sie ungefähr so lebenswichtig wie für den Hochstapler die Fähigkeit zur Verstellung. Denn ein Virus, das sich nicht ändert, ist bald ein Opfer der Immunabwehr. Nur Änderung sichert ihm einen Vorsprung vor dieser, bis sie aufgeholt und die passenden Antikörper entwickelt hat.
Das nun führt zu einer praktischen Konsequenz: Die Gefahr, die aus der Schweinegrippe kommt, ist keineswegs gebannt. Im Augenblick ist H1N1 nur hochinfektiös - die Gefahr einer Ansteckung ist groß, weil es in unserem Immunsystem an Antikörpern fehlt -, aber es ist nur schwach pathogen (führt in der Regel nicht zu einer schweren Erkrankung oder gar zum Tod). Aber mit jeder Mutation kann die Pathogenität drastisch zunehmen. Und die Immunabwehr ist dann immer noch schwach gegen H1N1.
Siehe auch die Diskussion in diesem Thread hier im Forum.
Zum jetzigen Artikel: Die Gesichtspunkte, die wir dort diskutiert haben, sind ja den meisten Menschen, die in einer Umfrage antworten, nicht bekannt. Sie sind gleichermaßen besorgt, wo es keinen Grund zur Sorge gibt - bei BSE, Genfood, Handystrahlen, jetzt gar Fleisch von geklonten Tieren - wie auch bei realen Gefahren. Um diese als solche zu erkennen, braucht man Wissen und wissenschaftliches Urteilsvermögen.
Insofern glaube ich, daß die zitierte Umfrage doch schon ein unterschiedliches Gefühl subjektiver Sicherheit in den einzelnen Ländern widerspiegelt, und nicht ein unterschiedliche epidemiologisches Fachwissen in der Bevölkerung. Dieses dürfte in Bolivien kaum höher sein als in Österreich.
leider ist in bezug auf die Kernenergie von der Gelassenheit, die Sie für uns Deutsche gemeinsam mit mir erhoffen, noch wenig zu spüren, wie die Aufregung über das in den Medien als "Störfall" behandelte Ereignis der Stufe INES 0 im KKW Krümmel gezeigt hat. In dem seinerzeitigen Standardwerk "Sozialpsychologie" (das ich wegen seines lebendigen und spannenden Stils damals förmlich verschlungen habe) hat Peter R. Hofstätter auf die verblüffende Tatsache hingewiesen, dass ein Problem um so aktueller ist, je einseitiger die Informationen darüber sind. Sobald widersprechende Argumente auftauchen und zu inhaltlichen Kontroversen führen (etwa die Behauptung, die Schweinegrippe sei eine Erfindung der pharmazeutischen Industrie) , fühlen sich viele überfordert, angesichts widersprüchlicher Argumente selbst Stellung zu beziehen und halten sich dann mit einem "Die wissen ja selbst nicht, was los ist" in der Debatte zurück. Die ersten Berichte über die Schweinegrippe liegen bereits eine Weile zurück, aber praktisch niemand wurde bislang bei uns mit ihr infiziert, niemand kennt einen Erkrankten, und die Freunde und Bekannten kennen auch keinen. Tatsächlich habe ich ebenfalls die Eigenschaft, all den Problemen mit geradezu olympischer Gelassenheit gegenüber zu stehen, von denen ich lediglich durch die Medien, nicht aber aufgrund eigenen Erlebens erfahren habe. Das hatte und hat zur Folge, dass ich kaum jemals die Betroffenheit und Empörung empfinden und anderen demonstrieren konnte, die ich nach Auffassung der Öffentlichkeit (Politik, Medien, Kollegen etc.) beispielsweise bei Döner-Gammelfleisch oder synthetischem Käse eigentlich hätte zeigen sollen, was mich bereits öfter im Kreise der Wohlmeinenden isoliert hat. Mit Grausen erinnere ich mich an ein Fortbildungsseminar zur Zeit des Nato-Doppellbeschlusses, als alle anderen Teilnehmer der Auffassung waren, dass der Dritte Weltkrieg wegen der aggressiven Aufrüstungspolitik der NATO unmittelbar vor der Tür stünde und ich als einziger unbelehrbar verkündete, dass ich dafür weit und breit keinerlei Anzeichen erkennen könne. Ähnlich geht es mir in bezug auf die Folgen des Klimawandels. Dass Sylt eines Tages in den Fluten versinken werde, wurde bereits verkündet, als ich noch ein Kind war und alle Welt eine kommende Eiszeit erwartete.
