Im neuen amerikanischen Mondprogramm stehen Entscheidungen an. Anlaß, das sowjetische und das amerikanische Mondprogramm und generell die bemannte Raumfahrt in den beiden Ländern zu vergleichen:
Die sowjetische Raumfahrt war ein vom Politbüro kontrolliertes Unternehmen, dessen Hauptziel politische Propaganda war (ein zweites Ziel militärische Nutzung). Das hatte einen Vorteil und einen Nachteil.
Der Vorteil war, daß für genehmigte Projekte nahezu unbegrenzte Geldmittel und Ressourcen zur Verfügung standen.
Der Nachteil war, daß die Ingenieure ständig unter dem Druck standen, Erfolge und "Ersttaten" zu liefern. Das führte dazu, daß man extreme Risiken einging; völlig unvorstellbar in einer freien Gesellschaft.
Die Wahrscheinlichkeit, daß Gagarin lebend zurückkommen würde, wurde beispielsweise vor dem Flug mit 47 Prozent geschätzt. Seine Wostok-Kapsel taumelte; beim Wiedereintritt wäre er fast ums Leben gekommen. Der erste Flug einer Soyuz endete mit dem Tod des Kosmonauten Komarow. Fast nichts hatte funktioniert. Welches Risiko man einzugehen bereit war, um den USA doch noch beim Flug zum Mond zuvorzukommen, habe ich in dem Artikel beschrieben.
Die amerikanischen Ingenieure hatten und haben den Vorteil, daß auf sie nicht ein solcher aberwitziger Druck ausgeübt wurde und wird. Sie konnten ungleich mehr Wert auf Sicherheit legen. Während der Projekte Mercury, Gemini und Apollo ist kein Astronaut im Einsatz ums Leben gekommen. (Drei Astronauten bei einem Test auf dem Boden).
Der Nachteil für die US-Ingenieure ist, daß die Finanzierung der Projekte ständig ungewiß ist und oft kurzfristig umgeworfen wird. Das gibt der amerikanischen Raumfahrt etwas Unstrukturiertes. Das Apollo-Projekt wurde ohne Anschlußprojekt beendet; die Ressourcen wurden zur Shuttle-Konstruktion umgeleitet. Jetzt gibt es für den Shuttle keinen Nachfolger (obwohl das eine Zeitlang als selbstverständlich gegolten hatte; es gab schon eine Ausschreibung).
Stattdessen wurde das Projekt Constellation entworfen und genehmigt, für das bereits 2006 die Kontrakte mit Herstellerfirmen geschlossen wurden. Es sollte ein Transportsystem zur ISS und ein Mondlandeprojekt umfassen.
Seither läuft dieses Projekt mit Hochdruck. Und am Ende könnte alles für die Katz gewesen sein. Denn Präsident Obama hat eine Kommission eingesetzt (
Augustine Commission), die alles neu prüfen soll. Der Kongreß plant Mittelkürzungen.
Am Ende könnte das ganze Projekt den Bach runtergehen und nur eine Variante wie aus dem Bastelclub übrigbleiben: Man nimmt den Tank und die Booster des Shuttle, hängt daran aber kein Shuttle, sondern eine Rakete. Damit schickt man eine Mondfähre in eine Mondumlaufbahn und mit einem zweiten Start eine Art Apollo-Kapsel. Diese verbinden sich in der Mondumlaufbahn, die Mannschaft steigt in die Fähre um und landet auf dem Mond.
Also das perfekte Remake von Apollo. Mit so gut wie keinen Ausbaumöglichkeiten.
Shuttle-Derived Heavy Lift Launch Vehicle soll das Transportgerät für diese Variante heißen, und es wäre alles wunderbar billig, was sicher Präsident Obama und den Kongreß freuen wird.
Nur - wozu man rund ein halbes Jahrhundert später das machen solle, was man damals ebenso gut mit weiteren Apollo-Flügen hätte erreichen können, das bleibt im Dunkeln. Oder auch nicht: Es geht ja nur darum, den Chinesen zuvorzukommen. Und das, unter Präsident Obama, so billig wie möglich.
Dieses Mondprogramm aus der Bastelkiste würde ungefähr 6,5 Milliarden Dollar kosten; kaum mehr als halb so viel wie der geplante
neue Flugzeugträger "Gerald Ford" der
US Navy.