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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 2 Antworten
und wurde 553 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

31.07.2009 02:23
Peter Zadek Antworten

Regelmäßige Leser von ZR wissen, daß ich mich gelegentlich sehr kritisch über das Regietheater geäußert habe. Peter Zadek wird oft als einer von dessen Begründern in Deutschland genannt: Als jemand, der nicht "werkgetreu" inszeniert, sondern die Stücke zum Spielplatz seiner Regieeinfälle gemacht hätte.

Mit den Auswüchsen des modernen Regietheaters hat Zadek aber nichts zu tun; ihn trifft daran keine Schuld.

Statt eines Nachrufs habe ich in dem Artikel Erinnerungen an Zadeks Zeit in Bochum aufgeschrieben; die Details konnte ich einfügen, weil meine Frau, damals ebenso Zadek-begeistert wie ich, die Programme und Kritiken aus diesen Jahren archiviert hat.

Ja, es stimmt, Zadeks Inszenierungen der Klassiker verließen ausgetretene Pfade. Aber er inszenierte mit einem ungeheuren Respekt für das Werk, für den Autor. Seine Inszenierungen von Ibsen, Wedekind und Tschechow waren sorgfältig und realistisch; im Ambiente, in den Kostümen der Zeit. Shakespeare aber sah er als einen bunten, vielschichtigen, turbulenten Autor.

So inszenierte Zadek ihn: Als großes Welttheater, in dem es - wie in der richtigen Welt - drunter und drüber geht, wo sich Freude und Leid, Tragik und absurder Witz mischen.

In seiner großen "Othello"-Inszenierung - schon in Hamburg produziert; aber sie war auch in Bochum zu sehen - geht es in der Mordszene am Ende zu wie in einem Comic. Viele im Publikum lachten; man mußte einfach lachen. Und zugleich war es erschütternd, wie dieser rasende, dieser außer sich geratene Mann wütete.

Stitch Jones Offline




Beiträge: 86

31.07.2009 11:34
#2 RE: Peter Zadek Antworten

Als Zadek in Bochum war, war ich zu jung, um irgendetwas davon mitzubekommen. Aber der Ruf, den er in meiner Heimatstadt geniesst, ist immer noch tadellos. Deswegen hat man gestern hier tatsächlich ein wenig getrauert.

Kleine Randnotiz: die Lagerhalle, in der damals der Hamlet aufgeführt wurde, steht quasi schräg hinter meinem Wohnhaus, und ist vor ein paar Jahren abgebrannt (und durch einen hässlichen Zweckbau, der mittlerweile das Bochumer Wahlamt beherbergt, ersetzt worden). Bis gestern nachmittag wusste ich nicht, dass ich da in 50 Meter Entfernung von einer stadtgeschichtlich bedeutenden kulturellen Legende lebe...

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

31.07.2009 15:58
#3 RE: Peter Zadek Antworten

Zitat von Stitch Jones
Als Zadek in Bochum war, war ich zu jung, um irgendetwas davon mitzubekommen. Aber der Ruf, den er in meiner Heimatstadt geniesst, ist immer noch tadellos. Deswegen hat man gestern hier tatsächlich ein wenig getrauert.

Ja, damals - ungefähr zwischen Anfang der sechziger und Mitte der siebziger Jahre - hat sich Bochum tief gewandelt, auch in seinem Selbstbewußtsein.

Es war ja die Zeit der Bergbau- und dann der Stahlkrise; und kaum eine Stadt des Ruhrgebiets hat sie so gut gemeistert wie Bochum.

Erst gelang die Ansiedlung von Opel in Langendreer; dann wurde man zur Universitätsstadt (und war sehr, sehr stolz darauf); dann, 1971, stieg der VfL in die Bundesliga auf; und 1972 schließlich kam Zadek.

Es war eine Zeit des Umbruchs, der Zukunftshoffnung. Die Kneipen boomten (allein in der kurzen Brückstraße dürften es damals ein knappes Dutzend gewesen sein). Überall machten Boutiquen auf. Diese Stimmung traf Zadek genau.
Zitat von Stitch Jones
Kleine Randnotiz: die Lagerhalle, in der damals der Hamlet aufgeführt wurde, steht quasi schräg hinter meinem Wohnhaus, und ist vor ein paar Jahren abgebrannt (und durch einen hässlichen Zweckbau, der mittlerweile das Bochumer Wahlamt beherbergt, ersetzt worden). Bis gestern nachmittag wusste ich nicht, dass ich da in 50 Meter Entfernung von einer stadtgeschichtlich bedeutenden kulturellen Legende lebe...

Tja ...

Inzwischen, lieber Stitch Jones, ist es ja nix mehr Besonderes, wenn ein Theater mal in einer Fabrik, einer UBahn-Station oder wer weiß wo spielt. Damals war es aber schon ein sehr eigenariges Erlebnis. Man saß auf Holzstühlen, im Halbkreis aufgebaut. Eine "Bühne" gab es nicht. Die Schauspieler agierten sozusagen vor der Nase des Publikums, liefen auch schon mal ins Publikum hinein. Die Action war mal hier, mal da. Man mußt sich ständig drehen und die Hälse recken.

Die eindrucksvollste Inszenierung von Zadek war das für mich aber nicht. Das waren 1)"Kleiner Mann, was nun?", weil es die erste Begegnung mit Zadek war, und weil es ungemein Spaß machte, trotz des traurigen Themas; 2) "Hedda Gabler", die sorgfältigste Inszenierung, die ich überhaupt je in irgendeinem Theater gesehen habe; 3) der "Kaufmann von Venedig" - vermutlich näher an Shakespeare als alle die "klassischen" Aufführungen, die sich viel mehr an Schlegel/Tieck und der deutschen Romantik orientierten als an Shakespeare.

Herzlich, Zettel

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