Selbstverständlich ist mir klar, dass ich hinsichtlich meiner hohen Gewichtung der persönlichen Erfahrung auch gefährlich daneben liegen kann. Das Virus H1N1 wird sich nach einer auch von Ihnen, lieber Zeittel, für möglich gehaltenen Mutation über meine Sorglosigkeit wahrscheinlich die Hucke voll lachen. Allerdings würden mir eine größere Vorsicht auch nicht viel nützen, da ich als Rentner ohnehin erst als letzter geimpft werde, wie die von mir jeden Morgen beim Brötchenkauf mit Behagen zur Kenntnis genommene Schlagzeile von BILD gestern kund getan hat.
schön wäre es, wenn Sie Recht mit Ihrer Analyse hätte, aber ich bezweifel das, denn meine Beobachtungen sind, dass die Deutschen insgesamt ein größeres Desinteresse an allgemeinen Geschehnissen an den Tag legen.
In dem Threat hier wurde geschrieben, dass eine Generation mit ständiger Panikmache über irgendetwas groß wurde. Das stimmt einerseits, aber andererseits wurde eben diese Genration im Westen in einer Zeit groß, in der es wirtschaftliche Probleme nicht wirklich gab. Dies prägte meines Erachtens diese Generation, in der auch ich groß wurde. Es gab einfach keine großen Probleme oder gar Zukunftssorgen. Nichts umsonst wird diese Generation auch die Spaßgeneration genannt. Das änderte sich dann von jetzt auf gleich. Sieht man sich die heutigen Studenten an, dann ist es nicht mehr so, dass die Mehrheit unbeschwert ihre Studienzeit genießt. Die jungen Studenten ackern, weil sie Angst haben, sonst ihre Zukunft zu verbauen. Auch soziales oder politisches Engagement ist bei diesen in weitem Maße auf der Strecke geblieben, weil sie denken, keine Zeit dafür zu haben und besser die Zeit ins Studium investieren. Diese Generation hat einen viel größeren Druck als wir, die zwar zu den Zeiten des Waldsterbens und des Eisernen Vorhanges groß wurden, aber keine Sorgen um unsere wirtschaftlichen Existenzen hatten, weil das einfach kein verbreitetes Problem war.
Wenn ich mich heute umschaue, dann schlägt mir von allen Seiten Resignation entgegen was die Politik anbelangt. Die Auffassung, dass der Karren Deutschland immer mehr vor die Wand gefahren wird, überwiegt. In meinem Umfeld haben viele Deutschland verlassen und die wenigstens von denen, die noch hier sind, engagieren sich in der Politik. Selbst bei denen, die sich engagieren – ob beruflich oder privat - herrscht die Auffassung, in unserem Land läuft politisch zu viel schief und viele fühlen sich vom Staat ausgebeutet und spielen mit dem Gedanken, weg zu gehen. Dies führt dann auch dazu, dass die meisten ihr Ding machen und sich ansonsten einfach „zurückziehen“. Was um sie herum geschieht, interessiert nicht mehr so wirklich, da es als unbeeinflussbar und gerade die Rahmenbedingungen als negativ gesehen werden.
Dies führt natürlich dann auch dazu, dass Geschehnisse jenseits der Politik nur noch bedingt interessieren. Ich glaube, viele sind einfach desinteressiert geworden. Dies ist bei den Franzosen nach meiner Beobachtung nicht so ausgeprägt. Was nimmt das Land Anteil an den Generalstreiks. Oder die Italiener, welche immer noch leidenschaftlich über Politik diskutieren auf die ihnen eigene Art. Und die Schweiz und Österreich sind ganz oben an der Spitze der Einwanderungsländer für Deutsche, weil da die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, Steuern etc. sehr viel besser sind. Nicht umsonst wird in der Schweiz darüber diskutiert, ob ein Einwanderungsstop verhängt werden soll.
Die Deutschen sind nach meiner Beobachtung leidenschaftsloser geworden und deshalb vermute ich, interessiert auch die Schweinegrippe nicht wirklich. Solange die irgendwie vereinzelt und nicht im direkten Umfeld verbreitet ist, ist sie nur ein Problem unter vielen, was man eh nicht ändern kann, also "fügt man sich", wie auch in alles andere und beschäftigt sich erst gar nicht mehr damit. Das ist mein persönlicher Eindruck - nicht Gelassenheit, sondern allgemeines Desinteresse resultierend aus Resignation.
"Als wir nach der Wiedervereinigung wieder persönlichen Kontakt mit Verwandten in der DDR hatten, konnte ich gar nicht glauben, was die alles über den Westen wußten."
Das ging mir auch so, allerdings nicht erst nach der Wiedervereinigung, da ich vorher schon einige Male in der DDR war. Wie es sich in der DDR lebte, konnte ich auch erst bei diesen Besuchen erfahren. Umso erstaunter war ich dann auch, dass die Bürger in der DDR sehr viel mehr über uns wußten.
Ungelt
(
gelöscht
)
Beiträge:
19.07.2009 12:18
#14 RE: Marginalie: Die neue deutsche Gelassenheit
In Antwort auf:Und man sieht es an der Angst vor der Schweinegrippe. Oder vielmehr deren Abwesenheit.
Die lokale SZ Beilage berichtet, daß in einer Nachbargemeinde ein Schweinegrippefall und zwei Verdachtsfälle aufgetreten sind. Man könnte denken - die Einschläge kommen näher. Nur: da steht auch, daß es sie zuhause auskuriert hat! (Also es auch durfte!) So schlimm wird es also nicht sein.
Ich war einmal sehr wissenschaftsgläubig, ein typisches Produkt der Aufklärung. Durch die Mischung von solider Wissenschaft mit dem sonstigen Müll, der in den Medien als Wissenschaft deklariert wird, gibt es leider kaum noch Informationen, denen man trauen kann. Da gehe ich, wie Friedel.B, auch zunächst davon aus, daß es wieder einmal nicht stimmt und habe dabei die Statistik auf meiner Seite.
Sicher kann man sich einmal irren, nur - zehnmal eine Falschinformation hinterherzulaufen bleibt auch nicht ohne Wirkungen und Nebenwirkungen. Bis hin zur Öl- und Gasabhängigkeit, dem technologischen Rückstand, dem Brain-Drain usw.
Der Mensch muß täglich Entscheidungen treffen, er kann nicht warten, bis irgendwann die Richtigkeit einer Theorie erwiesen oder widerlegt wird. Wenn die Entscheidung zu spät fällt, ist sie nutzlos. Es bleibt nur das Fingerspitzengefühl. Als Entscheidungshilfe dient mir auch die Art und Weise, wie eine Theorie verbreitet oder bekämpft wird, siehe z.B. das Klima-Drama. Nicht belastbar, natürlich, ich kenne aber keinen anderen gangbaren Weg.
Ich halte die Zahlen auch für den Ausdruck von Resignation und Desinteresse, wie Stefanie. Sie kann aber trotzdem heilsam sein, möglicherweise der Weg zur Gelassenheit. Nur um die solide Wissenschaft ist es schade.
In Antwort auf: In ZR gibt es drei Artikel zur Schweinegrippe, in denen ich die Gefahr realistisch zu beurteilen versuche:
Das Stimmt ! Das ist es auch was ich u.A. an ZR so sehr schätze: der differenzierte (wissenschaftlich statt ideologisch motivierte) Umgang mit den Themen. (Am Beispiel eines anderen heißen Themas, zeigt sich dies übrigens auch sehr schön in Ihrem Standpunkt als "Klima-Agnostiker", IMO der einzige wirklich rational vertretbare Standpunkt
Mein Kommentar bzgl. "Schweinegrippe als Lappalie" bezog sich auch nicht auf die Artikel im ZR sondern auf Aussagen, die in einem Kommentar dazu zu finden waren.
In Antwort auf:..zeigt sich dies übrigens auch sehr schön in Ihrem Standpunkt als "Klima-Agnostiker", IMO der einzige wirklich rational vertretbare Standpunkt..
Ich bitte um Entschuldigung, daß ich mich einmische, aber ich stelle nur eine einzige Frage:
Was empfehlen sie einem Abgeordneten, der über ein "Klimaschutzpaket" abstimmen muß, in einem Umfang von -zig Milliarden?
Ich habe mich das oft gefragt, wie das eigentlich auf Kinder und Jugendliche wirkt, ständig mit dieser Angstmacherei und dem Katastrophengerede konfrontiert zu werden.
Ich hab es überlebt.
Wir sind abgehärtet.
Da bei den Angehörigen meiner Alterkohorte mit meinem Bildungshintergrund die Grünen wohl am meisten Zuspriuch erhalten, muss ich leider sagen, dass meine mit etwa 30 begonnene ideologische Selbstbefreiung nicht eben typisch ist.
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